Bei der vorliegenden Arbeit geht es darum zu erörtern, ob und wann ein Gesetz noch Recht ist, wenn es unrecht ist. Dazu sind die Radbruchsche Formel und ihre Befürworter (Ralf Dreier und Robert Alexy) und Kritiker (H. L. A. Hart und Horst Dreier) hier zu diskutieren, indem sowohl ihr Inhalt und ihre Anwendungen durch das Bundesverfassungsgericht, als auch den Rechtsbegriff der Radbruchschen Formel zu analysieren versucht werden.
Gustav Radbruch, ein deutscher Rechtswissenschaftler während und nach dem Zweiten Weltkrieg, meinte, dass Recht eine Kulturerscheinung oder wertbezogene Tatsache sei. Er bezeichnet den Rechtsbegriff als die Gegebenheit, „die den Sinn hat, die Rechtsidee zu verwirklichen.“ Zudem behauptet er eine wesentliche Vorstellung für Gerechtigkeit: „Recht kann ungerecht sein, aber es ist Recht nur, weil es den Sinn hat, gerecht zu sein.“ Die Formel, die Radbruch stellte, stammte aus seinem Aufsatz „Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht.“ Grundsätzlich ist sie so zu verstehen: (1) Recht, das nur inhaltlich ungerecht ist, bleibt geltendes Rechts; (2) Recht, bei dem der Widerspruch zur Gerechtigkeit aus einer objektivierenden Perspektive ein „unerträgliches Maß“ erreicht, verliert seine Geltung als „Unrichtiges Recht“; (3) Verpflichtungen, bei denen Gerechtigkeit nicht einmal subjektiv erstrebt wird, wo also der Verpflichtende nicht einmal die Absicht hat, gerechtes Recht zu schaffen, entbehren überhaupt der Rechtsnatur. Ohne Rechtsnatur ist das Gesetz damit kein Recht, vielmehr eigentlich Unrecht, Macht oder Gewalt.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Die Radbruchsche Formel und ihre Anwendungen durch BVerfG
- I. Die Radbruchsche Formel
- II. Die Anwendungen der Radbruchschen Formel durch BVerfG
- 1. BVerfGE 3, 58 - G 131
- 2. BVerfGE 3, 225 – Gleichberechtigung
- 3. BVerfGE 6, 132 - Gestapo
- 4. BVerfGE 23, 98 - Ausbürgerung I
- 5. BVerfGE 54, 53 - Ausbürgerung II
- 6. BVerfGE 95, 96 – Mauerschützen
- III. Zwischenergebnis
- C. Die Anmerkungen der Radbruchschen Formel und ihre Kritik
- I. Die Befürworter
- II. Die Kritiker
- III. Eine mögliche Alternative für die Lösung des Streits zwischen dem Rechtspositivismus und dem Naturrecht
- D. Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, ob ein Gesetz trotz seiner Unrechtmäßigkeit weiterhin als Recht gelten kann. Dazu werden die Radbruchsche Formel, ihre Befürworter und Kritiker analysiert. Die Arbeit beleuchtet sowohl den Inhalt und die Anwendung der Formel durch das Bundesverfassungsgericht als auch den Rechtsbegriff der Radbruchschen Formel.
- Die Radbruchsche Formel und ihre Bedeutung für den Rechtsbegriff
- Die Anwendung der Formel durch das Bundesverfassungsgericht
- Die Argumente der Befürworter und Kritiker der Radbruchschen Formel
- Die Auswirkungen der Formel auf das Verhältnis zwischen Rechtspositivismus und Naturrecht
- Alternative Lösungsansätze für die Problematik von Unrecht im Recht
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Fragestellung der Arbeit dar. Anschließend wird in Kapitel B die Radbruchsche Formel erläutert und ihre Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht anhand von verschiedenen Gerichtsfällen dargestellt. Kapitel C beschäftigt sich mit den Anmerkungen und der Kritik an der Formel, wobei die Argumente der Befürworter und Kritiker beleuchtet werden. Abschließend werden in Kapitel D verschiedene Ansätze zur Lösung des Streits zwischen dem Rechtspositivismus und dem Naturrecht diskutiert.
Schlüsselwörter
Radbruchsche Formel, Rechtspositivismus, Naturrecht, Gerechtigkeit, Rechtsbegriff, Bundesverfassungsgericht, Unrecht, Gesetzliches Unrecht, Übergesetzliches Recht, Rechtsanwendung, Rechtsinterpretation.
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- Chao-Chin Chan (Author), 2016, Die Radbruchsche Formel und ihre Kritik. Eine Diskussion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1012457