Reliklausur Thema „Eschatologie“
13/2 ( 2 Schulstd. )
Vorliegender Text:
S. Freud: Die Zukunft einer Illusion
Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud ( 1856-1939 ), hat den Glauben an Gott und die Unsterblichkeit als Neurose und Illusion gedeutet.
Wie für die Menschheit im ganzen, so ist für den einzelnen das Leben schwer zu ertragen. Ein Stück Entbehrung legt ihm die Kultur auf, an der er teilhat, ein Maß Leiden bereiten ihm die anderen Menschen, entweder trotz der Kulturvorschriften oder infolge der Unvollkommenheit dieser Kultur. Dazu kommt, was ihm die unbezwungene Natur- er nennt es Schicksal -an Schädigung zufügt.
So wird ein Schatz von Vorstellungen geschaffen, geboren aus dem Bedürfnis, die menschliche Hilflosigkeit erträglich zu machen, erbaut aus dem Material der Erinnerungen an die Hilflosigkeit der eigenen und der Kindheit des Menschengeschlechts. Es ist deutlich erkennbar, dass dieser Besitz den Menschen nach zwei Richtungen schützt, gegen die Gefahren der Natur und des Schicksals und gegen die Schädigungen aus der menschlichen Gesellschaft selbst. Im Zusammenhang lautet es: Das Leben in dieser Welt dient einem höheren Zweck, der zwar nicht leicht zu erraten ist, aber gewiß eine Vervollkommnung des menschlichen Wissens bedeutet.(...)
Über jedem von uns wacht eine gütige, nur scheinbar gestrenge Vorsehung, die nicht zuläßt, dass wir zum Spielball der überstarken und schonungslosen Naturkräfte werden; der Tod selbst ist keine Vernichtung, keine Rückkehr zum anorganisch Leblosen, sondern der Anfang einer neuen Art von Existenz, die auf dem Weg der Höherentwicklung liegt. Und nach der anderen Seite gewendet, dieselben Sittengesetze, die unsere Kulturen aufgestellt haben, beherrschen auch alles Weltgeschehen, nur werden sie von einer höchsten richterlichen Instanz mit ungleich mehr Macht und Konsequenz behütet.(...)
(...)das Leben nach dem Tode, das unser irdisches Leben fortsetzt, wie das unsichtbare Stück des Spektrums dem sichtbaren angefügt ist, bringt all die Vollendung, die wir hier vielleicht vermisst haben. Und die überlegene Weisheit, die diesen Ablauf lenkt, die Allgüte, die sich in ihm äußert, die Gerechtigkeit, die sich in ihm durchsetzt, das sind die Eigenschaften des göttlichen Wesens, die auch uns und die Welt im ganzen geschaffen haben. Oder vielmehr des einen göttlichen Wesens, zu dem sich in unserer Kultur alle Götter der Vorzeiten verdichtet haben.
Wenden wir uns nach dieser Orientierung wieder zu den religiösen Lehren, so dürfen wir wiederholend sagen: Sie sind sämtlich illusorisch, unbeweisbar, niemand darf gezwungen werden, sie für wahr zu halten, sie zu glauben. Einige von ihnen sind so unwahrscheinlich, so sehr im Widerspruch zu allem, was wir mühselig über die Realität der Welt erfahren haben, dass man sie- mit entsprechender Berücksichtigung der psychologischen Unterschiede -den Wahnideen vergleichen kann. Über den Realitätswert der meisten von ihnen kann man nicht urteilen. So wie sie unbeweisbar sind, sind sie auch unwiderlegbar.
Aufgabenstellung:
1) Fassen Sie die wichtigsten Aufgaben dieses Textes zusammen. Beachten Sie dabei, von welchen Voraussetzungen Freud ausgeht. Wie kritisiert er den Unsterblichkeitsglauben?
2) Entwickeln Sie eine Gegenposition, die die zentrale Streitfrage aufnimmt. Welche Konsequenzen für die Lebensführung des Individuums ergeben sich je nach den beiden Positionen?
3) Stellen Sie hinduistische oder buddhistische und christliche Vorstellungen von dem, was nach dem leiblichen Tod geschieht, je in ihren Eigenarten vor. Beschreiben Sie insbesondere das damit je verbundene Menschenbild sowie die Geschichtsauffassung und bewerten Sie beides.
4) Der evangelische Theologe Heinz Zahrnt schreibt ( in seinem Buch“Warum ich glaube“, S.417 ):
(...) „ (Die)Entmythologisierung des Todes ist christlich. Denn der christliche Glaube gibt primär nicht Antwort auf die Frage nach dem Tod des Menschen, sondern nach dem Grund und Ziel seines Lebens. Vom Leben des Menschen kann sinnvoll und glaubhaft aber nur reden, wer auch seinen Tod einschließt.“
Interpretieren Sie diese Sätze. Beziehen Sie begründet Position zu Zahrnts Aussage.
Stellen Sie in diesem Zusammenhang auch Ihre eigenen Vorstellungen von dem, was nach dem physishen Tod geschieht, nachvollziehbar dar.
Add 1)
Sigmund Freud betrachtet in seiner Analyse „Die Zukunft einer Illusion“ den Unsterblichkeitsglauben des Menschen und somit die Eschatologie als Illusion und Neurose. Als Ausgangspunkt sieht er das für den Menschen schwer erträgliche Leben, was weitläufig durch zwei Faktoren beeinflusst wird. Zum einen ihm Entbehrung durch die Kultur auferlegt, zum anderen wird ihm Leiden verursacht durch das Zusammenleben mit anderen Menschen. Letzter Punkt geschieht entweder durch die Oktroyierung von Kulturvorschriften oder aufgrund der Unvollkommenheit der Kultur. Diesem sei noch der Einfluss des Schicksals hinzuzufügen. Dieser Basis zu Folge hat der Mensch ein unmittelbares Bedürfnis, sein von Hilflosigkeit gekennzeichnetes Leben erträglicher zu machen. Er schafft sich „einen Schatz von Vorstellungen“, der ihm als Schutz in zweierlei Richtungen dient, zum einen gegen die Gefahren der Natur und des Schicksals, zum anderen gegen die Schädigung, die er durch die menschliche Gesellschaft erfährt. Hinzuzufügen ist noch, dass diese Hilflosigkeit des Menschen noch aus Motiven seiner Hilflosigkeit im Kindesalter und der Kindheit des Menschengeschlechts wurzelt. Religiöse Vorstellungen haben also nach Freud infantilen Charakter.
Als Folge dieser Schaffung von Jenseitsvorstellungen dient das menschliche Leben einem höheren Zweck, der Vollkommenheit des menschlichen Wesens. Daraus resultiert das weiteren, dass eine höhere Instanz über den Menschen wacht, dieselben Sittengesetze befolgt, nur mit sehr viel größerer Macht und Konsequenz. Für den Menschen bedeutet dies, dass sein „Tod nicht bloße Vernichtung“ darstellt sondern den „Anfang einer neuen (...) Existenz“, eine Fortsetzung des Irdischen Lebens, die ihm die Möglichkeit all der Vollendung bringt, die ihm auf Erden nicht möglich war. Die Eigenschaften Gottes sind für den Menschen durch Weisheit, Überlegenheit, Allgüte und Gerechtigkeit gekennzeichnet. Wenn man diese nach Freud offensichtlichen Projektionen des Menschen auf religiöse Lehren überträgt, so muss man seiner Meinung nach feststellen, dass diese Illusionen sind und folglich niemand gezwungen werden dürfe sie zu glauben. Sie stünden konkret in Widerspruch zu auf Realität beruhenden Erfahrungen im Leben, viele seien daher „mit Wahnideen zu vergleichen“. Über den Realitätswert ihrer dürfe man jedoch nicht urteilen, da sie auch unwiderlegbar sind. ( 20/20 Punkte )
Add 2)
Die Position Freuds ist eine eher wissenschaftlich erörterte, die auf rationalen Erfahrungen beruht. Eschatologie sei nur ein „Schatz an Vorstellungen“, den der Mensch im Zuge seines Schutzbedürfnisses und seiner Hilflosigkeit, akkumuliere. Er schafft sich eine Fortsetzung seines Lebens im Jenseits, auf die er all seine Hoffnungen im Trachten nach Vollendung und Vollkommenheit, die im Diesseits nicht erfüllt wurde, setzen kann. Somit seien diese religiösen Lehren eine Illusion, ein Widerspruch zur Realität im menschlichen Leben. Sehr gut kann man die freudsche Position mit der Feuerbachs in Verbindung bringen, der zu Folge die Religion nur eine Projektion sei, ein Umweg, den der Mensch aus Unzufriedenheit im Leben geht, wonach er am Ende das Jenseits im Spiegel des Diesseits sieht, quasi ebenfalls eine Illusion. Wenn man diesen Zusammenhang sieht, kann man auch für Freuds These Küngs Position als Gegenthese setzen. Küng konstatiert, dass Projektionen im Leben des Menschen möglich seien. Der Mensch wird durch sein Glückseligkeitsstreben und seinen Selbsterhaltungstrieb beeinflusst und überträgt auch Züge seines eigenen Wesens und Charakters in seine Jenseitsvorstellung, jedoch beweist dies nicht die Nicht-Existenz eines Jenseits und eines Gottes. Eine Hoffnung kann also auch ein konkretes Ziel im Hintergrund haben. Der Gegensatz zwischen beiden Positionen besteht im wesentlichen zwischen der rationalen Erfahrung Freuds und Feuerbachs auf der einen und einer spirituellen, im Glauben an Gott entstehenden, Erfahrung auf der anderen Seite. Bei Freud ergibt sich für das Individuum die Konsequenz, dass ihm/ihr auf der einen Seite die Hoffnung auf das Jenseits und somit auf ein vollkommenes Leben frei von allen Sorgen im Diesseits genommen wird, bedingt durch rationale Argumente. Auf der anderen Seite bewirkt dies, dass, wie Lott feststellte, diese „Transzendenzerfahrung“ auf eine andere Art und Weise zur Geltung kommen sollte und zwar indem der Mensch nicht seine Kraft und Energie in die Hoffnung auf das Jenseits investiert, sondern in die Gestaltung und Erfüllung im Diesseits. Die Gegenposition erhält die Hoffnung auf ein „Leben nach dem Tode“ aufrecht, sie erkennt zwar die Funktion von Projektionen an, sieht aber auch ein klares Ziel dahinter. Im Gegenzug kann dies jedoch auch bedeuten, was Freud bemängelte, dass der Mensch sich in zu starkem Maße auf die Vollkommenheit im Leben fixiert und, wie Lott sagt, die Anlehnung an die Religion an der Lebensrealität vorbeigeht. ( 20/20 Punkte )
Add 3)
Ein für den Hinduismus geltendes Prinzip ist das Karma, das Vergeltungsgesetz. Man kann es sich als Instanz vorstellen, die nach dem Tode des Menschen über dessen Werdegang im vorherigen Leben urteilt und dem zu Folge die Entscheidung fällt, ob der Mensch in einem hierarchisch angelegten Kastensystem der sozialen Klassifizierung eine Kaste auf oder absteigt in seinem kommenden Leben. Dies impliziert zugleich das nächste obliegende Prinzip, das der Reinkarnation und der Seelenwanderung. Die Seele wandert so lange und wird wiedergeboren bis sie erlöst ist. Am Ende dieser Seelenwanderung steht also die Erlösung, das Eingehen in das All-Eine. In Bezug auf die Geschichtsauffassung kann man also festhalten, das sich dieses Prinzip in Form eines Kreises vollzieht. Für das Individuum bedeutet dies, dass er/sie sich im Leben durch Erfüllung der Pflicht, die der jeweiligen Kaste obliegt, für den Aufstieg in die nächsthöhere Kaste qualifizieren muss. Er/sie hat also zwei Ziele vor Augen. Zum den Aufstieg in die nächste Kaste, zum anderen die endgültige Erlösung, das Eingehen in das All-Eine. In unserer Kultur wird dieses Prinzip für den Menschen oftmals als Zwang empfunden und als Widerspruch zum Prinzip der Nächstenliebe und göttlichen Vergebung, da nach dem Tode gnadenlos „abgerechnet“ wird. Unterstützt wird dieses Argument, wenn man von der Dialektik von gut und böse ausgeht, die im Menschen innewohnt, die in Frage stellt, ob der Mensch sein Leben durch das Begehen von guten Taten derart steuern kann. Man sollte jedoch bedenken, dass es aus unserer Sicht immer schwer ist, über fremde Kulturen und Religionen zu urteilen, da uns die individuelle Erfahrung im täglichen Leben hierzu fehlt, zum anderen wird durch den „Zwang“ gute Taten vollbringen zu müssen, das Prinzip der Nächstenliebe und das sich im Leben unmittelbar zu verwirklichen unmittelbar gefördert. Im Christentum geht man von der Erlösung durch Jesus aus, der auf die Welt gekommen ist, „um uns von unseren Sünden zu befreien“. Oberstes Prinzip ist im Christentum das Ewige Leben, eine Vergeltung existiert, wie im „Vom Weltgericht“ deutlich wird, ebenfalls, jedoch nicht nach den Mustern des Karmas. In dieser wird ein allmächtiger, gerechter Gott gezeigt, der Solidarität mit den Armen und Schwachen zeigt: „Was Du meinem Geringsten getan hast, das hast Du auch mir getan.“ Somit wird auch hier der Mensch am Tag des „jüngsten Gerichts“ nach guten und schlechten Taten im Leben beurteilt. Er hat auch hierfür im Leben mit den 10 Geboten einen Orientierungsmaßstab, ihm steht im Leben aber freie Entfaltungsmöglichkeit zu. Der Wert, der er im Leben in seinem Leben, wird in die Transzendenz übertragen. Die individuelle Gestaltungsfreiheit sowie die Vorstellung eines gütigen und gerechten Gottes kommt unserer Einstellung entgegen, jedoch geschieht, wie bemängelt, eine zu starke Werteverlagerung auf das „perfekte“ Leben nach dem Tode, gesellschaftliche Einflüsse tragen dieser Entwicklung Rechnung. ( 25/25 Punkte )
Add 4)
Heinz Zahrnt konstatiert, dass der christliche Glaube nicht auf die Frage nach dem Tod antwortet, sondern auf das Ziel des individuellen Lebens. Die „Entmythologisierung des Todes“ zielt daher auf die Beseitigung aller mythischen und irrationalen Elemente ab, die den Tod umwerben. Epikur formulierte es auf andere Art und Weise: Die Menge hat erst Angst vor dem Tod, dann ruht sie sich durch den Tod von den Übeln des Lebens aus. Der Weise jedoch scheut weder das Leben noch den Tod. In Zahrnts Zitat wird auch eine unmittelbare Verlagerung der Hoffnung vom Leben nach dem Tod in das Diesseits hinein deutlich, sprich die Investition an Kraft für die Erfüllung im unmittelbar wahrnehmbaren Leben anstatt einer Ansammlung dieser Kraft in Form eines Klammerns an die jenseitige Zukunftshoffnung. Dies geschieht aber in Verbindung mit dem christlichen Glauben, der dem Individuum eine Antwort auf sein/ihr Ziel im Leben in seinem/ihrem direkten Erfahrungsbereich gibt. Deshalb muss man den Tod nicht leugnen, er ist Teil des Lebens, den man als solchen anerkennen sollte. Nietzsche leitete seine nihilistische Weltauffassung mit aus der Atomlehre des Demokrit ab, die Entstehen wie Vergehen für jedwede Form des Seins impliziert. Für Nietzsche war durch diese Endlichkeit der Sinn für die Existenz in Frage gestellt. In Goethes Faust wird eine dualistische Weltanschauung vertreten. Der Pansophist Faust sieht sein Ziel im Leben im Trachten nach unbegrenztem Wissen, nach einer unmöglichen Vereinigung von Weltlichem und Überirdischem. Diesem steht die Gretchentragödie gegenüber, mit der Faust die Erfahrung der Liebe verbinden kann, das bescheidene Glück sowie die Simplizität des Lebens werden hier verkörpert.
Eine Perspektive für das direkt wahrnehmbare Leben auf Erden sehe ich in Zahrnts These: „Der christliche Glaube(...)nach dem Grund und Ziel seines Lebens.“( vgl. Psalm 23 „und wenn ich auch wanderte (...) Dein Stecken und Stab trösten mich“ ) Die rationale Feststellung Nietzsches von der Endlichkeit des Lebens und des Menschen trägt im Erfahrungshorizont Gott nicht, vielmehr kann dem Menschen ein Sinn sowie ein Ausblick für sein individuelles Leben vermittelt werden. Dies sehe ich als mögliche Basis, den Tod als festen Bestandteil des Lebens zu akzeptieren. In Anklang an Zahrnts Kernaussage muss es nicht notwendig sein, sich die Frage zu stellen, was mit einem nach dem physischen Tod geschieht. Vielmehr kann man aus dieser Kernaussage einen Versuch der Wegfindung für das irdische Leben ableiten. Ohne es verallgemeinern zu wollen, sollte man versuchen einen Mittelweg zwischen den beiden Extrema, die im Faust aufgezeigt werden, finden, darüber hinaus kann die Hoffnung auf ein Leben im Jenseits erhalten bleiben. Eine besondere Weisung gab Jesus Christus den Menschen: „ Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ ( 17/20 Punkte ursprünglich, im Arbeitseifer/bzw. Abtippeifer schnell noch überarbeitet )
- Quote paper
- Timm Seng (Author), 2000, Zukunftshoffnung - Eine Projektion oder ein Bestandteil im Erfahrungshorizont Gott, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102680
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