Was geschah wirklich in Langenfeld im Jahr 1933? Tauchen Sie ein in eine akribisch recherchierte Analyse der Machtergreifung in einer deutschen Gemeinde, die Ihnen die erschreckende Realität jener schicksalhaften Monate vor Augen führt. Diese tiefgreifende Studie, basierend auf Originaldokumenten aus dem Langenfelder Stadtarchiv, enthüllt, wie die Nationalsozialisten systematisch und skrupellos ihre Macht ausbauten, Widerstände brachen und die Bevölkerung gleichschalteten. Erfahren Sie, wie die Parteienlandschaft sich veränderte, wie Bürger auf Hitlers Ernennung reagierten und welche Rolle lokale Politiker spielten. Anhand von packenden Zeitzeugenberichten, wie dem des späteren Bürgermeisters Wilhelm Helf, erleben Sie die Atmosphäre von Angst, Terror und Denunziation hautnah. Der "Deutsche Abend" und die Reichstagswahl im März 1933 werden als Propagandaspektakel entlarvt, die die Massen mobilisieren sollten. Verfolgen Sie das Schicksal des Bürgermeisters Friedrich Kreusch, der Opfer einer perfiden Intrige wurde. Entdecken Sie, wie Vereine und Organisationen unter Zwang gleichgeschaltet wurden und wie Andersdenkende verfolgt und diffamiert wurden. Diese detailreiche Untersuchung der Machtergreifung in Langenfeld ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Lokalgeschichte und zur Aufarbeitung der NS-Zeit. Sie wirft ein Schlaglicht auf die Mechanismen von Propaganda, Gewalt und Anpassung, die den Aufstieg des Nationalsozialismus ermöglichten. Eine erschütternde und aufschlussreiche Lektüre über die Anfänge des Dritten Reiches vor der Haustür, die zum Nachdenken anregt und die Bedeutung von Wachsamkeit und Zivilcourage in Erinnerung ruft. Die Analyse der Ereignisse in Langenfeld bietet wertvolle Einblicke in die lokalen Auswirkungen der nationalsozialistischen Politik und trägt dazu bei, die komplexen Dynamiken dieser dunklen Epoche der deutschen Geschichte besser zu verstehen. Ein Muss für alle, die sich für Geschichte, Politik und die Mechanismen von Macht und Manipulation interessieren. Diese Facharbeit beleuchtet die Anfänge des totalitären Regimes in einer Kleinstadt und zeigt, wie die Nationalsozialisten ihre Ideologie durchsetzten und die Gesellschaft umformten. Ein beklemmendes Zeugnis der Zeitgeschichte, das die Anfänge der NS-Herrschaft in Langenfeld detailreich schildert und die Mechanismen der Machtübernahme auf lokaler Ebene offenlegt.
Die Monate der Machtergreifung in Langenfeld (1933)
Anmerkung
An dieser Stelle danke ich dem Stadtarchiv der Stadt Langenfeld für die Herausgabe sehr hilfreicher Quellen und im Besonderen danke ich Herrn Pinkert für die aufgebrachte Zeit und sein Entgegenkommen.
Barbara Keusch
Mein Thema
Viele aus meiner Stufe haben sich über die Wahl meines Themas gewundert, da man im Laufe der Schulzeit den Nationalsozialismus mit seinen Anfängen und Folgen bekanntlich zu genüge durch nimmt.
Dennoch interessierte mich das Thema weiterhin und ich sah durch die Facharbeit eine Gelegenheit, mich einmal intensiver mit der Zeit des Dritten Reiches in meiner unmittelbaren Umgebung zu befassen.
Mein Hauptinteresse galt anfangs nur dem Leben der Menschen besonders in der Anfangsphase des Hitlerregimes. Doch als interessante Quellen dienten mir zu diesem Thema zum größten Teil nur Filme und Romane.
Ich wollte allerdings lieber mit original Material arbeiten und kam so auf mein jetziges Thema „Die Monate der Machtergreifung in Langenfeld“.
Die Recherche im Langenfelder Stadtarchiv hat mir sehr gefallen und ich bin auch ziemlich zufrieden mit meinem Ergebnis.
Ich hoffe nun, dass auch Ihnen durch meine Arbeit die Verhältnisse zu der Zeit der Machtergreifung etwas nähergebracht werden. Mir kommt es darauf an, dass Sie erfahren, wie engagiert sich die Nationalsozialisten zeigten, wenn es darum ging, skrupellos und nahezu über Leichen an die Macht zu kommen.
Die Machtergreifung in Deutschland
Die Machtergreifung durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei begann am 30.Januar 1933 mit der formal legalen Berufung Adolf Hitlers zum Reichskanzler.
Sie fand ihren Abschluß mit der Verbindung von Reichskanzler- und Reichspräsidentenamt 1934.
Doch zwischen dem 30.01.1933 und dem 19.04.1934 lag ein Weg, auf dem die Nationalsozialisten sehr schnell alle Widerstände ausschalteten und die staatli- chen Machtpositionen durch Ausnahmegesetze und durch die offene Durchbre- chung der Legalität in Reich, Ländern und Gemeinden an sich rissen. Neben der Machtergreifung lief als zweiter Prozeß die ideologische Gleichschal- tung. Es war der Versuch der NSDAP alle Bereiche des menschlichen Lebens zentral auf die national Anschauung auszurichten und anders gerichtete Bestre- bungen beziehungsweise Organisationen auf ihren Kurs zu bringen, das heiß t gleichzuschalten und ein totalitäres Regime in Deutschland aufzurichten.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten war in keiner Weise ein gewöhnlicher Regierungswechsel wie es in einer Demokratie aufgrund Mehrheitsbestimmungüblich ist. Dieser Vorgang glich vielmehr einer unbefristeten Besetzung durch eine fremde Macht.
Innerhalb von 2 Monaten schaffte es Adolf Hitler das Fundament für diesen Pro zeß der Machtergreifung und der Unterwerfung zu legen. Auf diesem Fundament wuchs in den folgenden Jahren das Gebäude des totalitären Staates.
Die Parteienlandschaft in der Gemeinde Richrath-Reusrath von 1928 bis Ende 1932
In den folgenden Ergebnissen der
- Reichstagswahlen von 1928 bis einschließlich 1932
- Wahl zur Amtsvertretung der Gemeinde Richrath-Reusrath am 17.11.1929
- Wahl des Reichspräsidenten
1.Wahlgang am 13.03.1932
2.Wahlgang am 10.04.1932
spiegelt sich die politische Einstellung und das Wahlverfahren der Bevölkerung wieder.
(>siehe Graphiken nächstes Blatt)
Auf die Resultate der
- Wahlen zum Preußischen Landtag
- Wahlen zum Rheinischen Provinziallandtag
- Wahlen zum Kreistag des Rhein-Wupper-Kreises
wurde verzichtet, da sie in der Regel mit einer anderen Wahl gekoppelt waren nur geringe Abweichungen im Ergebnis zu diesen aufwiesen.
Für die
- Zentrumspartei
- Sozialdemokratische Partei Deutschlands und die
- Kommunistische Partei Deutschlands
zeichnet sich bei den nachfolgenden Wahlergebnissen im Großen und Ganzen eine Stammwählerschaft ab.
Deutlich erkennbar ist das starke Anwachsen der Wählerstimmen für die NSDAP: Sie stiegen von 1928 bis 1932 von 0,3 % bis auf 26,1 % (!) .
Dagegen sind bei den bürgerlichen Parteien bis 1932 erhebliche Verluste zu ver- zeichnen.
Bezeichnend ist der geringe Stimmenanteil der SPD in der Gemeinde RichrathReusrath von nur durchschnittlich 5 %, während sie im Deutschen Reich bis zur Reichstagswahl am 31.07.1932 die stärkste Partei war.
Die Reaktionen in Langenfeld
In Langenfeld reagierten die Bürger auf Hitlers Berufung zum Reichskanzler un- terschiedlich. Das zeichnet sich besonders in den Schulchroniken ab. Zum Bei- spiel konnte man aus der Zusammenfassung des Chronisten der evangelischen Volksschule Wiescheid deutlich seine Begeisterung entnehmen. Er berichtet über "den großen Freudentag", an dem Adolf Hitler zum Reichskanzler berufen wurde und betitelte ihn als "Retter aus des Vaterlands Not" in einer "Zeit steten Nieder- gangs", den die "Unfähigkeit der bisherigen Regierungen"1 verursacht habe.
Im Gegensatz dazu findet man in der Chronik der Katholischen Volksschule Reusrath zwischen dem 18.Januar und dem 01.April 1933 keine Eintragungen.
Ebenso wurden die unterschiedlichen Ansichten der Politiker in Langenfeld deut- lich.
Auf der „Ersten Amtsvertretersitzung in Richrath-Reusrath“ am 6. April 1933 hielten unter anderem der Ortsgruppenleiter Schreier und der Fraktionsvorsit- zende der Zentrumspartei Dr. Prigges zwei erwähnenswerte Reden. Schreier versprach in seiner Rede, dass nach Ablauf der Wahlzeit selbst die Volksgenos- sen, welche heute noch beiseite stünden, sich die Hand reichen werden, „zur Bildung der einigen, großen deutschen Volksgemeinschaft“2. Allerdings über- raschte er die Zuhörer mit folgender massiven Drohung: „Jedoch glaube niemand, wir würden eine Politik der Winkelzüge oder Hintertürchen treiben oder auch nur dulden. Wem das nicht gefällt oder wer auch nur ein einziges Mal versucht, uns zu überlisten oder zu hintergehen, dem werden wir rücksichtslos die Macht zei- gen, die uns durch unsere Mehrheit gegeben ist...“2
Nach diesen nahezu aggressiven Worten Schreiers hat Dr. Prigges` Rede be- sondere Beachtung verdient, da er die sogenannte nationale Revolution Hitlers mit keinem Wort würdigte, sondern lediglich der neuen Reichsregierung die Unter- stützung des Zentrum versprach: „...Gerne sind wir zur Mitarbeit bereit und bieten hierzu die Hand. Wir hoffen, daß sie, so ehrlich sie gegeben, auch ehrlich angenommen wird... Wir werden uns aber auch erlauben, unsere Meinung frei und offen zu sagen...“3
Die Erfahrungen eines Zeitzeugen
Der spätere Langenfelder Bürgermeister Wilhelm Helf, welcher zur damaligen Zeit noch der Geschäftsführer einer in Düsseldorf sitzenden sozialdemokrati- schen Volksbuchhandlung war, schreibt in seinen Memoiren weder etwas von Jubel und Begeisterung noch von überzeugtem Schweigen einer Minderheit. „Als ich am Morgen des 01.Februar meine Buchhandlung betreten wollte, fand ich das große Schaufenster zertrümmert. Am Tage der Ernennung Hitlers zum Kanzler hatte ich ohnehin die Auslage geräumt, weil ich sie später neutral dekorie- ren wollte. Noch am gleichen Tage wurde eine neue Scheibe eingesetzt. In der folgenden Nacht wurde die Scheibe abermals zertrümmert. Diesmal hatte man auch den Innenraum der Buchhandlung betreten, einiges Mobiliar zerschlagen, die Bücher zum Teil aus den Regalen gezerrt, auf einen Haufen geworfen und in widerlicher Weise beschmutzt. Wir setzten keine neue Scheibe mehr ein, son- dern vernagelten das Fenster mit Brettern. Vor Zorn glühend, sortierte ich unsere schönen Bücher in die Regale wieder ein, soweit sie nicht beschmutzt und un- rettbar verdorben waren..."4
Etwa drei Wochen später erlebte Wilhelm Helf dort folgendes:
„Ich saß am Spätnachmittag in meiner Buchhandlung am Arbeitstisch, als sich die Ladentür öffnete und zwei Männer eintraten. Ich stand auf und erkannte den einen sofort. Es war der ehemalige Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding. Der andere stellte sich als Landrat Trimborn aus Opladen vor. Sie kamen aus einer von der SA gesprengten Versammlung aus Opladen, bei der die SA des Juden Hilferding habhaft werden wollte. Mit knapper Not waren die Herren auf Schleich- wegen mit Hilfe des Lokalinhabers entronnen. Beide waren von der Schockwir- kung noch ganz erschöpft. Ich verschloss erst einmal die Ladentür und bat die Herren, zunächst Platz zu nehmen und sich zu erholen. Dann verständigte ich die Redaktion unserer Zeitung. In der gleichen Nacht wurde Hilferding noch über die Reichsgrenze in Sicherheit gebracht "
Die angespannte Atmosphäre der ersten Wochen der nationalsozialistischen Machtentfaltung wird uns anhand Wilhelm Helfs Erlebnissen fassbar. Er beschreibt in der „Stadtgeschichte Langenfeld“ die Situation in der Gemeinde Richrath-Reusrath mit folgen den Worten: „überschwenglicher Jubel, bewußtes Schweigen, Terror, Verfolgung Andersdenkender, Angst.“5
Doch die Nationalsozialisten zogen die Massen in ihren Bann. Sie schafften es, aus einer noch so kleinen Veranstaltung ein publikumswirksames Schauspiel zu machen.
Sie marschierten in Uniformen zu Marschmusik, ließen Kampflieder singen, hiel- ten Reden ..., nutzen nahezu alle erdenklichen Mittel um die Massen zu mobilisie- ren.
Der Deutsche Abend
Ein Beispiel für die Umsetzung der Ideen der Nationalsozialisten zur Mobilisierung der Massen ist der Deutsche Abend am 04.Februar 1933 in der Langenfelder Wilhelmshalle. Diese war an diesem Tag, wie auch bei jeder anderen Veranstaltung der Nationalsozialisten, vollbesetzt.
Dieser Abend war „ein machtvolles Bekenntnis deutscher Art“6.
Die Verantwortlichen waren Mitglieder der Ortsgruppe der NSDAP, welche es wie immer verstanden, die Veranstaltung gut in Szene zu setzen.
Auf dem bereits Tage vorher im General-Anzeiger7 angekündigten Programm standen Ein- und Ausmarsch der SA undß, Reden des Ortsgruppenleiters, des Sturmführers, verschiedene Darbietungen zum Heil Hitlers und Vorträge zum Gedenken an Horst Wessel.
Nach dem Einmarsch der SA undß hielt Ortsgruppenleiter Schreier die Begrü-ßung. Im Anschluß hatte Sturmführer Dr. Gerbel das Wort. Darauf folgten Bei- träge mit den Titeln „Die Toten marschieren“, „Volk stehe auf!“, „An die Reaktion“, „Das Feuer“, „Triumph-Marsch“, „Blutzeugen“ sowie das Deutschlandlied.
Der Abend war für die NSDAP mal wieder als „gelungen“ einzustufen, da die Wilhelmshalle die Besucherzahl kaum fassen konnte.
Den Abschluß des Abends gestaltete die SA mit turnerischen Vorführungen.
Die Reichstagswahl im März 1933
Noch am Tag vor der Reichstagswahl riefen die Nationalsozialisten zu der Groß- kundgebung „Der letzte Appell“ auf: „Am Tage deutschen Erwachens, am Sonn- abend dem 04.03., veranstaltete die Freiheitsbewegung Adolf Hitlers im ganzen deutschen Vaterlande Aufmärsche und Kunde. Auch in Richrath-Reusrath mar- schiert das junge Deutschland. Nach Beendigung des Aufmarsches gegen 7 Uhr wird auf dem Gemeindeplatz am Ganspohl ein großes Feuer entfacht. Parteige- nosse Neufang, Düsseldorf wird dort über die Bedeutung des 5. März sprechen. - Deutsche Volksgenossen! Grüßt die Kämpfer für Deutschlands Ehre und Frei- heit! Grüßt die Kämpfer gegen den bolschewistischen Terror! Grüßt sie, indem ihr groß eure Häuser beflaggt mit dem Hakenkreuzbanner oder den alten, ruhmrei- chen Farben Schwarz-Weiß-Rot! - Um 8 Uhr wird der Führer des Deutschen Volkes und Reichskanzler Adolf Hitler noch einmal vor der letzten großen Ent- scheidung einen Appell an das Deutsche Volk richten. Allen denen, die kein Radio besitzen wird Gelegenheit geboten, die Rede des Reichskanzlers im Saale Rich- ter in Immigrath und im Lokale Wagner in Langenfeld zu hören. - Eintritt frei! - Auf zum letzten Sturm! Wählt Liste 1!“8
...und ihr Ergebnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Schließlich erhielten die Nationalsozialisten am 5. März 33 in der Gemeinde Richrath-Reusrath tatsächlich ihr bestes Ergebnis aller Reichstagswahlen. Alle anderen Parteien hatten erhebliche Verluste hinzunehmen. Besonders SPD, KPD und Zentrum mussten sich mit den schlechtesten Wahlergebnissen zufrie- den geben.
Bei der Kommunalwahl am 12.März 33 hatten die Kommunisten wieder ein Stimmeneinbuß von 6,5 %. Der Grund dafür wird unter anderem sicherlich die rücksichtslose Verfolgung der Nationalsozialisten gewesen sein. Und obwohl sie9 trotzdem mit 14,9 % vier Sitze im Parlament errungen, konnten sie diese nicht besetzen, da sie zu der Sitzung nicht eingeladen wurden Das Zentrum konnte sich trotz aller politischen Widerwärtigkeiten noch einige Zeit als einzigen Widersacher behaupten „- allerdings in aussichtsloser Position.“10
Die terroristischen Maßnahmen der Nazis
Um den Menschen klarzumachen, wie ernst sie es meinten und um sie in Angst zu versetzten, wurden die Nationalsozialisten unter Ausschluß deröffentlichkeit, nämlich nachts, aktiv um die Gegner ihrer Politik auszulöschen. Neben diesem „ nationalistischen Schwulst, Kampfparolen und Militärischem geprägten Veranstaltungen “ 11 legten die Nazis wert auf die Terrorisierung der Bürger, um durch das aufgrund ihrer angsteinfl öß enden Maß nahmen eingeschüchterte Verhalten der Menschen ihre Macht erweitern zu können.
In Langenfeld wurden zum Beispiel die Kommunisten verhaftet, weil sie sofort nach der Machtübernahme unter der Parole „Stürzt die Hitler-Diktatur!“ in der Zeitung, “Die Bergische Arbeiterstimme“, und mit Flugblättern zum Massenstreik aufgerufen hatten.
Außerdem wurden viel Privateigentum beschlagnahmt, was auf verbotenes Schriftmaterial, Vervielfältigungsapperate, Schreibmaschienen und ähnliches hinwies oder diese Dinge ausmachte.
Um ihre Macht zu demonstrieren drohten die Nationalsozialisten den tatsächli- chen oder vermeintlichen Gegnern. Konnten sie irgendwelche Personen oder Institutionen ausfindig machen, welche sich nicht in ihre Ideologie des nationalso- zialistischen, alle Lebensbereiche erfassenden Staat integrieren konnten oder wollten, setzten sie alle Mittel in Bewegung um diese Menschen zu disziplinieren oder sogar zu vernichten.
Sie gebrauchten für diese Vorgehensart den harmlos klingenden Begriff „Gleichschaltung“
„Wir erobern die Rathäuser“
Gestärkt durch das Ergebniss der Reichstagswahl, bauten die Nationalsozialisten ihre Machtposition weiter aus; sie selber benutzen gerne das Wort „erobern“ zur Beschreibung ihrer Art des Besetzens.
„Am Dienstagmittag (7.März) marschierten SA undß in geschlossenem Zuge vor dem Rathaus auf, wo sich bereits die Amtsleiter, Mitglieder der NSDAP und eine große Menschenmenge eingefunden hatten. Mit dem Absingen des HorstWessel-Liedes und des Deutschlandliedes ging das Hakenkreuzbenner an der Fahnenstange auf dem Dache des Rathauses hoch. Vom Rathaus erfolgte dann geschlossener Abmarsch zum Gaswerk, wo die Hissung des Banners am großen Gaskessel in gleicher Weise erfolgte.“12
Der 7.März wurde ein historischer Tag für die Gemeinde, laut Ortsgruppenleiter Schreier, da seit diesem Tag nun endlich die „Schmach von 14 Jahren“13 durch die Hissung des Hakenkreuzbanners auf dem Rathaus vorbei sei.
Zwei Tage später „eroberten“ die Nationalsozialisten weiter, indem sie das kom- munistische Jugendheim im Block durch dieß und NSDAP besetzten und in Besitz nahmen. Vom Gebäude wehte nun ebenfalls das Hakenkreuzbanner.
Das Schicksal des Bürgermeisters Friedrich Kreusch
„Der Tag der nationalen Arbeit am 1.Mai soll dartun, daß das deutsche Volk den deutschen Arbeiter der Faust und Stirn ehrt und auch, daß es den Klassenkampf- gedanken, die innere Zwietracht und die parteipolitische Zerrissenheit überwinden und einig und geschlossen auf eine bessere und schönere Zukunft hinarbeiten will.
Die Bürgerschaft wird gebeten, an diesem Tage ihre Häuser zu beflaggen und sich an den vorgesehen Veranstaltungen zahlreich zu beteiligen.
Langenfeld, 27.April 1933
Kreusch, Bürgermeister“14
Diese Mitteilung verfasste Friedrich Kreusch noch als Langenfelder Bürgermei- ster. Wenige Stunden später durfte er sich als dieser nicht mehr betiteln. Die NSDAP sprach auf der dritten Amtsvertretersitzung Kreusch gegenüber ihr Mißtrauen aus. Er betätige sich nebenberuflich als Reporter eine Düsseldorfer Zeitung und würde dieses Nebeneinkommen angeblich nicht versteuern.
Während der Sitzung brachte der Fraktionführer der NSDAP Anträge ein, von denen sich der wichtigste mit der sofortigen Amtserhebung des Bürgermeisters Kreusch befasste. Fraktionsführer Schreiner begründete diesen Antrag mit fol- gendem Zitat:
„Wir vermuten, daß der Bürgermeister für eine Zeitung schreibt. In dieser Vermutung werden wir bestärkt durch nachgewiesene Telefongespräche, die der Bürgermeister mit den Düsseldorfer Nachrichten geführt hat. Wir fordern den Bürgermeister auf, anzugeben, wie hoch sich die Einnahme aus dieser Nebenbeschäftigung beläuft und ob die Steuern bezahlt sind.“
Der Bürgermeister wendete ein, dass der Gemeinderat zwar Beschlußbehörde sei, aber keineswegs Disziplinar behörde. Daraufhin wurde es vom Fraktionsfüh- rer der NSDAP aufgefordert, innerhalb 24 Stunden die vorgelegten Fragen zu beantworten.
Doch Kreusch lehnte jede Auskunft über seine private Tätigkeit ab, die er nur seiner vorgesetzten Behörde geben wollte.
Es wurde somit beschlossen, den Landrat feststellen zu lassen, welche Einkünfte Kreusch aus seiner literarischen Tätigkeit und als Berichterstatter der Düsseldorfer Nachrichten hat und ob die Beträge versteuert sind. Der Beschluss wurde einstimmig herbei geführt.
Doch obwohl sich dieser Verdacht der Nationalsozialisten gegen Bürgermeister Kreusch nicht bestätigt hat, wurde er einige Tage später mit folgenden Abschlußworten zwangsbeurlaubt:
„...Wir15 haben bisher nur drei Kontrollen abgehalten und bereits derartige Miß- stände vorgefunden, so daß unser Verlangen nach sofortiger Entfernung des Bürgermeisters vollgerechtfertigt ist. Denn wir wollen kein Gemeinde-Oberhaupt mehr, das auch nach den Kommunisten schielt, wenn diese Aussicht auf Erfolg haben und vor allen Dingen wollen wir keinen Bürgermeister, der in seiner ganzen Tätigkeit nur bewiesen hat, daß er den Begriff Sozialismus nicht kennt und nur durch sein unsoziales Verhalten unliebsam bekannt geworden ist und allenthalben gefürchtet wird.“
Grund dieser auf lächerlichen Anschuldigungen basierenden Argumentation und der darauf folgenden Amtserhebung war vermutlich der Beitritt Kreuschs in der Deutschnationalen Volkspartei. Dieser hatte sich Kreusch angeschlossen, nachdem das Zentrum sich aufgelößt hatte. Unter diesen Umständen war Kreusch nun den Nationalsozialisten im Wege und sie führten ihre gründlichen „Reini- gungsaktionen“ auch im Rathaus durch.
„...Um seiner16 Machtenthebung Nachdruck zu verleihen, hatten die neuen Macht- haber zu einer Kundgebung in der Wilhelmshalle aufgerufen, die von einer größeren Anzahl Bürgern besucht war (28.April 1933)...Gegen 16 Uhr zog eine aufgeputschte und erregte Menschenmenge vor das Rathaus und forderte „Kreusch raus!“ Ein nationalsozialistischer Beigeordneter beruhigte die Menge, welche teilweise in das Rathaus eindrang, um Kreusch zu kriegen.
Daraufhin wurde das Horst-Wessel-Lied gesungen und die Menschen gingen wieder ihrem Alltagsaufgaben nach.
Gleichschaltung
Nachdem die Nationalsozialisten nun an der Macht waren, verfolgten sie das Ziel der oben bereits erwähnten „ Gleichschaltung “ . Dieser so harmlos klingende Be griff gehört in Bezug auf die Ausführung der Nationalsozialisten allerdings viel mehr zum Wortschatz eines Unmenschen.
Aufgrund ihrer rücksichtslosen und menschenunwürdigen „ Gleichschaltungs- maß nahmen “ waren manche Menschen gezwungen,
zwei Leben zu leben: Ein nach auß en gerichtetes und ein inneres.
Zur Gleichschaltung in Langenfeld gehörten zum Einen die Zusammenschließung der Friseure, Metzger, Tischler etc., welche sich dann „Kampfbund des gewerblichen Mittelstrandes“ nannten.
Zum Anderen wurden die Sportvereine zur Gleichschaltung gezwungen. Es folgte „ Zusammenschluß und Einigung aller unserer Turn- und Sportvereine“, welche sich dadurch als zusammengehörig auszeichnen mussten, indem sie sich grüß- ten: Der Kommende grüßte mit „Gut Heil“, der Anwesende hatte mit „Heil Hitler“ den Gruß zu erwidern .
Ein gutes Beispiel für die ungerechten Gleichschaltungsvorstellungen der Nazis ist die Durchführung der Gleichschaltung im Reusrather Schützenverein. „Man versuchte, das Schützenwesen zu vereinen und unter einer großen, gemeinsamen Führung größeren Zielen dienstbar zu machen.“17 Anstatt nun Wahlen innerhalb des Vereins durchzuführen, um einen sogenannten „Führer“ zu wählen, bestimmte der örtliche Parteibeauftragte einen Schützen für dieses Amt und dieser ernannte dann seine „Mitarbeiter“.
Die meisten Verein zeigten allerdings großes Interesse an der neuen Idee der Vereinigung und bekannten sich schnell öffentlich zum neuen Deutschland. Der Schützenverein Landwehr zum Beispiel lobte erst Bürgermeister Schreiner und hisste dann eine neue, nun mit dem Hakenkreuz versehene Fahne am Vereins- haus.
Auch die Richrather St. Sebastianer Schützen schlossen sich an die von den Nationalsozialisten eingeführte Einheits-Schützengilde an. Allerdings erst, nachdem sie heftige interne Auseinandersetzungen bezüglich des Eintritts geklärt hatten. Sie hofften, sie handelten im Interesse der Schützensache. Ebenso musste der Langenfelder Bürgerverein mit internen Meinungsverschiedenheiten fertig werden, bevor sich alle Mitglieder damit abgefunden hatten, dass ein Beauftragter des Ortsgruppenleiters den Verein „auflöste“ und mit dem Verkehrs- und Verschönerungsverein koppelte.
Innerhalb eines Jahres hatten die Nationalsozialisten sämtliche öffentliche Einrichtungen ihren Vorstellungen angepasst und sie somit in der Hand. Selbst in den Büchereien wurden „schändliche“ Bücher gegen neue ersetzt. Auch vor Wohlfahrtseinrichtungen wurde kein Halt gemacht. Nachdem sie in „NS- Volkswohlfahrt“ umgeändert und zusammengeschlossen wurden, traten einige Führer der NSDAP ein. „So konnte auch auf diesem Gebiete die notwendige Einigung erzielt werden, so daß sich alle bisherigen Einzelorganisationen der NS- Volkswohlfahrt anschließen und somit dem Rufe des Führers Folge leisten.“
Als in Wiescheid ein neues Schulgebäude wie üblich vom Schulrat Krämer eingeweiht werden sollte, war ihm dieses nicht möglich, da ihn die Regierung einen Tag vorher beurlaubt hatte. Der Grund: Er war in den letzten Jahren Vorsitzender der sozialistischen Arbeiterpartei gewesen, welche dem Kommunismus sehr nahe stand
Doch im August 1933 wurde von der Lokalpresse von einer besonders diffamierenden Form der Gleichschaltung berichtet.
Ein Mann wurde beschuldigt, widerrechtlich Wohlfahrtsunterstützung bezogen zu haben. Nachdem er nun schon dem Richter vorgeführt wurde, musste er „auf persönlich entwürdigende Weise in Begleitung von zwei SA-Männern einen Gang durch die Gemeinde machen. Sein Volksbetrug war auf einem Schild verzeichnet, daß er tragen mußte (...) Die Verwaltung gibt hierzu noch einmal bekannt, daß in Zukunft gegen solche Schädlinge mit größter Strenge vorgegangen wird.“18
Nun gab es für die Nationalsozialisten eine besonders gefährliche Gruppe, von menschlichen Erregern: Die „Schädlinge“. Sie waren schlimmer als der bloße Feind, was die Nationalsozialisten dazu veranlasste, sie mit allen Mitteln auszurotten. Was schließlich mit den uns bekanntesten „Schädlingen“ geschah, ist eine erschreckend menschenunwürdige Geschichte, die wir alle kennen. Zum Beispiel das „Tagebuch der Anne Frank“.
Schlußwort
Durch die intensive Recherche im Langenfelder Stadtarchiv und durch den Umgang mit dem Buch „Stadtgeschichte Langenfeld“, habe ich einen weiteren Einblick in die Zeit der Nationalsozialisten bekommen. Ich hoffe, dass Sie als Leser den damaligen Verhältnisse, ich meine damit im Besonderen den entwürdigenden und rücksichtslosen Umgang der Nazis mit den Menschen, durch das Lesen meiner Facharbeit ebenfalls etwas näher gekommen sind.
[...]
1 Stadtgeschichte Langenfeld, S. 389
2 Stadtgeschichte Langenfeld, S. 398
3 Stadtgeschichte Langenfeld, S. 398
4 Archivmaterial (siehe Literaturachweise)/Stadtgeschichte Langenfeld, S.398
5 Stadtgeschichte Langenfeld, S.390
6 Stadtgeschichte Langenfeld, S.390
7 Langenfelder Zeitung und Tageblatt
8 Stadtgeschichte Langenfeld, S.391
9 sie = die Kommunisten
10 Stadtgeschichte Langenfeld, Seite 395
11 Stadtgeschichte Langenfeld, S. 391
12 Stadtgeschichte Langenfeld, S. 393
13 Stadtgeschichte Langenfeld, S. 393
14 Archivmaterial
15 Kontrollkomission
16 seiner = Bürgermeister Kreuschs` Machtenthebung
17 Stadtgeschichte Langenfeld, S. 401
Häufig gestellte Fragen zu "Die Monate der Machtergreifung in Langenfeld (1933)"
Worum geht es in dieser Arbeit?
Die Facharbeit untersucht die Monate der Machtergreifung in Langenfeld im Jahr 1933. Sie beleuchtet die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in dieser Zeit, die Rolle der NSDAP und die Reaktionen der Bevölkerung.
Welche Parteien gab es in Richrath-Reusrath vor 1933?
Die Arbeit nennt die Zentrumspartei, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) als Parteien mit einer Stammwählerschaft. Die NSDAP erlebte einen starken Aufstieg, während bürgerliche Parteien Verluste hinnehmen mussten.
Wie reagierten die Bürger Langenfelds auf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler?
Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Schulchronik der evangelischen Volksschule Wiescheid zeigte Begeisterung, während die Chronik der Katholischen Volksschule Reusrath keine Einträge in dieser Zeit enthielt. Auch unter Politikern gab es unterschiedliche Ansichten.
Was passierte mit Wilhelm Helfs Buchhandlung?
Wilhelm Helf, der Geschäftsführer einer sozialdemokratischen Volksbuchhandlung, erlebte Zerstörung und Beschmutzung seiner Buchhandlung durch Nationalsozialisten.
Was war der "Deutsche Abend"?
Der "Deutsche Abend" am 04. Februar 1933 in der Langenfelder Wilhelmshalle war eine Veranstaltung der NSDAP zur Mobilisierung der Massen. Es gab Reden, Musik und Darbietungen im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie.
Wie verlief die Reichstagswahl im März 1933 in Richrath-Reusrath?
Die NSDAP erzielte ihr bestes Ergebnis. Alle anderen Parteien, besonders SPD, KPD und Zentrum, erlitten Verluste.
Welche terroristischen Maßnahmen ergriffen die Nationalsozialisten?
Kommunisten wurden verhaftet, Privateigentum beschlagnahmt, und Gegner wurden bedroht. Die Nationalsozialisten nutzten Terror, um Angst zu verbreiten und ihre Macht auszuweiten.
Was bedeutete die "Eroberung der Rathäuser"?
SA und SS marschierten vor dem Rathaus auf und hissten das Hakenkreuzbanner, um die Machtübernahme zu demonstrieren. Auch andere öffentliche Gebäude wurden "erobert".
Was geschah mit Bürgermeister Friedrich Kreusch?
Bürgermeister Kreusch wurde aufgrund von Anschuldigungen, er würde nebenberuflich als Reporter arbeiten und Steuern hinterziehen, zwangsbeurlaubt. Diese Anschuldigungen waren vermutlich ein Vorwand aufgrund seines Beitritts in der Deutschnationalen Volkspartei.
Was bedeutete "Gleichschaltung"?
"Gleichschaltung" bezeichnete die Anpassung aller Lebensbereiche an die nationalsozialistische Ideologie. Dies umfasste die Zusammenschließung von Gewerben, die Gleichschaltung von Sportvereinen und die Zensur von Büchern.
Wie wurde die Gleichschaltung in Sportvereinen umgesetzt?
Sportvereine wurden zur Vereinigung gezwungen und mussten sich durch den Gruß "Gut Heil" bzw. "Heil Hitler" als zusammengehörig ausweisen. Oftmals wurden "Führer" nicht gewählt, sondern vom örtlichen Parteibeauftragten bestimmt.
Wie diffamierten die Nationalsozialisten angebliche "Schädlinge"?
Eine besonders diffamierende Form der Gleichschaltung war die öffentliche Zurschaustellung von Personen, die angeblich widerrechtlich Wohlfahrtsunterstützung bezogen hatten. Sie mussten mit einem Schild, das ihren "Volksbetrug" verzeichnete, durch die Gemeinde gehen.
- Quote paper
- Barbara Keusch (Author), 2001, Die Monate der Machtergreifung in Langenfeld (1933), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102084