Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Arbeit und dem Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit ist spätestens seit der Entstehung der Sozialdemokratie aktuell. Arbeitet man, um zu leben, oder lebt man, um zu arbeiten? So kann man diesen Konflikt treffend zusammenfassen. Die Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer haben sich dabei besonders seit Ende der 1990er Jahre radikal geändert.
Die Erwerbsarbeit ist aus soziologischer Sicht einem starken und schnellen Wandel unterzogen. Arbeitskraft allein bedeutet in der heutigen Gesellschaft nicht mehr zwangsläufig auch Arbeitsleistung. Zugleich ist die Erwerbsarbeit geprägt von steigender Unsicherheit. Wie können heutige Arbeitnehmer dem entgegenwirken, und welche neuen Typen des Arbeitnehmers resultieren daraus? Diesen Fragen geht Lorena Feo Ziemann in ihrem Fachbuch nach.
Dabei schlüsselt sie den Themenkomplex mittels des Konzepts des Arbeitskraftunternehmers auf, das eine stärkere Subjektivierung von Arbeit betont, und den Prozessen der steigenden Selbst-Regulierung und Selbst-Ökonomisierung der Arbeitnehmer Rechnung trägt. Ein besonderes Augenmerk legt sie dabei auf die steigenden Anforderungen an die Erwerbstätigen und unterstreicht die herausragende Rolle der Selbst-Kontrolle der Arbeitenden. Feo Ziemann plädiert für bildungsbiographische Ansätze zur weiteren Klärung ihrer Forschungsfrage.
Aus dem Inhalt:
- McDonaldization;
- idealtypsicher Arbeitnehmer;
- Fordismus;
- Taylorismus,
- Subjektivierung von Arbeit
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung: Wandelnde Nutzung von Arbeitskraft
2 Vom verberuflichten Arbeitnehmer zum Idealtypus des Arbeits-kraftunternehmers
2.1 Merkmale fordistisch-tayloristischer Normalarbeit
2.2 Subjektivierung von Arbeit
2.3 Der Arbeitskraftunternehmer: Theoretische Grundbetrachtung
3 Zur empirischen Darstellung des Arbeitskraftunternehmers
3.1 Typen der Erwerbsorientierung
3.2 Allein-Selbstständigkeit als Prototyp des Arbeitskraftunternehmers?
3.3 Der Arbeitskraftunternehmer in der IT- und Internetbranche
4 Schlussfolgerungen
4.1 Zusammenfassende Reflektion: Arbeitskraftunternehmer im Kontext subjektivierter Arbeit
4.2 Fazit und Ausblick
Literatur
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Impressum:
Copyright © Science Factory 2021
Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München
Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany
Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH
1 Einleitung: Wandelnde Nutzung von Arbeitskraft
Arbeitet man, um zu leben, oder lebt man, um zu arbeiten? – Diese klassische Frage nach der Sinnhaftigkeit von (Erwerbs-)Arbeit lässt sich vor allem in Hinblick auf Wandlungsthesen in der Arbeitswelt stellen, die die Bedeutung des Individuums in den Vordergrund stellen (vgl. Voß 2012: 289). Auf Basis ihrer These des „Arbeitskraftunternehmers“ (Pongratz/Voß 1998, 2003), um die es in dieser Arbeit gehen soll, gehen die beiden Soziologen Hans J. Pongratz und G. Günter Voß auf eine Untersuchung der Erwerbsorientierungen von Arbeitnehmer/innen ein, um einen Einblick in die „Sinn-Konstruktionen“ von Beschäftigten bezüglich ihrer Arbeit zu erhalten (Pongratz/Voß 2003: 40). Zunächst sei ein Einblick in diesen Diskurs gegeben.
So wird im arbeitssoziologischen Kontext seit Anfang der 1990er Jahre mit einer Subjektivierung von Arbeit ein dahingehender „Wandel der Erwerbsarbeit“ (Kleemann et al. 2003: 69) konstatiert, der den individuellen Kompetenzen von Beschäftigten – ihrer Subjekthaftigkeit – eine gesteigerte Relevanz im Arbeitsprozess zuschreibt (insbesondere Baethge 1990; Kleemann et al. 2003). Unter „,Subjektivität‘“ begreifen Kleemann et al. dabei die Beschreibung der Einzigartigkeit/ des Spezifischen eines Individuums, was wiederrum in einer Interdependenz zu sozialen Einflüssen stehe und durch diese mitgeformt werde (Kleemann et al. 2003: 60). Jene Relevanz subjektiver Potenziale ermöglicht es Arbeitnehmer/innen und fordert es gleichwohl ab, ihre eigene Person in die Erwerbsarbeit miteinzubringen (ebd.: 62). Mit einer Subjektivierung von Arbeit geht häufig eine Diskussion von Entgrenzungsdynamiken einher, wobei sich auflösende Strukturen in verschiedenen Dimensionen gemeint sind, die erhöhte Strukturierungsleistungen von Erwerbstätigen erfordern (vgl. Gottschall/Voß 2005: 15; Kratzer 2003: 15-16).
Auf Basis dieser hier angedeuteten Prozesse bauen Pongratz und Voß den Idealtypus des Arbeitskraftunternehmers auf (1998, 2003). Essentiell für diesen seien vor allem seine selbstorganisatorische(n) Ausrichtung und Kompetenzen, die er benötigt, um sich in destandardisierten und entgrenzten Arbeitsverhältnissen zurechtzufinden. Darüber hinaus kennzeichnet ihn, dass er seine eigene Arbeitskraft als „Ware“ vertreibt, was ihn zu einem Unternehmer im übertragenen Sinne macht (Voß/Pongratz 1998: 131-132). Dabei gingen Pongratz und Voß Anfang der 2000er Jahre davon aus, dass der „Arbeitskraftunternehmer den Typus des verberuflichten Arbeitnehmers als Leittypus der gesellschaftlichen Formung von Arbeitskraft ablösen wird“ (Pongratz/Voß 2003: 10). Bei dem Konzept des Arbeitskraftunternehmers handelt es sich um eine These, die vor allem im arbeits- und industriesoziologischen Feld hohe Aufmerksamkeit erlangt hat und auch aktuell noch als populärer Bezugspunkt, vor allem im subjektbezogenen Kontext gilt (vgl. Altreiter 2019: 104). Dabei werden die Thesen durchaus auch strittig betrachtet (unter anderem Deutschmann 2001; Faust 2002). Hardering sieht vor allem in Hinblick auf eine zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors, in dem abseits von hochqualifizierten Bereichen häufig Standardisierungen und Begrenzungen zum Arbeitsprozess gehören, einen möglichen Widerspruch solch einer Verhältnis-Verschiebung (Hardering 2011: 64-65). Besondere Popularität besitzt in diesem Kontext die These der „McDonaldization“ (Ritzer 1983). Dabei spricht der amerikanische Soziologe George Ritzer in Hinblick einer „McDonaldization of society“ von einem prototypischen Beispiel, das die Fast-food-Kette McDonalds für Rationalisierungsprozesse in westlichen Gesellschaften darstelle (ebd.: 100). Die Verbreitung üblicher Standards dieses Unternehmens sei nicht bloß im gastronomischen, sondern auch in weiteren gesellschaftlichen Teilbereichen zu beobachten (Ritzer 1995: 15-16). Neben einer hohen „Effizienz“, einer Quantifizierung und Kalkulierbarkeit von Produkten und Leistungen, und der Möglichkeit der „Vorhersagbarkeit“ (ebd.: 27-29), würden die Standards von McDonalds vor allem ein hohes Maß an „Kontrolle“ bieten (ebd.: 30). So würden insbesondere die Angestellten der Fast-food-Restaurants nach strikten Vorgaben und Standardisierungen arbeiten und dabei ständig vom Management daraufhin überprüft werden, damit sich alle Angestellten an die standardisierten und vorgeplanten Arbeitsprozesse halten (ebd.).
Versucht man die Thesen des Arbeitskraftunternehmers und der McDonaldisierung ansatzweise zu vergleichen (sofern man letztgenannte in einen Kontext der Erwerbsarbeit einbezieht), geht es bei beiden vor allem um unterschiedliche Ansätze der Umwandlung von Arbeitskraft in Arbeitsnutzen. Hierbei lässt sich ein „Transformationsproblem“ (Marrs 2010: 331) in der Erwerbsarbeit aufgreifen: So stehen insbesondere Arbeitgebende vor dem Problem, dass dem grundsätzlichen Vorhandensein von Arbeitskraft nicht gleich die Transformation in Leistung inhärent ist (ebd.). Dabei lassen sich historisch wandelnde Normen in Hinblick auf die Transformationsstrategien, beziehungsweise auf die Nutzung von Arbeitskraft aufzeigen (ebd.: 333). Insbesondere in weiten Teilen des fordistisch geprägten 20. Jahrhunderts waren in Deutschland, anlehnend an die Thesen des Amerikaners Frederick Winslow Taylor, Managementstrategien verbreitet gewesen, die auf Kontrolle und strikte Standardisierungen der Arbeitsprozesse und -ausführenden gesetzt haben (Hirsch/Roth 1986: 48-49; Marrs 2010: 333-336). Erst zum Ende des Jahrhunderts wurden vermehrt abweichende Transformationsstrategien in Form von „neuen Managementkonzepten“ thematisiert, die zunehmend auf „Dezentralisierung, Hierarchieabbau, Selbstorganisation und neue Beteiligungsformen“ zurückgriffen (Marrs 2010: 339).
Pongratz und Voß definieren insgesamt drei „historische Typen von Arbeitskraft“ (Pongratz/Voß 2003: 26). So sei die Frühindustrialisierung vom „Proletarisierten Lohnarbeiter“ geprägt gewesen, der im Gegensatz zum „verberuflichten Arbeitnehmer“ des Fordismus durch sein „rohes [handwerkliches] Arbeitsvermögen“ und sein geringes Ausbildungsniveau gekennzeichnet sei (ebd.: 26-27). Dem „verberuflichten Arbeitnehmer“ werde zwar ein höheres Maß an Eigendisziplin zugetraut, dennoch unterliege auch dieser systematischen Kontrollen in seiner Arbeitsausführung, die jedoch nicht mehr durch unmittelbares Dirigieren, sondern technologisch rationalisiert ausgeübt werde. Zudem verfüge der „verberuflichte Arbeitnehmer“ durch institutionelle Prozesse über höhere soziale Sicherheiten (ebd.: 27). In dieser Arbeit soll es vorwiegend um den Typus des „verbetrieblichten Arbeitskraftunternehmers“ gehen, den die Autoren dem Postfordismus zuschreiben (ebd.: 26). Die beim „verberuflichten Arbeitnehmer“ angesprochene Eigendisziplin sei beim Arbeitskraftunternehmer ein wesentliches Merkmal, nur dass hierbei eine „Selbst-Kontrolle“ im Gegensatz zu einer äußeren „Fremd-Kontrolle“ charakteristisch sei (ebd.: 27). Außerdem könne er auf geringere soziale Sicherheiten als der „verberuflichte Arbeitnehmer“ bauen und betreibe unter anderem von daher eine aktive „Selbst-Ökonomisierung“ und „Selbst-Rationalisierung“ (ebd.: 24-25). Auf eine eingängigere Analyse dieses Arbeitskrafttypus wird im Verlauf dieser Arbeit näher eingegangen.
Hierbei sei noch angemerkt, dass es sich beim Konzept des Arbeitskraftunternehmers um eine „subjektorientierte Interpretation des Wandels der Arbeit“ handelt (Voß 1998: 473). Karl Martin Bolte, der als wesentlicher Begründer der Münchner subjektorientierten Soziologie gilt (vgl. Voß/Pongratz 1997: 7-8), begreift eine subjektorientierte Soziologie als Perspektive, die sich auf menschliche Denk-, Handlungs- und Einstellungsweisen fokussiert. Essentiell sei dabei jedoch, dass dies immer im Kontext und im Wechselspiel mit gesellschaftlichen Strukturen geschehe (Bolte 1997: 35). Somit würde sich die subjektorientierte Soziologie, Voß und Pongratz nach, auf eine der traditionellen und zentralen Problemstellungen der Soziologie beziehen: „[…] die Frage nach dem Verhältnis von ,Individuum und Gesellschaft‘“ (Voß/Pongratz 1997: 14).
Im Fokus dieser Arbeit steht eine wandelnde Nutzung von Arbeitskraft, die vor allem in Bezug auf den bisher skizzierten Subjektivierungsprozess in der Erwerbsarbeit betrachtet wird, der wie erläutert insbesondere seit Beginn der 1990er Jahre konstatiert wird (vgl. Kleemann et al. 2003: 69). Jene Nutzung von Arbeitskraft lässt sich auf das erläuterte Transformationsproblem von Arbeit beziehen, bei dem unterschiedliche Strategien in Hinblick auf die Umwandlung von Arbeitskraft in Arbeitsleistung bereits angedeutet wurden. Ziel der Arbeit ist es jedoch vordergründig nicht, spezifische Erklärungen für die Ursachen der angesprochenen Aspekte eines Wandels der Erwerbsarbeit zu suchen. Auch, wenn vor allem Wandlungen auf der betrieblichen Ebene Berücksichtigung finden werden. Auf der Basis soll die zentrale Fragestellung bearbeitet und beantwortet werden, in welchen Formen der Erwerbstätigkeit sich der Typus des Arbeitskraftunternehmers im Kontext einer Subjektivierung von Arbeit aufzeigen lässt. Schließlich wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch deutlicher werden, welchen Differenzierungsbedarf die Verbreitung dieser These des Arbeitskraftunternehmers besitzt. In diesem Kontext soll auch der inhärenten Frage nachgegangen werden, inwiefern sich Anforderungen an, und Orientierungen von Erwerbstätigen – durch dem Arbeitskraftunternehmer zugrundeliegende Prozesse – überhaupt verändert haben. Die Arbeit basiert dabei sowohl auf theoretischer als auch auf empirischer Sekundärliteratur. Im zweiten Kapitel wird zunächst der theoretische Diskurs der These eines Wandels vom verberuflichten Arbeitnehmer zum Arbeitskraftunternehmer erläutert. Im dritten Kapitel wird sich im Anschluss mit der empirischen Darstellung des Arbeitskraftunternehmers beschäftigt. Dabei sei hier schonmal vorweggenommen, dass insbesondere die Analyse der Erwerbsorientierungen von Beschäftigten berücksichtigt wird, die zu Beginn bereits angedeutet wurde. Diese werden im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder Berücksichtigung finden, da jene individuellen Orientierungen vor allem auch einer angesprochenen Subjektorientierung entsprechen (vgl. Pongratz/Voß 2003: 40). Im vierten Kapitel, das zugleich das Schlusskapitel darstellt, soll die Problemstellung dieser Arbeit reflektierend beantwortet und ein Fazit gezogen werden.
2 Vom verberuflichten Arbeitnehmer zum Idealtypus des Arbeitskraftunternehmers
Dieses Kapitel stellt einen Einblick in den Diskurs dar, in dem sich Pongratz und Voß bezüglich ihrer These des Arbeitskraftunternehmers bewegen. So beruht die Prognose der Verschiebung des gesellschaftlichen „Leittypus“ der Nutzung von Arbeitskraft auf der Annahme eines Rückgangs standardisierter Arbeitsprozesse und einer damit einhergehenden Neubewertung subjekthafter Kompetenzen von Beschäftigten (Pongratz/Voß 2003: 9-10). Auf Basis dieser Annahmen soll nun ein hervorgehobener Wandel der genutzten Arbeitskraft nachgezeichnet werden. Spricht man von einem Wandel in der Arbeitswelt, stellt sich zwangsläufig die Frage, unter welchen Ausgangsaspekten von einem Wandel gesprochen werden kann (vgl. Kleemann 2012: 14). Als Referenz werden somit zunächst die charakteristischsten Merkmale fordistisch-tayloristischer Beschäftigungsverhältnisse dargelegt (2.1). Anschließend wird die These der Subjektivierung von Arbeit analysiert (2.2), die schlussendlich als Ausgangspunkt der thematisierten These des Arbeitskraftunternehmers dient, die darauf eine theoretische Grundbetrachtung findet (2.3).
2.1 Merkmale fordistisch-tayloristischer Normalarbeit
Als „Normalarbeit“ begreifen Kratzer und Sauer „die in einer historischen Phase jeweils in normativer und struktureller Hinsicht dominierende Organisationsform von Arbeit“ (Kratzer/Sauer 2005: 94). Beim Fordismus handelt es sich um eine zwischen den 1930er und 1950er in den USA konstituierte Form industrieller Produktion, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts betriebliche Arbeitsprinzipien kapitalistischer Gesellschaften, auch über die Grenzen der USA hinaus prägte (Hirsch/Roth 1986: 46). Basierend auf den vom Namensgeber Henry Ford gegründeten Prinzipien der Fließband- und Massenproduktion wurden fordistische Organisations- und Arbeitsprinzipien dabei vor allem durch technologische Rationalisierungsmaßnahmen mitbeeinflusst (ebd.: 44-45). Auf individueller, beziehungsweise auf der Ebene der Beschäftigten wurden Arbeitsverhältnisse in der Ära des Fordismus zudem durch ein hohes Maß an Standardisierung und starren Strukturen bestimmt (ebd.: 49). Vor allem unter Berufung auf propagierte Arbeitsprinzipien nach Frederick Winslow Taylor (vgl. ebd.: 48) galt die Kontrolle der Arbeitenden und deren Arbeitsausführung und das Geringhalten von „Handlungs- und Dispositionsspielräume[n]“ als effektivste Strategie der Umwandlung von Arbeitskraft in betrieblichen Nutzen (Marrs 2010: 337). Kratzer und Sauer stellen als charakteristisches Merkmal „fordistisch-tayloristische[r] Normalarbeit“ (Kratzer/Sauer 2005: 94) unter anderem heraus, dass den Beschäftigten prinzipiell unterstellt werde, weder Interesse noch eigene Veranlassung dazu aufzubringen, betriebliche Motivationen mitzuverfolgen (Kratzer/Sauer 2005: 116-117). Da die Betriebe durch das Abschließen von Arbeitsverträgen keine Gewährleistung hätten, dass die Arbeitenden auch die angestrebten Ziele erreichen, würde die Strategie darin gesehen, die Organisation und Durchführung von Arbeitsschritten zu trennen (ebd.: 94). Zum einen werde den Subjekten, Marrs zufolge, somit die Kompetenz eines eigenen Urteilsvermögens abgesprochen. Zum anderen könnten die Leistungen der Beschäftigten durch das Management kleinlich kontrolliert werden. Die einzige Motivation der Beschäftigten, ihre Arbeit zu erfüllen, stellt nach einer tayloristischen Auffassung dabei die Vergütung dar (Marrs 2010: 336-337). Neben den benannten Grenzen zwischen Konzeption und Durchführung von Arbeitsvorgängen – zwischen „,Rationalisierern‘ und ,Rationalisierten‘“ – sei fordistisch-tayloristische Normalarbeit zudem allgemein von einer deutlichen „(räumlichen, zeitlichen, sozialen)“ Trennung zwischen Arbeit und (Privat-) Leben gekennzeichnet (Kratzer/Sauer 2005: 94).
Zusammenfassend wird im Kontext fordistisch-tayloristischer Arbeitsorganisation das Bild von Arbeitenden gezeichnet, die höchste Standardisierungen und Kontrollen in ihrer Arbeitsausführungen benötigen, um deren Qualität zu gewährleisten. Zum einen basiert dies auf einer tayloristisch geprägten Annahme, nach der die Angestellten kein Interesse an einer betrieblichen Nutzenverfolgung besitzen und lediglich über finanzielle Mittel zur Arbeit zu motivieren sind. Zum anderen wird dem Subjekt der Beschäftigten nicht zugetraut, über vorgegebene Arbeitsschritte hinaus zu denken und zu agieren, um damit Produktivität zu generieren. Hierbei sei angemerkt, dass es sich bei dem bis hierhin Erläuterten lediglich um eine Skizze einer fordistisch-tayloristisch geprägten Ära handeln kann. Durch diese soll jedoch ein Eindruck gewonnen werden, von welcher Ausgangslage sich die hieran anschließende These der Subjektivierung von Arbeit vollzieht. Schließlich werden fordistisch-tayloristische Arbeitsprinzipien in der Literatur häufig als Referenz einer „Vorher-nachher-Perspektive“ im Kontrast zu Subjektivierungsprozessen in der Arbeit behandelt (Kleemann 2012: 14). Dabei gilt aber der Hinweis von Kleemann zu beachten, dass nicht von einer strikten Ablösung des Fordismus/Taylorismus durch Subjektivierungsprozesse in der Arbeit ausgegangen werden darf. Vielmehr seien beispielsweise auch „Mischformen“ existent (ebd.: 16).
2.2 Subjektivierung von Arbeit
Unter Subjektivierung von Arbeit kann zunächst allgemein ein Rückgang von starren Strukturen in der Organisation von Arbeit, hin zu einer Öffnung für das Einbringen und einer Neubewertung subjektiver Kompetenzen von Beschäftigten verstanden werden (Kleemann et al. 2003: 62; Moldaschl/Voß 2003: 16). Eine solche Neuausrichtung wird in der Erwerbswelt, wie eingangs erwähnt, seit Beginn der 1990er Jahre konstatiert. Kleemann (2012) konstruiert in diesem Kontext vier Blickwinkel auf die Analyse des Prozesses einer Subjektivierung von Arbeit, die hier als Orientierung innerhalb des Themenfeldes dienen können: Zum einen seien „posttayloristische Formen der Arbeitsorganisation“ herauszustellen, unter welchen die betriebliche Seite die Subjektivität ihrer Arbeitenden als Chance erkannt hätte (Kleemann 2012: 9). Dabei sollen hier resultierende Entgrenzungen im Arbeitsprozess Beachtung finden (2.2.1). Ein weiterer Blickwinkel stellt nach Kleemann der Fokus auf das Individuum dar. So verfolge dieses unter anderem Bedürfnisse der „Entfaltung in der Erwerbsarbeit“, die mit einer Subjektivierung von Arbeit verknüpft werden könnten (ebd.). Diese Perspektive wird in Form der Normativen Subjektivierung beleuchtet (2.2.2). Hierbei wird durch eine Mit-Berücksichtigung von Individualisierungsprozessen auch ein gesellschaftstheoretischer Blickwinkel (vgl. ebd.) zumindest angedeutet. Mit Blick auf Interdependenzen, die zwischen den betrieblichen Anforderungen an das Subjekt und seinen eigenen Bedürfnissen entstehen (vgl. ebd.), werden zudem auch Ambivalenzen subjektivierter Arbeit dargelegt (2.2.3). Ergänzend soll im Anschluss daran am Beispiel einer „Subjektivierten Taylorisierung“ nach Matuschek et al. (2008) ein ergänzender Blick auf den Differenzierungsbedarf subjektivierter Arbeit genommen werden (2.2.4).
2.2.1 Entgrenzung von Arbeit im Kontext betrieblicher Rationalisierungsstrategien
Bezüglich der Thematik einer Subjektivierung von Arbeit wird immer wieder herausgestellt, dass sich einerseits die Bedürfnisse von Individuen gewandelt haben, die sie durch ihre Erwerbsarbeit erfüllt wissen wollen, wodurch sich der Anspruch des Einbringens subjektiver Kompetenzen erhöht habe. Andererseits haben Betriebe im Gegensatz zum fordistischen Arbeitsprinzip das Subjekt ihrer Beschäftigten als Produktivitätsfaktor erkannt, wodurch sich ebenfalls die subjektbezogenen Anforderungen an Arbeitnehmende gewandelt haben (Drinkuth 2007: 16; Kleemann et al. 2003: 62; Minssen 2019: 106). Dies sei als Folge von Rationalisierungsmaßnahmen zu bewerten, da sich Betriebe durch gesellschaftliche/politische und wirtschaftliche Veränderungen, wie einem zunehmenden Globalisierungstrend, „verschärfte[n] Wettbewerbsbedingungen“ ausgesetzt sehen (Pongratz/Voß 2003: 21-22). Dabei seien Strategien, die eine strikte Durchplanung und Standardisierung von Arbeitsschritten vorsahen, der Erkenntnis gewichen, dass es sich als produktiver und kostenreduzierend erweist, den Beschäftigten die Planung und Ausführung ihrer Arbeit selbst zu überlassen (Minssen 2019: 3).
Mit der Subjektivierung von Arbeit geht der Diskurs einer Entgrenzung von Arbeit einher, die als Determinante der Subjektivierung von Arbeit betrachtet werden kann. So haben Grenzen und Strukturen, die die Arbeit von Beschäftigten zuvor geprägt haben, eine zunehmende Auflösung erfahren (Gottschall/Voß: 2005: 19; Jürgens 2005: 37; Voß: 2012: 285). Durch das Verschwimmen von „zeitlichen, räumlichen und sozialen“ Grenzen könnten Betriebe zunehmend auf Potentiale des ganzen Subjektes ihrer Arbeitskräfte zurückgreifen, wobei vor allem das Einbringen von überfachlichen Kompetenzen zunehmende Bedeutung erlange (Kratzer/Sauer 2005: 93). Schließlich müssten sich die Arbeitenden, durch die für den Post-Fordismus kennzeichnende „De-Standardisierung“, notwendige Strukturen in ihrem Arbeitsprozess selbst gestalten, wodurch die Bedeutung eigenorganisatorischer Kompetenzen zunehmende Relevanz erlange (ebd.: 106). Durch den von Kleemann et al. konstatierten vollständigen „Zugriff auf die ganze Person“ (Kleemann et al. 2003: 72) resultiere eine „Entgrenzung von Arbeitskraft und Person“ (Kratzer/Sauer 2005: 106). Fähigkeiten, die in einer fordistisch-tayloristischen Arbeitsorganisation kaum Beachtung gefunden haben, seien in diesem Kontext umso gefragter: Eigenschaften „wie Innovativität, Kreativität, Sozial- und Kommunikationskompetenzen, Begeisterungsfähigkeit und ultimative Leistungsbereitschaft, Loyalität und Solidarität usw.“ sollten in verstärkter Form in die Arbeit miteingebracht werden (Kleemann et al. 2003: 72). Dies sei Minssen nach jedenfalls notwendig, damit Beschäftigte vorgegebene Ziele für ihre Arbeit erreichen könnten (Minssen 2019: 31-32). Das eingangs erläuterte Transformationsproblem werde von betrieblicher Seite nun nämlich zunehmend so gelöst, dass die Arbeitenden selbst für die Transformation ihrer Arbeitskraft in Arbeitsnutzen verantwortlich seien. Statt von einer „Prozesskontrolle“ könne nun von einer „Ergebniskontrolle“ gesprochen werden: „Wie jemand etwas schafft ist gleichgültig – Hauptsache, er schafft es […]“ (ebd.: 31). Insgesamt würden Arbeitsausführende zunehmend in die Planung konkreter Arbeitsprozesse miteingebunden werden, was für diese eine Wandlung von „Anweisungsempfängern zu Verhandlungspartnern“ bedeute (ebd.: 66). Dabei würden Hierarchien in Betrieben keinesfalls aufgehoben werden. Jedoch beziehe sich die Kommunikation zwischen den Ebenen nicht mehr nur durch ein strikt hierarchisches Muster, bei dem die Arbeitenden bloß Anweisungen erhalten (ebd.: 68).
Weiter sei noch auf die Auflösung von räumlichen und zeitlichen Strukturen in der Erwerbsarbeit eingegangen. Vor allem der rapide Zuwachs des Einsatzes digitaler und mobiler Technologien findet hierbei Beachtung (Minssen 2019: 80; Moosbrugger 2012: 33-34). So gilt der Einsatz von mobilen Technologien als eine der Ursachen, weshalb Beschäftigte zunehmend auch außerhalb offizieller Arbeitszeiten oder -räumlichkeiten erreichbar sein können und müssen (Minssen 2019: 81-82). Gepaart mit der dargelegten geforderten Selbstorganisation von Arbeitsprozessen arbeiten Erwerbstätige auch räumlich und zeitlich unter Arbeitsbedingungen, in denen sie sich ihre Strukturen oft eigenverantwortlich schaffen müssen. Auch dies stellt eine besondere Anforderung an das Subjekt dar (Jürgens 2005: 43). Jürgens spricht in Hinblick einer Entgrenzung von Arbeitszeiten von der „Marktlogik“, die sich Individuen im Kontext selbst einprägen würden, da sie ihre Arbeitszeiten „an die Rhythmen der Produktion“ anpassten (Jürgens 2005: 40; vgl. Moldaschl 2003: 33). Mitunter infolgedessen wird auch von einer Entgrenzung von Arbeit und Leben gesprochen (vgl. Gottschall/Voß 2005).
2.2.2 Normative Subjektivierung
Martin Baethge sieht mit einer „zunehmenden normativen Subjektivierung der Arbeit“ allen voran das Individuum und dessen gestiegene Ansprüche, seine Individualität in der Erwerbsarbeit ausleben zu können als Ausgangspunkt und Analyseeinheit für einen besagten Wandel in der Erwerbswelt (Baethge 1990: 2). Kleemann stuft Baethges Thesen gar als „begriffsprägenden“ Anfang der Subjektivierungsdebatte ein (Kleemann 2012: 7).
Baethge nach seien vordergründig gesellschaftliche Modernisierungsprozesse als Ursache für Subjektivierungsprozesse in der Erwerbsarbeit zu benennen. In diesem Kontext hätte sich die eigene Wahrnehmung des Individuums gewandelt und unter anderem auch zu einer Neubewertung der emanzipatorischen Relevanz von Erwerbsarbeit geführt (Baethge 1990: 1-2). Zwar seien finanzielle Ansprüche nach wie vor nicht unrelevant, jedoch habe sich das Bedürfnis des Individuums verfestigt, eine innerliche Erfüllung sowie die „Entfaltung eigener Qualifikationen“ durch die Arbeit zu erfahren (ebd.: 2). Somit liegt der Gedanke nahe, jene Entwicklungen im Kontext der postmodernen Individualisierungsthese zu betrachten. Letztgenannte begreift auch Moldaschl als eine Determinante der Subjektivierung (Moldaschl 2003: 34). Van der Loo und Van Reijen sprechen im Kontext der Individualisierung von einem „Übergang von Selbstverleugnung zu Selbstentfaltung“ (Van der Loo/Van Reijen 1997: 161). Der Wunsch nach Selbstentfaltung spiegele sich Baethge nach auch im Subjektivierungsprozess wider: So sei ein ausgesprochenes Bedürfnis herauszustellen, eigene Fähigkeiten und individuelle Kompetenzen in der Erwerbsarbeit zu beweisen. Somit gäben sich Beschäftigte nicht damit zufrieden, als ersetzbare Objekte betrachtet zu werden (Baethge 1990: 2; vgl. Kleemann et al. 2003: 62). Jene erläuterten Ansprüche seien dabei zwar nicht als gänzlich neues Phänomen einzustufen, da sie in manchen Bereichen schon immer von Bedeutung gewesen seien. Jedoch sei die Verbreitung sowie das Selbstverständnis, mit dem diese Ansprüche von Individuen nach außen getragen werden würden neu (Baethge 1990: 2). Im Kontext einer gesellschaftlichen Individualisierung lässt sich dies aus dem Blickwinkel allgemein gestiegener emanzipatorischer Ansprüche von Individuen betrachten (vgl. Van der Loo/Van Reijen 1997: 162). Als Referenz eines Wandels wird von Kocyba und Voswinkel auch in diesem Bezugsrahmen die Ära des Fordismus angeführt: So sei Arbeit hier lediglich als „Pflicht oder Mittel“ betrachtet worden, wodurch sich keine Ansprüche einer Sinnhaftigkeit ergeben hätten (Kocyba/Voswinkel 2006: 3769). Auch an diesem Punkt sollte auf eine Einschränkung der Verallgemeinerung gesteigerter Bestrebungen nach Selbstentfaltung in der Erwerbsarbeit aufmerksam gemacht werden. So weist Baethge darauf hin, dass sich jene Ansprüche umso ausgeprägter aufzeigen ließen, je höher der Bildungsgrad von Beschäftigten sei. Zudem seien in Branchen wie des Produktions- oder Dienstleistungssektors die Gegebenheiten für eine normative Subjektivierung ohnehin wenig ausgeprägt (Baethge 1990: 4). Trotz alledem sei insgesamt ein „Paradigmenwechsel in der Arbeitsorganisation“ zu verzeichnen (ebd.).
In Bezug auf das Zusammenspiel zwischen Erwerbstätigen und Betrieb sieht Baethge durch den Prozess einer normativen Subjektivierung ein gewisses Risiko für letztgenannten. Je höher der normative Anspruch der Erwerbstätigen an die Arbeit sei, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese trotz finanzieller Absicherung einen Betriebswechsel vornähmen oder ihre Produktivität zumindest Einbußen erfahre (ebd.: 3). Dabei geht Baethge andersherum nicht explizit auf die Verwertungschancen des Subjektes seitens des Betriebes ein. Jedoch begreift er die im vorigen Teilkapitel dargelegten Rationalisierungsstrategien von betrieblicher Seite als eine Facette einer „Stabilisierung der normativen Subjektivierung von Arbeit“ (ebd.: 4). Zusammengefasst fasst er schließlich die normativen, auf Emanzipation gerichteten Bestrebungen der Individuen selbst als wegweisenden Ausgangspunkt einer Subjektivierung von Arbeit auf.
Somit wurden an dieser Stelle im Kontext der Subjektivierungsdebatte sowohl die Perspektiven betrieblicher Rationalisierungsmaßnahmen als auch mögliche postfordistisch gesteigerten, individuellen Bedürfnisse nach Selbstentfaltung dargestellt. Dahingehend können Wechselwirkungen beider Perspektiven betrachtet werden.
2.2.3 Ambivalenzen subjektivierter Arbeit: Zwischen Selbstausbeutung und Selbstentfaltung
Davon ausgehend, dass es sich bei einer Subjektivierung von Arbeit um das Zusammentreffen betrieblicher Rationalisierungsstrategien sowie gestiegenen Bedürfnissen nach „Selbstverwirklichung und Autonomie“ von Erwerbstätigen handelt, konstatieren Kleemann et al. einen „doppelten Subjektivierungsprozess“ (Kleemann et al. 2003: 62). Hierbei sei erneut auf die zu Beginn des Kapitels vorgestellten Blickwinkel auf die Subjektivierungsdebatte von Kleemann (2012) verwiesen. Unter anderem wird die Analyse der Interdependenzen benannt, die betriebliche und individuelle Erfordernisse einer Subjektivierung im Arbeitsprozess mit sich bringen (Kleemann 2012: 9). Dabei lasse sich die Subjektivierung von Arbeit auch Moosbrugger nach zwischen Chance und Risiko für Erwerbstätige einordnen und „höchst ambivalente Konsequenzen“ seien herauszustellen (Moosbrugger 2012: 32). Dies lässt sich wiederrum mit der besagten Zweiseitigkeit des Subjektivierungsprozesses verknüpfen. Hierbei finden die erläuterten Entgrenzungen in der Arbeitswelt (vgl. 2.2.1) eine große Bedeutung. So lasse sich schließlich vor allem in höherqualifizierten Bereichen eine neue betriebliche Orientierung an Zielvereinbarungen aufzeigen, was ein Instrument sei, den Einfluss des Subjektes im Arbeitsprozess zu steuern (Minssen 2019: 111; vgl. Moosbrugger 2012: 33). Da Beschäftigte hierbei schließlich selbst für den Lösungsweg des Erreichens ihrer Ziele verantwortlich sind, biete sich diese Öffnung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen als Chance der Entfaltung individueller Kompetenzen an (Minssen 2019: 111-112). Andererseits werde jedoch auch Druck auf die Subjekte ausgeübt, da sich ein gewandeltes Verständnis von Leistung im Erreichen jener Zielvereinbarungen widerspiegele: „[…] nicht mehr die Mühe zählt, sondern der Erfolg, der sich auf dem Markt zu beweisen hat“ (ebd.: 112). Auch Kleemann et al. stellen fest, dass mit einer Zunahme der Freiheiten in der Art der Bewältigung der Arbeitsaufgaben auch der Leistungsdruck steigen würde (Kleemann et al. 2003: 71). Dadurch, dass sich die Kontrolle der Arbeitsausführung auf die Kontrolle von Ergebnissen verlagert habe, sei der Druck für Beschäftigte gestiegen (ebd.: 71-72).
Baethge spricht im Kontext einer normativen Subjektivierung von Arbeit davon, dass die Erwerbsperson „die Arbeit auf sich und nicht sich auf die Arbeit bezieht“ (Baethge 1990: 3). Somit lässt sich Erwerbsarbeit in diesem Fall als essentielle Bedeutung für das Selbstverständnis des Individuums herausstellen. Je höher dabei die eigene Identifikation mit den Inhalten der Tätigkeiten ausfällt, umso mehr begreife es dies dann auch als „Kompensation“ für Belastungen in entgrenzten Arbeitsverhältnissen, wie Überstunden oder Druckgefühle (Minssen 2019: 100). Somit lässt sich mitunter eine Wechselwirkung zwischen Selbstentfaltung und einer „Freiwillige[n] Selbstausbeutung“ (siehe u.a. Moosbrugger 2012) herausstellen. Als umso problematischer erweise sich subjektivierte Arbeit für Beschäftigte jedoch dann, wenn sie keinen Ausgleich erhöhter Leistungsanforderungen, beispielsweise eben durch eine erhöhte Emanzipation erlangen würden (Hardering 2011: 69).
Die Freiheiten und Autonomien, die Beschäftigte in subjektivierten Arbeitsformen zugesprochen bekommen, lassen sich insgesamt keinesfalls als humane Großzügigkeit der Betriebe bewerten (vgl. Drinkuth 2007: 28). Wie bereits in Bezug auf betriebliche Anpassungsmaßnahmen erläutert wurde, handelt es sich um rationalisierte Steuerungsprinzipien, die Beschäftigte dazu anhalten, selbstorganisiert und zielorientiert zu agieren. Trotz des Risikos durch Auswirkungen „freiwilliger Selbstunterwerfung“ (Moldaschl 2003: 35) kann sich dies zusammengefasst auch als Chance der Erfüllung von Bedürfnissen nach Autonomie und Entfaltung erweisen. Der zu Beginn beschriebene doppelte Subjektivierungsprozess stellt sich dabei aber als Herausforderung für Beschäftigte heraus, ein Maß zwischen Selbstentfaltung und Selbstausbeutung zu finden.
2.2.4 Ergänzende Differenzierungen subjektivierter Arbeit am Beispiel „Subjektivierter Taylorisierung“
Dass sich weitere Wechselspiele in Hinblick auf subjektivierte Arbeit auftun können, soll zur Verdeutlichung der Differenzierung subjektivierter Arbeit am Beispiel einer „Subjektivierte[n] Taylorisierung“ (Matuschek et al. 2008) gezeigt werden. Letztgenannter Begriff stammt von Matuschek et al., deren Intention es ist zu verdeutlichen, dass tayloristische Arbeitsprinzipien und Arbeitsprozesse auf „,posttayloristischer‘“ Basis im Zuge von Entgrenzungs- und Subjektivierungsentwicklungen nicht zwangsläufig eine „Opposition“ bilden, was in sozialwissenschaftlichen Debatten häufig so dargestellt werde (ebd.: 49).
Wie bereits angedeutet, darf bei einem Prozess wie bei dem einer Subjektivierung von Arbeit nicht von einer pauschalgültigen Entwicklung ausgegangen werden. So ließen sich vor allem Tendenzen, die zu einer erhöhten Selbstverantwortung von Individuen in der Erwerbsarbeit führen, vor allem auf hochqualifizierte Arbeitsbereiche, wie beispielsweise die der Informations- und Kommunikationsbranche übertragen (Hardering 2011: 64). Zudem würde das Management, laut Matuschek et al., trotz einer zugenommenen Bedeutung subjekthafter Kompetenzen in einigen Arbeitsprozessen (vor allem in Hinblick auf informationsbasierte Techniken) Möglichkeiten anwenden, eine strikte Planung von Arbeitsschritten vorzunehmen. Dahingehend könne die Arbeit der Beschäftigten kontrolliert und gemessen werden (Matuschek et al. 2008: 50). So merken auch Boes et al. an, dass eine zunehmende Informatisierung von Arbeitsprozessen in Hinblick auf Subjektivierungsdynamiken eine neue Form der Kontrolle von Beschäftigten ermögliche (Boes et al. 2014: 17). Schließlich würden technologische Möglichkeiten dafür sorgen, dass genau kontrolliert werden könne, ob die vorgegebenen Ziele von den Beschäftigten erreicht würden und Arbeitsleistungen „auf die individuelle Ebene adressierbar“ gemacht werden könnten (ebd.). Matuschek et al. wenden hierbei die Arbeit in Call Centern als prototypisches Beispiel „zugleich taylorisierter wie subjektivierter Arbeit“ an (Matuschek et al. 2008: 50). Zwar sei eine Standardisierung hier auf die Dienstleistung bezogen, die die Arbeitenden erbringen müssten, dies wirke sich in der Konsequenz aber auf die Standardisierung der Arbeitsabläufe der Beschäftigten aus (ebd.: 54). So würden den Beschäftigten quantifizierte/standardisierte Vorgaben der Gesprächsführung vorgelegt werden, die wenig individuellen Spielraum zulassen würden (ebd.: 53-54). Hier sei dann jedoch „verbale Kreativität“ zugelassen, damit standardisierte Prozesse „rhetorisch in ein gutes Licht“ gerückt werden könnten (ebd.: 54). Hierbei lässt sich eine Differenzierung von Subjektivierung anknüpfen, die auf unterschiedliche Qualitäten von Subjektivität abzielt. So beziehe sich Subjektivierung im Arbeitsprozess laut Kratzer zum einen auf die häufig benannten planerischen und eigenverantwortlichen Kompetenzen von Erwerbstätigen (Kratzer 2003: 52-53). Andererseits sei auch dann von einer Subjektivierung zu sprechen, wenn es weniger um Autonomien der Subjekte im Arbeitsprozess geht, sondern um das Einbringen von „,soft skills‘ oder ,soziale Kompetenzen‘“ (ebd.: 52). Kratzer selbst bringt hier ebenfalls das Beispiel von Call Centern an, bei denen sich eine Subjektivierung von Arbeit auf jene soziale Kompetenz im Umgang mit den Kunden – durch die standardisierten und kontrollierten Arbeitsabläufe aber nicht auf selbstorganisatorische Komponenten beziehe (ebd.: 54).
Kleemann et al. unterscheiden hier unter anderem zwischen einer „Strukturierende[n] Subjektivität“ und einer „Kompensatorische[n] Subjektivität“ (Kleemann et al. 2003: 89). Letztgenannte lässt sich dabei auf die Erfordernisse in dem benannten Beispiel des Call Centers übertragen: Bei dieser geht es Kleemann et al. nach um ein punktuelles Eingreifen der Beschäftigten, wenn „Störungen des formalisierten Arbeitsprozesses“ auftreten (Kleemann et al. 2003: 89). Bei erstgenannter gehe es dagegen um eine eigenverantwortliche Planung und Organisation der Arbeitsausführung (ebd.).
An dem Beispiel des Call Centers wird deutlich, dass Betriebe hierbei mitunter punktuelle Aspekte subjektivierter Arbeit miteinbeziehen, um das Maß an Effizienz zu erhöhen. Zum Beispiel müssten sich die Beschäftigten auch „Kontextwissen“ in Hinblick auf Dienstleistungsarbeit selbstständig aneignen, da dies für die Betriebe praktisch, und finanziell günstiger sei (Matuschek et al. 2008: 54). Durch die Kontrollmechanismen der Arbeitsprozesse könnte sich das Management aber wie erläutert versichern, dass die vorgegebenen Standards auch eingehalten werden (ebd.). Hierbei soll auf mögliche Wechselverhältnisse zwischen Ansprüchen der Beschäftigten und betrieblichen Rahmenbedingungen zurückgekommen werden, die bereits kurz angedeutet wurden. So ergebe sich beim Beispiel von Matuschek et al. durch die punktuellen Anforderungen an die Subjektivität der Beschäftigten aus betrieblicher Sicht die „unintendierte Folge“, dass die Beschäftigten mit der Zeit höhere Ansprüche an die Mitbestimmung ihrer Arbeitsgestaltung entwickelten (ebd.: 61). Schließlich fordere das Management lediglich Teile der Persönlichkeit der Arbeitenden in den Arbeitsprozess mit ein. Dabei würde jedoch „tendenziell die ganze Persönlichkeit – zumindest aber mehr Anteile, als vom Management wirklich gewünscht“ losgelöst werden (ebd.). Daraus resultierten dann wiederrum „implizite oder explizite Aushandlungen“ zwischen den Beteiligten (ebd.).
[...]
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.