1. Schuldverhältnisse
Kraft eines Schuldverhältnisses kann der Gläubiger von einem Schuldner eine Leistung fordern (Schuldverhältnis im engeren Sinne). Man unterscheidet bei Schuldverhältnissen im weiteren Sinne (Rechtsverhältnis zwischen Personen mit mindestens einer Leistungspflicht) im wesentlichen einseitige und gegenseitige Schuldverhältnisse. Während sich bei den einseitigen Schuldverhältnissen wie Schenkungen, Auslobungen oder Vermächtnissen, nur ein Vertragspartner zu einer Leistung verpflichtet, müssen bei gegenseitigen Schuldverhältnissen beide Parteien Verpflichtungen erfüllen, die nur um jeweils der anderen willen eingegangen worden sind. Wird der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt, d. h. das Leistungsinteresse des Gläubigers ordnungsgemäß befriedigt, so erlischt das jeweilige Schuldverhältnis, geschieht dies nicht, so ergeben sich durch die Leistungsstörungen weitere Rechte und Pflichten für die Vertragspartner.
2. Leistungsstörungen
Eine Leistungsstörung liegt dann vor, wenn Pflichten aus dem Schuldverhältnis nicht ordnungsgemäß erfüllt werden. Dabei unterscheidet man zwischen der Unmöglichkeit (die Leistung kann nicht mehr erbracht werden), dem Verzug (die Leistung wird nicht rechtzeitig erbracht) und der Schlechterfüllung von Haupt- und Nebenpflichten:
2.1. Unmöglichkeit
Wenn ein Vertragspartner nicht in der Lage ist, seine Vertragsverpflichtungen zu erfüllen, so spricht man von Unmöglichkeit. Konnten die Forderungen schon zum Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses nicht erbracht werden, so spricht man von anfänglicher Unmöglichkeit. Bei Umständen, die die Vertragserfüllung erst im Nachhinein verhindern, spricht man von nachträglicher Unmöglichkeit. Weiterhin ist zu beachten, ob nur der Schuldner nicht in der Lage ist, seine Vertragsverpflichtungen zu erfüllen (subjektive Unmöglichkeit) oder ob es überhaupt niemandem möglich ist, die geforderte Leistung zu erbringen (objektive Unmöglichkeit).
Tritt die anfängliche objektive Unmöglichkeit ein, so ist der Vertrag nichtig (§ 306 BGB) und es besteht eventuell ein Anspruch auf Vertrauensschaden (§ 307 BGB). Liegt anfängliche subjektive Unmöglichkeit vor, sind die Folgen nicht im Gesetz geregelt, nach überwiegender Ansicht hat der Gläubiger aber einen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung.
Bei der nachträglichen Unmöglichkeit werden subjektive und objektive Unmöglichkeit gleichgestellt, man unterscheidet aber zwischen einseitigen und gegenseitigen Verträgen. Ist die Unmöglichkeit bei einseitigen Schuldverhältnissen zu vertreten, so besteht ein Anspruch auf Schadenersatz oder Commodum, ist sie nicht zu vertreten nur auf Commodum. Commodum ist die stellvertretende Leistung, die ein Schuldner durch den Untergang des Leistungsgegenstandes erhalten hat. Bei gegenseitigen Verträgen ist zu beachten, durch wen die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten ist. Ist dies der Gläubiger, so besteht nach § 324 BGB der Gegenleistungsanspruch des Schuldners weiter. Ist sie durch den Schuldner zu vertreten, so besteht ein Schadenersatzanspruch des Gläubigers oder die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag (§ 325 I BGB). Hat keiner von beiden die Unmöglichkeit zu vertreten, so besteht nach § 323 BGB kein Gegenleistungsanspruch des Schuldners, allerdings seitens des Gläubigers eventuell ein Rückgewährungsanspruch sowie ein Anspruch auf das Commodum. Es kann auch
vorkommen, daß beide Vertragspartner die Unmöglichkeit zu vertreten haben. In diesem Fall gibt es unterschiedliche Möglichkeiten zur Regelung, die im einzelnen sehr umstritten sind.
2.2. Verzug
Verzug unterscheidet man in Gläubiger- und Schuldnerverzug:
Schuldnerverzug ist Nichterfüllung trotz Fälligkeit, Mahnung und Vertretenmüssen. Unter "Vertretenmüssen" versteht man das schuldhafte, vertragswidrige Verhalten, das ursächlich für die vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung geworden ist. Kommt es bei einem einseitigen Vertrag zum Schuldnerverzug (§§ 284, 285 BGB), so ist der Schuldner zum Ersatz des Verspätungsschadens verpflichtet (§ 286 I BGB). Kommt es im Verzug zum Eintritt einer zufälligen Unmöglichkeit, so haftet der Schuldner trotz fehlenden Vertretenmüssens, es sei denn, die Unmöglichkeit wäre auch bei pünktlicher Vertragserfüllung eingetreten (§ 287 BGB). Auch kann der Gläubiger, wenn die verspätete Leistung für ihn kein Interesse mehr hat, die nachträgliche Erfüllung ablehnen und stattdessen Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 286 II BGB). Beim gegenseitigen Vertrag besteht für den Gläubiger die Möglichkeit, nach erfolgloser Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (§ 326 I BGB) ein.
Der Gläubiger gerät in Verzug, wenn er die angebotene Leistung nicht annimmt (§§ 293 ff. BGB). Sobald er in Verzug gerät, geht die Gefahr auf ihn über, für den Schuldner greift eine Haftungsmilderung (§ 300 BGB).
2.3. Sachmängelhaftung im Kaufrecht
Zu den Leistungsstörungen zählt auch der Verkauf fehlerhafter Ware, für die der Verkäufer haften muß. Dabei unterscheidet man drei Fälle der Sachmängelhaftung: Wird dem Verkäufer eine Sache angeboten, die fehlerhaft ist, so hat der Käufer einen Anspruch auf Wandelung oder Minderung. Unter Wandelung versteht man die Rückgängigmachung des Vertrags, bei der Minderung wird der Kaufpreis herabgesetzt. Weiß der Verkäufer von einem Fehler, verschweigt ihn aber oder sichert dem Käufer Eigenschaften einer Sache zu, die die Sache nicht besitzt, so besteht zusätzlich ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung.
2.4. Nebenpflichten
Häufig gestellte Fragen
Was ist ein Schuldverhältnis im engeren Sinne?
Kraft eines Schuldverhältnisses kann der Gläubiger von einem Schuldner eine Leistung fordern.
Was sind einseitige und gegenseitige Schuldverhältnisse?
Einseitige Schuldverhältnisse verpflichten nur einen Vertragspartner zu einer Leistung (z.B. Schenkung). Gegenseitige Schuldverhältnisse verpflichten beide Parteien zu Leistungen, die um des anderen Willen eingegangen wurden.
Wie erlischt ein Schuldverhältnis?
Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt wird und das Leistungsinteresse des Gläubigers befriedigt wird.
Was ist eine Leistungsstörung?
Eine Leistungsstörung liegt vor, wenn Pflichten aus dem Schuldverhältnis nicht ordnungsgemäß erfüllt werden. Dazu gehören Unmöglichkeit, Verzug und Schlechterfüllung.
Was versteht man unter Unmöglichkeit der Leistung?
Unmöglichkeit liegt vor, wenn ein Vertragspartner seine Vertragsverpflichtungen nicht erfüllen kann. Man unterscheidet zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit, sowie subjektiver und objektiver Unmöglichkeit.
Was sind die Folgen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit?
Der Vertrag ist nichtig (§ 306 BGB), und es besteht eventuell ein Anspruch auf Vertrauensschaden (§ 307 BGB).
Was sind die Folgen nachträglicher Unmöglichkeit bei gegenseitigen Verträgen?
Dies hängt davon ab, wer die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Ist es der Gläubiger, besteht der Gegenleistungsanspruch des Schuldners weiter. Ist es der Schuldner, besteht ein Schadenersatzanspruch des Gläubigers oder die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag. Hat keiner die Unmöglichkeit zu vertreten, entfällt der Gegenleistungsanspruch des Schuldners, und der Gläubiger hat eventuell einen Rückgewährungsanspruch und Anspruch auf Commodum.
Was versteht man unter Verzug?
Man unterscheidet Gläubiger- und Schuldnerverzug.
Was sind die Voraussetzungen für Schuldnerverzug?
Nichterfüllung trotz Fälligkeit, Mahnung und Vertretenmüssen.
Was sind die Folgen von Schuldnerverzug bei einem einseitigen Vertrag?
Der Schuldner ist zum Ersatz des Verspätungsschadens verpflichtet (§ 286 I BGB). Bei zufälliger Unmöglichkeit haftet der Schuldner, es sei denn, die Unmöglichkeit wäre auch bei pünktlicher Erfüllung eingetreten (§ 287 BGB).
Wann gerät der Gläubiger in Verzug?
Wenn er die angebotene Leistung nicht annimmt (§§ 293 ff. BGB). Die Gefahr geht dann auf ihn über, und für den Schuldner greift eine Haftungsmilderung (§ 300 BGB).
Was ist die Sachmängelhaftung im Kaufrecht?
Der Verkäufer haftet für den Verkauf fehlerhafter Ware. Der Käufer hat Anspruch auf Wandelung (Rückgängigmachung des Vertrags) oder Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises).
Was passiert, wenn der Verkäufer einen Fehler verschweigt oder Eigenschaften zusichert, die die Sache nicht besitzt?
Es besteht zusätzlich ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung.
Was sind Nebenpflichten und wo sind diese geregelt?
Neben den Hauptpflichten gibt es Nebenpflichten, die sich aus § 242 BGB herleiten lassen. Sie verpflichten die Parteien zur Rücksicht auf die Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners.
Welche Pflichten zählen zu den Nebenpflichten?
Aufklärung über Risiken, Schutz des Eigentums usw.
Was passiert bei einer Verletzung von Nebenpflichten?
Es kommt ein Schadenersatzanspruch in Betracht (positive Forderungsverletzung).
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- Nils Schaltau (Author), 2001, Das Recht der Leistungsstörung am Beispiel eines Kaufvertrages, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101811