Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Kunstsoziologie
2. Reflexionen über die deutsche Frühromantik
3. Caspar David Friedrich
Caspar David Friedrich als Zeichner
4. Bildanalyse
5. Andere Künstler
Zusammenfassung
Literatur
Bildnachweis
Erklärung
Einleitung
Im Rahmen meiner Magisterzwischenprüfung wählte ich für die Gestaltung meiner Hausarbeit die Kunstsoziologie als mein Thema. Leider wurden in diesem Bereich noch keine Veranstaltungen angeboten, so dass ich mich wesentlich nur auf Literatur beziehen kann. Mein erstes und auch das schwierigstes Problem war die Klärung der Fragen: Was ist Kunstsoziologie? Und was muß ich da untersuchen? Denn meine Interesse an dem Thema kam durch die Kenntnisse der Frühromantik. D.h. ich wußte eine Menge über die Frühromantik und über die Malerei dieser Epoche, und war nun vor die Aufgabe gestellt wurden, das ganze irgendwie soziologisch einzubetten. Meine Hoffnungen auf Antworten in der Literatur wurden bald arg enttäuscht, denn es gibt nicht mal eine einheitliche Meinung darüber, was Kunstsoziologie eigentlich ist und mit was sie sich beschäftigt. Daher habe ich an den Anfang meiner Arbeit eine Auflistung von Standpunkten in der Kunstsoziologie gestellt. Auf eine mir logisch erscheinende Theorie habe ich mich dann versucht zu stützen und meine Fragestellung, die sich durch die ganze Arbeit ziehen soll, lautet: Was bewegte die Frühromantiker an historischen, gesellschaftlichen oder persönlichen Erlebnissen, die sie in der Malerei zu verarbeiten suchten?
Um die historischen und gesellschaftlichen Phänomene dieser Zeit deutlicher zu machen, gebe ich im 2. Teil einen historischen Ablauf der Bildung der Frühromantik und allen anderen Geschehnissen, welche die Romantiker erlebten und prägten. Da sich meine Arbeit hauptsächlich auf Caspar David Friedrich beschränkt, so ist es natürlich unverzichtbar, dass ich seinen Lebenslauf in der Epoche der Frühromantik schildere. Auch gehe ich dabei schon auf spezielle Sachverhalte zu seiner Kunst ein, aber auch auf die Dinge die ihn und alle anderen Frühromantiker auch, innerlich bewegen. Denn die Frühromantik ist eine Epoche voller Widersprüche und Gegensätze.
All diese Ausführungen werden anhand von Bildern verdeutlicht. Wobei ich zu den Werken Caspar David Friedrichs noch drei Werke anderer Maler dazu gezogen habe, um zu verdeutlichen, dass diese Themenbereiche die Friedrich in seinen Bildern anspricht, allgemein die Frühromantik prägt. Dabei möchte ich anmerken, dass die Werke Friedrichs sicherlich nicht sehr einfachen zu deuten sind und sie auch viele Handlungsspielräume geben. Ich habe mich daher allgemeiner gefasst.
Und zum Schluß habe ich die wichtigsten Grundgedanken schemenhaft noch einmal zusammengefasst .
1. Kunstsoziologie - Der Versuch eines Ansatzpunktes
Die Kunstsoziologie wird in der Literatur nicht eindeutig beschrieben, sondern es werden viele unterschiedliche Standpunkte vermittelt, was Kunstsoziologie beinhalten kann. Unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze werden mit dem Begriff der Kunstsoziologie verbunden, die sich nicht nur in ihrer Verfahrensweise, sondern auch in ihrem Gegenstand voneinander unterscheiden. Es wird daher eher nur ein Rahmen gegeben, was innerhalb der Kunstsoziologie erforscht und erfragt werden kann. Es lassen sich aber zwei voneinander entgegengesetzte Konzeptionen erkennen, je nachdem ob man von der Kunst her konzipiert oder von der Soziologie. So geht es im soziologischen Sinne besonders um das Zwischenmenschliche, d.h. um die Wirkung des Kunstwerkes, während die andere Seite vom Kunstwerk selbst ausgeht. Den ersten kunstsoziologischen Gedanken dieser Art äußerte 1865 Hippolyte Taine in seiner „Philosophie der Kunst“. Um ein Kunstwerk zu begreifen, müssen zusätzlich zu der den Künstler umgebenden Gesamtgesellschaft vor allem die durchlaufenen Schulen und Familien des Künstlers untersucht werden. Ebenfalls muss man sich „mit Genauigkeit den allgemeinen Zustand des Geistes und der Sitten derjenigen Zeit“1 vorstellen, „denn das Kunstwerk wird bestimmt durch eine Gesamtheit, welche der allgemeine Zustand des Geistes und der umgebenden Sitten ist“2. Seine Feststellungen waren in dieser Zeit nicht völlig neu, aber bei ihm trat erstmals die Forderung auf, „durch die gezielte Beobachtung der Sitten einer Zeit auch deren Wirkung auf das Entstehen von Kunst verstehbar werden zu lassen“3. Das und wie ein Künstler produziert ist das Ergebnis seiner Gegenwart auf ihn.
Die entgegengesetzte Richtung, welche von der Soziologie ausgeht, vertritt beispielsweise Pierre Joseph Proudhon. Er betrachtet die Wirkung des Kunstwerkes in der Gesellschaft. Welche Mitglieder der Gesellschaft sind es, die in einer bestimmten Weise auf ein Kunstwerk reagieren und warum gerade sie und nicht andere? Auch Jean Marie Guyan gehört dieser Richtung an, nur mit einem anderen Schwerpunkt. Kunst ist für Guyan ein Mittel „Bewegung und Handlung zu erzeugen oder scheinbar zu erzeugen“4. Das Bewusstsein derjenigen die auf Kunst reagieren, ist „soziales Bewusstsein“, „Kollektivbewusstsein“, dass jedoch nicht aus der Interaktion der Kunstbetrachter untereinander resultiert, sondern aus der Parallelität ihrer Reaktionen auf das Kunstwerk.
Neuere Vertreter dieser gegensätzlichen Rahmenpunkte sind Silbermann und Adorno. Was für Silbermann zentraler Gegenstand der Kunstsoziologie ist, die empirisch erfassbare Wirkung von Kunstwerken, ist für Adorno eine Erscheinung, „die keineswegs zur Grundlage der Kunstsoziologie gemacht werden kann, die vielmehr erst im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Theorie adäquat gedeutet werden kann“5. Auch der Text von H. P. Thurn macht deutlich, dass Kunst ein Produkt der Gesellschaft ist, welche bereits den Entstehungsprozess eines Kunstwerkes beeinflusst. Denn jedes Kunstwerk ist ein Produkt menschlichen Handelns und jeder künstlerisch Handelnder ist ein Mitglied der Gesellschaft, deren Sozialisationseinflüsse auch ein Künstler auf verschiedenen Ebenen permanent ausgesetzt war oder ist. So ist ein Kunstwerk nun eine Reaktion auf gesellschaftliche Einflüsse und eine Abfolge von teils individuell gefällten, teils gesellschaftlich mitgeprägten Entscheidungen, welche Inhalt, Form, Technik und auch Zielrichtung des betreffenden Werkes bestimmen.
Nur als Ergebnis menschlichen Handelns ist ein Kunstwerk verstehbar und erhält so seinen Sinn.
Zu entwickeln wäre somit eine Theorie des künstlerischen Handelns, an der die Soziologie in soweit mitzuarbeiten hätte, da dieses Handeln durch den Rückgriff und /oder Vorgriff auf Gesellschaftliches gelenkt wird. Die Frage ist nun, inwieweit die Theorie des sozialen Handelns auch dem künstlerisch motivierten Handeln gerecht wird. In dem Buch „Denkweisen und Grundbegriffe der Soziologie - Eine Einführung“ fand ich eine mögliche Definition von sozialen Handeln. „Soziales Handeln ist menschliches Tun oder Lassen, das dem von den Handelnden selbst gemeinten Sinn nach auf die Handlungen oder den vermuteten Sinn des Handelns anderer Menschen in einer Situation bezogen ist.“6 Dabei gilt ebenfalls, dass es einen Akteur gibt, der auf bestimmte Bedingungen reagiert. Er verfolgt einen bestimmten Zweck und verfügt über entsprechende Mittel um sein Ziel zu erreichen. Ein Alltagsbeispiel dafür wäre der Versuch einem anderen Fahrradfahrer auszuweichen um einen Zusammenprall zu vermeiden. Es gibt einen Akteur der Fahrrad fährt und die Bedingungen sind, dass ihm ein anderer Fahrradfahrer direkt auf ihn zukommt. Sein Ziel ist es einen Aufprall zu vermeiden, indem das Ausweichen das Mittel darstellt sein Ziel zu erreichen.
Aber dieses Schema lässt sich auch auf künstlerisches Handeln übertragen. Künstler, als Mitglieder der Gesellschaft, reagieren auf historische, gesellschaftliche oder auch persönliche Ereignisse ihrer Umwelt. Ihr Ziel ist es beispielsweise, ihre Erfahrungen zu verarbeiten. Als Mittel setzen sie die Kunst ein, gleich ob Malerei, Literatur oder Musik. Der Zweck oder das Ziel eines Künstlers kann mit Sicherheit sehr unterschiedlich sein, fest steht, dass Künstler im Sinne der Theorie der sozialen Handlung auf Reaktionen der Umwelt reagieren. Will man also ein Kunstwerk begreifen, so bedarf es der Analyse seiner umgebenden Gesamtgesellschaft.
Kunst ist ein Ergebnis von Prozessen, in denen der Mensch seine Umwelt bewältigt. Es ist ein Ausdruck des Ineinanderwirkens von einer erfahrenen Wirklichkeit und der Wunsch nach Bewältigung dieser Wirklichkeit, so auch nach kultureller Umgestaltung. Weiterhin wird Kunst auch verstanden, als etwas was auf der Grundlage von Wahrnehmungsprozessen basiert, die als Interaktion zwischen Dasein und Bewusstsein verstanden werden kann. Das heißt, der Künstler verarbeitet in seinen Werken zum einen das, was in der Gesellschaft offensichtlich passiert und zum anderen das Bewusstsein, der Sinn für etwas was noch nicht mittelbar fassbar ist, der Künstler aber innerlich spürt oder ahnt. „Ein gegenwärtiges Objekt der empirischen Wirklichkeit ermöglicht dem wahrnehmenden Subjekt, es um ein nicht unmittelbar zugängliches Teil zu ergänzen“7. So beziehen sich Kunstwerke stets auf einen Sachbereich und Sinnbereich. Dies werde ich aber an den hier angeführten Werken von Caspar David Friedrich versuchen noch näher zu erläutern. Wichtig an diesem Kapitel war, zu verdeutlichen, dass die Kunstsoziologie nur einen Rahmen vorgibt, in dem man Kunstwerke nach eigener Betrachtung soziologisch zu erläutern sind. Ich werde mich in meiner Arbeit auf den letztgenannten Standpunkt beziehen. Denn Kunst ist Reaktion auf Gesellschaftliches, Historisches oder Persönliches, also Reaktionen auf Aktionen in der Umwelt eines Künstlers. Künstlerisches Handeln geht daher fast einher mit der Theorie sozialen Handelns. Künstler sind ebenso Mitglieder einer Gesellschaft und werden von dieser beeinflusst, nur das sie ihre Reaktionen, ihre Erfahrungen in Form von Kunst ausdrücken. Die Frage, die sich daher nun durch die gesamte Arbeit ziehen wird, ist: Welche persönlichen, aber auch historischen oder gesellschaftlichen Dinge bewegten Caspar David Friedrich und die Frühromantiker zu jener Zeit, die sie in der Kunst zu verarbeiten suchten?
2. Reflexionenüber die deutsche Frühromantik - Eine Annäherung
Die Romantik galt einer Generation, die nach 1770 geboren wurde, unter dem großen Eindruck der französischen Revolution. Die Epoche der Romantik führte weiter über die Restaurationsperiode in Deutschland und verebbt schließlich in den darauffolgenden revolutionären Bewegungen von 1830. Die größten Leistungen dieser widersprüchlichen Bewegung liegen in dem Zeitraum von 1798 bis 1812/13. Diesem Zeitraum widmet sich meine Arbeit, der Frühromantik.
„Am Abend des 14. Juli 1789 trägt Ludwig XVI., der Allerchristlichste König von Frankreich, nur ein Wort als Fazit des soeben abgelaufenen Tages in sein Diarium ein: „Rien.“ - „Nichts.“ Erst wenige Stunden später, mitten in der Nacht, wird der Herzog von Liancourt aufgeschreckt, der schockierende Nachrichten vom Tag überbringt, an dem sich nach des Königs Meinung nichts ereignet hat: Das Volk von Paris hat das verhaßte Staatsgefängnis, die Bastille, gestürmt, die Gefangenen befreit und das abgeschlagene Haupt des Gouverneurs an die Spitze einer Pike gespießt. Unter der Parole „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!“ entrollt die Revolution ihr Banner, das nicht nur die Emanzipation des französischen Volkes von der Knechtschaft eines bankrotten Feudalsystems ankündigen scheint. Der Ballhausschwur, das Auftreten Mirabeaus, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die Aufhebung der Klöster, die Abschaffung des Adels, die Rede des Advokaten Robespierre gegen den Krieg, der enthusiastische Impetus der Marseillaise: das sind Signale, die wie Blitze über den Rhein schießen und auch von der deutschen Intelligenz als hoffnungsvolle Zusagen einer neuen Zeit aufgenommen werden.“8 Zu jener Zeit war das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen, dessen junge bürgerliche Elite die Aktionen aus dem revolutionären Nachbarland verfolgte, noch ein Gebilde aus über dreihundert Territorialstaaten und Freien Reichsstädten. Nutznießer dieser alten Feudalstruktur waren autonome Landesfürsten und der Adel, dem die Befehlsstellen in Verwaltung und Heer vorbehalten waren. Fünfundsiebzig Prozent der 23 Millionen Einwohner des Reichsgebietes waren in der Landwirtschaft tätig. Für den kleinen Teil der Handwerker wurde das Geschäft schwer gemacht durch die unzähligen Zollschranken und Zunftbestimmungen. Nach späteren Schätzungen waren circa siebzig Prozent der Bevölkerung Analphabeten. Dennoch wächst in diesem Umkreis ein in Künsten und Wissenschaft dominierendes Bürgertum heran, vor allem in den Höfen wie etwa Weimar und Dessau. Dieses Bürgertum ist seit Jahrhundertmitte Träger der deutschen Aufklärung. So beispielsweise der Wolfenbütteler Bibliothekar und Schriftsteller Lessing, der Königsberger Philosophieprofessor Kant oder der sachsen - weimarische Superintendant Herder. Dieses aufgeklärte Bürgertum nimmt die revolutionären Losungen aus Frankreich mit unverhohlener Sympathie auf: die ältere Generation etwas distanzierter, die jüngere um so begeisterter. „ Als die Einwohner von Paris die Tuilerien stürmen, Ludwig XVI. die Guillotine besteigen muß und der jakobinische Terror die Errungenschaften der Revolution mit Einsatz des Fallbeils zu schützen sucht, beginnt sich der deutschen Intelligenz lähmender Schrecken zu bemächtigen. Zu lange hat man sich der Utopie einer allmählichen Wandlung der Gesellschaft durch humane Pädagogik und Philosophie hingegeben, als daß man jetzt dem Elan der sich überstürzenden Ereignisse gewachsen wäre.“9 Nur wenige halten in dieser Zeit den Devisen von 1789 die Treue, so die jungen Literaten, die sich kurz darauf in Jena als romantischer Zirkel zusammenfinden. Die deutsche Romantik ist geradezu ein Kind der Revolution. Aber die meisten Angehörigen des Bürgertums fliehen dem Ancien régime in die Arme. Überall wo Volksmassen aufbegehren, rufen verschreckte Bürger nach den Truppen der Fürsten. Für die Romantiker ist die Begeisterung für Frankreich dennoch groß. Der Student Ludwig Tieck, der gerade seinen ersten frühromantischen Roman schreibt, „Geschichte des Herrn William Lovell“, berichtet seinem Freund Wackenroder 1792: „Doch leider bin ich in einer Monarchie geboren, die gegen die Freiheit kämpfte, unter Menschen, die noch Barbaren genug sind, die Franzosen zu verachten. Ich habe mich sehr geändert, ich bin itzt nicht glücklich, wenn ich keine Zeitung haben kann. Oh, in Frankreich zu sein - es muß doch ein groß Gefühl sein, unter Dumouriez zu fechten und Sklaven in die Flucht zu jagen und auch zu fallen = was ist ein Leben ohne Freiheit.“10 Nach dem Sturz der Jakobiner müssen selbst die Franzosen einsehen, dass nicht die Freiheit gesiegt hat, sondern das Geld der Bourgeoisie, nicht die Freiheit, eher die neuen Privilegien des Großbürgertums und auch nicht die Brüderlichkeit, sondern vielmehr der kapitalistische Konkurrenzkampf.
Bald darauf macht Napoleon Bonaparte von sich reden, denn durch ihn schlägt der erhoffte Frieden in einen über zwanzig Jahre andauernden Eroberungskrieg um. 1799 macht sich Bonaparte zum ersten Konsul und damit zum Alleinherrscher der Franzosen. Fünf Jahre später krönt er sich zu Frankreichs Kaiser. Nur sehr wenige sehen hinter dem Triumph der französischen Bourgeoisie und hinter dem Marschschritt der französischen Armeen einen sinnvollen Gang der Weltgeschichte, wie Goethe und Hegel. In Napoleon, der das längst untergangsreife Reich der Deutschen zerstört, sieht man weniger den Befreier, sondern eher den Unterdrücker. So entsteht eine Tendenz zur Entdeckung der eigene nationale Identität und der spezifisch deutschen Tradition, sowie die Rückbesinnung auf die Werte des vaterländischen Erbes und der Religion, an der auch die Frühromantiker beteiligt sind. „Auf ihren Streifzügen durch Raum und Zeit machen sie verschollenes Volksgut ausfindig, Märchen, Sagen und Volkslieder, die sie zu sammeln beginnen ( ... ). Armins und Brentanos „Des Knaben Wunderhorn“, die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm sind nur zwei von vielen Dokumenten dieser Rückbesinnung auf nationale Kulturwerte, die unter dem Druck der napoleonischen Demütigungen im patriotischen Sinne gedeutet wurden.“11 Aber sie machten den Deutschen auch andere europäische Literatur zugänglich. So Tiecks Übertragung des „Don Quijote“ oder seine und Schlegels große Shakespeare - Übertragung. So eilten auch viele von ihnen zu den Fahnen, als Napoleon Grande Armée geschlagen von den Schneefeldern Russlands zurückkehren. Aber auch diese Aufbruchstimmung ist nur von kurzer Dauer. Die deutschen Fürsten nehmen die nur widerwillig gewährten Reformen wieder zurück und anstelle von der versprochenen Verfassung tritt erneute Willkür. Auch die Hoffnungen auf nationale Einigung müssen sich mit dem deutschen Bund begnügen, denn im Wiener Kongreß von 1814 hat es Fürst Metternich auch nur auf die Restauration der alten Gewalten abgesehen. Unter Metternich vereinigen sich die Schlüsselmächte Russland, Preußen und Österreich zur „Heiligen Allianz“.
Was war es also, was die Romantiker so bewegten? Die ökonomisch - politischen Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft, welche im Kontrast standen mit dem Humanitätsideal der Französischen Revolution. Denn die Wirklichkeit dieser Zeit mit den starken feudalen Resten inmitten kapitalistischer Entwicklung, mit der sozialen Differenzierung des Bürgertums widerstrebte einer Idealisierung des Ideals von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. „Der Kleinbürger, gedukter denn je, die plebejischen Schichten mit ihren Anfängen des Proletariats in Stadt und Land verelendeten noch mehr. Sie standen jetzt unter dem unmittelbaren Druck der Ausbeutung. Das Abhängigkeitsverhältnis des Produzenten konnte kaum noch mit dem religiösen Argument vom Willen Gottes verbrämt werden. Auf der anderen Seite hatte die kapitalistische Entwicklung das Persönlichkeitsbewußtsein und das Nationalgefühl reifen lassen.“12 „Die entscheidende Zeit der Persönlichkeitsbildung war jedoch geprägt von der harten Wirklichkeit der sich konstituierenden bürgerlichen Gesellschaft. Die Gesellschaftsutopie von der Lösung der sozialen Probleme durch freie Übereinkunft der Klassen, vom Sieg der Menschlichkeit durch Einsicht und guten Willen, der Kultivierung der Lebensformen erwies sich als Illusion, für das wachsende Individualitätsbewusstsein wurde sie zur Selbsttäuschung.“13 Da die Wirklichkeit für die Romantiker zutiefst unbefriedigend war, so wurde die Welt, die scheinbar außerhalb der Wirklichkeit lag, der Traum, das Unbewusste, zum wahren Leben. Die Romantik drang auch tief in die Psyche des einzelnen Individuums ein. Die Gefühle und Stimmungen jedes einzelnen nahm man erst, freilich mit Vorliebe die Nachtseiten der Seele, die dunklen Gründe, Traum und Tod, aber auch die unstillbare Sehnsucht nach Licht, Freiheit und Friede. Denn der Tag zeigte Zerstörung und Verkümmerung.
So war die Romantik eine Epoche voller Widersprüche, Spannungen und schillernder Gegensätze. Traum und Wirklichkeit, Märchen und Gesellschaftskritik, Vergangenheit und Gegenwart, Endliches und Unendliches, Ernst und Humor suchten die Romantiker zu verbinden. Grundlegend waren eine Verherrlichung des Gefühles anstelle des Intellektes, wobei man sich vor allem gegen das Menschenbild der Klassik richtete. Weiterhin eine schwärmerische Begeisterung für die mittelalterliche Vergangenheit, vor allem aber eine ins Religiöse gesteigerte Versenkung in die Natur, wobei die Landschaft Stimmungen und Sehnsüchte der dargestellten Menschen zum Ausdruck bringt. Die Kunst sollte vor allem bei Caspar David Friedrich Mittlerin zwischen Natur und Menschen sein. Das Landschaftsbild war bei ihm Träger von Aussagen über den Menschen. Friedrich gestaltete Natur und Mensch als spannungsvolle Einheit, wobei er Kleinheit und Ausgeschlossen - Sein gegenüber der erhabenen, unzugänglichen Größe von Meer, Gebirge oder Himmel betonte.
3. Caspar David Friedrich
Am 5. September 1774 wurde Caspar David Friedrich in Greifswald geboren. Greifswald war zu dieser Zeit eine kleine unbedeutende Hafen- und Handelsstadt an der Ostsee. Diese gehörte durch den Westfälischen Frieden von 1648 zu Schweden und erst 1815 kam es an Preußen zurück. Der Vater Adolf Gottlieb Friedrich, ein Seifensieder und Lichtgießer, war 1763 nach Greifswald zugewandert. Als sechstes von zehn Kindern lebte Friedrich in beengten Verhältnissen, was sich erst änderte, als zwei ältere Brüder im väterlichen Betrieb mitarbeiteten. Seine Mutter verstarb bereits als Friedrich sieben Jahre alt war. Und auch sein liebster Bruder Johann Christoffer ertrank als 12jähriger vor den Augen Caspar Davids. Das Gefühl der Schuld am Tode am Tode seines Bruders belastete ihn in den entscheidenden Jahren seiner Jugendentwicklung, denn Friedrich war beim Eislaufen unachtsam gewesen und ins Eis eingebrochen. Sein Bruder rettete ihn und ertrank selber an den fehlenden Kräften sich ans Ufer zu bringen. Die ersten zeichnerischen Unterweisungen erhielt der Junge mit vierzehn Jahren vom Universitätszeichenmeister Johann Gottlieb Quistorp. Der heranwachsende Friedrich begleitete Quistorp auf seinen Wanderungen. „Die ökonomischen und sozialen Besonderheiten des Ostseeraumes mit seinen noch vorhandenen halbpatriarchalischen Zügen hatten dem Leben des Bauern, Hirten, des Fischers Würde und Selbstbewußtsein uralter produktiver Tätigkeiten bewahrt, die in entwickelteren Gebieten Deutschlands längst zerstört waren. Erst mehr als ein halbes Jahrhundert später sollte dies auf höherer Ebene in der proletarischen Bewegung wieder erreicht werden. Diese Erlebniswelt trug dazu bei, die Grundhaltung Friedrichs zu umreißen und zu festigen und seine ästhetischen Maßstäbe zu formen. Das ethische Moment dieser in der Jugendzeit vorbereiteten Haltung stellt sich in der tieferen Liebe zur heimatlichen Landschaft dar, ein Gefühl, das sich in umfassender Weise als Liebe zur Heimat, Grundlage des Nationalgefühls und des Patriotismus, offenbart.“14 Quistorp war es auch, der sich in der Familie für ein Studium der Kunst für Caspar David einsetzte. Für einen solchen Entschluß bedurfte es allerding einige Zeit. Die Familie musste über ihren kleinbürgerlichen Schatten springen, den Wunsch Friedrichs, ein Künstler zu werden und somit eine „brotlose“ Tätigkeit auszuüben, zu akzeptieren. Keiner seiner Brüder hatte bisher den Kreis bescheidenen Handwerks durchbrochen. Doch ohne die Zustimmung seines Vaters und seiner älteren Brüder hätte er seinen Wunsch nicht realisieren können, denn sie waren sein finanzieller Rückhalt für nächsten Jahre. Aber wichtiger als der materielle Aspekt war Friedrich die emotionale Bindung an das Zuhause, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und familiäre Solidarität. So schrieb er in den kommende Jahren unzählige Briefe nach Hause und besucht seine Familie so oft er konnte. Das schönste Dokument dieser lebenslangen Anhänglichkeit an die Familie und Heimat, stellt das Aquarell „Der Greifswalder Markt mit der Familie Friedrich“ dar. Mit zwanzig Jahren ging er nach Kopenhagen und besuchte die dortige Kunstuniversität, die unter den künstlerischen Bildungsstätten einen guten Ruf besaß. Kopenhagen war das kulturelle Zentrum Nordeuropas. Von England waren frühromantische, von Paris klassizistische Kunstströmungen nach Kopenhagen gedrungen. Die Universität galt als fortschrittlich und liberal. Der größte Pluspunkt war allerdings, die Ausbildung war seit 1772 kostenlos, ein Symbol für Chancengleichheit und Gerechtigkeit.
Nach vierjährigem Studium verlässt Friedrich die Universität und kehrt für wenige Monate ins heimische Greifswald zurück. Und was macht ein junger Künstler, der wieder nach Hause kommt? Er porträtiert seine Angehörigen, um ihen zu zeigen, dass er nicht umsonst studiert hat. Aber lange hält es Friedrich nicht. 1798 kommt er nach Dresden, das bis zu seinem Tode eine zweite Heimat für ihn darstellt. „Die Stadt ist ein Kunstwerk, ein architektonisches Juwel. Das „deutsche Florenz“ hatte Herder Dresden genannt, im Hinblick auf die wundervolle Stadtsilhouette, den Blick auf die Brühlsche Terasse mit der königlichen Residenz und der Frauenkirche, die auf Friedrichs Bildern gelegentlich als Hintergrund auftaucht. Ein „deutsches Florenz“ aber auch wegen seiner grandiosen Kunstsammlungen, die zahlreiche Besucher nach Dresden lockten. Diese Kunstfreunde nahmen häufig die Gelegenheit war, sich in den Dresdner Ateliers umzusehen. Auch das einheimische Publikum galt als künstlerisch aufgeschlossen.“15 Fast zehn Jahre gehört Friedrich zu dem Kreis bescheidener und fleißiger Künstler, die mit kleinen Werken wie Zeichnungen und Aquarellen das Kunstbedürfnis zahlreicher Interessenten befriedigen. So gelingt es ihm Fuß zu fassen und sich eine bescheidene Existenz zu sichern. „Friedrich wohnte draußen an der Pirnaischen Vorstadt in einem nahe der Elbe gelegenen Hause, welches, wie die meisten Häuser in der Nachbarschaft, Leuten von geringerem Vermögen zugehörte. Die Einrichtung in diesem Zimmer schickte sich ganz gut zu dieser Nachbarschaft; man sah da nichts als einen hölzernen Stuhl und einen Tisch, auf welchem die Gerätschaften seiner Arbeit standen. Kam einer zu ihm, den er wollte sitzen lassen, dann wurde aus der Kammer noch ein alter hölzerner Stuhl, und wenn zwei kamen, eine hölzerne Bank von dem Vorplatz bei der Treppe hereingetragen. Denn in der Kammer fand sich außer dem alten Stuhl auch nichts, als ein diesem ebenbürtiger Tisch und ein Bett, über welches eine wollene Decke ausgebreitet lag“16, so berichtet Gotthilf Heinrich von Schubert. In den ersten Jahren in Dresden genießt Friedrich noch die Geselligkeit mit Freunden, die allerdings oft seinen eigenbrötlerischen Witz belachen. Doch später zieht sich Friedrich immer mehr zurück.
„Ihr nennt mich Menschenfeind, Weil ich Gesellschaft meide. Ihr irret Euch,
Ich liebe Sie.
Doch um die Menschen nicht zu hassen, Muß ich den Umgang unterlassen.“
Die Begegnung mit Phillip Otto Runge bringt für Friedrich den Durchbruch zu einem neuen Landschaftsempfinden. Landschaftsmalerei ist mehr als Raum- oder Hintergrundsdarstellungen, sondern eine Möglichkeit für die künstlerische Gestaltung seelischer Regungen und weltanschaulicher Sinngehalte.
Die Selbstfindung des Malers ist aber eher ein qualvoller psychischer und künstlerischer Prozess, welcher erfüllt ist von den in der Jugend gewachsenen Depressionen. Nur früh am Morgen oder nach Untergang der Sonne verlässt Friedrich das Haus um die Natur zu beobachten und zu zeichnen. So zeichnet er mit 30 Jahren die Sepia „Mein Begräbnis“. Dieses Bild zeigt ein offenes Grab auf einen Friedhof, darauf ein Kreuz mit der Inschrift: „Hier ruht in Gott C. D. Friedrich“.
In den Jahren um 1807 beginnt Friedrich Ölbilder zu malen. Die ersten Bilder zeigen noch einen behutsamen, dünnen, fast aquarellartigen Farbauftrag, was sich allerdings recht schnell intensiviert.
Wiederholt bricht Friedrich in den nächsten Jahren zu Reisen auf. So 1807 und 1808 nach Nordböhmen, 1810 mit seinem Malerfreund G. F. Kersting ins Riesengebierge oder Besuche in die Heimat Greifswald.
Caspar David Friedrich als Zeichner
Die zentrale Frage mit der sich meine Arbeit beschäftigt, war: Was sind nun die historischen, gesellschaftlichen oder persönlichen Erlebnisse, die Friedrich in seinen Bildern zu verarbeiten sucht? Da sind die politischen Geschehnisse in Frankreich und Deutschland, welche alle Frühromantiker sehr bewegen. „Das Weltverhältnis Capar David Fridrichs, die moralisch-politische Haltung, die künstlerische Überzeugung sind geprägt von den großen Bewegungen seiner Zeit. Seine geradlinige, konsequente und dabei sensible Persönlichkeit verarbeitete sie geistig, prüfte und bewertete.“17
Aber vielleicht entscheindender als das politische Geschehen, waren die Gedanken und Gefühle, die in Friedrich selbst vorgehen. So fühlte Friedrich all das, was er in seinen Bildern zum Ausdruck bringt, diese Einsamkeit und Ausgeschlossenheit des Menschen, das starke Interesse an Natur und Religion. Nur das Landschaftsbild kann die Gefühle des Menschen ausdrücken. Die Natur wurde zum Bildgegenstand als Spiegel menschlicher Empfindungen. All das was er in sich sah, brachte er durch die Malerei der Landschaft zum Ausdruck. Zwei bekannte Aussage von Friedrich:
„Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, daß es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“
„Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke oder Tote erwartet.“18
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1:„Selbstbildnis“, 1810
„Das Selbstbildnis in Kreide, entstanden um 1810, zeugt von dieser Ambivalenz des zurückgezogenen Schaffenden, den es bei aller Absonderung doch zu Gemeinschaft drängt. Von den beiden Augen über dem vollen Backenbart, dem sensibel geschwungenen Mund und der kräftig ausgebildeten Nase blickt das eine, auf der helleren Seite des Gesichtes befindliche „Tagauge“ wach hinaus ins Leben, während das andere, das „Nachtauge“ auf der dunklen Gesichtshälfte, Visionäres wahrzunehmen scheint.“19
Auch alle Widersprüche die dieser Zeit eigen sind, wie Traum und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart, Endlichkeit und Unendlichkeit, spürt Caspar David Friedrich recht deutlich. So diese Einsamkeit, die er in sich spürt, so dass er sich immer mehr zurück zieht. Er geht immer weniger zu geselligen Anlässen und verlässt nur Abends sein Haus. Aber auf der anderen Seite sind Freundschaften für Friedrich eine der wichtigsten Punkte im Leben. So sind es die Freunde, die ihn auf neue Ideen bringen oder dessen Kritik er reichlich schätzt. Tagsüber sah man Friedrich nur sehr selten auf den Dresdner Straßen. Der Tag spiegelte für die Frühromantiker etwas wieder von Zerstörung und Verkümmerung. Die ganzen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse prallten tagsüber auf die Frühromantiker ein. Sei es der Eroberungsfeldzug Napoleons, die Ausbeutung der ländlichen Bevölkerung oder der zunehmende Kapitalismus, der nichts für die Ideale von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit gemeinsam hatte. Die wirkliche reale Welt, die sich tagsüber abspielte, war für die Frühromantiker mehr als unbefriedigend. So flüchteten sie in ein anderes, außerhalb der Wirklichkeit existierende Leben. Für Friedrich kann das sein eigenes inneres Leben sein, in das er sich immer mehr zurück zieht. Aber auch die Dämmerung der Nacht und der Traum sind solcherlei Welten.
4. Bildanalyse
Nachdem wir nun theoretisch wissen, was die Frühromantiker gesellschaftlich und persönlich stark bewegt, um ihre Erlebnisse in der Kunst zu bewältigen, werden wir das ganze auch anhand von Werken Caspar David Friedrichs näher erläutern. Dazu habe ich 5 Arbeiten ausgesucht, von denen ich glaube, dass sie bunt gemischt sind und alle wichtigen Bereiche enthalten.
Das erste Werk welches ich vorstellen möchte, „Hünengrab im Schnee“, entstand 1807. Dieses Bild wird ganz unterschiedlich interpretiert, beispielsweise im Sinne der Hoffnung auf das Wiedererwachen des patriotischen Geistes. Das Hünengrab befindet sich im Bildmittelpunkt, umrandet von drei großen Eichen. Der Schnee ist bei Friedrich ein Symbol des Auferstehens.
„Eine solche Sinndeutung steht mit dem allgemeinen Symboldenken jener Zeit der geistigen und patriotischen Erneuerung vor den Befreiungskriegen im Einklang undkann sich auf zahlreich literarische Äußerungen stützen, in denen die Denkmäler germanischer Vorzeit einschließlich der Eiche als natürliches Symbol germanischen „Heldentums“ historisch zeitbezogen interpretiert werden.“20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2:„Hünengrab im Schnee“, um 1807
1808 entstand das Bild, was Friedrichs Name mit einem Schlag in der Kunstwelt bekannt machte. Das Gemälde „Das Kreuz im Gebirge“, auch bekannt unter dem Titel „Der Tetschener Altar“. Dieses Gemälde wurde für den Grafen von Thun - Hohenstein in Auftrag gegeben und sollte für die Hauskapelle seines Schlosses Tetschen sein, an der sächsisch - böhmischen Grenze. Bevor er aber dieses Werk nach Tetschen gab, zeigte Friedrich das Bild seinen Freunden. Helene Marie von Kügelgen, Frau des angesehenen Malers Gerhard von Kügelgen, schrieb dazu folgendes: „Es ergriff alle, die ins Zimmer traten. Die größten Schreihälse, selbst Beschoren, sprachen leise und ernsthaft wie in einer Kirche.“21
Das Bild zeigt uns ein Kruzifix auf dem Gipfel eines Felsens, umgeben von Tannen. Darüber einen glühenden Abendhimmel mit fließenden Wolkengebilden. Das Licht, welches vom auf den Gekreuzigten scheint, ist kein natürliches Abendlicht. Es erweckt eher den Eindruck einer mystischen Inszenierung. Auch die Tannen stehen in überlegter Anordnung auf dem Felsen, sie ragen nicht über das Kreuz hinaus, sondern enden knapp unter ihm.
Caspar David Friedrich gibt selbst eine Deutung für sein Werk ab. „Jesus Christus an das Kreuz geheftet, ist hier der sinkenden Sonne zugekehrt, als das Bild des ewigen allbelebenden Vaters. Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit, wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden. Die Sonne sank und die Erde mochte nicht mehr zu fassen das scheidende Licht. Da leuchtet vom reinstem edelstem Metall der Heiland am Kreuz im Golde des Abendroths und widerstrahlt so in gemildertem Glanz auf Erden.“22
Nach dieser Aussage, so deutete man, stellt die sinkende Sonne als Gottessymbol die vergangene Welt des Alten Bundes dar. Die Strahlen der Sonne sammeln sich in der Gestalt des Gekreuzigten und werden zur Erde reflektiert. Der Felsen symbolisiert den Glauben und die Tannen stehen für die gläubigen Menschen. Somit versteht sich auch die Anordnung der Tannen. Zum einen bemerkt der Betrachter die zunehmende Anzahl der Tannen in Richtung der unteren Region des Felsens. Zum anderen fällt auf, das die Tannen nahe dem Kreuz deutlich größer sind als die restlichen. Dies bedeutet, des es viele Menschen gibt mit einem instabilen Glauben an Gott haben, aber um, wie der Gekreuzigte, ins Licht Gottes zu kommen, bedarf es einen festen und starken Glauben.
Den geschnitzten Rahmen schuf Karl Gottlob Kühn nach dem Entwurf Friedrichs. Die Sinnbilder auf dem Rahmen verstärken die Aussage des Gemäldes.
Das Auge Gottes in Form eines Dreiecks ist ein Hinweis auf die Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligen Geist. Weinreben und Kornähren bedeuten Wein und Brot als Bestandteile des Abendmahls und die Palmblätter sind Symbole des Friedens in Gott.
Abbildung 3:„Der Tetschener Altar“, 1807-1808
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Anschluß an den Tetschener Altar folgen zwei Landschaften von extremster Unterschiedlichkeit, die Friedrich noch aus seiner Jugend vertraut sind. Ein winterlicher Eichenwald mit der Klosterruine Eldena bei Greifswald und der Ostseestrand. Beide Landschaften sind besser bekannt unter den Titeln „Abtei im Eichenwald“ und „Der Mönch am Meer“.
Bei dem letztgenannten Werk sieht der Betrachter einen einsamen Mönch auf einer schmalen weißen Sandbank stehen, der versonnen auf das dunkelgrüne, fast schwarze Meer blickt. Über dem Ozean erhebt sich ein weiter Himmel, der vier Fünftel des Bildes einnimmt. Eine sich zuwachsende dunkle Himmelswand wird nur im Zentrum von treibenden Wolken aufgerissen. Die einzige Senkrechte in der Unendlichkeit des Horizontalen ist der winzige Mönch. Dieser ist Bezugspunkt in dieser Unendlichkeit, mit dem der Betrachter sich identifizieren kann.
Abbildung 4:„Mönch am Meer“, 1809
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einige Freunde konnten die Beiden Landschaftsbilder im Atelier Friedrichs betrachten. Helene Marie von Kügelgen hatte große Schwierigkeiten bei dem Bild „Mönch am Meer“. Sie schreibt: „Ein weiter, unendlicher Luftraum. Darunter das ruhige Meer und im Vordergrund ein Streifen hellen Sandes, wo ein dunkel gekleideter oder verhüllter Eremit umherschleicht. Der Himmel ist rein und gleichgültig ruhig, kein Sturm, keine Sonne, kein Mond, kein Gewitter - ja, ein Gewitter wäre mir ein Trost und ein Genuß, dann sähe man doch Leben und Bewegung irgendwo. Auf der ewigen Meeresfläche sieht man kein Boot, kein Schiff, nicht einmal ein Seeungeheuer, und in dem Sande auch nicht einen grünen Halm. Nur einige Möwen flattern umher und machen die Einsamkeit noch einsamer und grausiger.“23 Tatsächlich hat Friedrich das Meer nicht von Anfang an so leer gemalt. Durch Infrarotaufnahmen sah man, dass ursprünglich zwei Segelschiffe rechts und links der Mönchgestalt waren. Friedrich verzichtete aber bewußt auf diese Segelschiffe, um das Gefühl der Einsamkeit zu verstärken.
Bei seinem zweitem Bild „Abtei im Eichenwald“ handelt es sich um die Klosterruine Eldena bei Greifswald, eine bedeutende Zisterzienserabtei aus dem frühen 13. Jahrhundert. In seinem Bild sieht man vor der Ruine, wie Mönche jemanden zu Grabe tragen. Mit Sicherheit kann Friedrich diesen Vorgeng nicht realistisch gemeint haben, denn es ist unwahrscheinlich, dass sich hinter einer längst verlassenen und verfallenen Kloster ein Friedhof befindet. Somit kann man davon ausgehen, dass Friedrich keine Realität, sondern eher eine Vision verdeutlichen will.
Die Ruine verdeutlicht etwas geheimnisvolles und unheimliches. Sie erinnert an Vergangenheit und Vergänglichkeit, an die verrinnende Zeit und ans Sterben. Es scheint, als ob die Mönche den Sarg durch das Portal der Ruine tragen wollen, was hinter dem Portal passieren könnte, bleibt aber offen. Die Ruine bekommt somit die Funktion eines Tores in eine andere unnahbare Welt. Während vor dem Tor tiefe Nacht und Dunkelheit ist, scheint das Licht am oberen Rand des Bildes über dem Tor seinen Tiefpunkt erreicht zuhaben. Die Ruine trennt also die dunkle wirkliche Welt von der hell erleuchteten, in die der Verstorbene durch Hilfe der Mönche, welche den Glauben symbolisieren, gelangt.
Abbildung 5:„Abtei im Eichenwald“, 1809
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein Bild von Caspar David Friedrich, indem sehr viele politische Andeutungen enthalten sind, ist „Der Chasseur im Wald“ von 1813 /14.
Ein einsamer französischer Soldat geht durch einen verschneiten Tannenwald. Vor ihm eine geschlossene Reihe von sehr hohen Tannen, so das es scheint, als ob der Weg des Soldaten plötzlich hier endet. Der Soldat scheint überrascht zu sein und schaut in die Reihen der dichten Tannen, ob sich nicht vielleicht doch ein Weg erkennen ließe. Im unteren Teil des Bildes sitzt ein schwarzer Rabe auf einen Holzstamm. Der schwarze Rabe verkörpert den Tod und dieser krächzt vermutlich schon das Sterbelied des Soldaten. Der französische Soldat kann in Beziehung stehen mit dem Anführer der französischen Armeen, Napoleon Bonaparte. Sein Eroberungskampf endet im Winter 1812 in den Schneefeldern Rußlands. Sein langer Weg der Unterdrückung und Eroberung stoppt plötzlicher, als es Napoleon geglaubt hat. Die geschlossene Fläche der Tannen symbolisiert die Kraft und Geschlossenheit der antinapoleonischen Allianz, die jetzt Napoleon entgegentritt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6:„Der Chasseur im Wald“, 1813/14
5. Andere Künstler
Um zu verdeutlichen, dass diese Themenwahl nicht nur bei Caspar David Friedrich stattfindet, sondern für die ganze der Epoche der Romantik gültig ist, werde ich nun noch kurz drei andere Kunstwerke kurz vorstellen.
Gerhard von Kügelgen (1772 - 1820) malte 1812 das Gemälde „Nemesis“, dieses stellt die griechische Rachegöttin dar, die ausgleichende, vergeltende und strafende Gerechtigkeit bringt. Mit hämischen Blick und dem Schwert in der Hand, zeigt sie uns, das sie Napoleon Rache schwört und vergeltende Gerechtigkeit bringen wird. Und auch in genau diesem Jahr scheitern die Franzosen an der Kälte des russischen Winters.
Abbildung 7: „Nemesis“, 1812
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein zweites, allerdings viel späteres entstandenes Werk, stammt von Karl Blechen, „Gebirgsschlucht im Winter“. „Als apokalyptische Vision des erstorbenen Lebens liegt in Schnee, Eis und Nebel die nächtliche Felsschlucht vor uns. Wie eine Totenhand greifen die kahlen Äste der Baumruine ins Leere: Hieroglyphe und Klagelaut der leidenden Natur, stummer Schrei nach Licht und Wärme. Ihm antwortet bedeutungsvoll das Standbild der Madonna als Zeichen göttlicher und zugleich menschlicher Gegenwart. So stehen sich die Symbole des Sterbens und des seelischen Lebens in emotionaler Zuspitzung gegenüber.“24
Abbildung 8: „Gebirgsschlucht im Winter“, 1825
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das dritte Bild ist sehr angelehnt an Friedrichs „Abtei im Eichenwald“. Es stammt von Ernst Ferdinand Oehme und heißt: „Prozession im Nebel“. Man sieht einen Zug von Mönchen, die paarweise von links in die Tiefe des Bildraumes schreiten. Ein dichter Nebel liegt über dem Boden, der die Spitze der Prozession zu verschlucken scheint. Nach oben lichtet sich aber der Nebel, dort ist der Himmel klar.
Auch hier scheint es, als gebe es ein „Dahinter“, einen anderen Raum, der nicht von Nebel und Düsterkeit bedeckt ist. Während aber bei Friedrich die Ruine eine Art Tor zwischen den Räumen darstellt, sind es bei Oehme die Mönche, die eine Verbindung zwischen den beiden Räumen darstellen. D. h., Friedrich macht den Tod oder den seelischen Abschluß mit einen Welt zur Voraussetzung fürs hinübergehen in die andere Welt . Für Oehme ist jedoch der Glaube das Verbindungsstück zwischen den zwei Welten.
Abbildung 9: „Prozession im Nebel“, 1828
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusammenfassung
In Erinnerung an das Kapitel der Kunstsoziologie, ging ich davon aus, dass künstlerisches Handeln, wie soziales Handeln verstanden werden kann, sprich also die Reaktion auf etwas, was in meiner gesellschaftlichen Umwelt stattfindet.
Meine zentrale Frage war: Was sind nun die Erlebnisse und Emotionen die das Handeln der Frühromantiker bestimmen? Und welches Handeln und Fühlen ergibt sich daraus?
Die unmittelbaren Erlebnisse dieser Zeit waren:
- Die Französische Revolution; Die Epoche der Romantik ist ein Kind der Französischen Revolution. In ihr erwachten die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Wenn die Romantiker auch die späteren gewalttätigen Schritte nicht mehr akzeptieren, sie verehren die Ideale und den Schrei nach Revolution und Umgestaltung.
- Die Unterdrückung und Ausbeutung des Bürgertums; 75% der Bevölkerung lebten von der Landwirtschaft. Die Familien waren meist sehr verschuldet, denn das Geld was sie zur Verfügung hatten, war abhängig vom Ertrag der Ernte. Die wenigen, die handwerklich tätig waren, den wurden die Geschäfte schwer gemacht durch unzählige Zollschranken und Zunftbestimmungen. Außerdem ahnte man die bevorstehende Industrialisierung. Und auch der kapitalistische Konkurrenzkampf wuchs immer weiter.
- Napoleon Bonaparte erschütterte fast zwanzig Jahre Europa mit seinen Eroberungskriegen. Schlachten, wie Jena und Auerstedt forderten unzählige Opfer. Manche von ihnen gingen selbst in den Kampf gegen Napoleon, so beispielsweise Georg Friedrich Kersting und Theodor Körner. Erst 1812 wurde er von Rußland geschlagen, die Jubelschreie waren groß.
- Die sich daran anschließende Restauration erfüllte aber nicht die Hoffnungen nach Neuordnung der gesellschaftlichen Zustände.
Und welches Handeln und Fühlen ergab sich aus diesen Ereignissen?
- Nationalität; Die Frühromantiker besannen sich recht bald zurück auf nationale Traditionen und Werte, fingen an verschollenes Volksgut, wie Märchen, Sagen und Volkslieder ausfindig zu machen und zu sammeln.
- Bewußtsein für eine andere Wirklichkeit; Die reale wirkliche Welt war für die Frühromantiker unbefriedigend. Also floh man in eine Welt außerhalb der Wirklichkeit. Anhand den Bildern „Abtei im Eichenwald“ und „Prozession im Nebel“, zeigt sich gut, dass es eine andere hellere und klarere Welt gibt, als die, in der wir wirklich leben. Dies kann ein Symbol für das Religiöse sein, aber auch das in einem selbst es möglich ist eine klarere Welt zu finden. So wie sich C. D. Friedrich in sich zurückzog.
- Religion kann also der Übergang in eine bessere Welt bedeuten, so durch das völlige absagen der wirklichen Welt (z.B. der Tod), oder durch den Glauben an Gott.
- Landschaftserlebnis; nirgendwo sonst, als in der Romantik kam der Landschaftsmalerei so viel Bedeutung zu, denn die Natur konnte Ausdruck menschlichen Empfindens und Fühlens sein.
- Einsamkeit; durch das Insich - kehren wurde der Mensch immer einsamer. Aber auch im Gegensatz dieser unendlichen Natur wirken die Menschen in manchen Bildern Friedrichs wie Marionetten .
- Fernweh, nach der Entdeckung des Unendlichen. Deshalb reisten Romantiker so oft sie nur konnten in die Landschaften anderer Regionen oder Länder. Waren sie dann meist angelangt, so trieb sie
- das Heimweh, wieder schnell nach Hause. Denn sie waren innerlich stark verbunden mit ihrer Heimat und ihrer Familie. So besuchte auch Friedrich so oft er es möglich konnte, seine Familie in Greifswald.
Literatur
- AG Soziologie: „Denkweisen und Grundbegriffe der Soziologie - Eine Einführung“, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 1999, 14. Auflage.
- Bürger, Peter: „Seminar: Literatur- und Kunstsoziologie“, Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main, 1978.
- Gemäldegalerie Neue Meister: „Casper David Friedrich und sein Kreis“, Dresden, 1974.
- Günzel, Klaus: „Romantikerschicksale - Eine Porträtgalerie“, Verlag der Nation Berlin, Berlin, 1987.
-Hauser, Arnold: „Soziologie der Kunst“, C. H. Beck, München, 1974.
-Klieme, Günter / Neidhardt, Hans Joachim: „Museum zur Dresdner Frühromantik“, Stadtmuseum Dresden, 1999.
-von Kügelgen, Wilhelm: „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“, Koehler & Amelang, Berlin, 1996.
-Sello, Gottfried / Jessel, Hans: „Auf Caspar David Friedrichs Spuren“, Ellert & Richter Verlag, Hamburg, 1992.
- Thurn, Hans Peter: „Soziologie der Kunst“, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, 1973.
Bildnachweis
Abbildung 1 in: „Auf Caspar David Friedrichs Spuren“,
Abbildung 2 in: „Casper David Friedrich“,
Abbildung 3 in: „Auf Caspar David Friedrichs Spuren“,
Abbildung 4 Postkarte aus dem Museum zur Dresdner Frühromantik
Abbildung 5 in: „Caspar David Friedrich“,
Abbildung 6 in: Ebenda,
Abbildung 7 in: „Museum zur Dresdner Frühromantik,
Abbildung 8 in: „Caspar David Friedrich“,
Abbildung 9 in: Ebenda,
[...]
1 „Soziologie der Kunst“, S. 11
2 „Soziologie der Kunst“, S. 11
3 „Soziologie der Kunst“, S. 11
4 Ebenda, S.12
5 „Seminar: Literatur- und Kunstsoziologie“, S. 148
6 „Denkweisen und Grundbegriffe der Soziologie“, S. 164
7 „Soziologie der Kunst“, S. 80
8 „Romantikerschicksale“, S.10
9 „Romantikerschicksale“, S.12
10 Ebenda, S. 18
11 „Romantikerschicksale“, S. 20
12 „Caspar David Friedrich“, S.23, Spalte 2
13 Ebenda, S. 24, Spalte 1
14 „Caspar David Friedrich“, S. 26, Spalte 2
15 „Auf Caspar David Friedrichs Spuren“, S. 24, Spalte 2
16 „Auf Caspar David Friedrichs Spuren“, S. 24, Spalte 3 f
17 „Caspar David Friedrich“, S. 23, Spalte 1
18 Ebenda, S. 25, Spalte 2
19 „Romantikerschicksale“, S. 205
20 „Caspar David Friedrich“, S. 103, Spalte 2
21 „Auf Caspar David Friedrichs Spuren“, S. 28, Spalte 1
22 „Caspar David Friedrich“, S. 31, Spalte 2
23 „Auf Caspar David Friedrichs Spuren“, S. 30, Spalte 1
24 „Caspar David Friedrich“,S. 57, Spalte 1
- Arbeit zitieren
- Susann Schiefer (Autor:in), 2001, Eine kunstsoziologische Analyse der Frühromantik am Beispiel Caspar David Friedrich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102167
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