Das Warschauer Ghetto
"Ich glaube an die Sonne auch wenn sie nicht scheint.
Ich glaube an die Liebe auch wenn ich sie nicht fühle.
Ich glaube an Gott auch wenn er schweigt."
(Gebet aus dem Warschauer Ghetto)
Um sich mit der Geschichte des Warschauer Ghettos zu befassen muss man das Wort „G(H)ETTO“ erst definieren und einige Informationen über die Juden in Europa sammeln.
Wenn man heute von Ghettos spricht, fallen oft die Schlagworte Armut, Kriminalität, Gewalt und Drogen. Jeder denkt dann meist an die U.S.A. (bzw. der New Yorker Stadtteil Bronx) oder Brasilien (bzw. die Stadt Rio de Janeiro) vor seinen Augen. Auf den ersten Blick scheint ein Ghetto ähnlich einem Slum (deutsch: Elendsviertel) zu sein, aber es gibt einige Unterschiede.
Das Wort stammt aus der italienischen Bezeichnung „GETTO“, was ins deutsche übersetzt „abgesperrter Bezirk“ und „Isolation“ bedeutet. Ein „Getto“ tauchte das erste Mal im Mittelalter im Jahre 1531 in Venedig erstaunlicher Weise ebenfalls im Zusammenhang mit Juden auf. Wegen eines Verbots des Zusammenlebens von Juden und Christen wurde ein jüdisches Wohn- und Stadtviertel für die jüdischen Bürger in der italienischen Stadt errichtet. Deshalb war ein „Getto“ geschichtlich (immer) ein streng abgeschlossenes jüdisches Wohnviertel. Nun stellt sich aber die Frage: Wieso mussten die Juden in Europa in Ghettos leben ?
Antwort: Die mehrheitlich christliche Bevölkerung in Europa feindete die Juden schon immer an - wegen ihres anderen Glaubens, ihrer Sitten und Gebräuche. Im 11. Jahrhundert wuchs die Feindschaft im Zusammenhang mit den Kreuzzügen als fanatische Glaubensparolen wie z.B.: Juden = Christusmörder populär wurden. Die Folgen für die Juden war demütigend (Berufsverbote, Kleiderordnung, keine Bürgerrechte!). Eine Zeit des Leidens und Wartens begann. Erst im 18. und 19. Jahrhundert bekamen die Juden die Bürgerrechte. Dies hielt, wie wir wissen, nicht lange an. Die Rassenlehre und Hitlers Machtübernahme im Deutschen Reich veränderte die Situation für die Juden drastisch ...
Am 1. September 1939 überfiel die deutsche Wehrmacht das Nachbarland Polen. Kurz zuvor hatten Hitler und Stalin einen Pakt zur Aufteilung Polens geschlossen, den Hitler jedoch nicht einhält und ganz Polen für sich besetzt und 1941 ebenfalls die Sowjetunion angreift. Zwanzig Tage später gab Reinhard Heydrich, Chef der Gestapo (geheime Staatspolizei) und der Sicherheitspolizei, Anweisungen zur "Endlösung der Judenfrage" (Wannsee-Konferenz). Ghettos als Orte der Isolation zur Demütigung und Ausbeutung der Juden wurden unter deutscher Besatzung in vielen Orten Osteuropas errichtet. Damit wurde eine Konzentrierung der Juden in den Städten erreicht. Auch einige Dörfer Polens dienten als Ghettos, indem man die Dorfbewohner vertrieb und Juden einquartierte.
In Warschau lebten vor dem Einmarsch der Deutschen ca. 350.000 Juden. Nach New York war dort die zweitgrößte jüdische Gemeinde der Welt. Die Mehrheit von ihnen lebte im Norden der Stadt, im traditionellen jüdischen Viertel. Im November 1939 wurde Adam Czerniakow von den deutschen Gemeindevorsitzenden zum Judenältesten ernannt. Dieser war für Behausung, Gesundheit und Ernährung der Juden zuständig und musste Befehle derß ausführen, die gegen die Juden gerichtet waren. Peinigung stand nun für ihn und natürlich für alle Juden am Tagesplan. Selbst von den Juden wurde er angezweifelt. Für viele war er ein Werkzeug der Deutschen. Deshalb begeht er am 23. Juli 1942 Selbstmord.
Ab März 1940 wird das jüdische Viertel, jetzt das Ghetto, wegen angeblicher Typhusgefahr (Infektionskrankheit) von der Außenwelt durch Mauern und Stacheldraht abgeschlossen. Rund 400.000 Juden aus Warschau und Umgebung wurden ins Ghetto umgesiedelt. Nur 25 kg ihres Hab und Guts war ihnen erlaubt mitzunehmen. Im Ghetto wurden nun Regeln aufgestellt; das Verlassen des Ghettos für Juden war verboten und wurde bei nicht Einhalten mit dem Tode bestraft. Ein Drittel der Stadtbevölkerung lebte jetzt im Ghetto, nahm ca. 4,5% der gesamten Stadtfläche Warschaus ein und bot etwa 61.000 Wohnungen mit 140.000 Räumen. Ein Leben auf engstem Raum hatte begonnen. Seine Grenzen wurden am 23. Oktober 1941 erheblich verändert.
Im Juli 1942 beginnt die Deportation der Juden in die Vernichtungslager. Judenräte mussten als erneute Demütigung Deportationslisten erstellen . Bis September verminderte sich die Zahl der Warschauer Ghettobevölkerung rasch von 356000 auf ungefähr 107000. Anfang des Jahres 1943 wurde das Ghetto in 3 voneinander getrennte Teile aufgespalten (siehe Bild).
Am 19. April 1943 erhoben sich etwa 70000 Menschen im Warschauer Ghetto gegen die Vollstrecker der deutschen Vernichtungspolitik. Der Reichsführer derß beschloss das Warschauer Ghetto zu vernichten, aber die Deutschen trafen auf Widerstand der Ghettobewohner. Es war der organisierte Aufstand der ZOB, Zydowska Organisazicja Bojowa (deutsch: Jüdische Kampforganisation), geführt von Marek Edelmann. Der Warschauer-Getto-Aufstand (vom 19.4 - 16.5.1943) ging in die Geschichte ein. Diese Revolte forderte aber viele Opfer, denn je länger der Widerstand andauerte, desto härter ging die Gestapo und die Wehrmacht vor. Die Ghettobewohner hatten nämlich eine sehr schlechte Ausrüstung ein paar Pistolen, Molotowcocktails und vielleicht eine Hand voll Handgranaten. Der Warschauer-Getto-Aufstand war ein verzweifelter Versuch der Deportation in die Vernichtungslager zu entgehen. Deutsche Verluste bei dieser Revolte waren 16 Tote und 90 Verletzte. Viele Ghettobewohner wurden nach dieser historisch unvergessenen Aktion in Arbeitslager eingewiesen oder in die Vernichtungslager Treblinka und Maidanek gebracht.
Mein Tipp:
Häufig gestellte Fragen zum "Das Warschauer Ghetto" Text
Was ist ein Ghetto laut dem Text?
Laut dem Text stammt das Wort "Ghetto" von der italienischen Bezeichnung "GETTO", was "abgesperrter Bezirk" und "Isolation" bedeutet. Historisch war ein Ghetto ein streng abgeschlossenes jüdisches Wohnviertel.
Warum mussten Juden in Europa in Ghettos leben?
Die mehrheitlich christliche Bevölkerung in Europa hegte Feindseligkeiten gegenüber Juden aufgrund ihres Glaubens, ihrer Sitten und Gebräuche. Dies verstärkte sich im 11. Jahrhundert während der Kreuzzüge.
Wann überfiel die deutsche Wehrmacht Polen?
Die deutsche Wehrmacht überfiel Polen am 1. September 1939.
Wer war Reinhard Heydrich?
Reinhard Heydrich war der Chef der Gestapo (geheime Staatspolizei) und der Sicherheitspolizei. Er gab Anweisungen zur "Endlösung der Judenfrage".
Wann wurde das Warschauer Ghetto errichtet?
Das jüdische Viertel in Warschau wurde ab März 1940 wegen angeblicher Typhusgefahr von der Außenwelt durch Mauern und Stacheldraht abgeschlossen.
Wer war Adam Czerniakow?
Adam Czerniakow wurde von den deutschen Gemeindevorsitzenden zum Judenältesten ernannt. Er war für Behausung, Gesundheit und Ernährung der Juden zuständig, musste aber Befehle der Nazis ausführen, was ihn in eine schwierige Lage brachte.
Wann begann die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto?
Die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto begann im Juli 1942.
Was war der Warschauer Ghettoaufstand?
Am 19. April 1943 erhoben sich etwa 70.000 Menschen im Warschauer Ghetto gegen die deutsche Vernichtungspolitik. Der Aufstand wurde von der ZOB (Jüdische Kampforganisation), geführt von Marek Edelmann, organisiert und ging als Warschauer-Getto-Aufstand in die Geschichte ein.
Welche Konsequenzen hatte der Warschauer Ghettoaufstand?
Der Warschauer Ghettoaufstand forderte viele Opfer. Die Deutschen gingen mit großer Härte vor, und viele Ghettobewohner wurden in Arbeits- oder Vernichtungslager deportiert.
Wo kann man mehr über das Leben im Warschauer Ghetto erfahren?
Der Text empfiehlt Marcel Reich-Ranickis "Mein Leben" (DVA Stuttgart 1999, S. 199 ff) für weitere Informationen über das Leben, Überleben und Sterben im Ghetto von Warschau.
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- Michael Lewandowski (Author), 2001, Das Warschauer Getto, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102474