Die Frauenbewegung in England
I Unter dem Begriff „Frauenbewegung“ versteht man im allgemeinen den Kampf der Frauen um politische, wirtschaftliche und soziale Gleichstellung von Mann und Frau. Dazu gehören z.B. die Verfügungsgewalt über den persönlichen Besitz, gleiche Bildungsund Einstellungschancen, gleiches Wahlrecht und gleiche sexuelle Freiheit. Zum ersten Mal tauchte die Frauenbewegung als deutlich erkennbare Strömung gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Europa, v.a. in England auf.
II 1. Zu den Grundlagen der Frauenbewegung, die man im wesentlichen auf drei verschiedene Aspekte reduzieren kann:
a. Zum einen war da die Aufklärung, die immer wieder die politische Gleichheit aller Menschen betonte (auch wenn sich die meisten Philosophen dabei mehr auf Männer bezogen). Trotzdem wollten radikale Frauenclubs während der französischen Revolution, dass Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch für die Frauen gelten sollten. Diese französischen Feministinnen wurden oft zu Vorbildern für die englischen.
b. Der nächste Aspekt war die industrielle Revolution, unter deren katastrophalen Bedingungen (schlechte Lebensverhältnisse, Mangelernährung etc.) die Frauen nach den Kindern wohl am meisten litten. Obwohl sie die gleiche Arbeit wie Männer verrichten mussten wurden sie oft schlechter bezahlt und ihre Löhne wurden von den Männern verwaltet, die den Frauen in der Regel nichts von ihrem Geld zukommen ließen. Außerdem erschwerten ihnen häufige Schwangerschaften ihr Los. Aber obwohl sie allen Grund zur Revolution gehabt hätten, gab es in den Reihen der Arbeiterinnen zumindest anfangs kaum Frauen, die sich aktiv für mehr Gleichberechtigung einsetzten.
c. Die Hauptverfechterinnen des Feminismus waren zu Beginn Frauen aus dem gehobenen Mittelstand oder aus den Reihen des Adels, die sich von ihrer Rolle zur Zeit von Königin Viktoria gefangen und erdrückt fühlten. Das Bild der Frau im viktorianischen Zeitalter war in der Tat eher trist. Frauen waren dekorative Objekte im Haushalt eines Mannes, deren einzige wirkliche Aufgaben es war ihrem Gatten zu dienen, die Kinder großzuziehen und den Haushalt zu führen, wofür jedoch oft sogar noch Dienstboten eingestellt wurden, die den Frauen auch diese letzten Tätigkeitsbereiche abnahmen. Die einzige Möglichkeiten für eine Frauen, die sich nicht verheiraten und trotzdem ihren guten Ruf bewahren wollten waren Anstellungen als Gouvernanten, Schulleiterinnen, oder Dienerinnen. Kein Wunder also, dass viele Frauen im viktorianischen Zeitalter an Einsamkeit und Depressionen litten und sich wünschten aus ihrer althergebrachten Rolle auszubrechen. Die Bereitschaft zur sozialen Revolution war unter diesen Frauen größer als bei den Arbeiterinnen in den Slums.
2. a. Die Emanzipation der Frauen begann schon im kleinen Rahmen: Viele der Frauen, die ledig geblieben und Lehrerinnen oder sogar Schulleiterinnen geworden waren, setzten sich für die gleichberechtigte Erziehung von Jungen und Mädchen ein. Im allgemeinen lag der Schwerpunkt bei der Erziehung von Mädchen auf Hauswirtschaft, Zeichen und Musik. Jetzt gründete man jedoch neue Mädchenschulen und versuchte die bereits existierenden zu verbessern, um den Mädchen eine wirkliche akademische Erziehung zu bieten. Einige von ihnen schlossen sich in der „Head Mistresses‘ Association“ zusammen. Auch andere Berufsgruppen, z.B. Schriftstellerinnen oder Schauspielerinnen gründeten später eigene Vereinigungen.
b. 1792 veröffentlichte Mary Wollestonecraft, ihr Buch „A Vindication of the Rights of Woman“(deutsch: „Eine Verteidigung der Rechte der Frau“) und erregte damit sensationelles Aufsehen. Wollestonecraft wird heute als die erste bedeutende Feministin, ihr Buch als das erste bedeutende feministische Buch angesehen. Sie forderte darin in einem sehr mutigen, fast aggressivem Ton, der teilweise sogar ihre wenigen Gleichgesinnten schockierte, die Gleichstellung von Mann und Frau. Vor allem griff sie die Einschränkungen in Bezug auf Bildung und Erziehung an, die nur dazu da seien, die Frau weiterhin in Abhängigkeit vom Mann zu halten. Die Ehe bezeichnete sie als „legale Prostitution“1. Ein Kritiker sagte über Wollstonecraft, dass sie „eine Hyäne in Unterröcken“2 sei.
Zum ersten Mal kamen britische Frauenrechtlerinnen 1855 für eines ihrer Teilziele, das Eigentumsrecht, zusammen. Sie hatten jedoch keinerlei Erfolg mit ihrer Forderung, unter anderem weil sich die breite Öffentlichkeit noch nicht für die Rechte der Frau interessierte.
c. Dies änderte sich 1869, als der britische Philosoph John Stuart Mill das Buch „The Subjection of Women“(deutsch: „Die Hörigkeit der Frau“) veröffentlichte, das teilweise durch Diskussionen mit seiner eigenen Frau Harriet angeregt worden war. Er argumentierte darin, dass das damalige Gesellschaftssystem, in dem Frauen wie Sklavinnen behandelt wurden völlig veraltet sei. Für das liberale und moderne England seiner Zeit jedoch forderte er die Verwirklichung von Freiheit und individuellen Rechten. Frauen waren seiner Meinung nach notwendig um ein gesundes Land zu erhalten und sollten auch dem entsprechend behandelt werden. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sollte in der Ehe beginnen und sich dann durch alle anderen Ebenen der Gesellschaft ziehen.
3. In den folgenden Jahren kam es zu mehreren Teilerfolgen für die Frauenbewegung:
a. Es wurden Colleges für Frauen gegründet, z.B. Girton (1870), die zumindest einigen wenigen Frauen eine höhere Schulbildung ermöglichten. Diese Colleges wurden allerdings von den Universitätsbehörden nicht anerkannt und nur sehr wenige Frauen konnten es sich leisten sie zu besuchen. 1910 studierten nur ungefähr 1000 Studentinnen an den Colleges für Frauen in Oxford und Cambridge. Vorher mussten sie jedoch die Erlaubnis einholen, an Vorlesungen teilnehmen zu dürfen, Abschlüsse zu erwerben war ihnen nicht gestattet. Deswegen war es für diese Frauen - mit Studium aber ohne Abschluß - sehr schwer Arbeit zu finden. Das erste Studium, für das Frauen dann endlich einen Abschluß erwerben konnten, war das Medizinstudium.
b. Bis 1882 gehörte das Eigentum einer Frau, das sie mit in die Ehe brachte automatisch nach der Heirat dem Mann, genauso verhielt es sich mit Erbschaften oder anderen Einnahmen die erst nach der Eheschließung gemacht wurden. Dann jedoch wurde der „Married Women’s Property Act“ erlassen, der Frauen zumindest das Recht gab Geschenke, die sie von ihren Eltern erhalten hatten als ihr Eigentum anzusehen.
1893 wurde dieses Gesetz vervollständigt, Frauen hatten nun die volle Kontrolle über ihren ganzen Besitz und ihre Einkünfte.
c. Auch die Arbeitszeit und das Arbeitsrecht für Frauen verbesserte sich. Dies war nicht zuletzt das Verdienst der „Women’s Trade Union League“, deren anfängliche Hauptforderung „equal pay for equal work“3 also „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ war. Später setzten sich die Anführerinnen dieser Organisation vor allem für das Frauenwahlrecht ein, das ihrer Meinung nach eine Art Arbeitsschutz war.
4. Nun zum wichtigsten Teil der Frauenbewegung, den sogenannten Suffragetten (die Bezeichnung stammt von suffragium = lat. Wahlrecht), deren Hauptziel das allgemeine Frauenwahlrecht war. Obwohl der Begriff „Suffragette“ heute oft für alle Frauenrechtlerinnen gebraucht wird muss eigentlich zwischen Suffragetten und Suffragistinnen unterschieden werden.
a. Zuerst zur Bewegung der Suffragistinnen, die die ältere von beiden ist:
Bereits ab im 19. Jahrhundert hatten Frauen in bestimmten Bereichen das Recht zu wählen, so z.B. ab 1834 die sog. „Poor Law Guardians“, die dafür sorgten, dass die bestehenden Armengesetze eingehalten wurden. Ab 1870 kam das Wahlrecht für die „School Boards“ ab 1888 das für die Lokalwahlen hinzu. Das Wahlrecht auf Landesebene verweigerte man ihnen jedoch strikt, obwohl oft Gesetzesvorlagen dafür im House of Commons eingereicht wurden (z.B. von John Stuart Mill, 1867). Nur die autonome Isle of Man erteilte Frauen 1880 das Wahlrecht. Aus diesem Grund entstand 1867 das „ Manchester Women’s Suffrage Commitee“, ähnliche Vereinigungen wurden auch in anderen Städten Englands gegründet. 1897 schlossen sich all diese Vereine zur „National Union of Woman’s Suffrage Societies“ zusammen, die ungefähr 500 Ortsverbände hatte. Ihre Mittel, mit denen sie das Frauenwahlrecht erreichen wollten waren: Petitionen, Versammlungen, Briefe an bedeutende Politiker etc. Wichtig daran war, dass all diese Mittel friedlich waren, denn darin liegt der Unterschied zu den Suffragetten.
b. 1903 wurde von Emmeline Pankhurst die „Women’s Social and Political Union“ gegründet, in der sie, zusammen mit ihren Töchtern die führende Position einnahm. Der Grund für die Neugründung: Emmeline waren die bisher bestehenden Organisationen nicht radikal genug. Angetrieben wird sie unter anderem von einem Satz ihres Vaters über sie, den er äußerte, als sie sechs Jahre alt war: „Wie schade, daß sie nicht als Junge geboren wurde“4 Die Ziele der Suffragetten waren die gleichen wie die der Suffragistinnen, ihre Mittel jedoch waren gänzlich anders: Sie demonstrierten öffentlich, ketteten sich an Straßenbahngleise, unterbrachen verschiedene Versammlungen etc. Bald war der Begriff „Suffragette“ vor allem in Politkerkreisen gefürchtet.
c. Auch immer mehr Männer, sogar führende Politiker begannen sich immer mehr für die Gleichberechtigung der Frau einzusetzen, fast ausschließlich Anhänger der Labour Party (Die Conservative Party war vollkommen gegen das Frauenwahlrecht). Sie hielten Reden, versuchten andere Politiker zu beeinflussen oder sie liehen den Frauen bei Wahlen ihre Stimme. 1907 gründeten einige linksgerichtete Schriftsteller die sog. „Men’s League for Women’s Suffrage“, drei Jahre später wurde diese umgewandelt in die „Men’s Political Union for Women’s Enfranchisement“. Manche Männer gingen sogar so weit, dass sie sich im Namen der Suffragetten bei Wahlen als Kandidaten aufstellen ließen. 1912 legte George Lansbury seinen Sitz im Parlament nieder um Aufmerksamkeit für die Suffragetten zu erregen und sich mehr der Unterstützung dieser Bewegung widmen zu können.
d. Doch nicht nur die Suffragetten wurden aktiv sondern auch ihre Gegner und Gegnerinnen. 1908 wurde die sog. „Anti- Suffrage League“ gegründet. Die Anführer dieser Vereinigung hielten Reden - auch vor den Suffragetten selbst - gegen das Frauenwahlrecht, sie sammelten Unterschriften und gaben eine eigene Zeitschrift heraus. Das Hauptargument der Gegner der Suffragetten war, dass der allergrößte Teil der Frauen in England gar nicht daran interessiert sei wählen zu dürfen und das die verbleibende kleine Minderheit nicht das Recht habe die Änderung des gesamten Wahlsystems zu erzwingen
e. Ab 1912 verschärften die Suffragetten ihre Taktik sogar noch: Sie warfen Fenster ein, brannten leer stehende Häuser nieder und störten öffentliche Veranstaltungen. Deswegen kam es zu vielen Verhaftungen, doch sobald die Suffragetten im Gefängnis waren, traten sie in Hungerstreik. Zuerst versuchte man noch jede einzelne zwangsweise zu ernähren, später gab man dies jedoch auf, vor allem um aus den Frauen keine Märtyrerinnen zu machen. Nach dem „Prisoner’s Temporary Discharge of Ill Health Act“ wurden Suffragetten im Hungerstreik aus der Haft entlassen und nach Hause geschickt, bis sie sich wieder erholt hatten. Dann nahm man sie wiederum fest und sie mussten den Rest ihrer Haftstrafe absitzen. Dieses Verfahren wurde von der Öffentlichkeit bald mit dem Namen „Cat and Mouse Act“ versehen. Vor dem „Terror“ durch die Suffragetten waren einige Parlamentsmitglieder sogar bereit gewesen, die Bestrebungen der Frauen zu unterstützen, doch auch sie zogen ihre Meinung jetzt zurück.
f. Doch dann brach der 1. Weltkrieg aus und die führenden Frauenrechtsorganisationen legten alle politische Tätigkeiten bis zum Kriegsende nieder, manche (z.B. die Women’s Social and Political Union) begannen sogar mit der Regierung zu verhandeln: Die Regierung sollte alle Suffragetten aus der Haft entlassen, dafür würden sie helfen den Krieg zu gewinnen. Die radikalsten Suffragetten weigerten sich, sich dieser Strömung anzuschließen und gründeten neue Gruppierungen (z.B. die „Women’s Party). Auch manche bereits bestehende Organisationen wollten den Kampf noch nicht aufgeben. In der Tat hatte England die Hilfe der Frauen bitter nötig. Sie arbeiteten als Ärztinnen oder Krankenschwestern, führten Schulen, arbeiteten in öffentlichen Behörden und als Straßenbahn- oder Zugschaffnerinnen. Je länger der Krieg dauerte, desto mehr übernahmen Frauen auch die Arbeiten der Männer auf Werften, in Bergwerken und in den Fabriken z.B. die Produktion von Munition. 1917 arbeiteten über 7oo ooo Frauen in der Waffenproduktion, insgesamt arbeiteten fast 5 Millionen Frauen in ganz England, 1,5 Millionen mehr als bei Kriegsausbruch. Dadurch hatten sie erheblichen Anteil am Sieg Englands (- der Alliierten) über Deutschland und dies wurde von der Regierung entsprechend belohnt:
g. Am 28. März 1917 erhielten Frauen über 30 das Wahlrecht. Damit waren sie den Männern gegenüber, die schon mit 21 wählen durften, zwar immer noch im Nachteil, doch ein erster Schritt war getan. Außerdem erhielten sie auch das Recht, für einen Sitz im Parlament zu kandidieren. Die erste Gelegenheit zu wählen hatten die Frauen im Dezember 1918. Einige Suffragetten hatten fürs Parlament kandidiert, aber nur eine, Constance Markiewicz, die für Sinn Fein angetreten war, wurde gewählt. Doch sie, als irische Nationalistin weigerte sich die Wahl anzunehmen. So zog erst 1919 Lady Astor als erste Frau ins britische Parlament ein.
Der letzte große Erfolg der ursprünglichen Frauenbewegung war der „Equal Franchise Act“ von 1928, der Frauen ab 21 das Wahlrecht zusprach, so dass sie endlich mit Männern gleichgestellt waren.
III. Natürlich gab es auch weiterhin viele Probleme für die Frauen, z.B. dass immer mehr von ihnen arbeiteten, dass aber die meisten gut bezahlten Berufe typische Männerberufe waren, in denen sie „nichts zu suchen hatten“, oder das fehlende Recht auf Familienplanung, dass ihnen erst Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts zugestanden wurde. Auf der anderen Seite gab es aber auch weiterhin eine Frauenbewegung, die sich aktiv für die Ziele der Frauen einsetzte und die bis heute, sowohl in England als auch in vielen anderen Ländern Bestand hat.
Quellen:
1. Asa Briggs: A Social History of England; BCA; 1994
2. Kenneth O. Morgan (editor): The Oxford Illustrated History of Britain; BCA; 1984
3. Isolde Friebel (Hg.): Britain - USA Now, A Survey in Key Words (3. Auflage); Verlag Moritz Diesterweg, 1976
4. Harold Saunders, Hermann Bendl: Englisch Landeskunde Great Britain and the U.S.A., Manz Verlag, 1991
5. Gerd Seibert, Erhard Wendelberger (Hg.): Das Neue Lexikon in Farbe (Band 14); Wissen Verlag GmbH; 1979
6. Claire Singer: Das Große Buch der Hexen, Die Geschichte eines Mythos vom Paradies bis heute; Tosa Verlag; 2000
7. Microsoft Encarta 98 Enzyklopädie; Frauenbewegung
8. www. Spartacus,schoolnet.co.uk/Wwollstonecraft.htm
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1 www.spartacus.schoolnet.co.uk/Wwollstonecraft.htm 16.03.2001
2 Ebd.
3 www.spartacus.schoolnet.co.uk/Wwollstonecraft.htm 16.03.2001
4 Wencke Stegemann: Emmeline Pankhurst. In: Anne Volk (Hg.): Brigitte Young Miss. Hamburg 7/99. S. 72
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