1 Einleitung
Im Fernsehen haben wir Zuschauer uns schon längst an Computeranimationen gewöhnt. Ein junges Gesicht altert in Sekunden, man kann das Gras wachsen sehen und einem jungen Mann gelingt es, das Meer zu teilen. Uns sind solche Szenen vor allem aus der Werbung bekannt. Auch aus dem Kino kennen wir die Situationen, in denen Steven Spielberg Dinosaurier wieder leben lässt.1 All das sind Beispiele für Fiktionen, die vom Computer erstellt wurden.
Die Technik der Computeranimation wird heute aber immer mehr auch in Nachrichtensendungen benutzt, um komplexe Themen oder Situationen besser darzustellen bzw. verdeutlichen zu können.
Doch die aufkommenden Möglichkeiten im Umgang mit der digitalen Technik erlauben auch die Manipulation von Bildmaterial, ohne dass es für das Auge ersichtlich ist.
Einerseits gibt uns die hochmoderne Technik heutzutage die Möglichkeit, nahezu jede Begebenheit in unserem Alltag mit computeranimierten Bildern nachzustellen bzw. Situationen künstlich zu entwerfen. So entstehen Bilder, deren Authentizität nur noch schwer überprüfbar ist. Auf der anderen Seite lassen sich komplexe Sachverhalte in den Nachrichten, wie etwa technische Abläufe oder Naturkatastrophen, teilweise erst durch computeranimierte Bilder verständlich machen. Oder komplexe Verläufe können veranschaulicht werden, obwohl zum Zeitpunkt des Geschehens keine Kamera vor Ort war. Dies soll der Ausgangspunkt für diese Hausarbeit sein: Der Chance der besseren Anschaulichkeit komplexer Situationen steht das Risiko der Wirklichkeitsverfälschung gegenüber.
Die Hausarbeit wird also der Frage nachgehen, wo die Chancen der Computeranimation sind und wo die Gefahren liegen. Bevor man dies untersucht, wird genauer betrachtet, welche Bedeutung Fernsehnachrichten haben und worin ihr Anspruch liegt. Dabei wird der Anspruch, den die Fernsehsender an sich selbst haben, dargestellt. Die Untersuchung dessen wird in Kapitel 2 erfolgen.
In Kapitel 3 wird die Hausarbeit der Frage nachgehen, welche Formen bereits eingesetzt werden und bei welchen Gelegenheiten dies geschieht. Außerdem wird beobachtet, welche Möglichkeiten es gibt, die zwar umsetzbar wären, aber nicht umgesetzt werden und nach den Gründen dafür gefragt. Vor- und Nachteile der Computeranimation werden näher untersucht.
In Kapitel 4 wird dann die Diskussion betrachtet, in der es darum geht, ob Computeranimation zur Manipulation führt oder nicht. Die Hausarbeit prüft hier auch, welche Animation vertretbar ist und welche nicht. Vor dem Hintergrund des möglichen Realitätsverlustes ist auch die Frage nach der Wirklichkeit oder der Realität entscheidend. Also die Frage, ob es überhaupt eine objektive Realität gibt oder ob es sich bei der Realität nicht eher um eine Wunschvorstellung handelt.
So wird eine Diskussion entstehen, die verdeutlicht, dass die Gratwanderung, auf der sich die Fernsehsendungen befinden, sehr eng ist.
Im Schlußteil wird die Arbeit keine Lösung präsentieren, vielmehr soll die Hausarbeit einen Überblick über bisherige Untersuchungen und Beobachtungen geben.
2 Bedeutung der Nachrichtensendungen
2.1. Relevanz von Nachrichtensendungen
Die Relevanz von Nachrichtensendungen im Fernsehen ist enorm. 91 % aller Deutschen über 14 Jahren sind an Fernsehnachrichten interessiert. Das sind zirka 57 Mio. Deutsche. (vgl. Darschin / Horn 1997: 269) Dies liegt wohl auch daran, dass das Fernsehen unmittelbarer und glaubwürdiger - Gregor Halff spricht in diesem Zusammenhang vom „Glaubwürdigkeitsvorsprung des Fernsehens“ (Halff 1998: 127) - als andere Medien erscheint. Rezipienten glauben Visuelles eher als rein Auditives, da sie die Bilder unmittelbar in Bezug zu den behandelten Sachverhalten setzen (vgl. Meckel 1998: 207). Man benutzt nicht umsonst die Redewendung: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Die Rezipienten glauben den Bildern, die sie ja selbst sehen, einfach mehr als Berichten, die sie lesen (vgl. Brosius 1998: 217).
Der angesprochene Vorsprung hilft dem Fernsehen somit enorm, dem Anspruch, das aktuelle Zeitgeschehen vermitteln zu wollen (vgl. Meckel 1998: 203), gerecht zu werden. So „genießen [Fernsehnachrichten] den Ruf, ihr Publikum interessant, präzise, aktuell und effizient zu informieren“ (Meckel/ Kamps 1998: 11).
2.2. Ansprüche der Sender
Im Anspruchsdenken gibt es bei den Sendern teilweise große Unterschiede. Die Tagesschau, Prototyp für die Sprechersendung2, ist das Aushängeschild der ARD. Sie ist in Deutschland die meistgesehene Nachrichtensendung und gilt als besonders seriös. Bei der Tagesschau steht der mündige Bürger im Mittelpunkt. Zum Konzept gehört die Annahme, der Zuschauer könne sich selbst ein Urteil bilden, deshalb soll die Meinung der Redakteure bei den Meldungen nicht zu erkennen sein (vgl. Amlung 1997: 211). Anders denken die privaten Sender bei der Erstellung ihrer Nachrichtensendungen. So zeichnet sich z.B. RTL-aktuell als typische News Show3 durch ein einfaches Sprachniveau aus (vgl. Wittwen 1995: 33). RTL-aktuell erstellt seine Nachrichtensendung für den „kleinen Mann“. Hier beziehen die Redakteure im Gegensatz zur Tagesschau in ihren Beiträgen bewußt Stellung. Sie berichten also tendenziös. (vgl. Huh 1996: 189) Die Nachrichtensendungen der privaten Sender orientieren sich eher am Zuschauer, wollen die Nachrichten verständlich machen. Damit wollen sie die Zuschauer ansprechen, die sich mit der Tagesschau nicht identifizieren können. In dem Zusammenhang weist ARD- Redakteur Robert Amlung daraufhin: „[...], daß die Tagesschau viele Zuschauer überfordert [...].“ (vgl. Amlung 1997: 211)
Die unterschiedliche Auffassung über Nachrichtenangebote verdeutlichen auch die Aussagen vom damaligen RTL- Geschäftsführer Helmut Thoma und Michael Geyer, damals Chefredakteur von Radio Bremen. Thoma war 1990 der Auffassung, dass Fernsehnachrichten unterhaltsam sein müssen, wenn sie vom Publikum angenommen werden sollen. Geyer erwiderte dem, der Zuschauer erwarte faktenorientierte Information. Er wertete Unterhaltung in den Nachrichten als „verwässernde Verzierung“. (vgl. Huh 1996: 37)
3 Computeranimation in den Fernsehnachrichten
Der gravierende Unterschied im Anspruchsdenken, schlägt sich auch in unterschiedlicher Nutzung von Computeranimation nieder. So macht RTL- aktuell im Gegensatz zur Tagesschau zahlreich Gebrauch von Grafiken zur Visualisierung komplexer Sachverhalte. RTL präsentierte auch 1997 als erster Sender das Wetter in den Nachrichten komplett virtuell.
Doch bevor man untersucht, wann die Fernsehsender Computeranimation in ihren Nachrichtensendungen einsetzen, sollte man sich die unterschiedlichen Möglichkeiten näher vor Augen führen.
3.1. Möglichkeiten der Computeranimation
Einfachstes Beispiel der Visualisierung ist die „Blue-Box-Technik“, mit deren Hilfe Hintergrundbilder hinter den/die Nachrichtensprecher/in projiziert werden. Der Sprecher oder die Sprecherin sitzt zunächst vor einer blauen Wand. Das Blau wird für das Fernsehbild „herausgestanzt“ und im Computer durch einen anderen Hintergrund ersetzt, z.B. ein Foto oder eine Grafik. Der Zuschauer nimmt die eigentliche Veränderung gar nicht wahr, er sieht nur das Fernsehbild mit Sprecher/in und Computerbild. (vgl. Meckel 1998: 204) Dieses Verfahren wird in den Nachrichtensendungen bereits seit den sechziger Jahren verwendet. Bei den Hintergrundbildern handelt es sich meist um „Symbolbilder“4. Neben dieser traditionellen Form sind aber dank des technischen Fortschrittes auch innovative Möglichkeiten für den Einsatz von virtuellen Elementen geschaffen worden. Eine Möglichkeit hierfür ist das virtuelle Studio. Beim virtuellen Studio handelt es um einen Raum ohne Kulisse in dem sich der/die Sprecher/in befindet. Die Technik macht es möglich, dass nicht nur ein Teil des Bildes durch Computergrafiken ersetzt werden kann, sondern hier kann das gesamte Studiobild im Computer erzeugt werden. (vgl. Meckel 1998: 204) Bislang ist dieses Verfahren in keiner Nachrichtensendung im Fernsehen eingesetzt worden (vgl. Kap. 3.2.). Einen Einsatz hat das virtuelle Studio bislang nur in anderen Bereichen erfahren.5
Eine weitere Möglichkeit des Computereinsatzes ist das Erstellen von virtuellen Bildsequenzen in den Nachrichtenbeiträgen. Dies wird vor allem dann genutzt, wenn keine Kamera bei einem Ereignis vor Ort war6 oder bei der Darstellung von komplexen Abläufen, z.B. eines Vulkanausbruches. In Deutschland werden solche Sequenzen vor allem von RTL-aktuell benutzt. RTL kennzeichnet solche Animation auch als computererzeugt („RTL Animation“). (vgl. Meckel 1997: 23) Dem Einsatz des Computers beim Erstellen von Nachrichtenbeiträgen begegnen wir als Zuschauer auch manchmal dann, wenn Auslandskorrespondenten über Geschehnisse in anderen Ländern berichten. Bei RTL- aktuell werden solche Beiträge dargestellt, indem das Bild des Nachrichtensprechers verkleinert und in den virtuellen Raum des Korrespondenten projiziert wird. Auf dem Fernsehbildschirm bekommt der Zuschauer so zwei Bilder nebeneinander zu sehen. Es entsteht somit ein scheinbarer Blickkontakt. (vgl. Huh 1996: 181 f.)
3.2. Vor- und Nachteile beim Einsatz der Technik
Der in Kap. 2.1. erläuterte Sachverhalt, dass visuell Fassbarem mehr Glauben geschenkt wird, erklärt auch den zunehmenden Einsatz der Computeranimation in den Nachrichten. Fehlen zu einer Meldung die Bilder, weil z.B. keine Kamera vor Ort des Geschehens war, können die Meldungen „nur“ verlesen werden. Mit Hilfe der Animation ist es aber möglich, die Realbilder zu ersetzen. (vgl. Meckel 1997: 23) Außerdem helfen Visualisierungen, komplexe Vorgänge besser zu veranschaulichen. Häufig werden sie also auch genutzt „[...] wenn Inhalte kompliziert sind und beispielsweise mit Statistik-Darstellungen ein besseres Verständnis erzeugt werden kann.“ (Kloeppel 1997: 25) Doch es treten durchaus auch Probleme beim Einsatz der digitalen Technik auf. Wenn nämlich durch Recherche nicht herauszufinden ist, wie ein Vorgang tatsächlich abgelaufen ist, verzichtet die RTL-aktuell- Redaktion „[...] lieber auf Einzelheiten, um auch den Zuschauer nicht auf eine falsche Fährte zu bringen.“ (Kloeppel 1997: 26) RTL- Sprecher Peter Kloeppel ist sich der Gefahr also durchaus bewußt, dass die von den Nachrichten beanspruchte Authentizität (vgl. Kap. 2) hier Schaden erleiden kann. Diese Gefahr wird in Kapitel 4.2. noch näher diskutiert. Ein weiteres Problem, welches den Einsatz des Computers bei der Erstellung von Meldungen bzw. Bildern manchmal ausschließt, liegt einfach in der Technik begründet. Teilweise ist die Erstellung von Computersequenzen oder -grafiken so aufwendig, dass sie für eine aktuelle Sendung zu lange dauern würde. (vgl. Kloeppel 1997: 26)
Da Nachrichtenredakteure auch in hohem Maße an der Glaubwürdigkeit7 ihrer Formate interessiert sind, behandeln sie die neue Technik sowie deren Einsatz äußerst sensibel. Wohl auch, da in der Vergangenheit schon negative Erfahrungen gemacht wurden. Man denke nur an den Fall Michael Born8. Diese Sensibilisierung für die moderne Technik ist wohl auch der Grund dafür, dass das virtuelle Studio in den Fernsehnachrichten noch nicht benutzt wurde, obwohl bereits seit geraumer Zeit mit dieser Möglichkeit experimentiert wird (vgl. Meckel 1997: 24). Denn es gibt durchaus Vorteile des virtuellen Studios, dessen Einsatz zu einer einfacheren Produktion beitragen würden. Die Moderatoren/innen könnten sich frei im Raum bewegen, wären also nicht mehr fest auf eine bestimmte Position festgelegt. Außerdem würden enorme Kosten für Kulissen eingespart. (vgl. Meckel 1998: 205) Diese fallen derzeit aber wiederum noch bei der Produktion von Sendeformen mit dem virtuellen Studio an (vgl. Dohle 1997: 215). Das virtuelle Studio muss also intern noch weiter getestet und entwickelt werden, um es auch in den Nachrichtensendungen einzusetzen. Für den ARD- Chefredakteur Ulrich Deppendorf steht jedenfalls fest: „Eines ist klar: Das virtuelle Studio wird kommen.“ (Berger/ Deppendorf/ Kreimeier/ Krieg/ Stenzel 1997: 246)9
4 Möglichkeiten der Manipulation
Die Möglichkeiten der neuen Technik haben, wie bereits angedeutet, eine Diskussion bei den Sendern in Gang gesetzt, die sich mit der möglichen Manipulation von Bildmaterial, abnehmender Authentizität und dem Verlust der Wirklichkeit befasst. Der Anspruch der Nachrichtensendungen (vgl. Kap. 2.2.) soll sich also keinesfalls durch die Digitaltechnik ändern.
Doch gerade beim Anspruch, die aktuellen Geschehnisse real wiederzugeben, gibt es Probleme.
4.1. Realität in den Nachrichten
Das, was „wirklich“ geschah, kann niemand genau sagen (vgl. Schulz 1976: 27). Jeder Rezipient nimmt die Fernsehbilder oder auch alltägliche Geschehnisse anders auf und setzt sie in seinen eigenen Kontext, der auf eigenen Erfahrungen und eigenem Vorwissen beruht. Er konstruiert sich also seine eigene Wirklichkeit.
Folglich kann in Nachrichtensendungen keine intersubjektiv verbindliche Auskunft über die Realität vermittelt werden. Vielmehr ist die allgemeine Realität eher ein Wunsch.
Hinzu kommt, dass durch die Selektion von Nachrichten ja bereits die Realität leidet, denn der Rezipient erfährt durch die Selektion der Meldungen nicht alles was auf der Welt geschieht, sondern nur einen Ausschnitt dessen. In Nachrichtenbeiträgen sieht der Zuschauer z.B. nur Ausschnitte die der Reporter oder Kameramann für wichtig gehalten hat (vgl. Stolte 1996: 13). Die Annahme, Nachrichten würden Realität widerspiegeln, wird somit hinfällig. Winfried Schulz sagte in diesem Zusammenhang: „Man kann also sagen, daß Nachrichten „Realität“ konstituieren.“ (Schulz 1976: 28)
Man sollte also von einem Wunschbild der Realität in Nachrichtensendungen ausgehen. Entscheidend für den Anspruch der Sender ist somit, ob die Rezipienten das Nachrichtenangebot als wahr akzeptieren.
4.2. Gefahren der Technik
Aus dieser Erkenntnis heraus ergibt sich ein Problem. Wenn nämlich die Nachrichtenrealität an Inszenierung grenzt, ist die Gefahr der Verzerrung bzw. der Manipulation groß (vgl. Stolte 1996: 14). Diese Bedrohung wird durch die wachsenden Möglichkeiten der Technik immer größer.
Mit dem Computer ist es möglich, Animationen zu erstellen, die täuschend echt wirken. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Personen können in Bilder eingefügt oder herausgeschnitten werden, ohne dass der Eingriff zu erkennen wäre (vgl. Wolf 1997: 11) Deshalb weiß auch RTL- Sprecher Peter Kloeppel: „Dabei muß die digital erzeugte Grafik nach unseren Vorstellungen immer als solche erkennbar sein, entweder durch einen immer wiederkehrenden Hintergrund oder durch ein Signet.“ (Kloeppel 1997: 25) Dieses Signet lautet bei RTL, wie bereits in Kapitel 3.1. beschrieben „RTL Animation“. Ähnlich sieht dies ProSieben- Chefredakteur Gerd Berger, der ebenfalls der Auffassung ist, eine Bildveränderung, die der Zuschauer nicht erkenne, habe in Fernsehnachrichten nicht aufzutauchen. Wenngleich er beim offensichtlichen Einsatz von Computeranimation auf ein Signet verzichtet: „Da muss ich nicht dranschreiben „Vorsicht Grafik!“, sondern das kann ich dem Zuschauer zutrauen.“ (Berger et al. 1997: 237)
Um den Verlust der Authentizität, den Kritiker befürchten, zu vermeiden, sollten Fernsehredakteure nach der Meinung von ARD- Redakteur Ulrich Deppendorf „[...] auf alle Arten von digitaler Veränderung der Bildquelle [...] verzichten.“ (Berger et al. 1997: 235) Insofern sind sich die Verantwortlichen der Fernsehnachrichten einig, wie sie seriöse Berichterstattung gewährleisten wollen. Denn wenn es schon keine objektive Realität gibt, so sind die Fernsehnachrichten doch zur Wahrheit verpflichtet. Dies ergibt sich aus dem Anspruchsdenken der Sender. Und die Sender haben auch aus der Kritik, die im Zuge der wachsenden Virtualisierung aufgekommen ist, gelernt. Negative Erfahrungen im Umgang mit der digitalen Technik haben den Weg für die nächste Zeit vorgegeben. Für Deppendorf muss es für den Zuschauer auch in Zukunft klar erkennbar sein, dass der Auslandskorrespondent nicht gleich neben dem Moderator im Studio steht (vgl. Berger et al. 1997: 246 f.). Bei einer Pilotsendung zum Tagesmagazin kam bei den ARD- Verantwortlichen 1994 tatsächlich der Eindruck auf, ein zugeschalteter Korrespondent aus Singapur hätte der Moderatorin die Hand schütteln können (vgl. Meckel 1997: 24).
Ein weiterer Kritikpunkt der in der Vergangenheit aufgekommen ist, bezieht sich auf die Präsentation der News Show 18:30 auf Sat1. Dort wurde in der Vergangenheit im Hintergrund des Sprechers eine Nachrichtenredaktion eingespielt. Der Zuschauer mußte davon ausgehen, dass es die Sat1- Nachrichtenredaktion war, bis öffentlich wurde, dass es sich keinesfalls um die Redaktion von Sat1, sondern um eine per Video abgespielte Redaktion aus Miami handelte. (vgl. Meckel 1997: 24; Berger et al. 1997: 248)
Für Gerd Berger hat die Sendung durch diese Affäre Schaden genommen. Er ist deshalb der Meinung, dass das virtuelle Studio keine Zukunft in den Nachrichten hat und widerspricht damit der Meinung Deppendorfs. (vgl. Berger et al. 1997: 248 f.)
5 Schlußbetrachtung
Bei der Beobachtung der Diskussion zum Einsatz von Computeranimation wird deutlich, dass der Grad zwischen Fiktion und Wahrheit immer schmaler wird. Dies haben die Nachrichtenredakteure auch erkannt und messen ihrer Berufsethik folgerichtig eine entscheidende Bedeutung zu. Sollte die Arbeit der Fernsehjournalisten in den Nachrichtenredaktionen nicht mehr von ihrer ethischen Berufsauffassung geleitet sein, ständen der Manipulation tatsächlich alle Wege offen, denn Original und Fälschung im digitalen Zeitalter voneinander zu trennen, wird unmöglich sein. (vgl. Amlung 1997: 216)
Der hohe Stellenwert der Ethik bezieht sich in erster Linie auch auf die Glaubwürdigkeit der Sender und der Nachrichtenformate. Dies auch insofern, dass es keine objektive Realität gibt (vgl. Kap. 4.1.). Da jeder Rezipient seine eigene Realität konzipiert, muß auch jeder Rezipient für sich selber klären, inwieweit er die gesehene Computeranimation mit seiner eigenen Wirklichkeit in Einklang bringen kann. Eines ist jedoch sicher: das Fernsehen, auch die Fernsehnachrichten, stehen „vor einer großen digitalen Zukunft“ (Berger et al. 1997: 237). Doch noch muß die digitale Technik weiter entwickelt und getestet werden. Dies wissen auch die Nachrichtenredakteure, die auch bedingt durch negative Erfahrungen derzeit sehr vorsichtig im Umgang mit dieser Technik sind. Dennoch wissen sie auch, dass sie an ihr nicht vorbeikommen. Den Gefahren, die die Technik mit sich bringt, stehen unbestrittene Vorteile gegenüber. Alle Fernsehsender betonen, dass die Visualisierung dem Verständnis hilft. Sie sehen die enormen Chancen dieser Technik. Wird sie sinnvoll eingesetzt, kann sie dazu beitragen, dass die Sender ihren Ansprüchen, dem Zuschauer möglichst wahr und authentisch die aktuellen Geschehnisse zu präsentieren, gerecht werden. Der Filmregisseur Peter Krieg bringt es mit seiner Einschätzung auf den Punkt: „Ich sehe die Gefahr überhaupt nicht in der Technik, ich sehe die Gefahr immer nur im menschlichen Umgang mit dieser Technik.“ (Berger et al. 1997: 258)
Diesbezüglich wird uns in den Fernsehnachrichten ein Horrorszenario, wie es der Filmfälscher Michael Born prognostiziert, der die Entwicklung „vom Infotainment zur Infofiction“ (vgl. Hoffmann 1997: 13) sieht, wohl erspart bleiben. Die Computeranimation jedenfalls, die wir aus dem Kino kennen, also gefälschte bzw. manipulierte Bilder wie in „Forrest Gump“(1994)10 wird es in den Fernsehnachrichten nicht geben, da solch aufwendige Arbeiten aus Zeitgründen nicht realisierbar wären. (vgl. Berger et al. 1997: 244)
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Pfeffer, Matthias (1997): Mutige Experimente. In: agenda, 31: 20 f.
Reichenberger, Stefan (1997): Fernsehen neu erfinden? In: agenda, 31: 18 f.
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[...]
1 Jurassic Park (1993)
2 Bei der Sprechersendung liest ein Sprecher die aktuellen Meldungen vom Blatt ab. Durch die Art des Lesens - ohne Körperregung - wird der Sprecher als besonders neutral stilisiert. Sein Sprachstil ist formell, seine Sätze komplex. (vgl. Wittwen 1995: 30)
3 Die News Show versucht Nachrichten und Unterhaltung zur verbinden. Sie gilt als besonders innovativ. Innerhalb der Kulisse können sich die Moderatoren bewegen.
4 Diese „Symbolbilder“ sollen ein Thema besser veranschaulichen, so z.B. das Händeschütteln von Repräsentanten bei Staatsbesuchen oder einer überdimensionalen Spritze bei einer Sportmeldung über Doping.
5 So z.B. bei Focus TV auf Pro7 oder Hauser, Kienzle und die Meinungsmacher im ZDF (vgl. Reichenberger 1997: 18 f.)
6 Dies geschah z.B. im norwegischen Fernsehen, mit der Darstellung der „Estonia“Schiffshavarie (vgl. Schwarz 1997: 208).
7 Eine Untersuchung der Faktoren, von denen Glaubwürdigkeit im Fernsehen abhängt, würde an dieser Stelle zu weit führen und den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen.
8 Michael Born hat in den Vergangenheit Beiträge über Sachverhalte, die nie stattgefunden haben mit Schauspielern produziert und vor allem an Stern TV verkauft, wo sie dann auch gesendet wurden.
9 Im weiteren Verlauf: Berger et al. 1997.
10 Hier schüttelte Schauspieler Tom Hanks mehreren ehemaligen US-Präsidenten, die teilweise im Jahr der Filmproduktion schon verstorben waren, die Hand.
- Quote paper
- Carsten Lappe (Author), 2001, Computeranimation in den Fernsehnachrichten - Gefahr der Manipulation oder bessere Anschaulichkeit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101763
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