Was, wenn das Streben nach Perfektion zur Zerstörung dessen führt, was bereits vollkommen ist? In Gotthold Ephraim Lessings zeitloser Fabel "Der Besitzer des Bogens" wird uns eine einfache, aber tiefgründige Geschichte präsentiert, die den Leser über den wahren Wert von Bescheidenheit und Zufriedenheit nachdenken lässt. Ein Mann, stolz auf seinen Ebenholzbogen, der ihm treue Dienste leistet, verfällt dem trügerischen Gedanken, er könne dessen Wert durch Verzierungen steigern. Getrieben von Eitelkeit und dem Wunsch nach äußerlicher Pracht, beauftragt er einen Künstler, filigrane Jagdszenen in den Bogen zu schnitzen. Doch anstatt die Qualität des Bogens zu erhöhen, bewirkt diese vermeintliche Verschönerung dessen Bruch. Lessing entlarvt in dieser prägnanten Erzählung die menschliche Neigung zur Selbstüberschätzung und die gefährlichen Konsequenzen, die entstehen, wenn man das Wesentliche aus den Augen verliert. Die Fabel dient als Allegorie auf die menschliche Natur, die oft von Gier und dem unstillbaren Verlangen nach mehr getrieben wird, was letztendlich zum Verlust des bereits Vorhandenen führen kann. Sie ist eine Mahnung, die Schönheit und den Wert des Einfachen zu erkennen und vor übereilten Veränderungen zu bewahren. Diese kurze, aber wirkungsvolle Parabel regt zur Selbstreflexion an und lädt den Leser ein, die eigenen Prioritäten und Wertvorstellungen zu hinterfragen. Ist es wirklich notwendig, Perfektion zu suchen, wenn das, was wir bereits besitzen, seinen Zweck vollkommen erfüllt? Lessings Meisterwerk, eingebettet in den Kontext der Aufklärung, plädiert für Vernunft und Mäßigung und zeigt auf, wie schnell Eitelkeit und der blinde Glaube an Fortschritt zum Fallstrick werden können. "Der Besitzer des Bogens" ist somit nicht nur eine unterhaltsame Lektüre, sondern auch ein Lehrstück über die menschliche Natur und die Bedeutung von innerem Gleichgewicht. Eine zeitlose Fabel für Leser jeden Alters, die nachdenklich stimmt und zum Umdenken anregt. Die subtile Kritik an gesellschaftlichen Konventionen und der Fokus auf die innere Moral machen diese Fabel zu einem wertvollen Beitrag zur deutschen Literatur und einem Spiegelbild unserer eigenen Fehlbarkeit. Eine Geschichte über Eitelkeit, Zerstörung und die bittere Erkenntnis, dass wahre Schönheit oft im Einfachen liegt.
Gothold Ephraim Lessing
Der Besitzer des Bogens
Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Ebenholz, mit dem er sehr weit und sehr sicher schoß und den er ungemein wert hielt. Einst aber, als er ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: Ein wenig zu plump bist du doch! Alle deine Zierde ist die Glätte. Schade! - Doch dem ist abzuhelfen, fiel ihm ein. Ich will hingehen und den besten Künstler Bilder in den Bogen schnitzen lassen. - Er ging hin; und der Künstler schnitzte eine ganze Jagd auf den Bogen; und was hätte sich besser auf einen Bogen geschickt als eine Jagd?
Der Mann war voller Freuden. ,,Du verdienest diese Zierarten, mein lieber Bogen!" - Indem will er ihn versuchen; er spannt, und der Bogen - zerbricht.
Die Fabel ,,Der Besitzer des Bogens" ist von Gotthold Ephraim Lessing verfasst.
Zum Begriff Fabel ist zu sagen, dass sie für ihre Kürze beliebt geworden und daher leicht zu merken ist. Eine Erläuterung innerhalb der Fabel ist meist überflüssig, da die Bedeutung leicht entschlüsselt werden kann.
Sie ist eine lehrhafte Form der epischen Dichtung und taucht häufig als Tierfabel auf. Diese Tiere verkörpern oft menschliche Verhaltensweisen, die gleichzeitig aber auch vom Autor kritisiert und angesprochen werden. Außerdem trägt eine Fabel den Handlungskern einer epischen oder dramatischen Dichtung ( im Englischen ,,plot").
Zusätzlich hatte die Fabel in der Zeit der Reformation das Ziel, die religiöse Erneuerung zu befördern und feierte in der Zeit der Aufklärung ihren Höhepunkt.
In Lessings Fabel ,,Der Besitzer des Bogens" geht es zunächst um einen Bogen, der von seinem Besitzer verschönert werden soll und der, nachdem er dies erleiden mußte, zerbricht. Die kurze Fabel, die wie eine kleine, kurze Erzählung geschrieben ist, geht besonders auf die Person des Mannes ein.
Er ist so eitel, dass er seinen Bogen, der eigentlich die gewünschte Funktion ohne Probleme erfüllt, beschnitzen lassen möchte. Und obwohl er den Besten Schnitzer kommen läßt, damit sein wundervoller Bogen noch schöner wird, zerbricht dieser. Denn der Mann und vielmehr seine falschen Verhaltensweisen werden hier von Lessing kritisiert. Die Naivität des Mannes zu glauben, der Bogen würde sich ,,verletzen" lassen und diesem Druck Stand halten, wird ihm später zum Verhängnis. Seine Eitelkeit und Intoleranz, sowie Gier machen ihn aus. Gier nach Schönheit und Perfektion. Dabei stellen nicht immer die Dinge, die am Schönsten, Wertvollsten und Teuersten sind, die Perfektion dar. Vielmehr die einfachen, meist uralten, vererbten Gegenstände, welche ihre Funktion seit langem ausreichend erfüllen. Denn die Perfektion liegt nicht in der Schönheit, dem Glanz und Strahlen der Welt, sondern eher in ihrer einfachen Ausführung.
Eine Fabel stellt eine allgemeine Wahrheit oder ein moralischen Satz dar, wie diese auch. Sie besagt im Wesentlichen, dass nicht wirklich im Leben der Glanz, das Strahlen und die äußerliche Schönheit zählen, viel eher die wahren Hintergründe. In der Liebe ist damit beispielsweise der Charakter einer Person gemeint, ihre Art und wie sie sich gibt. Für den Leser gilt es die Moral dieser Fabel, in Bezug auf alle Dinge im Leben umzusetzen und für sich selbst den eigenen Nutzen darauszuziehen .
Zum Inhalt einer Fabel gehören ebenso gut Sitten und Redlichkeiten, welche die Gesellschaft prägen und aus denen wiederum Lehren gezogen werden sollen. Denn gute Bildung führt zum Wohl der Gesellschaft.
Die gute Sitte stellt hier der Punkt dar, dass nicht an allen Liebheiten ohne Zerstörung dieser wertvollen Erinnerung herummanipuliert werden kann und sollte.
Auch durch Stilfiguren, kommt dies zum Ausdruck. Durch die Hyperbeln ,,sehr weit und sehr sicher" im ersten Satz wird deutlich, wie stolz der Mann auf sein Eigentum ist. Dies erscheint dem Leser so, als könne keiner den Bogen überragen, aber auch, als sei der Mann angeberisch und protzend.
Auch die rhetorische Frage, was sich auf diesem Schmuckstück besser machen würde, als eine Jagd? Damit ist schon beantwortet., dass die Jagd überaus das beste Stück für den Bogen ist.
Mit Euphemismus beschreibt Lessing die geschnitzte Jagd und drückt damit die Vollkommenheit dieses Prachtstückes aus.
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Fabel "Der Besitzer des Bogens" von Gotthold Ephraim Lessing?
Die Fabel erzählt die Geschichte eines Mannes, der einen trefflichen Bogen besitzt. Er findet den Bogen jedoch zu schlicht und beauftragt einen Künstler, ihn mit einer Jagdszene zu verzieren. Voller Freude will er den Bogen ausprobieren, aber dieser zerbricht.
Was ist die Kernaussage der Fabel?
Die Fabel kritisiert Eitelkeit, Intoleranz und Gier nach Perfektion. Sie besagt, dass nicht immer das Schönste, Wertvollste und Teuerste das Perfekte darstellt, sondern oft die einfachen, bewährten Dinge.
Welche Lehre kann man aus der Fabel ziehen?
Die Fabel lehrt, dass es im Leben nicht nur auf äußeren Glanz und Schönheit ankommt, sondern vielmehr auf die inneren Werte und die Funktion der Dinge. Man sollte nicht unnötig an bewährten Dingen manipulieren, nur um sie vermeintlich zu verschönern.
Welche Stilmittel werden in der Fabel verwendet?
Die Fabel bedient sich verschiedener Stilmittel wie Hyperbeln (,,sehr weit und sehr sicher") um den Stolz des Mannes hervorzuheben, rhetorische Fragen, um die vermeintliche Perfektion der Jagdszene zu betonen, und Euphemismen, um die Vollkommenheit des Prachtstückes zu beschreiben.
Was ist die Bedeutung der Fabel in Bezug auf gesellschaftliche Sitten?
Die Fabel thematisiert die Sitte, dass nicht an allen Lieblichkeiten ohne Zerstörung dieser wertvollen Erinnerung herummanipuliert werden kann und sollte. Sie betont die Bedeutung von Redlichkeit und guter Bildung für das Wohl der Gesellschaft.
In welcher literarischen Tradition steht die Fabel?
Die Fabel steht in der Tradition der lehrhaften epischen Dichtung. Sie war besonders in der Zeit der Reformation und Aufklärung relevant, um religiöse Erneuerung zu fördern und moralische Werte zu vermitteln.
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- Anne Kokoschko (Author), 2001, Lessing, G. E. - Der Besitzer des Bogens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101838