Ist Gier tatsächlich ein moralisch verdammenswertes Laster, das in der deutschen Wirtschaft keinen Platz haben sollte? Oder fördern gerade Laster die allgemeine wirtschaftliche Wohlfahrt wie es Bernard Mandeville in seiner „Bienenfabel“ 1705 propagierte?
Die Frage nach den Wurzeln, den Grundwerten und dem Menschenbild der Sozialen Marktwirtschaft, insbesondere nach der Rolle des Eigeninteresses, bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit. Zunächst werde ich den ethischen Kontext zu Mandevilles Zeiten darstellen und verschiedene tugendethische Konzepte betrachten, insbesondere von Aristoteles, Thomas von Aquin, der puritanisch-calvinistischen Ethik und von Shaftesbury. Mandeville brach mit seiner „Bienenfabel“ mit der traditionellen Einheit von Individual- und Sozialethik. Neben Mandevilles Menschen- und Gesellschaftsbild, das sich im Wesentlichen auf Thomas Hobbes stützt, werde ich vor allem auf das Mandeville-Paradoxon, wonach es gerade die persönlichen Laster der Menschen sind, die zum Allgemeinwohl führen, ausführlich eingehen. Den nächsten großen Themenkomplex werden die Konzepte des Klassischen Liberalismus (Adam Smith) und des Libertarismus (Friedrich August von Hayek) bilden. Im Anschluss werde ich auf die Entwicklung der Idee der Sozialen Marktwirtschaft eingehen, wie sie ursprünglich angedacht war ausgehend von der Kritik der ordoliberalen Schule am Klassischen Liberalismus. Die Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft liegen vor allem im Ordoliberalismus, wie ihn Walter Eucken vertreten hat. Anschließend werde ich das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft betrachten und dabei auf die Ansätze von Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Alfred Müller-Armack, dem Namensgeber der „Sozialen Marktwirtschaft“, sowie die Katholische Soziallehre mit ihren Prinzipien der Solidarität und Subsidiarität als weitere Quelle der Sozialen Marktwirtschaft eingehen. Das der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegende Menschenbild und die dem Staat zugedachte Rolle in der Wirtschaft werde ich besonders hervorheben. Zuletzt werde ich noch die Position der katholischen Kirche, vor allem die Ansichten von Oswald von Nell-Breuning, zur Wirtschaftsordnung erläutern. Im Ergebnis werde ich die Konzepte von Mandeville und der Sozialen Marktwirtschaft abschließend würdigen und den Bezug zur heutigen deutschen Wirtschaft herstellen. Dabei werde ich vor allem auf die aktuellen Probleme und Herausforderungen für die Soziale Marktwirtschaft eingehen und mögliche Lösungen thematisieren.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Der ethische Kontext zu Mandevilles Zeiten
- 1. Zum Verhältnis von Individualethik und Sozialethik
- 2. Konzepte der Tugendethik
- 2.1 Aristoteles (384-322 v.Chr.) als Vertreter der Antike
- 2.2 Thomas von Aquin (1225-1274) als Vertreter des Mittelalters
- 2.3 Die puritanisch-calvinistische Tugendethik
- 2.4 Shaftesbury (1671-1713) als Vertreter der Neuzeit
- III. Bernard Mandeville (1670-1733): Private Laster – öffentliche Wohltaten
- 1. Einleitung
- 2. Mandevilles Menschen- und Gesellschaftsbild
- 3. Das Mandeville-Paradoxon
- IV. Anthropologie und Sozialethik des Klassischen Liberalismus und des Libertarismus
- 1. Der Klassische Liberalismus nach Adam Smith (1732-1790)
- 1.1 Einleitung
- 1.2 Das Menschen- und Gesellschaftsbild
- 1.3 Das System der natürlichen Freiheit
- 1.4 Die Rolle des Staates
- 2. Der Libertarismus nach Friedrich August von Hayek (1899-1992)
- 2.1 Das Menschen- und Gesellschaftsbild
- 2.2 Die Katallaxie als spontane Ordnung der Wirtschaft
- 2.3 Die Rolle des Staates
- V. Die Idee der sozialen Marktwirtschaft
- 1. Einleitung
- 2. Kritik am Klassischen Liberalismus durch die ordoliberale Schule
- 3. Der Ordoliberalismus von Walter Eucken
- 4. Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft
- 4.1 Das Menschenbild
- 4.2 Die ,,Soziale Marktwirtschaft“
- 4.3 Die Rolle des Staates
- 5. Die Position der Katholischen Soziallehre
- VI. Ergebnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Aktualität von Bernard Mandevilles Thesen und seinem Menschenbild im Kontext der Finanzkrise von 2008. Sie beleuchtet die Rolle der „Gier“ als Motor der Wirtschaft und diskutiert die ethischen Implikationen dieser Haltung. Dabei wird die Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung und Werteordnung analysiert, um zu verstehen, wie sie mit den Herausforderungen der Gegenwart umgehen kann.
- Das Verhältnis von Individualethik und Sozialethik im Kontext des Eigeninteresses
- Die ethische Kritik am „Mandeville-Paradoxon“, dass private Laster öffentliche Wohltaten hervorbringen
- Die anthropologischen und sozial-ethischen Grundlagen des Klassischen Liberalismus und des Libertarismus
- Die Rolle des Staates in der Sozialen Marktwirtschaft und dessen Aufgabe, die Freiheit mit Verantwortung zu verbinden
- Die ethischen Herausforderungen der Sozialen Marktwirtschaft im Kontext der Finanzkrise von 2008
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und erläutert den Ausgangspunkt der Arbeit: die Finanzkrise 2008 und das scheinbar ungezügelte Streben nach Profit und Bonuszahlungen. Kapitel II beleuchtet den ethischen Kontext zu Mandevilles Zeiten. Es werden verschiedene tugendethische Konzepte vorgestellt, insbesondere von Aristoteles, Thomas von Aquin, der puritanisch-calvinistischen Ethik und von Shaftesbury. Kapitel III widmet sich Bernard Mandeville und seiner „Bienenfabel“, die den Untertitel „Private Laster – öffentliche Wohltaten“ trägt. Es werden Mandevilles Menschen- und Gesellschaftsbild sowie das Mandeville-Paradoxon behandelt. Kapitel IV befasst sich mit der Anthropologie und Sozialethik des Klassischen Liberalismus und des Libertarismus, insbesondere im Hinblick auf Adam Smith und Friedrich August von Hayek. Es werden deren Menschen- und Gesellschaftsbilder sowie ihre Vorstellungen von der Rolle des Staates im Wirtschaftsprozess erläutert. Kapitel V beschäftigt sich mit der Idee der Sozialen Marktwirtschaft. Es wird auf die Kritik am Klassischen Liberalismus durch die ordoliberale Schule eingegangen und das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft nach Walter Eucken dargestellt. Des Weiteren wird das Menschenbild und die Rolle des Staates in der Sozialen Marktwirtschaft beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Wirtschaftsethik, Finanzkrise, Soziale Marktwirtschaft, klassischer Liberalismus, Libertarismus, Bernard Mandeville, Gier, Eigeninteresse, Verantwortung, Staat, Moral und Tugendethik.
- Arbeit zitieren
- Janina Serfas (Autor:in), 2009, Geldgier als Säule der Sozialen Marktwirtschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1021759