Die vorliegende Hausarbeit stellt anhand einer Korpusuntersuchung dar, ob bei den Faktoren Satzlänge bzw. Klassenzugehörigkeit ausgewählter Konjunktionen ein Zusammenhang im Hinblick auf den Kommagebrauch festzustellen ist.
In der deutschen Sprache begegnen uns Konjunktionen in jedem komplexen Satz. Subordinierende Konjunktionen verlangen in den meisten Fällen Komma, während koordinierende Konjunktionen Zweifel offenlassen, wann ein Komm in koordinierten Sätzen angebracht ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungsstand
2.1 Überblick
2.2 Der Faktor Satzlänge
2.3 Vergleich mit der amtlichen Norm
3. Korpusuntersuchung
3.1 Methode
3.2 Ergebnisse der Daten
3.2.1 Konjunktoren nach Klassenzugehörigkeit
3.2.2 Kommagebrauch beim Faktor Satzlänge
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
1. Einleitung
In der deutschen Sprache begegnen uns Konjunktionen in jedem komplexen Satz. Subordinierende Konjunktionen verlangen in den meisten Fällen Komma, während koordinierende Konjunktionen bzw. Konjunktoren, wie es bei Breindl (vgl. 2016:19) definiert wird, Zweifel offenlassen, wann ein Komma in koordinierten Sätzen angebracht ist. Der Begriff Konjunktor vereint die Begriffe koordinierend und Konjunktion und wird in der folgenden Arbeit stets verwendet werden. Grundsätzlich gilt: „Bei der Reihung von selbständigen Sätzen, die durch und, oder, beziehungsweise/bzw., entweder - oder, nicht - noch oder durch weder - noch verbunden sind, kann man ein Komma setzen, um die Gliederung des Ganzsatzes deutlich zu machen“ (Grammis 2021:§73). Die offiziellen Kommaregeln (vgl. auch Duden 2016:522) lassen in diesem Fall Variation zu. Daher kann in (1) ein Komma sowohl gesetzt als auch ausgelassen werden:
(1) Viruelas heißt natürlich Blattern(,) und die Plakate sind zur Warnung aufgehängt.1 2
AFFLERBACH (vgl. 1997:228) und Masalon (vgl. 2004:203 - 204) nennen die Satzlänge als generellen Faktor in der Kommasetzung. An diesem Punkt soll die vorliegende Arbeit anknüpfen, denn die Annahme ist nun, dass das Komma aus strukturellen Gründen auch vor Konjunktoren eher gesetzt wird, wenn der Satz länger ist. Des Weiteren wird die Klassenzugehörigkeit als Faktor berücksichtigt, wodurch klar werden soll, ob der Kommagebrauch in Abhängigkeit zu der von Breindl (vgl. 2003: 453) zugeordneten Klasse steht.
Es lässt sich folgende Frage an den vorliegenden Gegenstand richten: Welchen Einfluss haben die angesprochenen Faktoren auf die Kommasetzung vor Konjunktoren? Eine erste Hypothese ergibt sich aus der oben beschriebenen Formulierung der Regel aus Grammis: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Komma vor Konjunktoren steht, steigt mit der Länge des Satzes. Die zweite Hypothese leitet sich daraus ab, dass disjunktive Konjunktoren nach Definition weniger nebenordnend sind als additive Konjunktoren. Sie lautet daher wie folgt: Disjunktive Konjunktoren werden öfter mit Komma geschrieben, als additive Konjunktoren.
Die Methode dieser Hausarbeit wird eine synchrone Korpusuntersuchung sein, die auf das DWDS Kernkorpus (1900-1999) zurückgreifen wird. Eine detaillierte Begründung zur Auswahl der Konjunktoren und Methodik der Studie findet sich in 3.1 Methode wieder.
Die vorliegende Arbeit wird sich in Kapitel 2 zunächst mit dem Forschungsstand befassen. Anschließend wird in Kapitel 3.1 die verwendete Methode ausführlich erläutert, bevor in 3.2 die Ergebnisse der Untersuchung präsentiert analysiert werden. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse zusammengefasst und auf die Hypothesen und Fragen eingegangen.
2. Forschungsstand
2.1 Überblick
Die vorliegende Hausarbeit ist inhaltlich dem Themenbereich der Interpunktion bei Konjunktionen, genauer der Kommasetzung vor Konjunktoren zuzuordnen. Mithilfe einer Korpusstudie soll unter Berücksichtigung der Faktoren Satzlänge und Klassenzugehörigkeit Variation bei den einzelnen Konjunktoren festgestellt werden.
Historisch betrachtet wurde das Komma vor und und oder bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts „je nach Intuition [und] [...] auf jeden Fall ohne System“ (Höchli 1981:283) gesetzt. In der Literaturwissenschaft wird das Komma oft mit stilistischer Wichtigkeit begründet: „Eine Kom- matierung wird vorgenommen, um Sinneinheiten voneinander zu trennen“ (Schorpp 2017:16). Bei höchli (vgl. 1981:280) sind einige wissenschaftliche Meinungen versammelt, die das vorangegangene Zitat unterstreichen. Teilweise werden hier eigene Regelsysteme zur Kommasetzung definiert, die sich aus grammatischen, semantischen und rhetorischen Gesichtspunkten ergeben. Bredel (2008:212) sieht Interpunktion vor allem als „leseprozesssteuernd“ an. Nach Masalon (vgl. 2014:12) löse sich Bredel ganz von den offiziellen Vorgaben und betrachte die Satzzeichen als „normfreie Performanzphänomene“. Das ist insofern problematisch, als dass sich dieser Zweifelsfall so nur schwer erforschen und kontrollieren lässt. Bredel (vgl. 2008:180) greift die Stärkehierarchie der P-Klitika von Baudusch auf, wonach sich das Komma am wenigsten abgrenzend von seinen Bedeutungseinheiten verhalte. Laut BREDEL (2008:181) leisten „koordinierende Konjunktionen [...] bezüglich der Sprachverarbeitung dasselbe wie das Komma“, was den Kommagebrauch willkürlich macht. Es zeichnet sich ab, dass das ‘Komma nach Gefühl’ auch in der Sprachwissenschaft eine relevante Bedeutung hat. Es muss festgehalten werden, dass die Wissenschaft zu keinem einheitlichen, regelorientierten Ergebnis kommt.
Abgesehen davon ist die Einteilung der Konjunktionen in verschiedene semantische und syntaktische Klassen genauso umstritten. Selbst subordinierende Konjunktionen (z.B. weil) werden als Konjunktor zumindest diskutiert (vgl. Breindl 2012:153-158). Genauso definiere der Duden die Konjunktionen denn und aber als koordinierend, was Breindl (vgl. 2003: 453) ablehnt und im Handbuch der deutschen Konnektoren klar festlegt, welche Konjunktionen auch Konjunktoren sind. Eine solch klare Einteilung nach syntaktischen und semantischen Kriterien findet sich in diesem Fall sonst nicht, daher wird die vorliegende Hausarbeit die Klassen von Breindl als Grundlage nehmen.
2.2 Der Faktor Satzlänge
Bereits 1876 lautete die Kommaregel im Falle und wie folgt: „Vor und fällt das Komma fort, wenn beide Satze so eng verbunden sind, daß man sie ohne Pause ausspricht. Das ist besonders bei kurzen Sätzen der Fall“ (Duden 1876:7-8). Nach Müller (2007:24) orientieren sich Schreibende „an bestimmten intonatorischen Merkmalen, die [...] mental präsent sind“. Schorpp (2017:17-18) stellt diese Annahme unter den Begriff des „intonatorischen Prinzips“. Hier findet sich die Theorie, dass das Komma neben der obligatorischen Sprechpause beim Vorlesen auch eine mentale Sprechpause beim Lesen leiste. Bei Sappok (vgl. 2011:291) fällt in diesem Zusammenhang der Begriff „quantitatives Prinzip“, wonach eine Untergliederung durch ein Komma angenehmer hinsichtlich des Leseflusses sei. Bei der Studie von afflerbach (1997:228) fällt der Begriff „Kommadichtevermeidungsschema“, durch den ausgedrückt werden soll, dass Schreibende in längeren Sätzen mehr Kommas setzen, als es bei kürzeren Äußerungen der Fall ist. Allerdings bezieht sich ihre Studie ausschließlich auf Kinder im siebten bis 17. Lebensjahr und kann daher nicht allgemeingültig auf Schreibende projiziert werden, zumal „die Beachtung des Schemas mit zunehmender Schreiberfahrung an Bedeutung verliert“, so Schorpp (vgl. 2017:19) weiter. Eine umfassende diachrone Korpusuntersuchung zu diesem Thema leistet Masalon (vgl. 2014) und schließt wie Afflerbach (vgl. ebd.) auf einen Zusammenhang zwischen Kommasetzung und Satzlänge bzw. Kommadichte. Die durchgeführte Korpusstudie wird demnach dazu dienen, diese Theorie speziell bezogen auf die Kommasetzung vor Konjunktoren zu bestätigen.
2.3 Vergleich mit der amtlichen Norm
Die amtliche Norm kommt in diesem Fall ebenfalls zu keiner einheitlichen Regel. Im Zweifels- fälle-Duden (Duden 2016:580) heißt es grob: „Wo Konjunktionen [...] auftreten, muss der betreffende Satz häufig durch ein Komma abgetrennt werden“. Es wird im Folgenden auf die Artikel zu den einzelnen Konjunktionen verwiesen, in denen jede Konjunktion, für sich betrachtet, bewertet wird. grammis formuliert die Kommaregeln sehr kleinteilig und stellt jede Regel in Bedingungen. So setze man nach § 72 bei „gleichrangigen Teilsätze[n], Wortgruppen oder Wörter durch und, oder, beziehungsweise/bzw., sowie (= und), wie (= und), entweder ... oder, nicht... noch, sowohl... als (auch), sowohl... wie (auch) oder durch weder ... noch [.] kein Komma“, müsse aber überprüfen, ob es sich bei dem Satz um eine Reihung von selbständigen Sätzen handele, die durch eben diese Konjunktionen verbunden sind. In diesem Fall könne die Konjunktion wieder mit vorangestelltem Komma stehen. Nach § 78 liegt es „Oft [.] im Ermessen des Schreibenden, ob er etwas mit Komma [.] kennzeichnen will oder nicht.“
Die immer kontextabhängige Norm lässt grundsätzlich Variation zu. Auch wenn es kompetente Sprecher der deutschen Sprache nach Gaertig (vgl. 2010:171) zu 80 % als (sehr) wichtig erachten, die Rechtschreibregeln einzuhalten, kann in diesem Fall aufgrund der detaillierten Regelauslegung nicht vorausgesetzt werden, dass Schreibende einen einheitlichen Wissensstand haben. Ein ähnliches Bild zeichnet der aktuelle Forschungsstand, wonach sich angesprochene Faktoren unterschiedlich stark auf jeden Konjunktor auswirken. Zwei dieser Faktoren (Satzlänge und Klasse) sollen nun im Folgenden bzgl. ihres Einflusses auf die Variation untersucht werden.
3. Korpusuntersuchung
3.1 Methode
Für die Korpusstudie wird das DWDS Kernkorpus (1900-1999) verwendet werden. Es bietet eine vergleichsweise hohe Trefferzahl und liefert dadurch ein repräsentativeres Ergebnis, als es bspw. das Kernkorpus 21 leisten kann. Bei der Auswahl der Konjunktoren wird auf das Handbuch der deutschen Konnektoren 1 (Pasch 2003) zurückgegriffen. Hierbei werden Wörter ausgeschlossen, die innerhalb einer Korpusrecherche nicht zwingend als Konjunktion auftreten bzw. erst durch ein Komma als Konjunktion stehen können (ja, sprich, das ist, das heißt, will sagen) sowie die Abkürzung d.i., welche keine Treffer hervorbrachte.
Demnach ergeben sich folgende Konjunktoren nach Konnektorenklassen: additiv: und, sondern, sowie, sowohl (...) als auch; disjunktiv: und/oder, respektive, resp., oder und entweder (...) oder; metakommunikativ: d.h.. Zusätzlich werden die Konjunktoren nach morphologischer Eigenschaft eingeteilt: diskontinuierliche Konjunktoren: entweder (...) oder und sowohl (...) als auch, Abkürzungen resp. und d.h. sowie einteilig gebildete Konjunktoren. Die Frequenz der einzelnen Konjunktoren ergibt sich aus allen Treffern, die genauer untersucht, d.h. exportiert werden können. Alle Treffer, die „aus urheberrechtlichen Gründen nicht anzeigbar“ sind, fallen aus der Wertung3.
Während einteilig gebildete Konjunktoren als exakte Wortform mit bzw. ohne Komma gesucht werden können (@und|, @und), werden alle Treffer der diskontinuierlichen Konnektoren und Abkürzungen zunächst in Excel exportiert und der Satzteil vor dem Konjunktor auf Kommaendung überprüft. Hinsichtlich des Faktors Satzlänge werden, so möglich, repräsentativ 100 zufällig sortierte Sätze für jeden Konjunktor gesucht.
Um den Faktor Frequenz zu kontrollieren, werden immer nur so viele Sätze untersucht, dass sich ausgeglichen viele Sätze mit und ohne Komma gegenüberstehen. Selbst in einem frequenzstarken Korpus, wie dem vorliegenden, kommen so die Konjunktionen und/oder und respektive nur auf 6 bzw. 66 Treffer.
3.2 Ergebnisse der Daten
3.2.1 Konjunktoren nach Klassenzugehörigkeit
In Tabelle 1 werden zunächst alle Konjunktoren für sich betrachtet und anschließend nach Klassenzugehörigkeit zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 — Konjunktoren Gesamtübersicht
Es stellt sich heraus, dass zwischen den Konjunktoren starke Variation bzgl. des Kommagebrauchs herrscht. Hier zeigt sich, dass es vom Konjunktor selbst abhängt, wie häufig ein Komma gesetzt wird. Allein bei respektive (32,35 %) und der dazugehörigen Abkürzung resp. (27,55 %) zeigt sich nennenswerte Variation. Respektive gilt als veraltete Konjunktion und ist schwach frequent. Bei den übrigen Konjunktoren tritt das Komma vereinzelt bis manchmal (1,07 % - 17,43 %) oder meist bis fast immer (85,58 % - 97,37 %) auf. Hinsichtlich des Faktors Satzlänge macht es einen leichten Unterschied, ob ein Komma vorangestellt ist oder nicht. Im Durchschnitt sind die Sätze mit vorangestelltem Komma 0,77 Wörter länger als Sätze ohne Komma. Nur Sätze mit und oder Entweder (...) Oder-Anteil sind 3,57 bzw. 1,61 Wörter kürzer, wenn sie ein Komma beinhalten. Bei den restlichen Konjunktoren waren die Kommasätze zusammen durchschnittlich 1,62 Wörter länger.
Zusammenfassen betrachtet (Tabelle 2) zeichnet die Klassen noch immer unterschiedlich starke Variation aus. Neben dem metakommunikativen Konjunktor d.h. (85,58 %) ist der Kommagebrauch bei Abkürzungen mit 56,57 % vergleichsweise hoch. Es stellt sich weiter heraus, dass disjunktive Konjunktoren (16,07 %), wie angenommen, nicht häufiger mit Komma geschrieben werden als additive Konjunktoren (34,25 %). Hierbei ist anzumerken, dass die Konjunktoren sondern und d.h. den Wert innerhalb ihrer Klasse stark verzerren. Wie die Tabelle zeigt, ist der Kommagebrauch bei den Konjunktoren auch innerhalb der Klassen zu unterschiedlich, um eine generelle Regel ableiten zu können. Vielmehr ist es so, dass Konjunktoren mit hohem bzw. niedrigem Kommagebrauch herausstechen und so generell nicht auf einen Zusammenhang bzgl. der Klasse geschlossen werden kann. Die zweite Hypothese hat sich daher nicht bestätigt.
[...]
1 aus: REVENTLOW. In: Deutsche Literatur von Frauen, Berlin, 1917
2
3 Die Trefferzahl änderte sich auch nach einer Registrierung beim DWDS nicht
- Quote paper
- Dennis Münnich (Author), 2021, Kommatierung bei koordinierenden Konjunktionen. Komma vor und, oder und respektive?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1022592
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