Die Schnelllebigkeit des 21. Jahrhunderts, die Unsicherheit durch komplexe, wechselhafte und uneindeutige Zustände führen zu einer steigenden Zahl psychischer Krankheiten. Heutige Präventions- und Unterstützungsangebote reichen weder aus noch scheinen sie mit den VUKA-Herausforderungen kompatibel zu sein. Es bedarf an Lösungen und adaptierten Coachingkonzepten, die den Anforderungen gerecht werden und rasch wirken. Anliegen der Forschungsarbeit ist aufzuzeigen, inwieweit der Ansatz der lösungsorientierten Kurzzeittherapie mit dem Fokus auf Resilienzförderung den Anforderungen der Zeit entspricht und stressprophylaktisch wirkt. Dabei wird der Fokus auf die Generation X gelegt. Jene Kohorte, die stark von den negativen gesundheitlichen Konsequenzen betroffen ist. Aufgrund der Aktualität des Themas, sind wissenschaftliche Ergebnisse rar. Das zugrundeliegende Mehrmethodendesign ermöglicht eine fundierte Erkenntnisgewinnung trotz mangelnder Studien. Dabei werden theoretische Fundamente, eine systematische Literaturrecherche aktueller Studien und Erfahrungen aus der angewandten Coachingpraxis sowie eine experimentelle Einzelfallstudie mit integrierter Pre- und Postmessung der Resilienz kombiniert. Es besteht breiter Konsens, dass lösungsorientierte Kurzzeitberatung, welche resilienzstärkende Interventionen integriert, ein VUKA-kompatibler Weg ist. Dabei zeigt sich eine signifikante Steigerung des subjektiven Resilienzempfindens und eine 80 %ige Coachingzielerreichung. Für rasche Erfolge ist ein individuell ausgerichtetes, semistrukturiertes und lösungsorientiertes Coaching mit klientenzentrierten Interventionen von Bedeutung. Die Forschung zeigt, dass das Fördern der Reflexionsfähigkeit, welches ermöglicht, Emotions-, Denk- und Verhaltensmuster bewusst zu machen und Veränderungen anzustoßen, eine wichtige Komponente ist. Der Anstieg psychischer Krankheiten bedarf akzelerierender präventiver Maßnahmen und VUKA-adaptierter Coachingangebote. Durch Priorisierung der vulnerablen Generation X kann ein Beitrag zur Trendumkehr steigender psychischer Krankheiten geleistet werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Forschungsfragen
1.3 Methodisches Vorgehen
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Ausgangssituation
2.2 Aktueller Erkenntnisstand der Forschung
2.3 Das VUKA-Zeitalter: Die Rasanz der Veränderung
2.4 Die Generation X im Kontext der VUKA-Auswirkungen
2.5 Stress, Bewältigung und das Konstrukt der Resilienz
2.5.1 Das Stressgeschehen und Bewältigungsmechanismen
2.5.2 Das psychologische Konstrukt Resilienz
2.5.3 Ansatzpunkte zur Resilienzförderung
2.5.4 Verfahren zur Messung von Resilienz
2.6 Ein präventiver Ansatz zur VUKA-Bewältigung
2.6.1 Die „solution focused brief therapy“ (SFBT) nach Steve de Shazer
2.6.2 Die Maximen der lösungsorientierten Beratung
2.6.3 Grundprinzipien der lösungsorientierten Beratung
2.6.4 Fragen: Zentrales Werkzeug der SFBT
2.6.5 Therapeut – Klient: Einstellungen und Beziehungsverhältnis
2.6.6 Der lösungsorientierte Beratungsprozess
2.6.7 Kritik an der SFBT
3 Methodisches Vorgehen
3.1 Triadischer Forschungsansatz
3.2 Phasen des Mixed-Methods Untersuchungsdesigns
3.2.1 TEIL A: Theoretische Grundlage
3.2.2 TEIL B: Systematische Literaturrecherche
3.2.3 TEIL C: Experimentelle Einzelfallstudie
4 Ergebnisse – empirischer Teil
4.1 Ergebnisse: „Resilienz für die VUCA-Welt“
4.1.1 Resilienzcoaching
4.1.2 Das FiRE® - Modell: Resilienz für Führungskräfte
4.1.3 Ganzheitliches Training und Coaching zur Resilienzstärkung
4.1.4 Coaching im Kontext der VUKA-Welt
4.1.5 Führungskräftecoaching in der VUKA-Welt
4.1.6 Instrumente zur Erfassung und Förderung von Resilienz
4.1.7 Resilienzdiagnostik und neue Coachingansätze für die VUKA-Welt
4.1.8 Neuroresilienz aus medizinischer Sicht verstehen und messen
4.1.9 „Coaching to go“ – die Kraft der grünen Resilienz
4.1.10 Stärkenorientierte Selbstwahrnehmung
4.1.11 Widerstandskraft statt Widerstand
4.2 Ergebnisse aus Studien im Kontext der VUKA-Welt
4.2.1 Vereinheitlichung der Resilienztheorie für eine VUKA-Welt
4.2.2 Spot-Coaching: Ein neuer VUKA-Coachingansatz
4.2.3 Resilienz und Selbstsorge mittels Coaching
4.2.4 Coaching für gesteigerte Resilienz in der VUKA-Welt
4.2.5 Führungskräfteresilienz in der VUKA-Welt
4.2.6 Herausforderungen im Zusammenhang der Implementierung von internen Coaching im VUKA-Kontext
4.2.7 Achtsamkeitscoaching
4.2.8 Resilienz: Modewelle versus Paradigmenwechsel
4.2.9 Stresserleben und -bewältigung in einer VUKA-Welt
4.2.10 Ubuntu Coaching
4.2.11 Vom Coaching zur Coachingkultur
4.2.12 Coachingfähigkeiten für medizinische Ausbildung in der VUKA-Welt
4.3 Ergebnisse der experimentellen Einzelfallstudie
4.3.1 Coaching Einzelfallstudie
4.3.2 Ergebnisse der quantitativen Resilienzmessung
4.3.3 Ergebnisse der Coachingzielerreichung und der Evaluation
5 Erkenntnisdiskussion
5.1 Resilienz- und lösungsorientierte Kurzzeitberatung: ein VUKA-kompatibles Beratungsformat
5.2 Integratives Resilienzcoaching als Stressprophylaxe
5.3 Praktische Implikationen: Präventives Resilienzprogramm für die vulnerable Generation X
5.4 Ausblick
5.5 Limitationen – Grenzen der Forschung
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract
Die Schnelllebigkeit des 21. Jahrhunderts, die Unsicherheit durch komplexe, wechsel-hafte und uneindeutige Zustände führen zu einer steigenden Zahl psychischer Krank-heiten. Heutige Präventions- und Unterstützungsangebote reichen weder aus noch scheinen sie mit den VUKA1 -Herausforderungen kompatibel zu sein. Es bedarf an Lösungen und adaptierten Coachingkonzepten, die den Anforderungen gerecht werden und rasch wirken. Anliegen der Forschungsarbeit ist aufzuzeigen, inwieweit der Ansatz der lösungsorientierten Kurzzeittherapie mit dem Fokus auf Resilienz-förderung den Anforderungen der Zeit entspricht und stressprophylaktisch wirkt. Dabei wird der Fokus auf die Generation X gelegt. Jene Kohorte, die stark von den negativen gesundheitlichen Konsequenzen betroffen ist. Aufgrund der Aktualität des Themas, sind wissenschaftliche Ergebnisse rar. Das zugrundeliegende Mehrmethodendesign ermöglicht eine fundierte Erkenntnisgewinnung trotz mangelnder Studien. Dabei werden theoretische Fundamente, eine systematische Literaturrecherche aktueller Studien und Erfahrungen aus der angewandten Coachingpraxis sowie eine experi-mentelle Einzelfallstudie mit integrierter Pre- und Postmessung der Resilienz kombi-niert. Es besteht breiter Konsens, dass lösungsorientierte Kurzzeitberatung, welche resilienzstärkende Interventionen integriert, ein VUKA-kompatibler Weg ist. Dabei zeigt sich eine signifikante Steigerung des subjektiven Resilienzempfindens und eine 80 %ige Coachingzielerreichung. Für rasche Erfolge ist ein individuell ausgerichtetes, semistrukturiertes und lösungsorientiertes Coaching mit klientenzentrierten Interven-tionen von Bedeutung. Die Forschung zeigt, dass das Fördern der Reflexionsfähigkeit, welches ermöglicht, Emotions-, Denk- und Verhaltensmuster bewusst zu machen und Veränderungen anzustoßen, eine wichtige Komponente ist. Der Anstieg psychischer Krankheiten bedarf akzelerierender präventiver Maßnahmen und VUKA-adaptierter Coachingangebote. Durch Priorisierung der vulnerablen Generation X kann ein Beitrag zur Trendumkehr steigender psychischer Krankheiten geleistet werden.
Stichworte: VUKA – lösungsorientiertes Kurzzeitcoaching – Resilienz – Generation X – Prävention – Stressprophylaxe
Vorwort
Die Weltgesundheitsorganisation erklärte beruflichen Stress zur größten Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts. Um mit den Gegebenheiten des digitalen Zeitalters respektive, Schnelligkeit, Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Komplexität gesund hauszuhalten, bedarf es ausgeprägter Selbstmanagementkompetenzen, um negativen Stress zu unterbinden. Die vorliegende Masterarbeit entstand aus eigenem Faible zum Thema und meinem großen Bedürfnis, Lösungen aus eigenen Kräften zu fördern. Im Zeitraum von 2015 bis 2020 vertiefte ich mein Wissen diesbezüglich. Die Ausbildung zum zertifizierten Coach, das Studium der Angewandten Psychologie und die derzeitige Ausbildung zum Master in Business Administration mit Vertiefung in Coaching und Training ermöglichten mir, einen Wissensmix aus Psychologie, Gesundheit und Wirtschaft anzueignen und zu vertiefen. Meine langjährige berufliche Führungs- und Beratungserfahrung sowie meine Coaching- und Mentoringtätigkeit erlaubten mir, theoretische Erkenntnisse mit praxisrelevanten Erfahrungen zu untermauern. Ferner vertiefte ich mein Wissen durch ausgiebige Lektüre. Mein Ziel ist es, durch diese Masterarbeit einen positiven Beitrag zur Stärkung der Selbst-managementkompetenzen meiner Generation zu leisten, um im VUKA-Umfeld dauerhaft gesund zu bleiben.
Meine Betreuerin Frau Dr.in Claudia Ulamec unterstütze mich mit wertvollen Ratschlägen, welche mir halfen, die Masterarbeit kontinuierlich zu bereichern. Das konstruktive Feedback erlaubte es mir, die Struktur und den Inhalt der Masterarbeit zu verfeinern. Herzlichen Dank dafür! Ebenso wichtig für mich war der Beistand meiner Familie, Freunde und Freundinnen sowie Kollegenschaft, welche mir immer wieder Zuversicht und Kraft gaben, das Forschungsprojekt erfolgreich ans Ziel zu führen.
Ich wünsche viel Freude beim Lesen dieser Arbeit.
Michaela Perteneder-Goll
Krems, 09. April 2021
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
ACC Austrian Coaching Council
APA American Psychological Association
ASchG ArbeitnehmerInnenschutzgesetz
ASKU Allgemeine Selbstwirksamkeit Kurzskala
B.Sc. Bachelor of Science
BASIC-ID Behavior, Affect, Sensation, Imagery, Cognition-Interpersonal relationships, Drugs
BRS Brief-Resilience-Scale
bzw. beziehungsweise
CD-RISC Connor Davidson-Resilience Scale
DBVC Deutscher Bundesverband Coaching
Dr.in Doktor/Doktorin
e-Coaching Coaching via Internet – Video- und Audio (online)
ebd. ebenda
EBSCO Elton B. Stephens Company (Bibliothekssystem)
ECA European Coaching Association
ERS Ego Resilience Scale
et al. und andere
f. folgende Seite
ff. fortfolgende Seite
GBV Gemeinsamer Bibliotheksverbund
HBT Human Balance Training
Hrsg. Herausgeber
HRV Heart Rate Variability (Herzfrequenzvariabilität)
ICD-11 International Classification of Diseases 11th Revision
ICF International Coach Federation
IP Individualpsychologie
Kap. Kapitel
KRS Kurze-Resilienz-Skala
KVK Karlsruher Virtueller Katalog
No. Number
ORES Verband für Organisationale Resilienz
o. S. ohne Seite
o. J. ohne Jahr
Prof. Professor
REAL resilient, energetisiert, anpassungsfähig, liquide
RSA Resilience Scale for Adults
S. Seite
SFBT Solution-Focused Brief Therapy
SSEE stabil, sicher, einfach, eindeutig
Tab. Tabelle
Tsd. Tausend
Übers. d. Verf. Übersetzung des/der Verfassers/in
USAWC United States Army War College
UV Ultraviolett
v. Chr. vor Christus
vgl. vergleiche
VIA-IS Values in Action-Inventory of Strengths
Vol. Volume
VUCA Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity
VUKA Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität
WHO World Health Organization
WIFO Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1, Untersuchungsdesign – Triadischer Ansatz: Mixed-Method
Abbildung 2, Milieu Generation X auf den logischen Ebenen Dilts‘
Abbildung 3, Wirkungskette des Stressgeschehens: Reiz, Reaktion und Folgen
Abbildung 4, Vielfalt der Zugangsmöglichkeiten zur Bewältigung von VUKA-Herausforderungen
Abbildung 5, Theoretische Einordnung von Resilienz
Abbildung 6, Lösungsorientiertes Coaching im VUKA-Kontext
Abbildung 7, Prozess der experimentellen Einzelfallstudie
Abbildung 8, Semistrukturierter Beratungsprozess der Einzelfallstudie
Abbildung 9, Resilienzrad – Ergebnis Selbsteinschätzung Klientin
Abbildung 10, Resilienz Pre- und Postmessung – Ergebnisdarstellung
Abbildung 11, Skalierung Veränderung Coaching Start/Ziel
Abbildung 12, Implementierungsprozess: Coaching für Generation X
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1, VU(C)KA – Begriffsbestimmung
Tabelle 2, Resilienzschlüssel und -faktoren
Tabelle 3, Ansatzpunkte zur Resilienzförderung
Tabelle 4, Kurze-Resilienz-Skala - KRS: deutsche Version der Brief-Resilience-Scale - BRS
Tabelle 5, Triadisches Untersuchungsdesign – Mixed-Method Konzept
Tabelle 6, Inhalt „Resilienz für die VUCA-Welt“
Tabelle 7, Relevanzcheck Suchergebnisse
Tabelle 8, Finale Suchergebnisse der systematischen Literaturreview
Tabelle 9, Resilienz Premessung – Antworten der Klientin
Tabelle 10, Resilienz Postmessung – Antworten der Klientin
1 Einleitung
„Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.“
Zitat nach Charles Darwin, 1809-1882, Naturforscher und Wissenschaftler
Einfachheit, Klarheit, Sicherheit, Stabilität, … waren gestern. Analoge, beständige Zeiten und ein gemächlich dahinschreitendes Lebenstempo sind Relikte der Vergangenheit. Im Heute und der Zukunft, in denen sich Bedingungen augenblicklich ändern, funktionieren herkömmliche Strategien nicht mehr.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Der Alltag des 21. Jahrhunderts ist von enorm rasanten Veränderungsprozessen geprägt. Diese sind allgegenwärtig und beeinflussen den Berufs- und Privatalltag von Menschen sowie die unternehmerische Wirtschaft. Der Lebensstrom ist nicht nur schneller geworden, sondern auch komplexer, wechselhafter, unberechenbarer und letztendlich unsicherer (vgl. Amann, 2019, S. 118; Unkrig, 2020, S. 2f.). Das sogenannte VUKA-Zeitalter ist omnipräsent. Unabdingbar scheint die Konfrontation mit und die Anpassung an diese Veränderungen und der damit verbundenen Dilemmata (vgl. Theeboom et al., 2017, S. 1). In weniger als 10 Jahren sind die Urheber von Krankheiten auf globaler Ebene die negativen Auswirkungen von psychisch bedingtem pathologischen Stress (vgl. WHO, 2008, S. 50f.). Das Zukunftsbild der Gesundheit ist geprägt von belastenden Stressauswirkungen, Burnout und psychischen Krankheiten (vgl. Heller, Gallenmüller, 2019, S. 4; Limmer, Schütz, 2018, S. 485; Wifo, 2020, S. 49f.). Diese globalen Tendenzen wirken negativ auf Individuen und im beruflichen Kontext dito auf Unternehmen. Nach den Ansätzen der Wachstumstheorie ist vor allem das Humankapital, respektive die Erwerbstätigen, zentraler volks- und betriebswirtschaftlicher Produktionsfaktor (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2018, o. S.). Werden negative, personelle Auswirkungen des durch den Zeitgeist ausgelösten Wandels ignoriert, wirkt dies wiederum auf das Leistungspotenzial von Unternehmen und beeinflusst ultimativ die globale Ökonomie (vgl. Oertel, 2014, S. 53; Wifo, 2020, S. IV).
Auf individueller Ebene mangelt es an Schutzmechanismen, ausgeprägter persönlicher Resilienz und Balance zwischen positivem und negativem Stress (vgl. Lazarus, Folkman, 1984, S. 21ff.). In Anbetracht des Aufwärtstrends psychischer Krankheiten ist es unabdingbar, entsprechende Unterstützungsangebote und Präventionsprogramme für Arbeitskräfte in betriebliche Maßnahmen zu integrieren und neue praktikable Ansätze zu überdenken, um Möglichkeiten des raschen Handelns und Wirkens zu schaffen. Aktuelle betriebliche Maßnahmen, gesetzlicher Arbeitsschutz und Präventionsangebote scheinen anhand der steigenden Zahl an psychischen Krankheiten nicht auszureichen, um eine Trendumkehr einzuleiten (vgl. Heller, Gallenmüller, 2019, S. 5). Aufgrund dieser Entwicklungen braucht es rasch wirkende konterkarierende Maßnahmen, die das Potenzial bergen gegenzusteuern. Eine gesunde Anpassung an eine volatile, wechselhafte, komplexe und von Unsicherheit geprägte Umgebung und nachhaltige Prävention sind von Nöten. Zur raschen Trendumkehr bedarf es der Priorisierung vulnerabler Gruppen. Die Arbeit legt demnach den Fokus auf die Generation X. Sie ist jene Kohorte der Erwerbstätigen, welche am stärksten von psychischen Krankheiten betroffen ist (vgl. APA, 2012, S. 19ff.; Heller, Gallenmüller, 2019, S. 4; Oertel, 2014, S. 51f.; Hamm et al., 2020, S. 388ff.).
Professionelle Unterstützung, integrative Programme und VUKA-kompatible Offerte sind gefordert. Laut Wegener et al. (2016) ist Coaching die dringende Antwort auf die VUKA-Welt und die daraus resultierenden Herausforderungen (vgl. ebd., S. 10ff.). Coaching braucht jedoch auch selbst ganzheitliche Veränderung in Bereichen des Settings, der Prozesse und Methoden sowie Einstellungen der Berater (vgl. Lenz, 2019, S. 50f.), um VUKA-Kompatibilität zu gewährleisten. Als Antwort auf die Umstände der Sofortgesellschaft und Rasanz der Zeit scheint eine rapid wirkende Beratungsform passend. Das lösungsorientierte Kurzzeitcoaching (SFBT2 ) nach Steve de Shazer hat das Potenzial, rasch positive Wirkmechanismen in Gang zu setzen (vgl. Bannink, 2007, S. 90) und könnte mit seinen Maximen eine VUKA-kompatible Beratungsform darstellen. Demzufolge ist zu überlegen, inwieweit dieses Coachingformat passend scheint und wie es optimal an die Gegebenheiten der VUKA-Welt anzupassen wäre, um präventive Wirkmechanismen zu ermöglichen. Dabei wird insbesondere der Fokus auf das Stärken von Resilienz, zur Ausprägung von Schutzmechanismen, gelegt und in das Coachingformat integriert.
Den Zeitgeist des Wandels aufgreifend, untersucht diese Forschungsarbeit ob präventiv eingesetztes resilienzförderndes lösungsorientiertes Kurzzeitcoaching nach dem Ansatz der SFBT ein VUKA-optimaler Weg ist, die Schutzmechanismen der berufstätigen Generation X auszubilden, um dauerhaft gesund zu bleiben.
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, einen Beitrag zur Eindämmung der steigenden Zahl psychischer Krankheiten zu leisten. Dabei wird eruiert inwieweit das Beratungsformat des lösungsorientierten Kurzzeitcoachings nach dem Konzept der SFBT mit integrativer Resilienzförderung ein rasch wirksames und VUKA-kompatibles stressprophylaktisches Präventionsmedium ist, um die vulnerable Gruppe der Erwerbstätigen der Generation X nachhaltig gesund zu halten. Durch eine abschließende, anwendungsorientierte Handlungsempfehlung basierend auf den Erkenntnissen der Forschung, kann dieser Beitrag in der Praxis realisiert werden.
1.2 Forschungsfragen
Basierend auf der dargelegten Problemstellung und dem angeführten Ziel der Forschung trachtet die vorliegende Arbeit danach, präzise und umfassend, folgende 2 Forschungsfragen zu beantworten und Implikationen für die praktische Umsetzung aufzuzeigen:
Forschungsfrage 1: Inwieweit wird das Beratungsformat des lösungsorientierten Kurzzeitcoachings nach dem Konzept der SFBT von Steve de Shazer den VUKA-Anforderungen der Zeit gerecht?
Forschungsfrage 2: Inwiefern kann präventiv durchgeführtes, lösungsorientiertes Kurzzeitcoaching, welches Interventionen zur Resilienzförderung integriert, diese steigern?
Implikationen für die Praxis: Welcher Weg scheint optimal und effizient, um Erwerbstätige der Generation X mit Hilfe von lösungs- und resilienzorientiertem Coaching vor pathologischen Stressauswirkungen rapide und nachhaltig zu schützen?
1.3 Methodisches Vorgehen
Das der Forschungsarbeit zugrunde liegende Untersuchungsdesign zur Beantwortung der Forschungsfragen ist ein triadischer Ansatz, respektive ein sequenzielles Mehrmethodendesign. Der Mixed-Method Ansatz ist ein gängiges Instrumentarium in der empirischen Sozial- und Humanforschung (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 4f.). Dabei werden theoretische Ansätze und wissenschaftliche Erkenntnisse und Ergebnisse aus aktuellen Studien zum Thema herangezogen und die Wirksamkeit und Praxistauglich-keit durch eine experimentelle Einzelfallstudie überprüft. Die Erkenntnisse des qualitativ bewerteten Experiments werden zur Objektivierung der Ergebnisse durch eine quantitative Pre- und Postmessung der Veränderung der Resilienzausprägung ergänzt (Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Untersuchungsdesign – Triadischer Ansatz: Mixed-Method (Quelle: eigene Darstellung, 2021)
Theoretische und anwendungsorientierte Grundlage ist der Sammelband mit dem Titel „Resilienz für die VUCA-Welt. Individuelle und organisationale Resilienz entwickeln.“ herausgegeben von Jutta Heller (2019). Das Herausgeberwerk behandelt Coaching speziell in Bezug auf das Thema Resilienz im Kontext der VUKA-Umstände (vgl. ebd., S. V ff.). Zum Erkenntnisgewinn werden die Beiträge umfassend analysiert und relevante Ergebnisse in die Forschungsarbeit aufgenommen.
Zur Erfassung des aktuellen Forschungsstandes werden wissenschaftliche Studien und Dokumente, welche spezifisch „Resilienz, Coaching, Stress oder Generation X im Kontext der VUKA-Welt adressieren, durch eine systematische, eng angelegte Literaturrecherche eruiert.
Zur Überprüfung der Wirksamkeit und Praxistauglichkeit eines lösungsorientierten Kurzzeitcoachings zur Stressprophylaxe mittels Resilienzförderung wird eine experimentelle Einzelfallstudie durchgeführt. Der Prozess der Einzelfallstudie basiert auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen der Beratungspsychologie und Managementforschung in Bezug auf Fallstudiengestaltung nach Cepeda, Martin (2005) und Lowman, Kilburg (2011). Als Proband wird eine erwerbstätige Person der Generation X (Jahrgänge 1965-1979) über das berufliche Netzwerk LinkedIn der Forscherin mittels semistrukturierten Fragebogen ausgewählt. Der Rekrutierungsfragebogen ermöglicht die Definition von Auswahlkriterien im Vorfeld. Dies stellt sicher, dass der Proband in seinem beruflichen Umfeld mit den VUKA-Anforderungen konfrontiert, sowie frei von schwerwiegenden psychischen Krankheiten und deutschsprachig ist. Ferner wird dadurch sichergestellt, ob die technischen und zeitlichen Voraussetzungen für das Coachingexperiment gegeben sind. Im Falle von mehreren möglichen Probanden, wird das „first-in“ Prinzip3 “ angewandt. Die Forscherin fungiert als Coach. Sie ist zertifizierter Psychologischer Berater, Bachelor der Angewandten Psychologie und verfügt über mehr als 10-jährige Führungs- und Beratungserfahrung in einem internationalen Konzern. Das Coaching folgt der Philosophie der lösungsorientierten Kurzzeittherapie nach Steve de Shazer (vgl. ebd., 2015, 2017; de Shazer, Dolan, 2016) und fußt auf dem Coachingprozess nach Bamberger (2010), Rauen, Schönhübel (o.J.) und Braun et al. (2004). Dieses umfasst 6 semistrukturierte Coachingsitzungen. Diese werden umfassend dokumentiert, die Ergebnisse aufgezeigt und die Erkenntnisse dargelegt.
Zur Untermauerung der qualitativen Ergebnisse aus den Coachingsitzungen wird eine quantitative Pre- und Postmessung der Resilienz mittels Brief-Resilience-Scale (BRS) – Kurze-Resilienz-Skala (KRS) (vgl. Smith et al., 2008, S. 194ff.) durchgeführt, um die Resilienzveränderung zu messen.
Die einzelnen Ergebnisse aus dem Mehrmethodendesign werden zusammengeführt und ihr resümierender Erkenntnisgewinn entsprechend präsentiert.
1.4 Aufbau der Arbeit
Der Theoretische Hintergrund (Kapitel 2) zeigt einführend die Ausgangssituation auf und gibt folgend Einblick in die Schlüsselthemen des Forschungsanliegens. Zu Beginn wird der Term VUKA erklärt und die damit verbundenen Herausforderungen und Konsequenzen dargelegt. Danach folgt ein Einblick in das Generationskonzept mit Fokus auf das Makro- und Mikromilieu der Generation X sowie ihre Situation und Problemstellung im Kontext der VUKA-Welt. Anschließend wird ein entsprechender Überblick in Bezug auf das Stressgeschehen, welches als Basis für das Verständnis des Resilienzkonzeptes dient, gegeben. Folgend werden das psychologische Konstrukt der Resilienz, Resilienzschlüssel und -faktoren, Ansatzpunkte der Resilienzförderung sowie Verfahren zur Messung von Resilienz umfassend erläutert. Sodann folgen die Darlegung des Konzeptes der lösungsorientierten Beratung nach Steve de Shazer und die Präsentation der Leitgedanken und Prinzipien dieser Therapieform. Ferner werden Interventionswerkzeuge, welche charakteristisch für diese Beratungsform sind, aufgezeigt. Ergänzend wird ein spezieller Fokus auf die Kommunikation gelegt, respektive Fragetechniken und -methoden im Kontext der lösungsorientierten Beratung. Abschließend wird der Beratungsprozess, welcher der experimentellen Einzelfallstudie zugrunde liegt, skizziert. Der letzte Abschnitt widmet sich der kritischen Auseinandersetzung mit diesem Konzept.
Im Kapitel 3 wird das methodische Vorgehen detailliert vorgestellt. Dabei werden die 3 Elemente des Mehrmethodendesigns, respektive die Analyse aktueller Beiträge zu Resilienz und Coaching im spezifischen Kontext der VUKA-Welt, die systematische Literaturrecherche aktueller themenrelevanter Studien sowie die experimentelle Einzelfallstudie einzeln aufgegriffen und das Vorgehen beschrieben.
Kapitel 4 gibt einen umfassenden Einblick in die Forschungsergebnisse aus den jeweiligen Untersuchungen.
Anschließend folgen die Diskussion der Erkenntnisse aus der Forschungsarbeit und die Beantwortung der Forschungsfragen (Kapitel 5). Diese werden kritisch diskutiert und in den aktuellen Forschungsstand eingeordnet. Am Ende dieses Kapitels werden praktische Implikationen für die vulnerable Generation X abgeleitet, die Grenzen der Forschung aufgezeigt und der Bedarf an weiterer Forschung ausgeführt.
Ein Fazit (Kapitel 6) schießt die Forschungsarbeit ab.
2 Theoretischer Hintergrund
„ Es gibt nichts Dauerhaftes außer der Veränderung “4. Bereits der griechische Philosoph Heraklit meinte vor mehr als 2000 Jahren, dass die einzige Invariante im Leben die Veränderung sei (vgl. Keupp, 2021, Kap. 1.5).
2.1 Ausgangssituation
Womit sich das 21. Jahrhundert konfrontiert sieht, ist nicht diese naturgegebene Veränderung, sondern ihre innewohnende Rasanz. Wir sind zu einer rapiden Sofortgesellschaft mutiert. Die digitale Transformation ist der Zündfunke und beschleunigt den technologischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Wandel (vgl. Unkrig, 2020, S. 2f.). Das "Mooresche Gesetz5 " verdeutlicht diese rasante Entwicklung treffend. Es besagt, die Anzahl verbauter Transistoren pro Flächeneinheit verdoppelt sich innerhalb von ungefähr 1,5 Jahren. Dies wirkt logischerweise auf die Informationsvermittlungskapazitäten ein. Diese steigen exponentiell (vgl. Stengel, 2017, S. 40f.). Beispielweise verdoppelt sich Wissen im medizinischen Bereich alle 2 bis 3 Jahre (vgl. Bode, 2018, S. 66f.). Diese Informationsmassen führen zu Unüberschaubarkeit, Komplexitätssteigerung in jedweden Bereichen und zu einem Gefühl der Macht- und Orientierungslosigkeit. Nicht nur technologische, sondern auch ökologische, soziale, politische und ökonomische Faktoren bestimmen die Richtung. Themen in Bezug auf Umwelt, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Individualisierung gewinnen an Bedeutung und verändern die Welt (vgl. Ernst & Young, 2020, o. S.). Konsequenterweise ändern sich die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt, der Unternehmen und Erwerbstätigen (vgl. Unkrig, 2020, S. 2). So führt digitale Transformation zu 360 Grad Verfügbarkeit, Vernetzung und grenzenloser Konnektivität. Die VUKA6 -Welt resultiert daraus. Das Synonym steht für: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität - und drückt akkurat die heutige und zukünftige Zeitströmung aus. VUKA beschreibt treffend den Zustand des aktuellen Berufsalltages und bezeichnet Rahmenbedingungen, welche es verkomplizieren Handlungen und Entscheidungen mit eindeutiger Sicherheit und Berechenbarkeit auszuführen.
Demzufolge ist zu überdenken, wie Menschen damit gesund zurechtkommen, denn konsequenterweise verändert dies ihre Lebensstile, Gefühlsprägungen, Kognitionen und Verhaltensweisen (vgl. Beyer et al., 2019, S. 3ff.). Wenn Anforderungen die verfügbaren Ressourcen dauerhaft übersteigen und Schutzmechanismen außer Kraft gesetzt werden, wird Stress pathologisch (vgl. Lazarus, Folkman, 1984, S. 21ff.). Im schwerwiegendsten Fall führt dies im beruflichen Kontext zu Burnout (vgl. Heller, Gallenmüller, 2019, S. 4). Die WHO konstatierte bereits vor mehr als 15 Jahren, dass negativer Stress im Jahr 2030 die Hauptursache von psychischen Krankheiten ist (vgl. ebd., 2008, S. 50f.) und nahm Burnout kürzlich als beruflich bedingtes Phänomen in die Internationale statistische Klassifikation von Krankheiten (ICD-117 ) - das Klassifikationssystem medizinischer Diagnosen - auf (vgl. WHO, 2019, o. S.). Die Zunahme von psychischen Krankheiten ist bestätigt. Die Tendenz ist steigend. Markant ist, dass in der heutigen Zeit 2 von 3 Personen psychische Probleme, aufgrund widriger Umstände entwickeln (vgl. Limmer, Schütz, 2018, S. 485) und nur ein Drittel als resilient bezeichnet werden kann. Der Umfang heutiger betrieblicher präventiver Maßnahmen und die gesetzliche Verankerung im Arbeitsschutzgesetz (ASchG8 §4, 2013) reichen nicht aus, um eine Trendwende zu ermöglichen (vgl. Heller, Gallenmüller, 2019, S. 5).
Kohorten sind unterschiedlich von den psychischen Auswirkungen betroffen, dies variiert je nach Generationszugehörigkeit. Die Generation X (Jahrgänge 1965-1979) gehört zu jener Gruppe, welche das höchste durchschnittliche Stressniveau aufweist (vgl. APA, 2012, S. 19ff.). In etwa ein Drittel der heutigen Erwerbstätigen gehört zur Generation X (vgl. Statistik Austria, 2019, o. S.). Die X-er sind dominierender Bestandteil der heutigen Arbeitskräfte, besetzen erste Führungspositionen und stellen aktuell außerdem den Großteil der Elternschaft dar (vgl. Klaffke, 2014, S. 13; Oertel, 2014, S. 28). Legt man ein durchschnittliches Pensionsantrittsalter von 65 Jahren zugrunde, stehen die heute 40- bis 55-Jährigen noch in etwa 10 bis 25 Jahre im aktiven Berufsleben. Unter diesen Gesichtspunkten ist offensichtlich, dass deren psychisch bedingte Ausfälle, negative Auswirkungen auf Unternehmen und Ökonomie mit sich bringen. Auch wenn sich die Generation X grundsätzlich gegen den „Workaholic Lifestyle9 “ wendet (vgl. Oertel, 2014, S. 48), bleiben sie von den VUKA-Umständen nicht verschont. Steigender Zeit-, Termin- und Leistungsdruck konfrontiert besonders sie (vgl. Heller, Gallenmüller, 2019, S. 4; Oertel, 2014, S. 51f.), denn Ihre Bedürfnisse nach Work-Life-Balance10, finanzieller Absicherung, Karriere und Sicherheit konkurrieren. Dies führt zu intrapersonellen Konflikten, welches letztendlich in Burnout resultieren kann (vgl. Hamm et al., 2020, S. 388ff.).
Im Umgang mit Stress bedarf es an Bewältigungsstrategien und adaptiver Kapazität. Dies entspricht der Summe aller verfügbaren Ressourcen, die systemische Adaptionsfähigkeit und die Kompetenz der wirksamen Nutzung. Wichtig dabei ist, all dies laufend zu aktualisieren, um mit den sich rapide ändernden Rahmenbedingungen schrittzuhalten und präventiv agieren zu können. Es bedarf grundsätzlich an Antizipation und Akzeptanz von Veränderung und ein Maß von Agilität und Resilienz zur Bewältigung (vgl. Unkrig, 2020, S. VII ff.). Das Stärken positiver Ressourcen und Schutzfaktoren ist in der öffentlichen Diskussion mehr und mehr vertreten. Für Unternehmen inmitten der VUKA-Umwelt gewinnt die Auseinandersetzung mit dem Thema Resilienz, möglicher Anpassungsstrategien, Prävention und neuer Lösungsansätze vermehrt an Bedeutung (vgl. Heller, 2019, S. VI; Hofmann, 2017, S. 2ff.). Ein Umdenken hat eingesetzt, doch bedarf es an VUKA-kompatiblen präventiven Lösungen in Bereichen des Stressmanagements, der Burnout-Prophylaxe und Resilienzstärkung. Zielgruppen- und generationsspezifische Ansätze scheinen vorteilhaft (vgl. Klaffke, Bohlayer, 2014, S. 147ff.; Hauser, Schulte-Deußen, 2014, S. 129f.; Unkrig, 2020, S. 17).
Coaching ist Baustein von Organisations- und Mitarbeiterentwicklung und kann zur präventiven Resilienz- und Ressourcenstärkung eingesetzt werden (vgl. Heller, Gallenmüller, 2019, S. 10ff.). Wegener et al. (2016) führen aus, dass die Entwicklung von neuen Coachingpraxisfeldern unumstößlich ist und als Katalysator der gegenwärtigen gesellschaftlichen Gegebenheiten dienen kann (vgl. ebd., o. S.). Auch wenn es an empirischen Beweisen noch mangelt, kann davon ausgegangen werden, dass Coaching ein möglicher Schlüssel als Antwort auf die VUKA-Welt Umstände ist und als Lösungsmotor für die damit verbundenen individuellen Herausforderungen dienen kann. Professionelle Beratung kann dazu beitragen, präventiv Resilienz zu stärken und stressprophylaktisch zu wirken, hat sich dabei jedoch auch selbst an die geänderten Gegebenheiten anzupassen. Eine breite Palette an neuen Anwendungsfeldern etabliert sich, beispielsweise Gesundheitscoaching, Resilienzcoaching, Coaching als Dienstleistung oder Coaching als Diagnoseinstrumentarium für Stress und Burnout. Der Deutsche Bundesverband Coaching (DBVC) konstatiert, dass der Coachingprozess den VUKA-Anforderungen entsprechend anzupassen ist. Dabei ist ein ganzheitliches Konzept anzustreben, welches auf das Selbstkonzept und die Selbstmanagementkompetenzen des Menschen und seine Systemwelt zu fokussieren hat (vgl. ebd., 2019, o. S.). Auch Bresser (2016) erkennen, dass die vernachlässigte Domäne im Coachingprozess nach wie vor das „Wie“ darstellt (vgl. ebd., S. 184). Schlussendlich bedarf es das „Wie im Coaching“ respektive den Coachingprozess VUKA-konform zu gestalten (vgl. DBVC, 2019, S. 9ff.; Lenz, 2017, S. 1f.).
Coaching ist durch psychologische Handlungstheorien fundiert (vgl. Loebbert, 2017, S. 7). Ein Exempel dafür ist das Konzept der „Solution-focused brief therapy (SFBT)11 “ nach Steve de Shazer. Eine Meta-Analyse von 21 internationalen Wirksamkeitsstudien in Hinsicht auf das therapeutische Instrument der lösungsorientierten Kurzzeittherapie belegt empirisch positive Wirkmechanismen dieser Beratungsform und bestätigt, dass bereits nach kurzer Interventionsdauer positive Effekte hervorgebracht werden können (vgl. Bannink, 2007, S. 90). In Bezug auf klinische Wirksamkeiten besteht noch weiterer Forschungsbedarf (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 42). Ein lösungs-fokussiertes Kurzzeitcoaching scheint eine mögliche Antwort auf die heutige Schnelllebigkeit und das VUKA-Umfeld zu sein: "Brief coaching solutions-focused models may be more appropriate12." (Williams, 2017, S. 27). Mehr und mehr zeigt sich ebenfalls, dass erfolgreiche Selbststeuerung ein tragender Pfeiler für Erfolg sein kann (vgl. ebd., S. 14ff.). Die Integration von Konzepten zur Förderung von Selbstmanagementkompetenzen in das Coaching scheint ein gangbarer Weg.
2.2 Aktueller Erkenntnisstand der Forschung
Begriffe wie „VUKA“, „Generation X“, „Stress“, „Resilienz“ oder „Coaching“ sind Teil unseres Alltages. Die Anzahl der Google Suchtreffer dieser Begriffe spiegelt dies trefflich wider. Diese geht in die Millionenhöhe. Auch sind wissenschaftliche Studien zu den einzelnen Themenbereichen umfassend vorhanden. Kaum untersucht sind diese Materien jedoch im Kontext der VUKA-Welt. Studien, welche VUKA explizit im Kontext mit Generation X, Stress, Resilienz oder Coaching setzen und diese im Titel aufführen sind rar (Anhang A). Insbesondere im Hinblick auf das prognostizierte Gesundheitsszenario der WHO und der Entwicklungstendenzen von beruflich bedingtem Burnout besteht dringender Forschungs- und Handlungsbedarf, um dem kontinuierlichen Anstieg an psychisch bedingten Krankheiten präventiv entgegen wirken zu können.
Dabei ist zu überlegen, wie das Format des Coachings mit dem Vorhaben der Eindämmung negativer Konsequenzen für Erwerbstätige und Unternehmen an die VUKA-Umstände anzupassen ist, um Präventionsarbeit optimal umsetzen zu können. Studien in Bezug auf Coachingformate, welche respektive den VUKA-Kontext integrieren, sind kaum vorhanden. Aktuelle Forschungsarbeiten diesbezüglich bestätigen den Bedarf und zeigen unterschiedliche Zugangsszenarien auf. Die Studie von Williams (2017) demonstriert, dass das traditionelle Format von Coaching einer Anpassung bedarf, um den Rahmenbedingungen einer VUKA-Welt zu genügen und Wohlbefinden und Resilienz zu fördern. Es bedarf jedoch an zukünftiger Forschung wie Coaching definiert sein sollte, um VUKA gerecht vermittelt werden zu können (vgl. ebd., S. 18 ff.). Dumisani (2019) bestätigt, dass ein Bedarf an maßgeschneiderten Coachingansätzen aufgrund der VUKA-Auswirkungen besteht (vgl. ebd., S. 91). Wilson, Lawton-Smith (2016) untersuchten anhand der Population eines Unternehmens, ob das Format des Spot-Coachings den Anforderungen der VUKA-Welt gerecht werden könnte. Der Fokus der Studie lag auf Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, welche benötigt werden, um mit den geänderten Rahmenbedingungen umzugehen. Weiterführende Studien sind jedoch von Nöten, um festzustellen, ob dieser Zugang eine effektive Interventionsform darstellt (vgl. ebd., S. 35ff.). Hall (2018) schlägt als Antwort auf das VUKA-Umfeld vor, Coaching mit der Komponente der Achtsamkeitsförderung anzureichern (vgl. ebd., S. 149ff.). Des Weiteren scheint der Fokus auf Fragen, Fragetechniken oder -methoden bedeutend. Empirische Erkenntnisse in Bezug auf die Wirksamkeit von Fragen als Bestandteil der Kommunikation sind jedoch ein Mangel (vgl. Graf, Spranz-Fogasy, 2018, S. 17).
„ Fragen sind weder in der quantitativ operierenden, psychologischen Wirksamkeits- bzw. Outcome-Forschung noch in der qualitativ operierenden, linguistischen Prozessforschung (zentraler) Forschungsgegenstand. Diese Forschungslücke gilt es im Austausch mit der Praxis und unter Einbezug aller relevanten Disziplinen und Methoden zu schließen. “ (Graf, Spranz-Fogasy, 2018, S. 17).
Die vorliegende Arbeit nimmt sich den aktuellen Handlungsbedarf, der Forschungs-lücken und den Erkenntnisstand entsprechend an und widmet sich dem Thema einer zur Prävention eingesetzten VUKA-kompatiblen Beratungsmethodik und präsentiert Wege, wie die berufstätige Gruppe der vulnerablen Generation X Kohorte rasch und optimal gefördert werden kann.
2.3 Das VUKA-Zeitalter: Die Rasanz der Veränderung
Das VUKA-Akronym ist ein Konglomerat der englischsprachigen Termini „Volatility“, „Uncertainty“, Complexity und „Ambiguity“ (vgl. Bennett, Lemoine, 2014a; ebd., b, S. 313; Ehmer et al., 2016, S. 25ff.). Ins Deutsche13 übersetzt stehen diese Begriffe für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Zur näheren Begriffsbestimmung und Beschreibung dieser Umstände listet die nachfolgende Aufstellung (Tab. 1) überblicksmäßig Synonyme und Antonyme sowie entsprechende Kurzbeschreibungen je Begriff auf.
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Tab. 1 VU(C)KA – Begriffsbestimmung (Quelle: in Anlehnung an Bennett, Lemoine, 2014a,b, S. 313; Ehmer et al., 2016, S. 25ff.; Lenz, 2019, S. 54; Unkrig, 2020, S. 4ff.)
Diese Abbreviation wurde erstmals von der amerikanischen Bildungseinrichtung United States Army War College (USAWC)14 benutzt, um die multilateralen Umstände in der strategischen Führung nach Ende des Kalten Krieges umfassend zu beschrei-ben (vgl. Whiteman, 1998, S. 15; Horney et al., 2010, S. 33; Unkrig, 2020, S. 6).
Volatilität, im Sinne von Schwankungsfreudigkeit, bezeichnet die Magnituden oder Dynamiken von Veränderungen. Diese sind grundsätzlich vorhersehbar jedoch unbeständig und tendieren zu einer negativen Zustandsänderung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell eintritt. Ein Gefühl der Unberechenbarkeit erstarkt, da es an Stabilität, Kontinuität und Berechenbarkeit mangelt.
Unsicherheit bezeichnet den Mangel an Vorhersehbarkeit zukünftiger Heraus-forderungen und beschreibt Situationen, in denen etwas Zukünftiges unbekannt oder unsicher ist, wenngleich die Ursprünge des Problems grundsätzlich offensichtlich sind. Aufgrund von Unklarheit und Ungewissheit treten Zweifel auf. Diese schüren ein Gefühl der Unsicherheit, da es an Sicherheit, Beständigkeit und Gewissheit mangelt.
Komplexität beschreibt das Chaos durch entstandene Verwirrungen. Die Überfülle von Informationen führt zu komplizierten, vielfältigen Zuständen, die es erschweren, Antworten zu finden oder diese zu verstehen. Die Vielschichtigkeit und Verflochtenheit führen zu Gefühlen der Richtungslosigkeit. Es mangelt an klaren, einfachen Umständen, die leicht handhabbar sind. Ein Kontrollverlustgefühl stellt sich ein.
Ambiguität verweist auf eine Unschärfe aufgrund vieldeutiger Meinungen und zeigt auf, dass etwas mehr als eine Bedeutung hat. Dies führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verwirrung. Es ist nicht feststellbar, was richtig oder falsch ist. Die Unklarheit in Situationen und Entscheidungszweifel aufgrund von einem „sowohl als auch“-Umfeld führen zu einem Gefühl der Verlorenheit. Es mangelt an klaren, feststellbaren, eindeutigen Bedingungen (vgl. Bennett, Lemoine, 2014, o. S.; Ehmer et al., 2016, S. 25ff.; Lenz, 2019, S. 54; Unkrig, 2020, S. 4ff.).
Bennet, Lemoine (2014b) schlagen vor, die einzelnen VUKA-Problematiken mit unterschiedlichen Strategien zu adressieren. Um Volatilität zu meistern, empfehlen sie Agilität im Umgang mit den Anforderungen. Um der Unsicherheit zu entgegnen braucht es an multiplen Informationen. Je mehr Einblick möglich ist, desto besser können Situationen verstanden und gehandhabt werden. Als Antwort auf die Komplexität sprechen sie eine Anpassung an die Umstände an. In Bezug auf die Ambiguität raten sie zu experimentieren. Dies ermöglicht Antwort auf Mehrdeutigkeiten zu erlangen (vgl. ebd., S. 313).
Ultimativ ist es das „VUKA“ Konglomerat, also das Zusammenspiel all dieser Herausforderungen und nicht eine einzelne Einflussgröße, welches gefährliches Potenzial für psychische Belastungen birgt (vgl. Lenz, 2019, S. 51ff.; Ehmer et al., 2016, S. 25ff.; Unkrig, 2020, S. 4ff.). Gepaart mit der Geschwindigkeit der Veränderungen wird offensichtlich, dass ein Schritthalten auf ökonomischer und individueller Ebene unmöglich scheint. Durch das Tempo wird Planbarkeit und Steuerbarkeit undurchführbar. Stabilität und Sicherheit sind nicht mehr gegeben (vgl. Unkrig, 2020, S. 3).
Umgangsmöglichkeiten mit diesen vielfältigen Herausforderungen sind heterogen. Unternehmen und Menschen reagieren unterschiedlich auf äußere Umstands-änderungen. Menschen unterscheiden sich in ihren subjektiven Wahrnehmungen, Wertesystemen, Kognitionen, Bewertungen, Verhaltensweisen und Bedürfnissen aber auch in ihren Bewältigungskompetenzen und Veränderungsagilitäten. Es bedarf an Widerstandsressourcen, Anpassungsfähigkeit und präventiven Unterstützungsszena-rien (vgl. Unkrig, 2020, S. XI). Auf Individuen zugeschnittene Maßnahmen scheinen sinnvoll. Die Fähigkeit VUKA standzuhalten und gesund voranzuschreiten liegt in einer angemessenen Reaktion auf die äußeren Einflussgrößen und einem gewisses Maß an Resilienz, im Sinne von Widerstandskapazität (vgl. Unkrig, 2020, S. IX).
Insbesondere die Generation X, ein Drittel der aktuellen Erwerbstätigen, wie einleitend ausgeführt, leidet in der heutigen VUKA-Welt unter überdurchschnittlichen negativen Stresskonsequenzen. Kohorten, aufgrund ihrer generationsspezifischen Prägungen, bergen ebenfalls gemeinsame Verhaltensweisen, Wertesysteme und Bedürfnisse (vgl. Oertel, 2014, S. 28f.). Dies impliziert, dass auch ein zielgruppenspezifischer Zugang sinnvoll scheint.
2.4 Die Generation X im Kontext der VUKA-Auswirkungen
Der Begriff Generation wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet: genealogisch zur Beschreibung von Abstammungsfolgen, pädagogisch zum Grund-verständnis von Erziehung, kommerziell zur Zielgruppenbestimmung und sozialwissenschaftlich die gesamte Gesellschaft betreffend. Letzter Bezug liegt dieser Arbeit zugrunde. Der Soziologe Karl Mannheim (1928) prägte nachhaltig den Generationenansatz. Er bezeichnet Generation als eine lose verbundene Alterskohorte, welche aufgrund ihres soziokulturellen Umfeldes, einschneidender gesellschaftlicher Ereignisse und Entwicklungen ihrer Zeit prägende Gemeinsam-keiten aufweist (vgl. ebd., S. 157ff.; 309ff.). Das Makromilieu von Generationen umfasst Menschen, deren Lebensstil sich ähnelt, wenngleich sie einander nicht kennen (vgl. Hradil, 2001, o. S.). Nach Bloch (2016) haben Generationen eine gemeinsame Prägung aufgrund synchroner Erlebnisse, welche aus der Gemeinsamkeit des Alters resultieren. Bloch führt aus, dass Generationen dasselbe wie Kulturen sind, lediglich die Zeitspanne ist kürzer (vgl. ebd., S. 190ff.).
Menschen einer Generation haben aufgrund des gemeinsamen geopolitischen und gesellschaftlichen Hintergrundes und der Wert- und Normvorgaben der entsprechenden Zeitspanne demnach ähnliche Sinnausrichtungen, Denkweisen und Verhaltensansätze. Sie teilen auf einem höheren Niveau Werte, subjektive Einstellungen, Kognitionen, Orientierungen, Interessen und ästhetische Präferenzen (vgl. Wippermann, 2011, S. 93ff.). Unter dieser Perspektive können Menschen einer Zeitspanne
„[…] durch eine gemeinsame Werteklammer charakterisiert werden. Generell dokumentiert sich in Werten, was ein Individuum, eine Gruppe, eine Gesellschaft oder eben eine Generation als wünschenswert ansieht. Werte sind damit Auffassungen über die Qualität der Wirklichkeit und beeinflussen die Auswahl von Handlungsalternativen." (Klaffke, 2014, S. 9).
Dies spiegelt sich im ähnlichen Umgang mit Themen wie beispielsweise Leistung, Karriere, Solidarität, Eigenverantwortung, Freiheit, soziale Sicherheit oder Gleichheit wider (vgl. Wippermann, 2011, S. 93ff.; Oertel, 2014, S. 28f.). Ferner hat jede Alterskohorte generationenspezifische Bedürfnisse (vgl. Klaffke, 2014, S. 18).
Es stellen sich folglich 2 Fragen: Welche individuell gesammelten, kollektiv gemachten Erfahrungen prägen den X-er? Wie lassen sich das Verhalten, die Bedürfnisse, Einstellungen, Werte und Erwartungen der Generation X charakterisieren?
In Anlehnung an Otto, Remdisch (2015) umfasst die Generation X die Jahrgänge 1965 bis 1979 (vgl. ebd., S. 51). Der Begriff wurde kommerzialisiert durch den Roman mit dem Titel "Generation X – Geschichten für eine immer schneller werdende Kultur" von Douglas Coupland15. Der Autor beschreibt darin drei Jugendliche der Generation X auf der Suche nach ihrer Identität und einem eigenen Wertesystem. Diese Alterskohorte ist schwer fassbar, wendet sich gegen Geld, Materialismus, Kommerzialisierung und soziale Aufstiege und strebt nach Moral und Intellekt (vgl. Coupland, 1991, o. S.; Bartels, 2001, S. 12f.; Klaffke, 2014, S. 12).
Die Umstände der Zeit des Aufwachsens beeinflussen Grundhaltungen und Lebenserwartungen (vgl. Oertel, 2014, S. 57). Bedingt durch die aufkommende Unsicherheit aufgrund gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Impakte in ihrer Entwicklungszeit (Ölkrise, Tschernobyl, Wende 1989, UV-Strahlung, Ozonloch, Drogen oder Aids) hat die Generation X ein großes Sicherheitsbedürfnis (vgl. Kattan, 2020, S. 111f.). Ferner fand in ihrer Zeitspanne ein Rückgang der Geburtenraten statt. Der Stellenwert der Familienverbundenheit und traditioneller Werte war rückläufig. Des Weiteren kam es zu einem demografischen Wandel und einer Individualisierung, welches sich in Protestbewegungen (Atomkraft, Anti-babypille) und einem Abschwung der Wirtschaft manifestierte. Ihre Jugendzeit ist geprägt durch Pessimismus, Desinteresse und Ziellosigkeit. Sicherheit durch materiellen Wohlstand und hoher Lebensqualität ist Priorität Nummer 1, welches sich mit den Gefühlen nach Unabhängigkeit und Idealismus paart und in dem Bedürfnis nach einer Work-Life-Balance resultiert. Der Wunsch nach Selbstverwirklichung und Selbstausdruck konkurriert mit den kommerziell vorgegebenen Parametern, welche kollektivieren und Konformismus anstreben. Sinnkrisen sind vorprogrammiert. Die X-er befinden sich unbewusst in diesem Spannungsfeld aus kollektiven Zwängen und individuellen Bestrebungen gepaart mit dem Geist des Unbehagens, welcher Angst und Unsicherheit schürt (vgl. Jablonski, 2002, S. 146 ff.). Tugenden wie Fleiß, Leistung und Erfolg sind bedeutend. Sie sind ambitioniert, leistungsbereit und individualistisch. Sie streben nach persönlicher Entwicklung und Weiterbildung. Bedürfnisse nach Selbständigkeit und autonomen Arbeiten ohne Führungsanspruch verfestigen sich (vgl. Otto, Remdisch, 2015, S. 54 ff.). Vorwiegendes Ziel ihrer beruflichen Karriere ist das Erreichen der materiellen Absicherung. Arbeit ist lediglich Mittel zum Zweck. Die Vereinbarung von Beruf und Familie ist vordergründig. Das Ziel ist eine Work-Life-Balance (vgl. Klaffke, 2014, S. 18; Unkrig, 2020, S. 17). Priorität ist Zufriedenheit und ein glückliches, erfülltes Leben mit dem Anspruch einer hohen Lebensqualität.
Die nachfolgende Grafik (Abb. 2) fasst die Gegebenheiten der Generation X zusammen und stellt diese zur Veranschaulichung in den Kontext der logischen Ebenen nach Dilts. Diese gehen davon aus, dass Veränderungsprozesse einer natürlichen Hierarchie folgen. Sie unterstützen Interventionen im Veränderungsprozess. Je nachdem auf welcher Stufe das Problem angesiedelt ist, kann dieses auf derselben oder nächsthöheren Stufe geklärt werden (vgl. Dilts, Delozier, 2000, S. 667 ff.).
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Abb. 2 Milieu Generation X auf den logischen Ebenen Dilts‘ (Quelle: in Anlehnung an Dilts, Delozier, 2000, S. 667 ff.;)
Der X-er steckt in einer Zwickmühle bedingt durch sein generationsspezifisches Wertesystem und seiner kohortenspezifischen Bedürfnisse. Die Herausforderungen der VUKA-Welt gepaart mit Leistungswillen, Karrierestreben, steigender Verunsicherung und Bedürfnissen nach materieller Absicherung und Work-Life- Balance führen zu Überforderungssituationen, negativem Stress und Burnout (vgl. Hamm et al., 2020, S. 388ff.; Oertel, 2014, S. 52). Nach Oertel (2014) bedarf es an Präventions- und Bewältigungsstrategien um „[…] <<die Xer vor sich selbst zu schützen>>[…} „ (ebd., S. 52).
2.5 Stress, Bewältigung und das Konstrukt der Resilienz
2.5.1 Das Stressgeschehen und Bewältigungsmechanismen
Etablierte Stressmodelle der wissenschaftlichen Grundlagenliteratur sind vielfältig (vgl. Seyle, 1956, o. S.; Lazarus, Folkman, 1984, o. S.; Neuner, 2016, S. 9; Busse et al., 2006, S. 63 ff.). Empirisch validiert ist eine grundlegende Wirkungskette des Stressgeschehens, wie folgt skizziert (Abb. 3). Sie ist Fundament unterschiedlichster Modelle.
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Abb. 3 Wirkungskette des Stressgeschehens: Reiz, Reaktion und Folgen (Quelle: in Anlehnung an Lohmann-Haislah, 2012, S. 27)
Dabei ist der gemeinsame Nenner des Stressauslösers stets eine Dysbalance zwischen Anforderung und Bewältigung (vgl. von Mayen, 2017, S. 10). Ausgangs-punkt des Stressgeschehens ist ein externer oder interner Reiz, auf welchen eine Person reagiert. Die daraus entstehende Reaktion ist entweder positiv und führt zu Eu-Stress oder negativ und mündet in Di-Stress. Je nach persönlichen internen Bewältigungsmechanismen und individueller Stresssensitivität wird dieser Reiz entweder negativ verstärkt oder positiv bewältigt, denn jeder Organismus reagiert unterschiedlich, entsprechend seiner persönlichen Bewältigungsmechanismen und -kapazitäten (vgl. Kaluza, 2015, S. 15f.). Reagiert ein Organismus nun auf eine, sein Anforderungs-Bewältigungs-Potenzial überschreitende Belastung, entsteht negativer Stress aufgrund von Überforderung und mangelnder persönlicher Bewältigungs-kapazitäten (vgl. ebd., S. 7f).
Das Reaktionsverhalten ist mehr als die Hälfte genetisch bedingt und von externen Faktoren abhängig. 40% der individuellen Stressantwort sind jedoch persönlich steuerbar (vgl. Lyubomirsky et al., 2005, S. 121). Dies impliziert, dass das Fördern von Bewältigungsmechanismen und positiven Wirkungsfaktoren dazu beitragen kann, das Reaktionsverhalten positiv zu beeinflussen. Widerstandsressourcen können präventiv aufgebaut dazu beitragen, Stress zu vermeiden (vgl. Bengel et al., 2001, S. 34).
Das VUKA-Kaleidoskop braucht passende Kompetenzen, adaptive Kapazitäten und nachhaltige Bewältigungsstrategien, um mit den Anforderungen der Sofortgesellschaft entsprechend umzugehen und den Balanceakt zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Di-Stress und Eu-Stress sowie Krankheit und Gesundheit zu meistern (vgl. Unkrig, 2020, S. VII ff.). Dabei gibt es vielfältige Ansatzmöglichkeiten. Kühl, Schäfer (2019) sehen diese im Adressieren von Eigenverantwortung, Sinn, Selbstmanagement und Ressourcenstärkung oder Kompetenzförderung (vgl. ebd., S. 473f.). Ehmer et al. (2016) schlagen transparenten Pragmatismus im Umgang mit VUKA-Anforderungen vor. Eine gewisse Akzeptanz des Unbeständigen durch Aufnehmen von alternativen Plänen anstelle von Schwarz-Weiß-Ansätzen und Starrheit ist förderlich. Ferner plädieren die Autoren, das Unplanbare als Möglichkeit zu Kreativität anstelle von erlebter Unsicherheit anzunehmen (vgl. ebd., S. 27ff.). Eine differenzierte Vorgangsweise schlagen Bennett, Lemoine (2014b) vor. Sie führen aus, dass die 4 unterschiedlichen VUKA-Herausforderungen ebenso 4 unterschiedliche Bewälti-gungsstrategien benötigen (vgl. ebd., S. 7). Sie sehen dies in Risikomanagement mittels Handlungsoptionen für Unerwartetes, um Volatilität zu bewältigen. Durch das Verstehen von Ursache-Wirkung Mechanismen und Erfahrungsaustausch kann der Unsicherheit begegnet werden. Komplexität kann durch das Stärken von Ressourcen adressiert werden. Durch Experimentieren, um heraus zu finden, was in einem bestimmten Kontext funktioniert, kann beispielsweise Ambiguität bewältigt werden (vgl. ebd., S. 27).
Aus dem Blickwinkel der Antonyme, also der Betrachtung der jeweiligen Gegensätze der VUKA-Komponenten, bedarf es an einem Kontinuum an Beständigkeit und Stabilität, um Situationen berechenbar zu machen und dadurch Bestimmtheit und Gewissheit zu fördern und ein sicheres Umfeld zu schaffen. Das Fördern von Einfachheit, Schlichtheit und Eindeutigkeit ermöglicht beispielsweise einen klareren Blick in die Zukunft und erleichtert das Treffen von Entscheidungen.
Folgende „word-cloud“16 (Abb. 4) fasst grafisch diese vielfältigen Zugangs-möglichkeiten zur Bewältigung von VUKA-Herausforderungen zusammen.
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Abb. 4 Vielfalt der Zugangsmöglichkeiten zur Bewältigung von VUKA-Herausforderungen (Quelle: eigene Darstellung, 2021)
Gemäß den Grundannahmen der humanistischen Psychologie strebt der Mensch nach einem glücklichen, sinnerfüllten Leben, Selbstverwirklichung, Wachstum und sozialem Austausch. Dabei gibt es individuell Faktoren, welche dieses Streben behindern beziehungsweise einschränken (vgl. Moss Breen, 2017, S. 39 ff.). Im Zentrum des ressourcenorientierten Stressmodels steht das Ausbilden jedweder Schutz-mechanismen und Widerstandsressourcen zur Abfederung und Bewältigung negativer Stressreaktionen (vgl. Kaluza, 2015, S. 51ff.). Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus (1984) stellt dieses Ressourcenmanagement in den Mittelpunkt der Stressbewältigung. Im Zentrum des Ansatzes steht die individuelle, subjektive Bewertung eines Reizes, welche die Stressauswirkung bestimmt. Dabei gibt es zwei Stufen der Bewertung: die primäre und sekundäre. Die primäre Bewertung fokussiert auf das, wie der Reiz das subjektive Befinden beeinflusst. Die sekundäre Bewertung sucht folglich nach persönlichen Fähigkeiten, Ressourcen und Möglichkeiten zur Bewältigung. Das Resultat der Bewertungen bestimmt infolgedessen die Bewältigungsstrategie (vgl. ebd., o. S.).
2.5.2 Das psychologische Konstrukt Resilienz
Menschen, welche Hindernissen und Einschränkungen trotzen, ausgeprägte Widerstandsressourcen und gesunde Bewertungsmechanismen besitzen, werden als resilient bezeichnet. Je nach individueller Resilienzausprägung gelingt es Menschen, gut beziehungsweise weniger gut mit Belastungen und Veränderungsanforderungen umzugehen (vgl. Moss Breen, 2017, S. 39 ff.).
Es gibt keine einheitliche Definition des Resilienzbegriffes. Resilienz ist mannigfaltig. Die theoretische Verortung ist nicht abgeschlossen. Auf dem internationalen Kongress „Resilienz – Gedeihen trotz widriger Umstände“ mit Fokus auf Therapie und Beratung im Jahre 2005 wurde das Konstrukt wie folgt definiert: Resilienz ist das Vermögen Belastungen, ohne permanente psychische Auswirkungen zu bewältigen. Zugleich ist sie ein kontinuierlicher Prozess der Anpassung des Organismus in seiner Wechselbeziehung mit der Umwelt, wobei der Organismus dazu tendiert durch Superkompensation daraus verstärkt hervorzugehen (vgl. Welter-Enderlin, 2012, S. 7 ff.; Heller, Gallenmüller, 2019, S. 3 ff; Soucek et al., 2019, S. 101ff.). Resilienz ist das seelische Immunsystem, welches Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit sowie Elastizität ermöglicht. Gemäß der positiven Psychologie und dem Salutogenese Prinzip kann Resilienz wie folgt subsummiert werden (Abb. 5):
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Abb. 5 Theoretische Einordnung von Resilienz (Quelle: Limmer, Schütz, 2018, S. 489)
2.5.3 Ansatzpunkte zur Resilienzförderung
Resilienz ist nicht statisch und kann gefördert werden (vgl. Heller, Gallenmüller, 2019, S. 8; Moss Breen, 2017, S. 39). Im Zentrum des transaktionalen Stressmodels nach Lazarus (1984), wie vorab ausgeführt, steht neben der Art und Weise der Bewertung von Reizen das persönliche Ressourcenmanagement. Widerstandsressourcen sind spezifische Faktoren, welche Problemlösungspotenzial aufweisen (vgl. Bengel et al., 2001, S. 34). Diese sind umfangreich und spannen einen Bogen über physische, psychische, kognitive, ökonomische, materielle, soziale oder politische Ressourcen. Die Ausprägungsstärke dieser Widerstandsressourcen wirkt auf das individuelle Resilienzvermögen. Nach Kalisch (2020) zählen zu diesen Resilienzfaktoren eine optimistische Grundhaltung, ausgeprägte Selbstwirksamkeit, gute Bindung und soziale Unterstützung (vgl. ebd., S 86). Auch Heller, Gallenmüller (2019) führen diese Widerstandsressourcen in ihrem Resilienzansatz an. Sie erweitern diese Liste und teilen die Ressourcen in 3 Resilienzschlüssel und 7 Resilienzfaktoren ein (vgl. ebd., S. 9), wie folgend gelistet (Tab. 2).
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Tab. 2 Resilienzschlüssel und -faktoren (Quelle: in Anlehnung an Kalisch, 2020, S. 86; Heller, Gallenmüller, 2019, S. 9)
Ansatzpunkte zur Förderung von Resilienz gehen weit hinaus über das bloße Fördern dieser Widerstandsressourcen. Sie sind vielfältig wie die Resilienz selbst. Ein einheitliches Ansatzverständnis fehlt in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur (vgl. Luthar et al., 2000, S. 543 ff.). Möglichkeiten zur Förderung der Resilienz liegen beispielsweise in der Wahrnehmungsschärfung, im Zugang über die Kognition, im Aktivieren von Ressourcen und Erlernen von Bewältigungsstrategien sowie Integration von Lernerfahrungen oder Reflexion, wie folgend gelistet (Tab. 3).
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Tab. 3 Ansatzpunkte zur Resilienzförderung (Quelle: eigene Darstellung, 2021)
2.5.4 Verfahren zur Messung von Resilienz
Um die Wirksamkeit jedweder Resilienzförderung zu messen, stehen etablierte, wissenschaftliche fundierte Messverfahren zur Verfügung. Resilienz kann auf unterschiedliche Weisen erfasst und gemessen werden. Folgend werden 4 fundierte Instrumente kurz vorgestellt, welche die personale Resilienz messen:
Die "Connor-Davidson-Resilience-Scale (CD-RISC)" wird schwerpunktmäßig in Diagnostik und Therapie von posttraumatischen Störungen eingesetzt. Dabei wird Resilienz als veränderbare Größe zur Darstellung des Gesundheitszustandes angesehen. Mittels dieser Skala werden unter anderem persönliche Kompetenz, Vertrauen in eigene Instinkte, Akzeptanzniveau negativer Affekte und positive Haltung gegenüber Veränderungen gemessen. Die Resilienzskala ist fünfstufig und umfasst 25 Items (vgl. Connor, Davidson, 2003, o. S.).
Mittels der „Ego-Resilience-Scale (ERS)“ wird die Bewältigungskompetenz stressvoller, negativer Ereignisse mithilfe von positiven Gefühlen diagnostiziert. Sie definiert Resilienz als stabiles Persönlichkeitsmerkmal und der Fähigkeit sich von belastenden Ereignissen zu erholen. Die vierstufige Skala umfasst 14 Items (vgl. Röhrig et al., 2006, S. 285ff.).
Die „Resilience-Scale-for-Adults (RSA)“ kommt im präventiven klinischen Bereich zur Anwendung, um Fortschrittsverläufe zu messen. Sie fragt nach persönlicher und sozialer Kompetenz, den familiären Zusammenhalt, die soziale Unterstützung und die Persönlichkeitsstruktur und umfasst 37 Items (vgl. Friborg et al., 2003, S. 65ff.).
Die „Brief-Resilience-Scale (BRS)“ ist eine kurze Skala zur Messung der Stressresistenz. Sie definiert Resilienz als Fähigkeit sich von Stressoren zu erholen oder rasch wieder auf die Beine zu kommen. Die sechsstufige Skala umfasst 6 Items (vgl. Smith et al., 2008, S. 194 ff.).
Ziel der Forschungsarbeit ist, das stressprophylaktische Potenzial von Resilienz-förderung mittels lösungsorientiertem Kurzzeitcoaching zu messen. Die BRS erfüllt diese Kriterien. Sie misst einerseits spezifisch die Stressresistenz und entspricht andererseits mit ihrer kurzen Form dem Beratungsformat. Untersuchungen zeigen, dass zwischen der CD-RISC (Langversion) und der BRS (Kurzversion) kein klinisch bedeutsamer Unterschied in den Messergebnissen besteht. Die Kurzversion ist in Zuverlässigkeit und Validität mit der Gesamtskala vergleichbar. Ferner ermöglicht die BRS ökonomisches Vorgehen und sichert die Effizienz des diagnostischen Forschungs- sowie Bearbeitungsaufwandes. Dies entspricht auch den VUKA-Forderungen nach Einfachheit. Die BRS wurde ins Deutsche übersetzt. Die Studie von Chmitorz et al. (2018) bestätigt die Validität und Reliabilität der deutschen Version (vgl., ebd., o. S.). Nachfolgend (Tab. 4) werden die 6 Items, die 5-stufige Antwortskala sowie das Ergebniskalkulationsverfahren aufgezeigt (vgl. Smith et al., 2008, 194 ff.).
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Tab. 4 Kurze-Resilienz-Skala - KRS: deutsche Version der Brief-Resilience-Scale - BRS (Quelle: Chmitorz et al., 2018 in Anlehnung an Smith et al., 2008, o. S.)
Die deutsche Version der KRS wird infolgedessen herangezogen, um die Pre- und Postmessung der Resilienzausprägung des Probanden in der experimentellen Einzelfallstudie durchzuführen.
2.6 Ein präventiver Ansatz zur VUKA-Bewältigung
2.6.1 Die „solution focused brief therapy“ (SFBT) nach Steve de Shazer
Die Coachingnachfrage steigt. Unter den Top-10 Beratungsanlässen fungieren Themen wie Burnout, Prävention, Stressmanagement oder Selbstreflexion (vgl. Rauen, 2018, o. S.). Coaching zielt naturgemäß auf die Beratung Gesunder ab. Coachingvereinigungen beschreiben den Prozess zur Lösungsfindung als interaktiv, kreativ und klientenzentriert. Coaching unterstützt Klienten dabei, aus eigenen Kräften gewünschte Ziele zu erreichen, ihr persönliches Potenzial zu entfalten und Selbststeuerung zu fördern (vgl. ACC, o. J., o. S.; ECA, 2019, o. S.; ICF, o.J., o. S.).
Der lösungsorientierte Ansatz der SFBT, welcher weltweit zu den häufigsten therapeutischen Modellen zählt, findet auch außerhalb des Therapieumfeldes Anwendung wie beispielsweise in wirtschaftlichen Organisationen (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 41, zitiert nach Cauffman, 2001; Bamberger, 2010, S. 26ff.) und findet sich auch in Beratungsformaten wie Coaching wieder. Steve de Shazer und Insoo Kim Berg sind Gründer des Ansatzes der „Solution Focused Brief Therapy“ (SFBT) - der lösungsfokussierten Kurzzeittherapie. Diese Beratungsform fand in den 70-er Jahren seine Anfänge, fußt auf dreißigjähriger Praxiserfahrung und ist international, wissenschaftlich anerkannt (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 17.; Bamberger, 2010, S. 1). Im Ansatz finden sich Theorien von Wittgenstein wieder, welche ein philosophisches Grundgedankengut beinhalten (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 11). Ferner fließen Erkenntnisse der Arbeit von Milton Erickson und buddhistisches Gedankengut in den Ansatz ein und prägen diesen (vgl. ebd., S. 22). Des Weiteren integriert die Beratungsform Ansätze der systemischen Therapie, wie beispielsweise der Familientherapie (vgl. ebd., S. 25). Die Therapieform ist pragmatisch. Erkenntnisse resultieren aus Langzeitbeobachtungen von Klienten. Diese Praxiserfahrungen wurden aufgenommen und in das Gesamtkonzept der SFBT integriert. Diese Kurztherapieform basiert demnach nicht auf einer universalen Theorie, sondern resultiert aus Anwendungserfahrungen (vgl. ebd., S. 13). Die lösungsorientierte Kurzzeitberatung ist Gegenstück zu traditionellen Psychotherapieformen. Diese sind rückblickend und fokussieren auf analytisches Problemverständnis und -auflösung. Die Lösungstherapie hingegen richtet den Blick nach vorne, sie konzentriert sich auf Lösungen und sucht nach positiven Ausnahmen zum Problemverhalten. Ferner unterstützt sie maßgeblich Klienten dabei, ihre Ressourcen, Fähigkeiten und Resilienzen zu identifizieren und animiert sie, diese positiven Strategien einzusetzen, um Lösungen für die Problembewältigung zu entwickeln (vgl. ebd., S. 42). Die Kurzform der Therapie ist dabei wie folgt begründet: Einerseits wird zeitintensive Problemanalyse nicht vertieft, sondern der Blick wird auf die Ressourcen und die Anwendung dieser gelenkt. Andererseits ist sie damit begründet, dass in der Beratung selbst nicht Veränderungsarbeit stattfindet, sondern lediglich Anstöße dazu gegeben werden. Ferner ermöglicht der sofortige Blick auf die Lösungsvision einen rascheren Fortgang. Die von Steve de Shazer entwickelte kreative Technik der Wunderfrage regt dabei die Phantasie des Klienten an und erlaubt, den gewünschten Zielzustand zu visualisieren, zu beschreiben und entsprechend Wege zu finden, ihn zu erreichen (vgl. Bamberger, 2010, S. 111ff.; de Shazer, Dolan, 2016, S. 70ff.).
Grundsätzlich gibt es in der SFBT weder Normen noch vordefinierte Abläufe (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 12ff.). Die SFBT folgt dabei 8 Leitsätzen, gewissen Grundprinzipien wie Lösungs- und Ressourcenfokus sowie Leitlinien bezüglich der Einstellungen und Beziehung zwischen Therapeut und Klient. Ferner nützt die SFBT Interventionen, die Lösungsfindung fördern, wobei Fragen und Kommunikation zentrale Werkzeuge sind. Ferner gibt sie Richtlinien an in Bezug auf den optimalen Beratungsprozess. Nachfolgend werden diese Maximen der SFBT und ihre Grundannahmen angeführt und näher spezifiziert.
2.6.2 Die Maximen der lösungsorientierten Beratung
Leitsatz 1: Voraussetzung für eine Therapie ist ein Problem, welches noch nicht gelöst ist, im Sinne von „ Was nicht kaputt ist, muss man auch nicht reparieren. “ (de Shazer, Dolan, 2016, S. 23).
Leitsatz 2: Funktionierende frühere Lösungsansätze beziehungsweise Strategien des Klienten sind zu verfolgen, um ihn zum Festigen der Veränderungen und Lösung des Problems zu motivieren. „ Das, was funktioniert, sollt man häufiger tun.“ (ebd., S. 23).
Leitsatz 3: Im Gegensatz zum 2. Leitsatz, sind nicht funktionierende Lösungs-strategien aufzugeben. Das Wiederholen von Handlungen, welche nicht zum Problemlösen beitragen, unterstützen den Klienten nicht dabei, die Lösung voranzutreiben. „ Wenn etwas nicht funktioniert, sollte man etwas anderes probieren. “ (ebd., S. 23).
Leitsatz 4: Die methodische Vorgehensweise ist induktiv. Kleine, minimalistische Erfolgshandlungen führen in der Summe zu der gewünschten Lösung. Ein kleiner Erfolgsschritt gilt als Motivator zur Wiederholung anderer Schritte. „ Kleine Schritte können zu großen Veränderungen führen. “ (ebd., S. 24).
Leitsatz 5: Die therapeutische Vorgehensweise fokussiert auf Lösungsszenarien und greift nicht auf die Analyse des Problems, der Pathologie oder dysfunktionaler Anzeichen zurück. Der Fokus liegt auf der Gegenwart und Zukunft. „ Die Lösung hängt nicht zwangsläufig mit dem Problem direkt zusammen. “ (ebd., S. 24).
Leitsatz 6: Problembeschreibungen tendieren zu routinemäßigen Sprachstrukturen und lassen den Prozess im Problemdenken erstarren (vgl. ebd., S. 216). Die Sprache des Ansatzes ist positiv optimistisch. Lösungsfindung und Zukunftsausrichtung sind sprachlich positiv gefärbt, wohingegen das Sprechen über Probleme negative Sprachfärbung aufweist. „ Die Sprache der Lösungsentwicklung ist eine andere als die, die zur Problembeschreibung notwendig ist. “ (ebd., S. 24).
Leitsatz 7: Der Fokus liegt des Weiteren auf dem Finden von Ausnahmen, im Sinne von Situationen, ohne dem respektiven Problem. Diese werden eruiert und genutzt, um die Lösungsfindung voranzutreiben. „ Kein Problem besteht ohne Unterlass; es gibt immer Ausnahmen, die genutzt werden können.“ (ebd., S. 25).
Leitsatz 8: Als Basiseinstellung dient die Auffassung, dass Situationen nicht endgültig sind und jederzeit selbst Veränderungen angestoßen werden können. Es besteht immer Hoffnung auf Veränderung und Lösung. „ Die Zukunft ist sowohl etwas Geschaffenes als auch etwas Verhandelbares. “ (ebd., S. 25).
2.6.3 Grundprinzipien der lösungsorientierten Beratung
Die Interventionsprinzipien und zentralen Werkzeuge der lösungsorientierten Beratung sind Ressourcenfokus, Suche nach Ausnahmen, Feststellung von Unterschieden, Überprüfung der Alltagstauglichkeit, Hausaufgaben, Reframing sowie Frage- und Skalierungstechniken (vgl. Bamberger, 2010, S. 55).
Zentrales Fundament der SFBT Philosophie ist ihr Lösungs- und Ressourcenfokus. Die Leitsätze zeigen, dass die SFBT davon ausgeht, dass jeder selbst Ressourcen besitzt, um aus eigenen Kräften Lösungen anzustreben, um seine Probleme zu bewältigen. Diese Lösungsoptionen haben nicht unbedingt einen kausalen Zusammenhang mit dem Problem (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 18). Eine grundsätzliche Annahme dabei ist, dass der Klient früher bereits eine Lösung für sein Problem hatte. Die Therapie fokussiert auf jedwede Teillösungen, die in der Vergangenheit bereits funktionierten und somit aufzeigen, dass der Klient eigene Fähigkeiten besitzt, das Problem selbst zu lösen (vgl. ebd., S. 17). Im Vorfeld werden mögliche Teillösungen eruiert und Unterschiede festgestellt. Diese werden schrittweise getestet, um festzustellen, welche Strategien zur Problemlösung beitragen können. Lösungsstrategien, welche in der Vergangenheit zu keinem Erfolg führten, werden nicht weiterverfolgt. Lösungen sind auf ihre Alltagstauglichkeit zu überprüfen. Sollte die in der Therapiesitzung angestrebte Lösung im täglichen Umfeld und System des Klienten nicht ausführbar sein, ist sie aufzugeben, denn die Systemunterstützung ist ein tragender Therapieerfolgspfeiler (vgl. ebd., S. 119f.). Reframing17 ist eine Möglichkeit, das Problem aus anderen Perspektiven zu betrachten, sollte die Lösungssuche eingeschränkt sein. Dabei wird ein starrer Wahrnehmungsrahmen des Klienten aufgelöst und der Klient angeleitet, die Sicht auf seine Probleme zu ändern, um neue Bedeutungen zuzuordnen (vgl. Bamberger, 2010, S. 123). Hausaufgaben beziehungsweise Experimente, zu welchen der Klient am Ende einer Therapiesitzung aufgefordert wird, ermöglichen Lösungsstrategien zu testen. Je nachdem ob sie Erfolg zeigen oder nicht, sind sie zu verfolgen beziehungsweise aufzugeben (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 37f.).
2.6.4 Fragen: Zentrales Werkzeug der SFBT
Das Prinzip der Kommunikation hat einen hohen Stellenwert in der SFBT (vgl. ebd., S. 79). Der sokratische Dialog hat als Ausgangsbasis eine gewünschte Zielerreichung, welche durch die Kommunikation und das therapeutische Gespräch gefördert wird. Der Therapeut lenkt mit dieser Art der Gesprächsführung das Gespräch. Dadurch wird das Auffinden von eigenen gangbaren Wegen eingeschränkt. Der lösungsorientierte Dialog der Kurzzeittherapie löst sich vom sokratischen Dialog, damit das Suchen von neuen Perspektiven und Möglichkeiten sowie Entscheidungswegen animiert wird (vgl. ebd., S. 9f.). Tragender Pfeiler der SFBT ist die Sprache, insbesondere Fragemethoden und -techniken, welche integraler Bestandteil der Therapie und primäres Kommunikationswerkzeug sind (vgl. ebd., S. 18f.; Bamberger, 2010, S. 54f.). Aus unzähligen Therapiestunden wurden Fragen analysiert, welche Klienten bewegten, Lösungen zu finden. Diese wurden in das Konzept integriert (vgl. de Shazer, Dolan, 2016, S. 22). Fragen und Interventionen zielen darauf ab herauszufinden, was notwendig ist, um das Wunschziel zu realisieren. Fragen haben das Potenzial, unterbewusste Suchprozesse zu aktivieren, Reframing anzustoßen und rasch Änderungen zu erzielen. Durch die Beantwortung von Fragen können Veränderungsprozesse im Bewusstsein angestoßen werden (vgl. ebd., S. 74ff.). Fragen regen Klienten zum Nachdenken an. Sie richten sich vorwiegend an die Zukunft und Gegenwart, nicht jedoch and die problembelastete Vergangenheit. Es gilt die Sprache des Klienten und die Bedeutungen seiner Antworten zu verstehen und Fokus darauf zu legen, was bereits vom Klienten ausgesprochen wurde. Vorwiegend helfen Fragen, Wege aus der Problemsituation zu finden und das Lösungsdenken anzustoßen sowie sprachliche Verstrickungen und kognitive Missinterpretationen aufzuheben. Insbesondere trägt dies dazu bei, hinderliche Glaubenssätze, welche gedankliche Eigeninterpretationen sind und negative innere Zustände verursachen, aufzuzeigen und aufzulösen. Denn Erfahrungen und Kognitionen lösen Verhaltensmuster aus, welche zur Routine und somit im negativen Fall zu Blockierungen führen können (vgl. ebd., S. 11ff.; Bamberger, 2010, S. XIII).
[...]
1 VUKA – Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität
2 SFBT – Solution Focused Brief Therapy
3 Selektion jenes geeigneten Probanden, dessen Bewerbung als erstes einlangte (Übers. d. Verf.)
4 Zitat von Heraklit von Ephesos (vorsokratischer Philosoph), um 500 v. Chr.
5 Mooresches Gesetz: nach Gordon Moore: Die Komplexität integrierter Schaltkreise mit minimalen Komponentenkosten verdoppelt sich regelmäßig in einem Zeitraum von 1-2 Jahren (Wikipedia, abgerufen am 08.11.2020).
6 VUKA – Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität
7 ICD-11: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
8 ASchG: Arbeitsschutzgesetz
9 Lebensstil der Arbeitssüchtigen (Übers. d. Verf.)
10 Balance zwischen Arbeits- und Privatleben (Übers. d. Verf.)
11 Lösungsorientierte Kurzzeit-Therapie (Übers. d. Verf.)
12 „Es scheint, dass lösungsorientierte Coachingmodelle passender sind“. (Übers. d. Verf.)
13 Übers. d. Verf.
14 United States Army War College (USAWC): Höhere Bildungseinrichtung des Heeres / der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika (Übers. d. Verf.)
15 Coupland, D. (1991). Generation X - Tales for an Accelerated Culture. London: Abacus.
16 Wörter-Wolke (Übers. d. Verf.)
17 Neurahmung; aus anderen Blickwinkel betrachten; in anderen Rahmen geben (Übers. d. Verf.)
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