Inhalt
1. Einleitung
2. Zur Hausväterliteratur
a. Allgemeines 2-
b. Hausväterliteratur als Kompilationsliteratur 3-
c. Unmittelbare Vorläufer der Hausväterliteratur 4-
d. Die bedeutendsten Werke der Hausväterliteratur 5-
3. Familie in der Hausväterliteratur
a. Das ganze Haus 7-
b. Der Hausvater 9-
c. Das Amt der Hausmutter - die Gehilfin des Mannes 12-
d. Die Ehe - Beziehung zwischen Hausvater und Hausmutter 15-
e. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern 17-
f. Die Beziehung zwischen Herrschenden und Untergebenen 18-
4. Entwicklung vom christlichen zum gewinnorientierten Ökonomieverständnis
- ein Wandel des Familienbildes 20-
5. Schluss
6. Literatur
1. Einleitung
In den Hausväterbüchern der europäischen Frühneuzeit wird unter anderem ein bestimmtes Idealbild der christlichen Familie formuliert. Unter dem Begriff „Familie“ verstand man in diesen Quellen etwas anderes als wir es heute gewohnt sind. Die vorliegende Arbeit soll ein Versuch sein, dieses Familienbild näher zu umreißen. Zum besseren Verständnis soll zunächst die Genealogie und Beschaffenheit der Gattung „Hausväterliteratur“ genauer untersucht werden. Dies ist deshalb notwendig, weil die Quellen dieser Bücher einen großen Einfluss auf ihren Inhalt hatten.
Anhand des durch die Hausväterliteratur gegebenen Schemata soll dann dargestellt werden, welche Anweisungen für die ideale Beschaffenheit der familiären Binnenbeziehungen gegeben wurden. In welchem Bezug wurden die Familienmitglieder zu einander und zu Gott gesehen? Welche Rolle spielte Gott überhaupt für die Familienstruktur und Zielsetzung der Haushaltung?
Zuletzt soll zusammenfassend der Versuch unternommen werden, Schlüsse darüber zu ziehen, inwieweit die dargestellte Familienlehre Aufschluss über das tatsächliche familiäre Zusammenleben geben kann. In welchem Verhältnis standen Idealbild der Hausväterliteratur und soziale Wirklichkeit zueinander?
2. Zur Hausväterliteratur
2.a. Allgemeines
Der Begriff „Hausväterliteratur“ umfasst einen bestimmten Typus von frühneuzeitlichen Lehrbüchern, die für die geistige Oberschicht der Landwirtschaft gedacht waren. Die Bücher richteten sich vor allem an den Landadel, den bürgerlichen Privatstand und den eigenständigen Bauernstand, zu dem höhere und niedere Landsgutherren gehörten.1Sie kommen, rechnet man ihre Vorläufer dazu, seit Mitte des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vor und können in ganz Europa nachgewiesen werden.
Zu dieser Zeit, also bis ins 18. Jahrhundert, lebten und arbeiteten noch 70 - 90 % der Gesamtbevölkerung in und von der Landwirtschaft. Arbeit und Zusammenleben fanden im Gegensatz zu heute unter einem Dach, im sogenannten „Ganzen Haus“2statt. Die Hausväterliteratur behandelt deshalb die „Ökonomie“ in ihrem ursprünglichen Sinne als „Lehre vom Haus“ („Oikos“ (griech.) = „Haus“), welche die Gesamtheit der menschli- chen Beziehungen und Tätigkeiten im Haus umfasst.3Ihre Inhalte setzen sich zum einen aus einer Sittenlehre und zum anderen aus einer Produktionslehre zusammen. Die Sittenlehre, der moralisch-didaktische Teil, beschreibt, worauf sich der Haushalt begründen soll - nämlich auf einer Rechts- und Sozialgemeinschaft, die sich aus den Hauseltern, deren Kindern und dem Gesinde zusammensetzt. Sie gibt Anweisungen für das Zusammenleben im Haushalt. Es wird ausführlich dargestellt, wie das Verhältnis von Ehemann und Ehefrau, Eltern und Kindern, Herrschaft und Gesinde idealer Weise aussehen sollte. Wie wir später noch sehen werden, können aus diesen Beschreibungen bestimmte Ehe-Auffassungen und Fragen der Kindererziehung herausgelesen werden. Die Produktionslehre hingegen beinhaltet praktische Anleitungen für die Aufgaben in Haus- und Landwirtschaft. Hier wurden z.B. Techniken wie Ziegel- und Kalkbrennen, Anleitungen für den Betrieb von Steinbrüchen oder Empfehlungen für die Aufstellun- gen von Haushaltsrechnungen beschrieben. Es finden sich Kapitel zu Themen wie Gar- ten und Botanik, Seidenraupen-, Bienen- und Fischzucht, Weinbau, Heilkunde für Mensch und Tier, Kochen und Backen, Brauen, Herstellungsanleitungen für Tinte, Schmiere, Farbe und Siegelwachs und anderes mehr.
Auch wenn die Hausväterliteratur in ihren Inhalten alle Mitglieder einer Hausgemeinschaft betrifft, ist sie, wie der Name bereits verrät, meist fast ausschließlich für den Hausvater bestimmt gewesen, der dem Haus vorstehen sollte.
2.b. Hausväterliteratur als Kompilationsliteratur
Hausväterliteratur kann man als Kompilationsliteratur bezeichnen. Das heißt, dass in den einzelnen Werken verschiedene Quellen zusammengetragen und abgeschrieben wurden. Als Quellen wurden von den Verfassern Werke der griechischen Philosophie, der römischen Agrarlehre, sowie protestantische Schriften über den christlichen Haus- stand herangezogen.
Über Ökonomik, die Kunst von der Leitung eines Hauses, schrieben bereits griechische Philosophen ausführliche Anleitungen. Das älteste Werk dieser Art, aus dem sich einige Verse noch in der Hausväterliteratur zitiert finden, stammt aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. Es handelt sich um Hesiods Schrift „Werke und Tage“, deren zweiter Teil eine Sammlung von Regeln zum bäuerlichen Leben beinhaltet.
Wichtiger für die Hausväterliteratur war als Quelle jedoch der „Oikonomikos“ von Xe- nephon (430 - ca. 355 v. Chr.) und Aristoteles’ erstes Buch der „Politik“.
Bei Xenephons „Oikonmikos“ handelt es sich um eine zweiteilige, in dialogischer Form gehaltene Schrift. Im ersten Teil wird der Versuch unternommen, einen reichen Polisbürger von der Notwendigkeit der Ökonomie zu überzeugen, wobei Ökonomie hier nur die Leitung einer Haushaltung, nicht eines ganzen Hauses bedeutet. Der zweite Teil beinhaltet eine Lehre über die Leitung einer Landgutshaushaltung.
Bei Aristoteles handelt es sich hingegen um eine wissenschaftliche Abhandlung über Ökonomie, die das ganze Haus betrifft.4In beiden Werken geht es vor allem um die Behandlung ethischer Fragen.5 Auf inhaltliche Zusammenhänge dieser Werke mit der Hausväterliteratur wird später ausführlicher eingegangen werden.
Schriften der römischen Agrarlehre, die von den Verfassern der Hausväterliteratur e- benfalls als Quellen herangezogen wurden, beschränkten sich im Gegensatz zu den griechischen Texten nur auf technisches Wissen der Agrarwirtschaft. Zu nennen ist hier beispielsweise Columellas Werk „De re rustica“. Für die Untersuchung des Familien- bildes in der Hausväterliteratur ist diese Quelle aufgrund ihres technischen Charakters weniger wichtig.
Die dritte bereits erwähnte Quellensorte - die protestantischen Schriften über den christlichen Hausstand - geht auf die Bibel zurück. Zugrunde liegen diesen Schriften die sog. „Haustafeln“, die in den Apostelbriefen an die Kolosser und Epheser vorkommen und von Luther neu geordnet wurden. Luther geht es um eine christliche Hausordnung, die die Beziehungen in der Familie regeln sollte. Auch auf diese Quelle wird im weiteren noch einmal zurückgekommen werden.
2.c. Unmittelbare Vorläufer der Hausväterliteratur
Vor der Betrachtung der Hausväterliteratur selber sollen noch in Kürze zwei unmittel- bare Vorläufer dieser Gattung vorgestellt werden. Es handelt sich um den Fürstenspie- gel „Oeconomia christiana“6von Justus Menius aus dem Jahr 1529, zu dem Luther das Vorwort schrieb, und Johann Steinbachs Buch „Der Weiber Haushaltung. Wie man sich christlich verhalten sol / zeitlich gut zu erwerben und zu bewaren.“7, welches 1561 in Leipzig erschien. Beide Werke sind sehr prägend für die spätere Hausväterliteratur, können aber zu dieser noch nicht dazugezählt werden, da sie nicht alle inhaltlichen Bereiche derselben abdecken.
Die „Oeconomia christiana“ von Menius beschränkt sich inhaltlich auf die personalen Beziehungen des Hauses, enthält also nur eine ethisch-christliche Lehre. Konkrete Ar- beitsanweisungen im Sinne einer Produktionslehre werden nicht gegeben. In seinem Vorwort stellt Luther die Ökonomie ganz unter den Zweck der Ehe- und Kinderzucht. In diesem Sinne thematisiert Menius, wie das eheliche Leben gestaltet sein soll, welche gesonderte Stellung dem Mann als Hausvater in der Hausregierung zustehe, welche Pflichten die Frau habe und wie sich der Vater seinen Kindern und dem Gesinde gegen- über verhalten soll. Das von Menius verwendete Schema zur Darstellung der personalen Beziehungen durchzieht später die gesamte Hausväterliteratur. Vor allem die Formulie- rung des Leitbildes des Hausvaters galt als programmatisch und wurde von Menius m- mer wieder abgeschrieben oder nachgeahmt.
Bei Johann Steinbachs Buch „Der Weiber Haushaltung ...“ handelt es sich um ein sog. „Weiberbuch“, es ist also nicht an den Hausvater, sondern an die Frau gerichtet. Die Schrift beinhaltet einige Anmerkungen zum Verhalten der Frau, die in der Hausväterliteratur aufgegriffen wurden. Hierzu gehören die Frauenschelte im Vorwort, mittels derer die Frauen an den durch sie verursachten Sündenfall erinnert und deshalb zu einer Gottes Wort entsprechenden Haushaltung ermahnt werden, außerdem das dem 31. Kapitel der Salomon-Sprüche entnommene „Lob der tüchtigen Hausfrau“ und einige von Steinbach übersetzte Passagen aus Xenephons „Oikonomikus“.
2.d. Die bedeutendsten Werke der Hausväterliteratur
Die Hausväterliteratur setzte mit Johann Coler ein. Der Student der Medizin, artes libe- rales und Jurisprudenz verfasste zwei Bücher: das „Calendarium oeconomicum et per- petuum“ (1592) und das „Opus oeconomicum“ (1593). Die beiden Werke wurden zu einem Buch zusammengefasst und erschienen 1604 unter dem Titel „Oeconomia ruralis et domestica oder Haußbuch“. Diese „Oeconomia“ erlebte bis ins 18. Jahrhundert 14 Auflagen.8Der neue Typus der Hauslehre wurde bei Coler durch die Verbindung der seit der Antike nebeneinander bestehenden Ökonomik und Agrarlehre geschaffen. Es ging ihm darum, die Quellen nicht nur zu kompilieren, sondern zusätzlich auch neue Erfahrungen aus der Praxis einzubringen. Der erste Teil „Vom Haushalten“ ist eng an die griechischen Vorbilder angelehnt. Hier werden vor allem das Ziel der Haushaltung und das sittliche Verhalten der Personen im Haus besprochen. Der Rest des Buches behandelt nur noch Agrarlehre.9Nach diesem ersten Werk erschienen eine Vielzahl anderer Hausväterbücher, die sich inhaltlich an dieses anschlossen.
Zu den bedeutendsten Hausväterbüchern können folgende Werke gezählt werden: Jo- hann Wilhelm Wündschs „Memoriale Oeconomicum Politico=Practiccum“, welches 1663 in Leipzig erschien, die „Nützliche Hauß- und Feldschule / das ist: Wie man ein Land-Feld-Gut und Meyerey mit aller Zugehör (...) mit Nutzen ordnen solle“ von Georg Andreas Böckler, 1666 in Nürnberg erschienen, und von Johann Jacob Agricola der „Schauplatz des Allgemeinen Haußhaltens“, der 1676 in Nördlingen herausgebracht worden ist.
Von Wolf Helmhard von Hohberg erschien 1682 in Nürnberg die „Georgica curiosa o- der Adeliges Landleben“. Diese Werk war vor allem für den Adel bestimmt. Der erste Teil richtete sich an den Hausvater, der zweite an die Hausmutter. Betont wird in diesem Werk vor allem, wie man sich Gott oder sich selbst gegenüber, sowie in zwischenmenschlichen Beziehungen des häuslichen Lebens verhalten sollte.10
Weitere wichtige Werke der Hausväterliteratur sind von Andreas Glorez die „Vollstän- dige Hauß- und Land-Bibliothec“, erschienen 1700 in Regensburg, und - das Werk, das bei dieser Untersuchung besonderes Interesse erhalten soll - von Franziskus Philippus Florinus (eigentlich: Philipp von Sulzbach): „Oeconomus prudens et legalis. Oder All- gemeiner Klug- und Rechtsverständiger Hausvater“, welches 1702 in Nürnberg, Frank- furt und Leipzig erschien. Florinus war Geistlicher. Für sein Hausväterbuch fertigte er nur den Inhalt an, die einzelnen Gebiete ließ er dann von Spezialisten bearbeiten. Das Buch richtete sich an den bürgerlichen Privatstand und höhere Schichten wie den Land- adel. Florinus beschreibt das Verhältnis des Hausvaters zu Gott und zu sich selbst, die Beziehung zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern sowie Herrschenden und Dienstboten. Bei diesen Schema knüpft er eng an die aristotelische Ökonomik und die Haustafeln an. Mehr als andere Werke der Hausväterliteratur zeigt Florinus’ Hauslehre stark christliche Züge. Das Werk von Florinus kann laut Julius Hoffmann als Höhe- punkt der Hausväterliteratur angesehen werden. Nachfolgende Werke zeigen immer ge- ringeren Umfang.11
Als späte Werke der Hausväterliteratur gelten verschiedene Haushaltungsbücher von Julius Bernhard von Rohr12, sowie das Buch von Johann Joachim Becher: „Kluger Hauß=Vater, Verständige Hauß=Mutter“ (1714). Vor allem bei letzterem zeigt sich bereits ein Wandel der Zielsetzung der Hausväterliteratur. Es ging ab jetzt mehr um den Erwerb und die Vermehrung von Gütern. Mit diesem Wandel des ökonomischen Verständnisses setzte das Ende der Hausväterliteratur ein.13
3. Familie in der Hausväterliteratur
3.a. Das ganze Haus
Im mittelalterlichen Latein bedeutete „familia“ die Gesamtheit der von einem Haus, einer Burg, einem Schloß oder einem Fürstenhof abhängigen Leute. „Familie“ in der Hausväterliteratur umfasst alle in einem Haus arbeitenden und lebenden Menschen. Dazu zählen Hausvater und Hausmutter, ihre Kinder und das Gesinde. Alle zusammen bilden eine „Gesellschaft“14. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Ganzen Haus“, welches die zur Zeit der bäuerlich-adeligen Gesellschaft zumeist vorherrschende Einheit von Familie, Haushalt und Betrieb in einem Haus ausdrücken soll. Das „Ganze Haus“ war das grundlegende Sozialgebilde dieser Zeit.15
Mann und Frau bilden in ihrer ehelichen Verbindung idealer Weise den Kern des Hau- ses. Wichtig ist aber vor allem die Anwesenheit des Hausvaters, denn in einigen Haus- väterbüchern wird die Frau als durch eine Haushälterin austauschbar bezeichnet.16Für das Funktionieren des ganzen Hauses waren feste Regeln notwendig, die auch die Be- ziehungen der Personen untereinander bestimmten. Deshalb war das Haus streng hierar- chisch gegliedert. Einem Monarchen gleich stand an der Spitze dieser Hierarchie der Hausvater. In Florinus’ Hausväterbuch wird das Haus mit einem Leib oder Körper ver- glichen:
„Denn gleichwie die Oeconomie des menschlichen Leibes nur so lange in dem Stande der Gesundheit bleibt, als lange das Haupt, Herz, Lunge, Magen, Hände, Füsse und die übrigen Glieder, in der Ordnung, die ihnen der Schöpfer in der Natur angewiesen, voll-bringen, insonderheit aber die untern Glieder von ihrem Haupte, als dem obern Theil des Leibes, vermittelst deren ihnen mitgetheilten Lebensgeister ihre Bewegung anneh-men, und sich von demselben als ihrem Vorsteher regieren lassen. Da hingegen, so auch nur ein einiges Glied, so gering es auch seyn mögte, seine ihm angewiesene Ver-richtung verlässet, die ganze Oeconomie des künstlichen und ordentlichen Gebäudes des Leibes Noth leidet, auch wo denen Anordnungen und Fehlern nicht in Zeiten abge-holfen wird, in augenscheinliche Gefahr allerdings zerstöret zu werden fället, und zu-letzt gar dahin fället und erstirbt. Also kann es auch in einer Haushaltung nicht besser gehen, wo der Haus=Vatter, als das Haupt, das seine untergebene Hausgenossen, als die Glieder regieren, und denenselben ihre Verrichtungen anweisen und austheilen soll- te, sein Amt entweder ganz verlässet, oder doch fahrlässig verrichtet; oder hinwieder die Glieder, anstatt daßsie sich regieren lassen sollten, entweder selbst regieren wol-len, oder sonst ihre Schuldigkeiten allerdings vergessen, oder doch nicht pflichtmäßig verrichten. Welches dann so verkehrt ist, als wenn die Füßeüber dem Kopfe stehen wollten, das Haupt aber unter den Füßen liegen, und sich von denselben treten lassen sollte.“17
Der Vater soll also das Haupt, der Rest der Hausgemeinschaft die Glieder des Körpers sein. Erst zusammen bilden sie die Einheit eines ganzen Leibes. Weder Kopf noch Glieder können alleine ohne das andere bestehen und handeln. Das Haupt, also der Hausvater, soll die Glieder regieren und deren Bewegungen bestimmen. Die Glieder, die Untergebenen, sollen sich regieren lassen und nicht entgegen den Anweisungen des Hauptes handeln, da dies zum Schaden des ganzen Körpers führt. Das Ideal ist, ein harmonisches Verhältnis der Glieder untereinander herzustellen. Die Glieder dürfen sich nicht über das Haupt erheben. Alles soll in guter, von Gott gegebener Ordnung bleiben und jeder an seinem zugewiesenen Platz seine Aufgaben erfüllen.
Damit diese „gute Ordnung“ eingehalten werden kann, geben die Hausväterbücher ge- naue Anweisungen zum sittlichen Verhalten der Mitglieder der Hausgemeinschaft un- tereinander. So wird beschrieben, wie das Verhältnis zwischen Ehemann und Ehefrau, Eltern und Kindern und Herrschenden und Untergebenen gestaltet sein sollte.18Diese Beziehungen wurden mit Begriffen wie „Schuldigkeiten“ und „Pflichten“, „Gebühr und Gegengebühr“ benannt. Jedes Mitglied des Hauses bekleidete ein „Amt“ mit festen Aufgaben und Pflichten, das es zu erfüllen hatte. Der in der Hierarchie zugeordnete Platz mußte eingehalten werden, sonst war die Harmonie des Hauses gefährdet, was schließlich zum Schaden des ganzen Hauses führen konnte.
Das gemeinsame Anliegen des Hauses sollte das gemeinsame Produzieren für den Ei- genbedarf sein. Als Ziel wurde die Erhaltung, bzw. Vergrößerung des Besitzes gesehen. Jeder sollte in der Haushaltung nach seinem jeweiligen Status versorgt werden. Der Er- werb von Reichtum sollte nicht Selbstzweck sein, sondern auch Grundlagen für die Er- haltung von Kindern und Kindeskindern schaffen. Der Hausvater war sowohl für das r- dische Wohl, als auch für das ewige Heil seiner Hausgemeinschaft verantwortlich. Dem geistlichen Zweck der Haushaltung wurde in der Hausväterliteratur ein großer Stellen- wert beigemessen.
3.b. Der Hausvater
Aufgrund der idealen hierarchischen Struktur des Hauses steht der Hausvater im Mittelpunkt der Hausväterliteratur.
Der Begriff „Vater“ war in der Hausväterliteratur nicht im biologischen Sinne gemeint, sondern bezeichnete den „Vater“ des ganzen Hauses. Mit ihm wurde eine rechtliche Ordnung ausgedrückt, denn der „Vater“ war der „Herr des Hauses“.
Das Bild vom Hausvater ist stark geprägt von den griechisch-antiken und protestantischen Quellen, derer die Hausväterliteratur sich bedient hat. Kurz soll auf das Hausvaterbild dieser Quellen eingegangen werden.
Aristoteles bezeichnete Ökonomik als reines „Herrenwissen“. Er geht von einer angebo- renen Ungleichheit des Menschen aus. In seiner Politk parallelisiert er die Herrschafts- verhältnisse im Haus mit denen der Polis:„>Despotisch< herrscht die Seeleüber den Leib, der Hausherrüber Tiere und Sklaven, >praktisch< herrscht die Vernunftüber Leidenschaften, der Mannüber die Frau, der Staatsmannüber die Freien.“19Seiner Meinung nach war das Haus ein Ganzes, das auf der Ungleichartigkeit seiner Glieder beruhte, die durch den leitenden Geist des Herrn zu einer Einheit zusammengefügt werden sollten. So wie die Seele dem Körper das Leben und die innere Einheit gebe, sollte der Herrscher dem Staat und der Hausherr als Organisator und Einheit begrün- dendes Prinzip dem Haus gegenüberstehen.20
Xenephon sah in der Fähigkeit, so zu Befehlen, dass der Untergebene gern und willig gehorcht, die wesentlichste Eigenschaft des Hausherren.
Martin Luther hat in den Haustafeln des kleinen Katechismus eine Zusammenhang zwischen einer guten Regierung (Politik) und einer guten Haushalterschaft hergestellt. Er geht davon aus, dass Gott zwei Reiche gegeben habe: ein geistliches und ein leibli- ches Reich. Von diesen bestehe das leibliche Reich zum einen aus der „Ökonomia“, al- so aus der Haushaltung, und zum anderen aus der „Politia“, der Landesregierung. Lu- ther betont, dass aus der christlich geführten Ökonomia der Staat hervorgehen solle, denn nur ein umsichtig geführtes Haus konnte seiner Meinung nach zu einer gerechten Obrigkeit führen. An der Spitze des Hauses sollte ein Gott gleichfalls vertretender Hausherr stehen.
Hiermit war durch Luther die in der Hausväterliteratur immer wieder aufgegriffene A- nalogie vom himmlischen und irdischen Hausvater hergestellt worden. Die Rechtsstel- lung und Herrschaft des Hausvaters wurde also in die Transzendenz verweisend be- gründet. Diese Idee war nicht neu. Bereits seit dem 2. Jahrhundert wurde das Heilsge- schehen als göttliche Ökonomie angesehen und aus dieser der Ethos der Weltökonomie abgeleitet. Das bedeutet, man verglich schon damals Gottvater mit Landesvater und Hausvater.21
Durch diese Analogie mit Gott wurden dem Hausvater in den Hauslehren aber auch Pflichten auferlegt, die er seinen Untergebenen gegenüber zu erfüllen hatte. Er sollte wie der himmlischen Hausvater materielle und ideelle Nahrung austeilen, sowie die für die Wohlfahrt des Hauses zu leistenden Arbeiten einteilen. Er hatte dafür zu sorgen, dass die „gute Ordnung“ des Hauses eingehalten wurde. D.h., dass jeder Hausangehöri- ge das tat, wozu er von Gott berufen war. Zwar wurde die absolute Autorität des christ- lichen Hausvaters wie die eines Königs oder Fürsten anerkannt, er sollte sich aber auch nicht wie ein Tyrann verhalten, weil dies die Harmonie des Hauses stören würde. Die hausväterliche Gewalt galt immer als durch Gott, denoberstenHausvater, beschränkt. Auch der Hausvater hatte sich um den göttlichen Segen zu bemühen. Gottesfurcht und Gottvertrauen sollten seine ersten Tugenden sein.22
Die Parallele zwischen Aristoteles und Florinus’ Vergleich des Hauses mit einem Körper (siehe: Kapitel
3.a.) ist hier offensichtlich.
Am Beispiel der Hausväterbücher von Franziscus Philipus Florinus und Wolf Helmhard von Hohberg soll im weiteren die Darstellung des Amtes und der damit verbundenen Aufgaben des christlichen Hausvaters dargestellt werden.
Nach einem einleitenden Kapitel zur Haushaltung allgemein geht Florinus im zweiten Kapitel darauf ein, welche Pflichten der Hausvater Gott gegenüber habe. Er wird hier zu einem frommen, gottseligen Leben ermahnt, bei dem er sich um die Erkenntnis Gottes, regelmäßiges Beten und Gottesdienste bemühen sollte.
Das dritte Kapitel ist inhaltlich darauf ausgerichtet, „wie sich der Hausvater selbst re-gieren, oder gegen sich selbst verhalten soll“23. Bevor das Hausvaterbuch also auf sein Verhalten anderen gegenüber eingeht, soll der Hausvater zunächst sein eigenes Verhal- ten kontrollieren können.24Es wurde ihm nahegelegt, sich um Selbsterkenntnis und ein tugendreiches Leben zu bemühen, um später vor Gott bestehen zu können. Dazu gehör- te, sich z. B. vor Lastern zu bewahren. Das hieß, dass er sich nicht von spontanen Ge- fühlen wie Zorn, Furcht, Traurigkeit oder Liebe hinreißen lassen, nicht in Übermaßen trinken oder Völlerei betreiben sollte. Sein Leben sollte von Vernunft geleitet sein, sei- ne Triebe und Affekte sollte er kontrollieren können. Es wurde von ihm erwartet, Maß halten zu können. In einer christlichen Lebensführung sollte er seinen Untergebenen gegenüber immer ein Vorbild sein und keine Schwächen zeigen. Darüber hinaus war es seine Aufgabe,„überall wachsam, fürsichtig, häuslich, sparsam, bescheiden, munter, emsig und in vielen Fällen verschwiegen“25zu sein. Hier wird seine Verantwortung dem Haus gegenüber deutlich. Von ihm hing Reichtum und Armut des Hauses ab.
Auch Hohberg ermahnt den Hausvater mit der Begründung der dereinstigen Verantwortung vor Gott zu tugendhaftem, christlichem Benehmen:
„Was nun des Hausvaters eigene Person antrifft, so ist weltkündig, dass sowohl jede Tugend ihre Belohnung, als auch jedes Laster seine Strafe unfehlbar nach sich zieht; und ob auch (durch des allein weisen Gottes Verhängnis) eines oder das andere in die- ser Zeitlichkeit nicht erfolgte, so wird doch in der zukünftigen Ewigkeit sicherlich kei-nes ausbleiben, sondern alles mit unendlich großem Wucher vergolten und verglichen werden, ...“26
Aber auch für das religiöse Verhalten seiner Untergebenen war er verantwortlich:
„... und soll ein gott- und ehrliebender Hausvater nicht allein um sein selbst und eige- ner Wohlfahrt, sondern auch um der Seinigen will, der Tugend und Gottesfurcht beflis- sen sein, ihnen mit christlichem Leben und Wandel vorleuchten, sie zu allen Guten halten, reizen, und im Falle der Notwendigkeit antreiben.“27 Der Hausvater hatte dafür zu sorgen, dass in seinem Haus Morgen-, Tisch- und Abend- gebete, sowie regelmäßige Gottesdienste eingehalten wurden. Er sollte keine Flüche o- der Aberglauben im Haus dulden. Die Sorge um das religiöse Leben seiner Hausangehörigen war seine religiöse Pflicht.
Zu seinen Aufgaben gehörte auch, den Hausfrieden zu gewährleisten. Als Bewahrer und Bewacher des Hauses war verantwortlich für Schutz und Haftung der im Haus Leben- den und Arbeitenden, durfte diesen gegenüber aber auch das Züchtigungsrecht in An- spruch nehmen.
3.c. Das Amt der Hausmutter - die Gehilfin des Mannes
Die Hausmutter galt in der Hausväterliteratur nicht als gleichgestellte Partnerin, sondern als Gehilfin ihres Mannes. Marion Gray beschreibt, dass der Haushalt als ein von Gott gegebenes Lehen angesehen wurde, welches in die Hände des Hausvaters gelegt wurde. Die Hausmutter sollte ihn bei der Führung desselben unterstützen. Der Hausmutter wurde - im Gegensatz zum Hausvater - abgesprochen, alleine ein Haus leiten zu kön- nen.28 Florinus begründet diese untergeordnete Rollenzuweisung der Frau damit, dass Gott schon im Paradies Adam die aus seiner Rippe gemachte Eva zur Gehilfin gegeben habe.
Das Bild der Frau als Gehilfin des Mannes lässt sich noch besser verstehen, betrachtet man das zu den Sprüchen des Salomos gehörende „Lob der tüchtigen Hausfrau“. Es kann als Grundlage für das Idealbild der Frau in der Hausväterliteratur angesehen wer- den.
„Eine tüchtige Frau, wer findet sie? / Sieübertrifft alle Perlen an Wert. // Das Herz ih-res Mannes vertraut auf sie,/ und es fehlt ihm nicht an Gewinn. // Sie tut ihm Gutes und nichts Böses / alle Tage ihres Lebens. // Sie sorgt für Wolle und Flachs / und schafft mit emsigen Händen. // ... // Noch bei Nacht steht sie auf, / um ihrem Haus Speise zu geben / [und den Mägden, was ihnen zusteht]. //... // Sie gürtet ihre Hüften mit Kraft / und macht ihre Arme stark. // Sie spürt den Erfolg ihrer Arbeit, / auch des Nachts er-lischt ihre Lampe nicht. // Nach dem Spinnrocken greift ihre Hand, / ihr Finger fassen die Spindel. // Sieöffnet ihre Hand für den Bedürftigen / und reicht ihre Hände dem Armen. // Ihr bangt nicht für ihr Haus vor dem Schnee, / denn ich ganzes Haus hat wol-lene Kleider. // ... // Ihr Mann ist in den Torhallen geachtet, / wenn er zu Rat sitzt mit denÄltesten des Landes. // ... //Öffnet sie ihren Mund, dann redet sie klug, / und gütige
Lehre ist auf ihrer Zunge. // Sie achtet auf das, was vorgeht im Haus, / und isst nichtträge ihr Brot. // ... // Trügerisch ist Anmut, vergänglich die Schönheit, / nur eine gottesfürchtige Frau verdient Lob. // Preist sie für den Ertrag ihrer Hände, / ihre Werke soll man am Stadttor loben.“29
Die Hausmutter sollte also so zuverlässig sein, dass ihr Mann sich auf sie ganz verlas- sen konnte. Zwischen den beiden sollte ein Vertrauensverhältnis bestehen. Als positive Eigenschaften wurden von ihr Fleiß, kraftvoller Einsatz, sowie Nächstenliebe gegen- über Bedürftigen erwartet. Sie sollte ihre Zunge gut hüten können, bzw. vor anderen nur Kluges sagen. Vor allem Gottesfurcht wurde bei der Hausfrau für wichtig befunden. Diese sei der trügerischen Anmut und vergänglichen Schönheit anderer Frauen vorzu- ziehen30. Der Salomo-Spruch weist der Frau als Arbeitsbereich das Haus zu. Während sie vor allem für die Versorgung aller zum Haus Gehörenden mit Essen und Kleidung zuständig sein und darauf achten sollte, was im Haus vorging, sollte sich der Mann dem öffentlichen Leben und der Politik widmen.
Viele dieser Vorstellungen aus dem „Lob der tüchtigen Hausfrau“ wurden in der Hausväterliteratur übernommen.
Generell wurde die Frau in den Hausväterbüchern als schwach angesehen. Sie galt als zu emotional, weich, nachgiebig und nicht vernunftfähig. Diese Schwäche wurde immer wieder auf Evas Schuld am Sündenfall zurückgeführt. Die Hausväterliteratur ist deshalb voller Ermahnungen für die Frau. Zum Beispiel sollte sie sich nicht zu sehr herausput- zen oder verschwenderisch sein. Letztendlich sollte die Frau wegen ihres schwachen Charakters immer unter der Kontrolle des Mannes bleiben. Es wurde davon ausgegan- gen, dass die Frau ihre Affekte nicht kontrollieren könnte, während dem Mann Vernunft zugesprochen wurde.31Trotz ihres Mangels mußte er ihr eigene Befehlsgewalt im Haus zugestehen. Dies war nötig, damit die Frau der Faulheit und den Anmaßungen des Ge- sindes entgegenwirken konnte. Es zeigt sich, wie Ulrike Hörauf-Erfle erkannt hat, dass in der Rolle der Frau ein gewisser Widerspruch lag. Zum einen sollte sie ihrem Mann gehorchen, zum anderen hatte sie einen weitreichenden Arbeitsbereich eigenverantwort- lich zu leiten.32Bei Johann Wilhelm Wündsch gibt es zum einen die Anweisung, dass die Frau ihren Willen brechen und bedingungslos gehorchen soll. Auf der anderen Seite sollte sie aber auch Mägde einstellen und befehlen, sowie für den Verkauf von Milch, Butter, Käse, Vieh und Gartenprodukte verantwortlich sein. Sogar die Verhandlungen über Preise und Abnahmemengen sollte in ihren Händen liegen. Bei Hohberg heißt es zur Bedeutung der Frau für das Haus:„Es könnte auch dem Mann wenig helfen, wenn die durch seinen Fleißerworbenen Güter, nicht durch einer klugen Hausmutter Sorgfalt verwahrt, erhalten, recht ausgeteilt und angetragen würden.“33Florinus zählt zu ihrem Aufgabengebiet Folgendes: Die Aufsicht über das Erworbene, im Hause Ordnung zu halten, Kochen, Waschen, die Hausapotheke verwalten, dem Mann bei der Kindererzie- hung„eine hülfliche Hand bieten“und den Ärger mit dem Gesinde vom Hausvater fernhalten. Die weiblichen Dienstboten unterstanden ganz alleine ihrer Aufsicht. Wei- tere Aufgaben, die die Hausmutter zu bewältigen hatte, könnten genannt werden.34Es zeigt sich, dass der Aufgabenbereich der Hausmutter recht bedeutungs- und verantwor- tungsvoll war. In den Hausväterbüchern richten sich deshalb einzelne Kapitel sogar an die Hausmutter, wenn es z.B. um Hauswirtschaftstechnik oder Gesundheits- und Kran- kenpflege geht.
Es ist anzunehmen, dass es nicht einfach für die Frau war, ein Gleichgewicht in diesem Spannungsverhältnis unterschiedlicher Erwartungen zu finden. Zum einen stand sie auf der Seite der Herrschenden, hatte sie einen eigenen Verantwortungsbereich, christlich hergeleitet sollte sie aber völlig ihrem Mann untergeben sein und diesen ohne Widerspruch, also ohne eigenen Willen unterstützen.
Das Bild der Frau als Dienende geht auch auf Aristoteles und Xenephon zurück. Aristoteles setzte die Frau mit Kindern und Sklaven gleich. Er war der Meinung, das Haus könne nur unter Ausschaltung der hausmütterlichen Befehlsgewalt gedeihen. Der Frau wurde schon von ihm Vernunft und Tugend abgesprochen.
Xenephon war etwas gemäßigter. Er sah eine partnerschaftlich von Mann und Frau ausgeführte Befehlsgewalt als effizienter an. Der Mann sollte seine Frau in der Haushaltungskunst selbst unterweisen und ihr dann soviel Gewalt einräumen, dass sie das gesamte Hauswesen eigenständig verwalten und er als freier wohlhabender Bürger die Geschicke der Polis mitlenke konnte.
Obwohl sowohl Aristoteles’ als auch Xenephons Ansicht zur Frau den Autoren der Hausväterliteratur bekannt waren, setzte sich Aristoteles’ radikalere Ansatz in den meisten Werken durch.
3.d. Die Ehe - Beziehung zwischen Hausvater und Hausmutter
Die Ehe galt zur Zeit der Hausväterliteratur als göttliche Institution und war mit einem von Gott anbefohlenen Pflichtenkatalog verbunden. Der Hauptzweck dieser Verbindung wurde in der Kinderzeugung gesehen.
Für das Zusammenleben von Mann und Frau in häuslicher Gemeinschaft gab die Bibel Anleitungen. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang Paulus’ Briefe an die E- pheser und Kolosser. In diesen Briefen wird die Unterwerfung der Ehefrau unter den Willen ihres Ehemannes gerechtfertigt:
„Über die christliche Familienordnung:
Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus. Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus), denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib. Wie aber die Kirche Christus unterordnet, sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingeben hat, (...) Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Va-ter und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. (...) Was euch angeht, so liebe jeder von euch seine Frau wie sich selbst, die Frau aber ehre den Mann.“35
Die Hausväterliteratur greift die hier vorgegebenen Bestimmungen für das Verhältnis von Ehemann und Ehefrau auf. Sowohl das Bild der Leibes, - dass der Mann das Haupt, die Frau sein Leib und beide zusammen ein Fleisch seien -, als auch die hierarchische Ungleichheit der beiden sind durchgängige Motive. Ein wichtiger, oft erwähnter Aspekt ist aber auch, dass vom Mann Achtung vor der Frau erwartet wurde. Diese galt als Voraussetzung für die Harmonie des ganzen Hauses.
Mann und Frau sollten sich gegenseitig unterstützen. Bei Coler heißt es hierzu:„eins mußdes andern Bürde tran“36.Florinus setzte sogar Liebe voraus, damit der Haushalt gut funktionieren konnte. Unter Liebe verstand er, dass der Mann gerne bei seiner Frau war, ihr mit Freundlichkeit und Sanftmut begegnete und mit ihren Fehlern Geduld ha- ben sollte. Er sollte für sie sorgen und sie zur Gottseligkeit anweisen, damit sie auch in der Ewigkeit nicht getrennt sein müßten. Florinus’ Vorstellung von ehelicher Liebe un- terscheidet sich also von unserer heutigen diesbezüglichen Vorstellung.37Zur Sorge des Mannes um die Frau gehörte auch, dass er sie gegebenenfalls züchtigen durfte. Er sollte dies aber nicht vor den Augen des Gesindes tun, um die Autorität seiner Frau bei den Dienern nicht zu untergraben. Die Frau sollte akzeptieren, dass die Vormachtstellung des Mannes keine männliche Willkür war, sondern „Gottes weiser Ratschluß“. Sie hatte eine Pflicht zum Gehorsam.38
Das Verhältnis zwischen den Ehegatten war auch ein Rechtsverhältnis. Der Mann war seiner Frau gegenüber zu Schutz und Versorgung, seelischer Unterstützung, sowie zu religiöser und sittlicher Führung verpflichtet. Die Frau war ihm im Gegenzug treues und fleißiges Dienen schuldig.
Damit eine Ehe harmonisch gestaltet sein konnte, waren bestimmte Bedingungen be- reits bei der Ehepartnerwahl zu beachten. Die Hausväterliteratur gab auch hierfür An- weisungen - wenn auch nur an den Mann gerichtet. Florinus betont, dass eine Ehe wohlüberlegt sein sollte. Die zukünftigen Ehepartner sollten sich bereits vor der Ehe- schließung näher kennen. Als wichtig wurde außerdem angesehen, dass Mann und Frau der gleichen Religion angehören sollten. Sie sollten auch mit dem Alter nicht zu weit auseinanderliegen. Der Mann durfte aber ruhig etwas älter als sie sein, damit er genug Reife für die Verantwortung als Hausvater aufbrachte. Die Frau durfte etwas jünger sein, vor allem, damit sie noch „formbar“ und im richtigen Alter war, um Kinder be- kommen zu können. Beide sollten dem gleichen Stand angehören und etwa gleich an Vermögen sein.39Waren alle diese Voraussetzung erfüllt, sollten sich die Heiratswilli- gen die Zustimmung und den Rat der Eltern holen. Wichtiger als Schönheit sollte bei der Wahl der Frau ihr hauswirtschaftliches Geschick sein. Ohne eine tüchtige Frau konnte der Mann nicht gut wirtschaften. Eine angeheiratete Frau war auch eine neue Arbeitskraft fürs Haus. Die Verbindung von Mann und Frau hatte also auch einen funk- tionalen Charakter.
Wie bereits erwähnt, galt die Kinderzeugung als Hauptzweck des christlichen Ehestan- des. Sex sollte deshalb nur aus diesem Grund und nur in Maßen stattfinden. Die Zeu- gung von Kindern war aus verschiedenen Gründen sehr wichtig für die Eheleute. Zum einen wurde durch Kinder die Kernfamilie innerhalb des Hauses etabliert, zum anderen galten sie als Vorsorge der Eltern im Alter und waren billige Arbeitskräfte für das Haus. Florinus bezeichnet die Kinderzeugung als christliche Pflicht, da durch sie gene- rell das menschliche Geschlecht erhalten und die Zahl der Christen in Gottes Kirche gemehrt werden konnte. Auch hatte man die Vorstellung, dass die Eltern in ihren Kin- dern fortleben könnten.40
3.e. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern
Bei der Beziehung von Eltern und Kindern ging man von einem gegenseitigen Pflichtenkatalog aus. Die Eltern waren den Kindern Pflege, Versorgung und Erziehung, und die Kinder den Eltern Unterstützung, Gehorsam und Sorge im Alter schuldig. Beides galt als göttlicher Auftrag.
Die Kinderpflege lag zunächst in den Händen der Mutter. Obwohl die Kinder mehr in den Tätigkeitsbereich der Mutter fielen, wurde aber nur dem Vater zuerkannt, alleine für die Kinder sorgen zu können, während die Mutter wiederum als zu mild und weich angesehen wurde. Man ging davon aus, dass sich die strenge Ernsthaftigkeit des Vaters mit der Güte und Gelinden Obsicht der Mutter ergänzen sollte.
Die in der Hausväterliteratur empfohlene elterliche Erziehung kann in drei Bereiche eingeteilt werden: eine religiöse, eine sittliche und eine berufliche Erziehung. Die Eltern hatten also dafür zu sorgen, dass die Kinder eine christliche Erziehung er- hielten. Dies begann mit der Taufe und bereits frühen Gebeten für die Kinder. Die El- tern sollten den heranwachsenden Kindern christliches Vorbild sein und Gottesfurcht vorleben. Das ewige Heil der Kinder sollte die grundsätzliche Ausrichtung der Erzie- hung überhaupt sein.
Zur sittlichen Erziehung gehörte die Belehrung und Bildung eines sittlichen Willens. Mit den Mitteln der Zucht und Strafe sollte den Kindern Gehorsam beigebracht werden. Da man davon ausging, dass das neugeborene Kind mit dem Makel der Erbsünde, also mit dem Bösen behaftet war, sollte dies mit harten Maßnahmen aus ihm herausgetrieben werden. Hoffmann beschreibt, dass es in den Hausväterbüchern als positives Ziel ange- sehen wurde, den Willen des Kindes zu brechen und es so gefügig zu machen. Die Au- torität der Eltern wurde damit begründet, dass sie als Statthalter Gottes den Kindern ge- genüber galten.
Die berufliche Erziehung sah vor, die Kinder je nach ihren Fähigkeiten etwas lernen zu lassen. Im Grunde traf dies aber nur für die Söhne zu, denn die Bildung der Tochter sollte immer aufs Haus beschränkt bleiben. Idealer Weise sollten die Töchter durch die Mutter zu tüchtigen und gehorsamswilligen Hausmüttern erzogen werden. Die Söhne unterstanden ebenfalls der Erziehung ihrer Mütter, aber nur bis zu einem gewissen Al- ter. Dann war es am Hausvater, die Verantwortung für sie übernehmen. Bei ihm lag die Wahl des Berufes, den der Sohn erlernen sollte. Er sollte sich dabei an der Veranlagung des Sohnes, oder daran, ob er seine Nachfolge antreten konnte, orientieren. Schließlich musste der Vater finanziell für die Ausbildung aufkommen.41
Als Abschluss der Erziehung galt, dass die Eltern dafür Sorge tragen sollten, ihre Kin- der in den Ehestand zu befördern. Hierfür hatten sie eine materielle Starthilfe zu geben und die Kinder bei der Gattenwahl zu beraten. Aufgrund dessen, dass die Kinder einmal das Gut der Eltern erben sollten, wurde von ihnen erwartet, nur mit deren Einwilligung zu heiraten.
Neben der Sorge um das seelische Wohl und der Erziehung der Kinder waren die Eltern für Nahrung und Kleidung, also das irdische Wohl ihres Nachwuchses verantwortlich.42
Als Gegenleistung zu den eben aufgezählten Pflichten der Eltern waren die Kinder diesen Gehorsam schuldig. Es wurde von Ihnen erwartet, im Haus mitzuarbeiten. Die Söhne sollten dem Vater eine Rechte Hand sein, die Töchter der Mutter.
Man kann also das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern mit dem zwischen Hausvater und Hausmutter vergleichen. Auf der Seite der Eltern stand die Pflicht zur Regierung, Sorge und Liebe den Kindern gegenüber, von Seiten der Kinder wurde dafür Ehrfurcht, Gehorsam und Liebe erwartet.
3.f. Die Beziehung zwischen Herrschenden und Untergebenen
Obwohl die Dienstboten für das Haus unentbehrlich waren - wie bereits gezeigt wurde, waren sie die ausführenden Glieder des Hauses -, kam ihnen in der Hausgemeinschaft nur eine Randposition zu. Aufgrund der Besitzverhältnisse wurde von einer Ungleich- heit von Kernfamilie und Gesinde ausgegangen. Diese Ständehierarchie galt als von Gott bestimmte soziale Ordnung, die von jedem akzeptiert werden sollte. Zwar ging man davon aus, dass die Menschen vor Gott gleich waren, dies galt aber nicht in der Welt:„Jeder soll in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat. Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht bedrücken; auch wenn du frei werden kannst, lebe lieber als Sklave weiter. Denn wer im Herrn als Sklave berufen wurde, ist Freigelassener des Herrn. Ebenso ist einer, der als Freier berufen wurde, Sklave Chris- ti.“43
Theoretisch bestand zwischen Herrschenden und Untergebenen ein ähnliches Rechts- verhältnis von Geben und Nehmen, wie es uns in den bereits beschriebenen anderen Beziehungsverhältnissen des Hauses begegnet ist. Während das Gesinde seiner Herr- schaft Gehorsam und Ehrfurcht schuldig war, hatte die Herrschaft ihm gegenüber auch gewisse Pflichten zu erfüllen. Den Dienstboten war Schutz und ihrem Stand entspre- chend Unterkunft und Ernährung zu gewährleisten. Auch den Dienstboten gegenüber sollte die Herrschaft auf religiöse und sittliche Führung bedacht sein. Die Fürsorge soll- te sich sowohl auf den Leib - mittels Ernährung und Arbeitslohn -, als auch auf die See- le beziehen. In Bezug auf Arbeitsanforderungen war das richtige Maß einzuhalten. Dem Gesinde sollte kein Müßiggang gestattet sein, es durfte aber auch nicht überfordert wer- den. Man ging davon aus, dass Beschäftigung mit Arbeit die Bediensteten vom Laster abhalten würde. Im Krankheitsfall, bei Unfällen und im Alter sollte Pflege gewährt werden.
Wurde der Gehorsam des Gesindes nicht eingehalten, waren die Hauseltern zu Züchtigungsmaßnahmen berechtigt. Hierbei wurde ihnen empfohlen, in drei Stufen vorzugehen. Erst sollte ermahnt, dann gedroht und, wenn dies nicht geholfen habe, schließlich auch körperlich gezüchtigt werden.
In den Texten der Hausväterliteratur zeigt sich ein großes Misstrauen den Bediensteten gegenüber. Die besitzende Kernfamilie wurde ständig zur Kontrolle dem Gesinde ge- genüber aufgefordert. Hoffmann spricht in diesem Zusammenhang auch von den soge- nannten„Gesindeklagen“. Die Hausbücher kritisierten die Verwahrlosung des Gesin- des und klagten darüber, dass es seinen Pflichten nicht nachkäme. Es wurde ihm vor- geworfen,„ungehorsam, frech, zänkisch, treulos, faul, boshaft, nachlässig, schwatzhaft und leichtfertig“44 zu sein.45Eine große Kluft zwischen Herrschenden und Bedienste- ten wird auch daran deutlich, dass Johann Coler in seinem Hausvaterbuch beispielswei- se davor warnt, die Kinder zu viel Kontakt mit dem Gesinde haben zu lassen, da es da- durch befleckt und besudelt werden könnte.46
Anhand dieser Klagen wird deutlich, dass die in der Hausväterliteratur beschriebene Theorie von der harmonischen Einheit des Hauses und die Wirklichkeit wahrscheinlich weit auseinander klafften.
4. Entwicklung vom christlichen zum gewinnorientier-
ten Ökonomieverständnis - ein Wandel des Familien- bildes Seit Menius und Luther war die christliche Idee des Haushaltens, Gewinn nicht als Selbstzweck anzustreben, sondern, um die Autarkie des Hauses erhalten zu können. Es ging darum, die Lebensgrundlage - auch für die Nachkommenschaft - zu erhalten. Wichtiger als das Trachten nach allein irdischen Gütern war das Streben nach himmlischer Glückseligkeit. Der Haushalt wurde als von Gott gegebenes Lehen angesehen, das gut gepflegt und für die nachkommenden Generationen erhalten bleiben sollte.
Zum 18. Jahrhundert hin kam es einhergehend mit der Aufklärung zu einem Wandel dieser Ökonomieauffassung. Während die Ökonomie bis jetzt unabhängig von Staatsund Marktführung war und als rein moralische Haushaltsökonomie bezeichnet werden konnte, entwickelte sich nun eine Nationalökonomie heraus, welche durch Marktwirtschaft und dem Streben nach Vermögenswachstum geprägt war. Man erkannte die Bedeutung der Ökonomie für die Staatsführung. Mit der Herausbildung der Territorialstaaten begannen Kameralisten, sich mit der Haushaltsökonomie zu beschäftigen, um die Staatsführung mit den erzielten Ergebnissen optimieren zu können. Das Gewinnstreben begann, sich gegen die christliche Haushaltung durchzusetzen.
In diesem Sinne begannen auch die Hausväterbücher, ihre Schwerpunkte zu verlagern. Julius Bernhard von Rohr kritisierte das herkömmliche Schema der Hausväterliteratur. Seiner Meinung nach sollte der moralisch-didaktische Teil derselben wegfallen, da die- ser zwar für einen vernünftigen Christen, nicht aber für einen Hauswirt wichtig sei. Die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen Hauswirt und vernünftigem Christen ist neu.47
Mit dem Wandel des Ökonomiebegriffes kam es auch zur Auflösung des Ganzen Hau- ses als autarker Wirtschaftsbereich. Haus und Betrieb wurden voneinander getrennt, die Einheit des Hauses aufgelöst. Zwangsläufig veränderte sich auch die Familienstruktur und die damit verbundenen Aufgabenbereiche. Der Vater war nun hauptsächlich für den Betrieb und das damit verbundene gewinnorientierte Wirtschaften zuständig. Er war jetzt im öffentlichen Bereich tätig. Die Kindererziehung, die vorher in der Verantwor- tung beider Elternteile lag, fiel ganz der Mutter zu. In ihren Tätigkeiten verlor die Mut- ter ihre bisherige wirtschaftlicher Verantwortung. Familie wurde zum Ort der Emotio- nalität und Privatheit und verlor seinen wirtschaftlich-rationalen Charakter.48
Mit diesem Wandel setzte auch das Ende der Hausväterliteratur ein. Bei Otto von Münchhausens Buch „Der Hausvater“ vom Ende des 18. Jahrhunderts ist die Einheit von Vater und Haus bereits ganz aufgelöst. Im Vordergrund stehen nur noch seine Auf- gaben in der Landwirtschaft. Die Tätigkeiten im Haushalt und im Bezug auf die Familie nehmen nur noch wenig Raum ein und sollen delegiert werden. Die Polarisierung von Familie und Betrieb wird bei von Münchhausen ganz deutlich. Mit seinem Werk endet die Hausväterliteratur im Sinne der alten Ökonomie. Mit der Auflösung der bisherigen sozialen Einheit des Hauses kommt es auch zur Säkularisierung der Familie. Die von Gott bestimmte und festgelegte Rollenverteilung innerhalb der Familie ist aufgelöst.49
5. Schluß
In den vorangegangenen Kapiteln wurde die Gattung der Hausväterliteratur in Bezug auf die darin vorgestellte Familienvorstellung untersucht. Es ist deutlich geworden, dass die hier dargestellte Familie von strengen Regeln geprägt war, welche als durch Gott, durch das „göttliche Gesetzt“, gegeben angesehen wurden. Das heißt, dass von den je- weiligen Familienmitgliedern erwartet wurde, am zugeordnete Platz willig und geduldig zu verharren und nicht aufzubegehren. Diese konservative Haltung wurde von den Au- toren der Hausväterliteratur durch eine Einordnung des familiären Geschehens in den göttlichen Heilsplan begründet.
Da es sich bei der Gattung der Hausväterliteratur vor allem um Lehrbücher handelt, ge- ben diese nur indirekt Aufschluss über das wirkliche Sein der Familien dieser Zeit. Hier wird ein Soll und kein Ist beschrieben. Hinzu kommt, dass die einzelnen Werke immer wieder von einander abgeschrieben und somit wiederholt die gleichen Schemata in ihrer Darstellung aufgegriffen haben. Auf bestimmte innerfamiliäre Beziehungen und mögli- che Familienkonstellationen wird deshalb gar nicht eingegangen. Wir finden z.B. keine Anweisungen darüber, wie sich Geschwister untereinander oder Dienstboten zu einan- der verhalten sollten. Auch wird nichts dazu geschrieben, wie mit den Alten, den Groß- eltern, oder unverheirateten Geschwistern umzugehen war. Durch dieses Fehlen kann davon ausgegangen werden, dass sich die Autoren der Hausväterbücher stärker an den schriftlichen Quellen als an der Realität orientiert haben. Eine weitere Beschränkung in der Aussagefähigkeit über soziale Realität muss in der Tatsache erkannt werden, dass die Bücher fast ausschließlich nur an den besser gestellten Hausvater gerichtet waren. Zum einen betrafen diese Lehrbücher also nur ein Glied der Familie, zum anderen können sie nichts darüber aussagen, ob es in verschiedenen sozialen Schichten vielleicht auch unterschiedliche Familiensituationen gab.
An einzelnen Stellen konnte mittels der Hausväterbücher aber dennoch ein kleiner Blick auf die Wirklichkeit geworfen werden. Dies war z.B. bei den Kapiteln zur Hausmutter oder zum Gesinde der Fall, wenn Klagen über die betreffenden Personen geäußert wurden oder vor bestimmten Phänomenen wie das „Mannweib“ gewarnt wurde. Dies sind aber nur indirekte Aussagen.
Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass der Zusammenschluß von Hausvater, Hausmutter, Kindern und Gesinde unter einem Dach als zusammen lebende und arbeitende Gemeinschaft die meist vorherrschende Familiensituation war.
6. Literatur
Primärliteratur
Florinus, Franciscus Philipus: Oeconomus prudens et legalis. Oder: Allgemeiner kluger und rechtsverständiger Hausvater, bestehend in neun Büchern. Nürnberg / Frankfurt / Leipzig 1750.
Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Das ist „Adeliges Land- und Feldleben. Bericht und Unterricht auf alle in Deutschland üblichen Land- und Hauswirtschaften. (Ausgewählt und eingeleitet von Heinrich Wehmüller). Wien 1984. (Nachdruck)
Sekundärliteratur
Brunner, Otto: Das „Ganze Haus“ und die alteuropäische „Ökonomik“. In: Ders.: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte. Göttingen 1968. (2. Aufl., 1. Auflage erschien 1956 unter dem Titel: Neue Wege der Sozialgeschichte. Vorträge, Aufsätze.) S. 103-127.
Frühsorge, Gotthard: Die Begründung der „väterlichen Gesellschaft“ in der europäischen oeconomia christiana. Zur Rolle des Vaters in der
Hausväterliteratur. In: Tellenbach, Hubertus (Hrsg.): Das Vaterbild im Abendland, Bd.1. Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1978. S. 110-123. Gray, Marion W.: Men as citiziens and woman as wives. The enlightenment codification of law and the establishment of separate spheres. In: Durchhardt, Heinz (Hrsg.): Reich oder Nation? Central Europe 1780-1815. Mainz 1998. Oder : www.ksu.edu/history/courses/hist512/LAWHP~1.htm vom 04.11.1999 Hörauf-Erfle, Ulrike: Wesen und Rolle der Frau in der moralisch-didaktischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. (Europäische Hochschulschriften. Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 482). Frankfurt a. M. / Bern / New York 1991. Hoffmann, Julius: Die „Hausväterliteratur“ und die „Predigten über den christlichen Hausstand“. Lehre vom Hause und Bildung für das häusliche Leben im 16., 17. und 18. Jhd.. Weinheim und Berlin 1959.
Lemmer, Manfred: Haushalt und Familie aus der Sicht der Hausväterliteratur. In: Ehlert Trude (Hrsg.): Haushalt und Familie in Mittelalter und früher Neuzeit.
Vorträge eines interdisziplinären Symposions vom 6.-9. Juni 1990 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn. Sigmaringen 1991.
S. 181-191.
[...]
1Vgl.: Lemmer, Manfred: Haushalt und Familie aus der Sicht der Hausväterliteratur. In: Ehlert Trude (Hrsg.): Haushalt und Familie in Mittelalter und früher Neuzeit. Vorträge (...). Sigmaringen 1991. S. 184.
2Auf den von Otto Brunner geprägten Begriff „Ganzes Haus“ wird in Kapitel 3.a. und Fußnote 16 ausführlicher eingegangen.
3Otto Brunner hat ausführlich dargestellt, in welcher Weise sich die alteuropäische Ökonomie - Auffassung von der heutigen unterscheidet. Siehe: Brunner, Otto: Das „ganze Haus“ und die alteuropäische Ö- konomik. In: Ders.: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte. Göttingen 1968. S. 105.
4Er trennt hier die Ökonomik von der Chrematistik.
5Als weitere Quelle ist in diesem Zusammenhang noch die pseudoaristotelische Ökonomie zu nennen, die jedoch für alle Erwerbszweige, nicht nur für die Landwirtschaft galt. Vgl. Hoffmann, Julius: Die „Hausväterliteratur“ und die „Predigten über den christlichen Hausstand“. Lehre vom Hause und Bildung für das häusliche Leben im 16., 17. und 18. Jhd. Weinheim und Berlin 1959. S. 15.
6Menius, Justus: An die hochgeborne Fürstin / fraw Sibilla Hertzogin zu Sachsen / Oeconomia christiana / das ist / von christlicher haushaltung Justi Menij. Mit einer schoenen Vorrede D. Martini Luther. Wit- temberg 1529.
7Steinbach, Johann: Der Weiber Haushaltung. Wie man sich christlich halten sol / zeitlich gut zu erwerben und zu bewaren (...) Leiptzig MDLXI. Leipzig 1561.
8Bei dem Werk hat Johann Coler auf Arbeiten seines Vaters Jakob Coler, einen agrartechnisch interes- sierten Theologen, zurückgegriffen. Es ist nicht zu trennen, was von wem stammt. Vgl. Hofmann (1959),
S. 65f.
9Vgl.: Hofmann (1959), S. 66-72.
10Hoffmann (1959), S. 79f.
11Hoffmann (1959), S. 82f.
12Rohr, Julius Bernhard von: Compendieuse Haußhaltungs-Bibliothek. Leipzig 1716; Vollständiges ö- bersächsisches Haußwirtschaftsbuch. Leipzig 1722; Sächsisches und Brandenburgisches Land- und Hauswirtschaftsbuch. Nürnberg 1730.
13In Kapitel 4 wird hierauf zurückgekommen werden.
14Der Gesellschaftsbegriff stellt hier einen Rechtsbegriff dar. Die Idee von der „Väterlichen Gesell- schaft“ geht auf Christian Wolff zurück. Sein Bild vom Vater sollte als Vorbild für die Beziehung zwi- schen Regenten und Untertanen dienen. Vgl. Frühsorge, Gotthart: Die Begründung der „väterlichen Ge- sellschaft“ in der europäischen oeconomia christiana. Zur Rolle des Vaters in der „Hausväterliteratur“ des 16. bis 18. Jahrhunderts in Deutschland. In: Tellenbach, Hubertus (Hrsg.): Das Vaterbild im Abendland, Bd.1. Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1978. S. 110.
15Den Begriff vom „ganzen Haus“ verwendete zuerst Wilhelm Heinrich Riehl (In: Ders.: Naturgeschichte des deutschen Volkes. Leipzig 1935. S. 197 ff. (Zuerst in dem Buch: Die Familie. 1854.)). Er wurde von Otto Brunner wieder aufgegriffen und in seiner Bedeutung als grundlegende Wirtschafts- und Lebensform der vorindustriellen Zeit festgelegt. Vgl.: Brunner (1968), S. 103-127.
16Eine Ehefrau soll einer Haushälterin jedoch immer vorgezogen werden. Vgl. zur Theorie, was laut Hausväterbüchern eine Familie sei: Lemmer (1991), S. 182.
17Florinus, Franciscus P.: Oeconomus prudens et legalis. Oder : Allgemeiner kluger und rechtsverständiger Hausvater (...). Nürnberg / Frankfurt / Leipzig 1750. S. 2-3.
18In der Hausväterliteratur wird leider nur auf die Beziehungen zwischen Über- und Untergeordneten eingegangen. Die Beziehungen zwischen Gleichgestellten, wie Geschwistern oder Dienstboten unterein- ander fehlen. Dieses Schema ist auf die griechische Ökonomik zurückzuführen, von der sich keiner der Autoren der Hausväterliteratur vollständig gelöst zu haben scheint. Vgl. hierzu: Hoffmann (1959), S. 104.
19Aristoteles: Politik 1245b, zitiert aus: Brunner (1968), S. 112.
20Vgl.: Brunner (1968), S. 112.
21Vgl.: Frühsorge (1978), S. 116f.
22Lemmer (1991), S. 184.
23Florinus, Franciscus Philipus : Oeconomus prudens et legales (…).Nürnberg/ Frankfurt/ Leipzig 1750.
1. Buch, 3. Kapitel. (ohne Seitenzahlen).
24Die Reihenfolge der Kapitel bei Florinus spiegelt die Hierarchie sowohl der Personen im Haus als auch die der Wichtigkeit der Inhalte wieder. Der Verantwortung des Hausvaters Gott gegenüber wird also ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt.
25Florinus (1750), 1. Buch, 3. Kapitel. (o. Seitenzahlen).
26Hohberg (1984), S. 55
27Hohberg (1984), S. 55f.
28Gray, Marion W.: Men as citiziens and woman as wives. The enlightenment codification of law and the establishment of separate spheres. In: Durchhardt, Heinz (Hrsg.): Reich oder Nation? Central Europe 1780-1815. Mainz 1998. Oder : www.ksu.edu/history/courses/hist512/LAWHP~1.htm vom 04.11.1999. S.1 (of 12).
29Das Lob der tüchtigen Hausfrau. Sprichwörter 31,5-31.
30Solche Hinweise wurden vor allem bei Ratschlägen für den Hausvater zur Wahl seiner Frau aufgegrif- fen.
31Vgl. Lemmer (1991), S. 186.
32Vgl. Hörauf-Erfle, Ulrike: Wesen und Rolle der Frau in der moralisch-didaktischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts (...). Frankfurt a. M./ Bern/ New York/ Paris 1991. S. 267-273.
33Hohberg (1984), S. 94.
34Vgl. Florinus (1750): VI. Kapitel: Von des Ehe-Weibes Pflichten, die sie ihrem Manne gegenüber schuldig ist.
35Epheser 4,21-33.
36Coler, Johann: Calendarium. S. 167. Zietiert nach: Lemmer (1991), S. 185.
37Liebe im heutigen Sinne wurde hingegen als Gefahr für die Regierung des Mannes, für die Hierarchie im Haus angesehen. Gegenseitige Liebe war zwar eheliche Pflicht, aber nur im Sinne der Nächstenliebe.
38Der Gehorsam durfte nur gebrochen werden, wenn der Mann nicht nach Gottes’ Gebot handelte. Hoffmann (1959), S. 118.
39Hoffmann spricht in diesem Zusammenhang von der „Gleichheit aller Lebensverhältnisse“ in Bezug auf Religion, Alter, Vermögen und soziale Herkunft als Grundregel für eine Heirat. Vgl. Hoffmann (1959), S. 113.
40Vgl.: Lemmer (1991), S. 186.
41Lemmer (1991), S. 187-189.
42Hoffmann (1959), S. 144-160.
431. Kor. 7,20-22.
44Hoffmann (1959), S. 168.
45Lemmer beschreibt, dass die Herrschaft (einschließlich der Kinder) wie Spürhunde im Haus dem Gesinde nachspionieren sollte. Alles sollte nachgezählt und die Schränke der Dienstboten regelmäßig kontrolliert werden. Lemmer (1991), S. 190.
46Lemmer (1991), S. 190.
47Vgl. Frühsorge (1978), S. 119.
48Vgl. zum Wandel von alteuropäischer Ökonomie zu moderner Nationalökonomie: Brunner (1986), S. 103-127; Gray (1998), S. 1f (von 12). Auf dieses Thema hier näher einzugehen, würde den Rahmen die- ser Arbeit sprengen. Es soll hier nur angeschnitten werden, um das Ende des dargestellten Familienbildes festlegen zu können.
49Vgl. Frühsorge (1978), S. 120f.
- Quote paper
- Claudia Groß (Author), 2000, Familie in der Darstellung der Hausväterliteratur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102326
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