Stellen Sie sich vor: Ein Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs, der im Nebel des Schweigens und der Fehleinschätzungen verborgen liegt. Diese packende Analyse enthüllt die verheerende Niederlage der Heeresgruppe Mitte während der Operation Bagration im Sommer 1944, ein Ereignis, das Stalingrad in den Schatten stellte und den Weg für den sowjetischen Vormarsch nach Westen ebnete. Tauchen Sie ein in die komplexen Planungen der Roten Armee, die von erfolgreicher Geheimhaltung und meisterhafter Täuschung geprägt waren, während Hitlers starre Überzeugungen und eklatante Fehleinschätzungen die Wehrmacht in eine tödliche Falle führten. Entdecken Sie, wie die sowjetische Aufklärung die deutschen Verteidigungsstellungen präzise erfasste, während die deutsche Abwehr im Dunkeln tappte, gefangen in einem Netz aus Ignoranz und selbstverschuldeter Blindheit. Erfahren Sie mehr über die entscheidende Rolle der Partisanen, die im Rücken der deutschen Linien operierten und den Nachschub unterbrachen, und über die verheerenden Luftangriffe, die die Moral der Truppen zermürbten. Anhand detaillierter Recherchen und fundierter Analysen werden die Ursachen und Konsequenzen dieses militärischen Desasters aufgedeckt, wobei die verhängnisvollen Fehlentscheidungen der deutschen Führung, die strategischen Schwächen und das unaufhaltsame Momentum der Roten Armee beleuchtet werden. Diese fesselnde Darstellung ist ein Muss für jeden, der sich für Militärgeschichte, den Zweiten Weltkrieg und die komplexen Dynamiken von Krieg und Strategie interessiert. Erleben Sie die entscheidenden Momente, die Wendepunkte und die menschlichen Tragödien, die diese epische Schlacht prägten und das Schicksal der Ostfront für immer veränderten. Erforschen Sie die verhängnisvollen Fehleinschätzungen, die strategischen Blindheiten und die unerbittliche Entschlossenheit, die zu einem der verheerendsten Zusammenbrüche in der Militärgeschichte führten, und gewinnen Sie ein tiefes Verständnis für die Faktoren, die diese Katastrophe ermöglichten. Untersuchen Sie die komplexen Zusammenhänge von Aufklärung, Täuschung, Führung und Ideologie, die das Schlachtfeld formten und die Wehrmacht ihrem Untergang entgegenführten. Diese umfassende Analyse bietet neue Perspektiven auf die Operation Bagration und ihre weitreichenden Auswirkungen auf den weiteren Kriegsverlauf.
A Einleitung
Am 26. Juni 1944 schrieb Josef Goebbels folgendes in sein Tagebuch: „Wie aus hei- terem Himmel trifft die Nachricht ein, daß den Bolschewisten ein Durchbruch großen Stils gelungen ist.“1 Dieser Eintrag zeigt, wie sehr sich nicht nur Adolf Hitler sondern auch das OKW im Bezug auf die sowjetischen Offensivabsichten dieses Sommers geirrt hatte. Denn auf deutscher Seite war man nach den Erfolgen der sowjetischen Winteroffensive überzeugt, daß der Hauptangriff der Roten Armee im Süden stattfinden würde (vgl. Karte 1, Anhang). Im Verlauf der Winteroffensive hatte die Rote Armee nicht nur fast die gesamte Ukraine und die Krim zurückerobert, sondern auch Leningrad aus seiner fast dreijährigen Belagerung befreit.
Als dann im Frühjahr 1944 eine Kampfpause eintrat, hatte sich das Blatt weiter zu Gunsten der Roten Armee gewendet. Durch die Winteroffensive der Roten Armee war der Winter 1943/44 ein reiner Überlebenskampf für die deutschen Truppen an der Ostfront. Die operative Freiheit war verloren gegangen, gleichbedeutend damit , daß die Initiative endgültig an die Sowjetunion übergegangen war. Zudem war durch den Verlust der Ukraine der rechte Flügel der Heeresgruppe Mitte völlig entblößt, da sich von Witebsk bis Brest ein 1200 km langer Frontbogen erstreckte, der im Ver- hältnis zu seiner Länge viel zu schwach besetzt war (vgl. Karte 2, Anhang).
Dies war die Lage, als auf beiden Seiten das Überlegen begann, wo die Sommerof- fensive stattfinden würde. Wie sich herausstellte, hatte sich die Sowjetführung für den Angriff auf Weißrußland entschieden, während man auf deutscher Seite den Angriff im Süden erwartete. Zusätzlich lenkte die Invasion der Westalliierten in Frank- reich am 6. Juni 1944 die Aufmerksamkeit in Deutschland auf den neueröffneten Kriegsschauplatz im Westen.
Zu den zahlreichen Fehleinschätzungen auf deutscher Seite kam das starrsinnige Beharren Hitlers, dem „politische und wirtschaftliche Überlegungen und seine eigenen Vorurteile“ wichtiger waren als „Meldungen des Militärischen Nachrichten- dienstes“2. Die exzellente Organisation und Geheimhaltung auf sowjetischer Seite waren weitere Faktoren. Diese Aspekte führten dazu, daß die Heeresgruppe Mitte in Weißrußland eine Niederlage erlitt, die Paul Carell mit der Niederlage der Römer gegen Hannibal - im Jahr 216 v. Chr. vernichtete dieser zwei römischen Heere bei ‘Cannae‘3 - gleichsetzte.
Die Aufgabe dieser Arbeit wird es sein, den Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte aufzuzeigen. Zunächst werden dabei die alternativen Angriffsmöglichkeiten der Roten Armee für das Jahr 1944 erörtert und dann der Beschluß, die Planung und die Vorbereitung der Operation untersucht. Danach sollen die Fehleinschätzungen und Irrtümer auf deutscher Seite zu Tage gefördert werden, unter Einbeziehung der Frage, inwiefern ein Versagen der deutschen Aufklärung vorliegt. Schließlich werden die Rolle der Partisanen, sowie Verlauf und Auswirkungen der Operation „Bagration“ genannt. Abschließend werden die Ursachen, die zu dieser verheerenden Niederlage führten, zusammengefaßt und die weiteren Offensiven der Roten Armee im Sommer 1944 angesprochen.
Die Arbeit stützt sich dabei zum Großteil auf die in der Sekundärliteratur angeführten Titel von John Erickson, David Glantz, Rolf Hinze und Thomas Kröker, während die übrigen Titel hilfreiche Ergänzungen zu den unterschiedlichen Themenschwer- punkten waren.
B Hauptteil
I. Die Planungen und Beschlüsse der Roten Armee im Frühjahr 1944
I.1 Die verschiedenen Möglichkeiten zur Offensive für die Rote Armee
Auf sowjetischer Seite begann nach Glantz und House im März 1944 eine ausge- dehnte Analyse der gesamten Front durch das GKO (das Staatliche Verteidigungs- komitee) und den Generalstab4. Diese Analyse hatte zum Ziel, Schwachpunkte der deutschen Frontlinie zu finden, um den noch auf sowjetischem Boden verbliebenen deutschen Armeen eine entscheidende Niederlage zuzufügen.5 Nach Abschluß dieser Analyse erkannte man nun vier Möglichkeiten für eine Offensive im Sommer 1944. Die erste Option bot sich beinahe von selbst an, denn es lag nahe, im Süden anzusetzen, dort wo man im Winter sehr erfolgreich gewesen war. Aus der Ukraine heraus gab es die Möglichkeit, in Richtung Südpolen und Balkan vorzustoßen, um das Deutsche Reich von mehreren Verbündeten abzuschneiden. Der zweite Weg aus der Ukraine heraus wäre ein gigantischer Zangenangriff in Richtung Ostsee (vgl. Karte 1, Anhang), um die Heeresgruppe Nord und die Heeresgruppe Mitte abzu- schneiden.6 Doch mittlerweile hatte man auf sowjetischer Seite aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und eingesehen, daß beide Unternehmen die Kräfte der Roten Armee überfordert hätten. Eine dritte Möglichkeit wäre gewesen, im Norden den Hauptschlag zu inszenieren, um Finnland aus dem Krieg zu drängen und das Baltikum zurückzuerobern. Jedoch hätte eine Hauptoffensive im Norden nur einen geringen Teil der Kräfte beansprucht. Außerdem befand man auf Höhe der Heeres- gruppe Nord die deutsche Verteidigung noch für zu stark7. Es wurde jedoch be- schlossen, im Vorfeld der Operation „Bagration“ eine Offensive im Norden zu in- szenieren, um das Interesse der Deutschen dorthin zu verlagern.
Die vierte Möglichkeit war ein Angriff auf die Heeresgruppe Mitte in Weißrußland. Diese Möglichkeit wurde schließlich auch gewählt.
I.2 Die Festlegung auf die Operation „Bagration“ und die Planung der Hauptoffensive des Sommers 1944
Die Grundsatzentscheidung zu Gunsten der vierten Angriffsoption fiel Ende April 1944. Diese Option sah vor, die Heeresgruppe Mitte anzugreifen, da die Vorteile auf der Hand lagen. Ein derartiger Angriff würde im Erfolgsfall die schwach besetzten Feldarmeen der Heeresgruppe Mitte weiter schwächen, die Heeresgruppe Nord ab- schneiden, das eigene Territorium in den Grenzen von 1939 zurückerobern und den Weg nach Warschau und Berlin freimachen. Im Mai 1944 begannen die Marschälle Schukow und Wassilewski, einen Plan für die Operation in Weißrußland auszuarbei- ten. Der Entwurf dieses Planes wurde Stalin am 20. Mai vorgelegt und während einer Konferenz am 22. und 23. Mai diskutiert. Am 31. Mai genehmigte Stalin den Angriff und taufte die Operation auf den Namen „Bagration“ nach einem Helden des Bürger- kriegs von 1812.8
Im Zuge der Gesamtplanung wurde nun auch beschlossen, vorab im Norden eine Offensive zu eröffnen um die Kräfte der Heeresgruppe Nord zu binden.
Der Beschluß, kurze Zeit später die Heeresgruppe Mitte anzugreifen, machte eine Umstrukturierung der Führungsebenen auf sowjetischer Seite nötig. Die Stavka bildete zwei Gruppen, denen die vier an der Operation beteiligten Fronten unterstan- den. Der Gruppe A unter Marschall Wassilewski waren die 1. Baltische und die 3. Weißrussische Front unterstellt, Gruppe B unter Marschall Schukow die 1. und 2. Weißrussische Front. Außerdem mußten die Fronten erheblich verstärkt werden um ein Kräfteübergewicht zu erzielen. Dies stellte einen enormen Anspruch an die Logistik dar, da 40% der russischen Infanteriearmeen und sogar 80% der Panzerarmeen im Süden standen.9 Erschwerend kam hinzu, daß die Verstärkungen aus dem Süden geheim zu den jeweiligen Fronten gebracht werden mußten. Das Gros der Verstärkungen war für die 1. und 3. Weißrussische Front bestimmt, da diese beiden die Offensive eröffnen sollten. Vorgesehen war, die Offensive mit einem Angriff auf Vitebsk (vgl. Karte 2, Anhang) zu eröffnen und die dort konzentrierten deutschen Flankengruppen einzukesseln. Hierfür waren die 1. Baltische und die 3. Weißrussische Front bzw. die 1. Weißrussische Front vorgesehen.
Die 2. Weißrussische Front sollte etwas später frontal die deutschen Truppen bei Mogilev und Orscha angreifen. Dann sah der Plan vor in Richtung Minsk vorzu- stoßen, die Stadt mit der 1. und 3. Weißrussischen Front zangenförmig zu umfassen und dort die Kerntruppen der Heeresgruppe Mitte einzukesseln.10
Um diese Pläne erfolgreich durchzuführen, mußten zwei Voraussetzungen gewähr- leistet werden: Zum einen Geheimhaltung und erfolgreiche Täuschung, zum anderen eine äußerst gute Aufklärung.
Nachdem man alle Informationen und möglichen Ereignisse einkalkuliert und die Planungen abgeschlossen hatte, wurde beschlossen zwischen dem 15. und 20. Juni die Offensive zu starten.
I.3 Die erfolgreiche Geheimhaltung der Vorbereitungen
Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Operation war die Herstellung eines Kräfteübergewichts. Hierfür waren enorme Umgruppierungen und Verstärkun- gen nötig, die von den Deutschen nicht bemerkt werden durften, wenn man den Ü- berraschungseffekt nicht verlieren wollte. Man mußte also enorme Mengen an Ausrüstung aus dem Landesinneren und ganze Armeen aus den Flanken unbemerkt abziehen und zu den drei Weißrussischen Fronten und zur 1. Baltischen Front transportieren.11 Die Umsetzung dieses Vorhabens im genannten Zeitplan war von zwei Faktoren abhängig: Von der Eisenbahn, die durch derartige Anforderungen bis ans Limit beansprucht wurde und von einer erfolgreichen Verschleierung. Um die Geheimhaltung auch zu gewährleisten, beschloss die Stawka am 3. Mai 1944 die Operation „Maskirovka“12. Um die Wehrmacht zu täuschen mußten Angriffsort, An- griffsdatum und die enormen Truppenbewegungen geheim bleiben, was durch ver- schiedene Maßnahmen gewährleistet werden sollte. Zunächst wurden den gesamten Monat Mai hindurch Ablenkungsangriffe und Manöver im Süden durchgeführt, um die Wehrmacht darin zu bestärken, daß der Angriff im Süden zu erwarten sei. Außerdem wurde auf sowjetischer Seite absolute Funkstille gewahrt, die mit drakonischer Disziplin13 eingehalten wurde.
Trotzdem gelang es auf sowjetischer Seite nicht ganz, den Zeitplan einzuhalten, was jedoch nur auf die logistische Überforderung der Eisenbahn zurückzuführen war, die immerhin in kürzester Zeit Verstärkungen in Höhe von 400.000 Mann transportieren mußte.14 So fiel nun der Angriffstermin wie zufällig auf den 22. Juni 1944, den Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion.
I.4 Die Rolle der sowjetischen Aufklärung im Frühjahr 1944
Eine wichtige Rolle für die Gesamtplanung spielten auch die Aufklärungsdaten. Die Aufgaben der sowjetischen Aufklärung waren die Überwachung der Geheimhaltung, die Überwachung von deutschen Truppenbewegungen und die systematische Beo- bachtung der deutschen Verteidigungsstellungen. Wichtig war hierbei, daß keinerlei Informationen durchsickerten, weil die deutschen Reserven in der Ukraine, die „eine beachtliche Streitmacht“15 darstellten, auch in der Ukraine bleiben sollten.
Desweiteren waren genaue Informationen über die deutsche Verteidigung notwendig, um die eigene Planung zu optimieren. Um alle Aufgaben bewältigen zu können setzte die sowjetische Führung auf eine Aufklärung großen Stils. Dazu gehörten sowohl Agenten wie auch Luft,- Boden,- und Funküberwachung.
Zusätzlich gab es im Hinterland der Heeresgruppe Mitte 61 Abhörposten der Partisa- nen, die ständig die Bewegungen und Aktionen der Heeresgruppe in Weißrußland meldeten.
Wie sich zeigte, war die sowjetische Aufklärung bei der Durchführung dieser Aufgaben sehr erfolgreich und damit auch ein Garant für die Operation Bagration, denn es war gelungen, detaillierte Daten über Position, Stärke und die Art der deutschen Verteidigung zu erhalten.16
II. Die Fehler auf deutscher Seite und die daraus entstandenen Folgen
II.1 Die Frage nach Erfolg oder Mißerfolg der deutschen Aufklärung
Auf deutscher Seite war die Aufklärungsarbeit weniger erfolgreich. Detaillierte Daten, wie sie die sowjetische Aufklärung hatte, konnte weder die Abteilung Fremde Heere Ost, noch die militärischen Abwehr ermitteln. Jedoch gibt es in der hier genannten Sekundärliteratur widersprüchliche Meinungen, wieviel die deutsche Aufklärung von den sowjetischen Angriffsvorbereitungen gegenüber der Heeresgruppe Mitte bemerkt hat. Gert Buchheit bezeichnet die deutsche Aufklärungsarbeit während des Rußland- feldzuges generell als erfolgreich. Buchheit schreibt, daß sich im Juni 1944 gefährde- te Räume auf Höhe der Heeresgruppe Mitte abzeichneten und rechtzeitig vor einem sowjetischen Angriff an dieser Stelle gewarnt wurde.17 Auch Seaton und Erickson sprechen davon, daß, trotz der sowjetischen Geheimhaltung, das Eintreffen neuer Verbände aus der Krim und das Auffüllen der Fronten gegenüber der Heeresgruppe Mitte bemerkt worden ist.18
Außerdem erwähnt Erickson eine Agentenmeldung vom 10. Juni 1944, die besagte, daß im Raum Witebsk und Orscha eine Großoffensive in Richtung Minsk zu erwarten wäre.19 Carell schreibt, daß „seit dem 10. Juni in immer stärkerem Maße Meldungen über feindliche Angriffsvorbereitungen vor der Front der Heeresgruppe Mitte einge- hen.“20
Demgegenüber stehen nun die Meinungen, die Glantz und House sowie Kröker ver- treten. Glantz und House meinen, daß die deutsche Aufklärung eindeutig versagt hat, da sie drei neu herangeführte Armeen gegenüber der Front der Heeresgruppe Mitte nicht bemerkte und eine ineffektive Luftaufklärung keine Informationen über den rückwärtigen Raum der sowjetischen Fronten erlangen konnte. Lediglich auf niedrigerer Ebene gab es Vermutungen, jedoch keine bestätigten Ergebnisse.21 Kröker spricht in seiner Dissertation davon, daß auch „der Einsatz aller verfügbaren Aufklärungsmittel, kein Licht in das Dunkel“22 brachte und nicht einmal die deutsche Funkaufklärung gesichertes Material über Verhältnisse, Kräfte und Schwerpunktver- lagerung des Gegners vorweisen konnte. Doch erwähnt auch er, daß zumindest An- haltspunkte, wie die Massierung der Zugbewegungen aus dem Raum Kiew in Richtung Norden, vorhanden waren.23
Eine Gemeinsamkeit haben jedoch alle erwähnten Werke, nämlich daß es zumindest Anzeichen für einen Angriff auf die Heeresgruppe Mitte gab, die auch von den Aufklärungseinheiten bemerkt wurden. An dieser Stelle kommt nun eine Hauptursache für die verheerende Niederlage der Heeresgruppe Mitte zur Sprache, nämlich die Ignoranz der Führungsstellen und von Adolf Hitler selbst.
II.2 Die Fehleinschätzungen Adolf Hitlers und der deutschen Führungsstellen
Trotzdem es kaum gesicherte Aufklärungsergebnisse gab, wurden doch zumindest Anzeichen für eine größere Offensive der Roten Armee gegen die Heeresgruppe Mit- te bemerkt, doch „die militärische Führung hat sie nicht beachtet.“24 Der Chef der Abteilung Fremde Heere Ost, Oberst Gehlen, erwartete den sowjetischen Haupt- schlag im Süden, entweder in Richtung Balkan, oder in Richtung Ostsee (vgl. I.1). Auch als er Mitte Juni einräumen mußte, daß „ein Ansatz stärkerer Kräfte über den oberen Pripjet gegen die tiefe Flanke der Hgr Mitte nicht ausgeschlossen werden könnte“25, wich er nicht von seiner vorgefaßten Meinung ab, daß die Frontlinie der Heeresgruppe Mitte in diesem Sommer nur ein Nebenschauplatz sein würde. Als Begründung dafür nannte Gehlen fehlendes Kräftepotential auf Seiten der Roten Armee. Der Hauptfehler Gehlens bzw. seiner gesamten Abteilung war wohl derselbe wie bei Adolf Hitler: Zur Beurteilung der eigenen Lage „benutzte Fremde Heere Ost nur diejenigen Informationen, die ihr ins Konzept paßten.“26 Die Abteilung Fremde Heere Ost ignorierte demnach nicht nur die Anzeichen für eine sowjetische Offensive auf die Heeresgruppe Mitte, sondern beging auch den Fehler, das Kräftepotential der Roten Armee bei weitem zu unterschätzen.
Auch im Führerhauptquartier und in der Wehrmachtsführung ist man „geblendet von dem Phantom einer Weichsel-Ostsee-Operation“27 so daß die Anzeichen für einen Angriff auf die Heeresgruppe Mitte kurzerhand zu Täuschungsmanövern erklärt wer- den. Also erwartete man sowohl im Führerhauptquartier, wie auch in der Wehr- machtsführung den Hauptstoß der Roten Armee im Süden und beharrte darauf, daß die Angriffsvorbereitungen auf die Heeresgruppe Mitte nur eine Nebenoperation dar- stellten. Diese Meinung wurde kurzzeitig revidiert, nachdem der Angriff erfolgt war, doch am 24 Juni glaubte man „im Führerhauptquartier nicht mehr, daß es sich um die große Sowjetoffensive handelt..“28 Es stellte sich jedoch schnell heraus, daß man die Rote Armee unterschätzt hatte.
Außerdem lenkten sowohl die Sowjetische Karelienoffensive (Beginn: 10. Juni 1944), als auch die Front in Italien und die Invasion der Westalliierten (6. Juni 1944) in der Normandie die Aufmerksamkeit der deutschen Führung ab. Diese Vernachlässigung der Mittelfront zugunsten der anderen Kriegsschauplätze war ein weiterer entscheidender Fehler der deutschen Führung.
Schließlich kam noch die Ansicht Hitlers über die Ziele eines Krieges hinzu. Hitler selbst hatte seine Angriffsoperationen nach wirtschaftlichen Zielen geplant und daher das Donezgebiet und den Kaukasus wegen Öl, Kohle und Stahl als „die Schlacht- felder der Entscheidung angesehen.“29 So sah er nun auch die Wichtigkeit Südost- europas als wirtschaftliches Ziel. Da er selbst seine Prioritäten bei den wirtschaft- lichen Faktoren setzte, unterstellte er seinem Gegner Stalin dasselbe. Aus dieser falschen Einschätzung heraus legte er sich darauf fest, daß der sowjetische Haupt- angriff im Süden kommen mußte.
In die Reihe der Fehler Adolf Hitlers fügte sich auch sein Befehl Nr. 11 vom 8. März 1944 ein, den er im Mai auf die Städte Bobruisk, Orscha, Mogilew und Vitebsk präzisierte, indem er diese zu festen Plätzen erklärte. Dieser Befehl definiert die Aufgabe der festen Plätze: „Sie haben sich einschließen zu lassen und dadurch möglichst starke Feindkräfte zu binden!“30
Zusammen mit diesem Befehl sprach Adolf Hitler noch ein kategorisches Rückzugsverbot aus.
Die Summe dieser Fehleinschätzungen zog Konsequenzen nach sich, die sich zu Beginn der Operation „Bagration“ verheerend auswirkten und rückwirkend betrachtet kriegsentscheidend waren.
II.4 Die Folgen dieser Fehleinschätzungen
Da die sowjetischen Geheimhaltungsmaßnahmen und Ablenkungsmanöver der Wehrmacht erfolgreich das Bild vermittelten, daß der Generalangriff der Roten Armee im Süden stattfinden würde, wurde der Großteil der deutschen Reserven im Raum der Heeresgruppen Nord- und Südukraine konzentriert. Diese Reserven umfaßten also vor allem Panzerverbände, nämlich vier Panzerkorps und zwei Panzergrenadierdivisionen. Zum Vergleich: In der Reserve der Heeresgruppe Mitte befand sich zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Panzerdivision.31
Das bedeutete, daß die Frontlinie der Heeresgruppe Mitte, die außerdem den Winter nicht zur Erholung hatte nutzen können, im Verhältnis zu ihrer Länge viel zu schwach besetzt war und auf keine nennenswerten Reserven im rückwärtigen Raum zurückgreifen konnte. Die Frontlinie der Heeresgruppe Mitte erstreckte sich als 1200 km langer Frontbogen von Vitebsk im Norden bis nach Brest32 (vgl. Karte 2, Anhang) Durch den oben genannten Führerbefehl Nr. 11 wurden die Frontlinien noch weiter entblößt, da die Heeresgruppe Mitte sechs ihrer vierzig Divisionen abstellen mußte, um die oben genannten Orte zu Festungen auszubauen.
Weitere Kräfte der Heeresgruppe waren im rückwärtigen Raum durch die ständige Bedrohung des Nachschubs durch Partisanen gebunden und alle verfügbaren Luftwaffenreserven nach Frankreich abkommandiert worden, um dort die Invasion der Westalliierten abzuwehren.
Unter diesen Umständen ist es der Roten Armee auch gelungen, ein deutliches Kräfteübergewicht sowohl an Kämpfern, als auch an Material herzustellen und die Lufthoheit zu erringen.
In Zahlen waren das etwa 1,4 Mio Soldaten in 140 Divisionen und 24 Panzerbriga- den auf sowjetischer Seite gegen ungefähr 850.000 Soldaten in 40 Divisionen und 2 Panzerdivisionen auf Seiten der Heeresgruppe Mitte. Unter derartigen Voraus- setzungen war es nicht verwunderlich, daß die Heeresgruppe Mitte, nachdem am 22. Juni 1944 der Angriff der Roten Armee begonnen hatte, innerhalb von wenigen Wochen überrannt wurde und zusammenbrach.
III. Die Operation Bagration
III.1 Die Rolle der Partisanen
Die Partisanenbewegung in Weißrußland hatte ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg der Operation Bagration. Im Frühjahr 1944 kämpften etwa 140.000 Partisanen als straff organisierte Bewegung unter der Führung der Kommunistischen Partei im rückwärtigen Raum der Heeresgruppe Mitte. In Weißrußland bot sich in den Wäldern und Sümpfen eine ideale Umgebung für Partisanentätigkeit, die es den deutschen Truppen schwer machte gegen die Bedrohung vorzugehen. Die Tätigkeit der Partisanen stieg ab April 1944 kontinuierlich an, obwohl die Antipartisaneneinhei- ten der SS in zwei groß angelegten Aktionen mit den Namen „Frühlingsfest“ und „Regenschauer“ relativ erfolgreich waren, was Verhaftungen und Aufdeckung be- traf.33 Doch auch diese Erfolge konnten die Partisanentätigkeit nicht einschränken; sie hatten sogar noch den Nachteil, daß eine erhebliche Anzahl von Kräften gebun- den wurde. Die Partisanen blieben dennoch eine permanente Bedrohung und kon- trollierten weite Teile des Landes. Die unterbesetzten Sicherungstruppen der Wehr- macht mußten sich darauf beschränken die Hauptverkehrslinien zu sichern.
Während der Operation Bagration hatte der zentrale Partisanenstab den Befehl, be- stimmte Landesteile zu befestigen, um Rückzugskorridore für die deutschen Truppen zu schaffen, die durch sowjetische Verbände schnell verschlossen werden konnten. Im Vorfeld des Angriffs, ab der Nacht vom 19. auf den 20. Juni begannen die Partisanen groß angelegte Aktionen gegen die Versorgungslinien der Heeresgruppe Mitte. Schwerste Schäden, vor allem am Schienensystem, ließen den Nachschub der Heeresgruppe fast vollständig zum Erliegen kommen.34
Auch diese Partisanenaktionen waren ein Faktor für den Erfolg des sowjetischen Angriffs, der am 22. Juni 1944 um 5.00 Uhr Morgens begann.35
II.2 Der Verlauf der Offensive bis zum 14. Juli 1944
Die 1. Baltische Front eröffnete die sowjetische Offensive mit schwerem Artillerie- feuer und massiven Luftangriffen gegen die dritte Panzerarmee im Raum Vitebsk. Innerhalb von zwei Tagen gelang es ihr das LIII. Korps, welches den „festen Platz“ Vitebsk halten sollte, von Norden her einzuschließen. Als sich am 25. Juni westlich der Stadt die Flanken der 1. Baltischen und der 3.Weißrussischen Front trafen, waren 35.000 Deutsche in Vitebsk gefangen. Ein Ausbruchsversuch scheiterte „und das LIII. Korps ... hört auf zu bestehen.“36 Nun begann die 1. Baltische Front einen Angriff auf die Südflanke der Heeresgruppe Nord, hauptsächlich um Entlastungsver- suche aus dem Norden zu unterbinden Die 3. Weißrussische Front hatte am 23. Juni die rechte Flanke der 3. Panzerarmee angegriffen und nach drei Tagen Orscha erobert. Daraufhin begann man den Vor- stoß auf Minsk als nördlicher „Umfassungsarm“, wie es geplant war (vgl. I.2).
Der zweite geplante „Umfassungsarm“, die 1. Weißrussische Front, begann am 24. Juni und schloß bis zum 27. Juni Bobruisk und damit den Großteil der 9. Armee ein. Dann begann auch hier der Vorstoß auf Minsk. Während also die beiden erstge- nannten Fronten Minsk umfassen sollten, bestand die Aufgabe der 2. Weiß- russischen Front zuerst in einem Angriff auf Mogilew, welches bis zum 28. Juni eben- falls erobert wurde. Danach sollte ein Frontalvorstoß auf Minsk durchgeführt werden. Ein kurzes Fazit am 27. Juni zeigt, wie verheerend die Lage in Weißrußland war. An diesem Tag begriff Adolf Hitler „vielleicht zum ersten Mal, daß die Front seiner Hee- resgruppe Mitte weit aufgerissen war...“37 und enthob den Befehlshaber der Heeres- gruppe Mitte, Feldmarschall Busch, seines Kommandos. Zu diesem Zeitpunkt waren sowjetische Panzer und Kavallerie schon tief in deutsches Gebiet vorgestoßen, die zu Festungen erklärten Städte waren schon gefallen oder im Begriff dazu und die 3. Panzerarmee und die 9. Armee waren entweder eingeschlossen oder schon ver- nichtet.
„Die sowjetische Sommeroffensive hatte bereits nach wenigen Tagen die Hgr Mitte in ihren Grundfesten erschüttert und damit gleichzeitig die gesamte deutsche Ostfront in dem bestehenden Verlauf in Frage gestellt.“38
Als Feldmarschall Model am 28. Juni die Heeresgruppe übernahm und gleichzeitig aber Befehlshaber der Heeresgruppe Nordukraine blieb, versuchte er verzweifelt die Katastrophe, die sich zu diesem Zeitpunkt schon mehr als andeutete, zu verhindern. Er begann die Panzerdivisionen seiner Heeresgruppe Nordukraine zur Heeresgruppe Mitte zu verlegen, spielte damit jedoch den Plänen der Stavka in die Hände, da diese Reserven nur wenige Wochen später beim Angriff der Roten Armee auf die Heeres- gruppe Nordukraine fehlten.39
Schließlich „erkannte Model, daß die sowjetischen Angriffsziele viel weiter lagen“ und mußte „zugeben, daß er weder Minsk halten, noch viele der eingeschlossenen Teile der 4. und 9. Armee retten könne.“40 Diese waren im Zuge des unaufhaltsamen Vormarsches der Roten Armee in einem großen Kessel östlich von Minsk eingeschlossen (etwa 100.000 Mann).
Spätestens ab dem 28. Juni hatten die Kämpfe ohnehin eher den Charakter einer Verfolgungsjagd gehabt, denn weder die 2., noch die 4. oder die 9. Armee bestanden noch als zusammenhängender Kampfverband, außerdem erlitten die deutschen Truppen schwere Verluste durch die Rote Luftwaffe. Unter diesen Voraussetzungen war es nicht zu verhindern, daß die Rote Armee am 4. Juli Minsk und bis zum 13. Juli Wilna erobert hatte, denn die Überreste der Heeresgruppe Mitte hatten der Roten Armee nichts entgegenzusetzen. In Deutschland selbst nahmen die Befürchtungen enorm zu. Beispielsweise stand in einem Bericht des SD vom 7. Juli: „Viele Volksgenossen befürchten jedoch, daß wir sie nicht mehr aufhalten könnten. Dieser Vormarsch erinnere zu sehr an unsere Blitzsiege.“41
Am 14. Juli schließlich war das sowjetische Staatsgebiet in den Grenzen von 1939 vom Feind befreit, so daß die Stoßkraft im Mittelabschnitt schwächer wurde. Der Angriff auf die Heeresgruppe Mitte, war „die entscheidende Niederlage im Ost- krieg“42 geworden, und nun begann die Rote Armee dort anzugreifen, wo man es eigentlich auf deutscher Seite erwartet hatte: In Galizien!
III.3 Die Auswirkungen der Operation Bagration
Der Erfolg der Roten Armee in Weißrußland war entscheidend für den weiteren Ver- lauf dieses Sommers, denn vom Gelingen der Operation Bagration, waren die nun einsetzenden Offensiven der Roten Armee abhängig gewesen. „Von da an waren die vollständige Zertrümmerung der deutschen Ostfront und das Überrollen des deutschen Ostens durch die Rote Armee nur noch eine Frage der Zeit.“43
In der deutschen Ostfront war eine 400 km breite Lücke entstanden, die der Roten Armee den Zugang zum Baltikum und nach Ostpreußen ermöglichte, denn von der Heeresgruppe Mitte waren nur noch die Flügel verblieben. Von 40 Divisionen am 22. Juni waren 28 zerschlagen worden. Die Sekundärliteratur nennt Zahlen zwischen 300.000 und 350.00044 Gefallenen und Vermißte bis 13. Juli, bis Ende Juli nochmals etwa 100.000.
Am Tag der Eroberung von Wilna begann im Süden die 1. Ukrainische Front mit ihrem Angriff auf Lemberg und Sandomierz und fünf Tage später der Angriff auf Lublin und Brest. Die 1. Baltische Front drang im Norden unaufhaltsam zur Ostsee vor und erreichte sie am 28. Juli in der Nähe von Riga.
Die Reserven, die Feldmarschall Model Anfang Juli von der Heeresgruppe Nord- ukraine abgezogen hatte, fehlten nun in Galizien, so daß auch hier nicht an eine er- folgreiche Abwehr der Angriffe zu denken war. So eroberte die Rote Armee schließ- lich am 27. Juli Lemberg, am 28. Juli Brest und in den folgenden zwei Tagen wurden die ersten Brückenköpfe an der Weichsel errichtet. Am 30. Juli kam der sowjetische Vormarsch vorerst zum Stehen. Die letzte Sommeroffensive des Jahres 1944, die Iassy-Kishinev Operation begann am 20. August. Im Zuge dieser Offensive auf Rumänien verlor die Heeresgruppe Südukraine zwei rumänische Armeen und die 6. Armee. Auch die wichtigen Ölfelder bei Ploesti gingen verloren.
C Schluß
Der Sommer 1944 war nicht nur für die Heeresgruppe Mitte, sondern auch für die gesamte Ostfront gekennzeichnet durch verheerende Niederlagen. Die Heeresgrup- pe Mitte erlitt eine Niederlage, die „Stalingrad weit in den Schatten“45 stellte. Das Fiasko, das die Heeresgruppe Mitte in Weißrußland erlebte, hatte zwar nicht die Symbolik von Stalingrad erlangt, doch waren die Ausmaße noch katastrophaler. Die Mittelfront war mit enormen Verlusten zusammengebrochen, so daß sich die personelle Lage des gesamten Ostheeres noch weiter verschärfte. Die Rote Armee begann „mit diesem, wohl auch für sie selbst überraschend schnellen Erfolg ... die Gunst der Stunde ausnutzend“46 weiter nach Westen vorzustoßen.
Diese Entwicklung hatte mehrere Ursachen: Erstens die Kette von katastrophalen Fehlern und Fehleinschätzungen auf deutscher Seite. Eine Teilschuld muß sicherlich der Aufklärung gegeben werden, da sie zwar Anzeichen des sowjetischen Auf- marsches vor der Heeresgruppe Mitte entdeckte, aber keine gesicherten Ergebnisse vorweisen konnte. Es stellt sich jedoch die Frage, ob gesicherte Ergebnisse nicht auch ignoriert worden wären. Denn die militärische Führung und Adolf Hitler selbst hatten sich in die Idee verrannt, daß der Hauptschlag der Roten Armee im Süden stattfinden würde. In Folge dessen lagen fast sämtliche Reserven des Ostheeres im Süden, während die Front der Heeresgruppe Mitte entblößt, ohne nennenswerte Reserven und im Verhältnis zur Anzahl der Soldaten viel zu lang war.
Ebenso entscheidend war die Strategie der festen Plätze, die es der Roten Armee immer wieder erlaubten, große deutsche Verbände einzuschließen und ohne be- sondere Mühe zu liquidieren. Die Konzentration der deutschen Luftwaffe im Westen garantierte der Roten Armee die unumschränkte Lufthoheit, die sie zu Angriffen nutz- te, die „mit Recht als mörderisch bezeichnet wurden.“47
Auch der Anteil der Partisanen am Erfolg war nicht gering. Die Angriffe auf die Ver- sorgungslinien der Heeresgruppe Mitte vor und während der Offensive, störten den Nachschub erheblich und banden zudem Kräfte im rückwärtigen Raum.
Weitere Gründe sind auf sowjetischer Seite zu finden. Die Aufklärung hatte genaue Kenntnisse über die Heeresgruppe Mitte, was Stärke und Stellung der einzelnen Einheiten anbelangte. An Hand dieser Daten konnte die Angriffsplanung optimiert werden.
Die Maßnahmen zur Geheimhaltung von massiven Truppentransporten, sowie von Angriffsort und Datum waren ebenfalls erfolgreich. Zwar liess es sich nicht vermeiden, daß auf deutscher Seite zumindest Anzeichen einer Offensive wahrgenommen wurden, doch gelangten keine genauen Informationen in die Hände der Deutschen. So konnte die Rote Armee schließlich auch mit dem angestrebten Kräfteübergewicht die Operation Bagration beginnen.
Abschließend ist zu sagen, daß alle oben zusammengefaßten Faktoren zum Zusammenbruch der Heeresgruppe mehr oder weniger entscheidend beigetragen haben. Ein Hauptgewicht liegt aber bei den Fehleinschätzungen der deutschen Führung und Adolf Hitler. Die Niederlage war zu diesem Zeitpunkt schon unvermeidlich, doch das katastrophale Ausmaß der Niederlage und die gigantischen Verluste an Menschenleben wären in diesem Umfang zu vermeiden gewesen.
[...]
1 Die Tagebücher von Josef Goebbels. Teil II Diktate 1941-1945. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Rußlands. Hg. von Elke Fröhlich. Bd. 12, April - Juni 1944. Bearb. von Hartmut Mehringer. München 1995, S. 551
2 Seaton, Albert: Der russisch-deutsche Krieg 1941 - 1945. Hg. von Andreas Hillgruber und Hans-Adolf Jacobsen. Frankfurt am Main 1973, S. 329
3 Carell, Paul: Verbrannte Erde. Schlacht zwischen Wolga und Weichsel. Frankfurt 1966, S. 426
4 vgl. Glantz, David M./House, Jonathan M.: When Titans clashed: How the red army stopped Hitler. Lawrence 1995, S. 195
5 vgl. Erickson, John: The Road to Berlin. Continuing the History of Stalin’s war with Germany. Boulder 1983, S. 191
6 vgl. Carell, S. 429
7 vgl. Glantz/House, S. 195
8 vgl. Glantz/House, S.196
9 vgl. Erickson, S.192
10 vgl. Telpuchowski, Boris Semjenowitsch: Die Sowjetische Geschichte des großen Vaterländischen Krieges 1941 - 45. HG. von Andreas Hillgruber und Hans-Adolf Jacobsen. Frankfurt am Main 1961, S.364f. und: vgl. Glantz, David M.: The role of intelligence in soviet Military Strategy in World War II. Novato 1990, S.142
11 vgl. Erickson, S. 204
12 vgl. Glantz/House, S. 203 und: vgl. Erickson, S. 204
13 vgl. Glantz/House, S. 203
14 vgl. ebenda, S. 198
15 Carell, S. 430
16 vgl. Glantz, S. 165
17 vgl. Buchheit, Gert: Der deutsche Geheimdienst - Geschichte der militärischen Abwehr. München 1966, S.359f
18 vgl. Seaton, S. 328f. und: Erickson, S.211
19 vgl. Erickson, S.211
20 Carell, S.430
21 vgl. Glantz/House: S. 203
22 Kröker, Thomas: Fehleinschätzung der sowjetischen Operationsabsichten im Sommer 1944. Der Zusammenbruch der Hgr. Mitte. Diss. Phil. Albert-Ludwigs-Universität. Freiburg i. Br. 1984, S. 62
23 vgl. Kröker, S. 65ff.
24 Buchheit, S. 360
25 Kröker, S.54
26 ebenda, S. 76
27 Carell, S.430
28 Die Tagebücher von Josef Goebbels, Bd. 12, S.542
29 Carell, S.428
30 Der zweite Weltkrieg. In Bildern und Dokumenten. Hg. von Hans Adolf Jacobsen und Hans Dollinger. Bd. 3. Sieg ohne Frieden 1944 -1945. München 1962, S.37
31 vgl. Carell, S. 430ff.
32 vgl. Seaton, S.328f.
33 vgl. Erickson, S.215
34 vgl. Carnell, S. 431
35 vgl. Erickson, S.216
36 Seaton, S.334
37 ebenda, S.335
38 Kröker, S.297
39 vgl. ebenda. S.337
40 ebenda, S.336
41 Meldungen aus dem Reich 1938 - 1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Bd. 17, 4. Mai 1944 - März 1945. Hg. von Heinz Boberach, S.6638
42 Hillgruber Andreas: Der Zusammenbruch im Osten 1944/45 als Problem der deutschen Nationalgeschichte und der europäischen Geschichte. Hg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der wissenschaften, Düsseldorf 1985, S.14
43 ebenda, S.14
44 vgl. Hillgruber, S.14 und: Carnell, S.451
45 ebenda, S.14
46 Kröker, S.326
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt dieser Analyse?
Diese Analyse befasst sich mit dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte während der Operation "Bagration" im Sommer 1944. Sie untersucht die sowjetischen Planungen und Vorbereitungen, die deutschen Fehleinschätzungen, die Rolle der Partisanen und die Auswirkungen der Offensive.
Welche alternativen Angriffsmöglichkeiten hatte die Rote Armee im Jahr 1944?
Die Rote Armee erwog vier Hauptoptionen: einen Angriff im Süden in Richtung Südpolen und Balkan, einen Zangenangriff in Richtung Ostsee zur Einkesselung der Heeresgruppen Nord und Mitte, eine Offensive im Norden, um Finnland aus dem Krieg zu drängen, oder einen Angriff auf die Heeresgruppe Mitte in Weißrussland. Die letzte Option wurde schließlich gewählt.
Warum entschied sich die Sowjetunion für die Operation "Bagration"?
Die Entscheidung für den Angriff auf die Heeresgruppe Mitte beruhte auf der Annahme, dass ein Erfolg die deutschen Kräfte schwächen, die Heeresgruppe Nord abschneiden, das eigene Territorium zurückgewinnen und den Weg nach Warschau und Berlin ebnen würde.
Welche Rolle spielte die sowjetische Geheimhaltung bei der Operation "Bagration"?
Die Geheimhaltung war entscheidend für den Erfolg der Operation. Die Sowjets führten die Operation "Maskirovka" durch, um die Deutschen über den Ort und Zeitpunkt des Angriffs zu täuschen. Sie führten Ablenkungsangriffe im Süden durch und wahren absolute Funkstille.
Was waren die Hauptfehler der deutschen Seite?
Die Hauptfehler der deutschen Seite waren Fehleinschätzungen von Adolf Hitler und der deutschen Führungsstellen, die den Hauptangriff der Roten Armee im Süden erwarteten. Sie ignorierten Anzeichen für eine Offensive gegen die Heeresgruppe Mitte und unterschätzten das Kräftepotential der Roten Armee. Hinzu kam Hitlers Befehl Nr. 11, Städte zu festen Plätzen zu erklären, was die Frontlinien zusätzlich entblößte.
Welche Rolle spielten die Partisanen bei der Operation "Bagration"?
Die Partisanenbewegung in Weißrussland spielte eine wichtige Rolle, indem sie Versorgungslinien störte, Rückzugskorridore für die Deutschen schuf und Kräfte im rückwärtigen Raum band.
Was waren die Auswirkungen der Operation "Bagration"?
Die Operation "Bagration" führte zum Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte und riss eine 400 km breite Lücke in die deutsche Ostfront. Dies ermöglichte der Roten Armee den Zugang zum Baltikum und nach Ostpreußen und eröffnete den Weg für weitere Offensiven im Sommer 1944.
Welche Verluste erlitten die Deutschen bei der Operation Bagration?
Die Verluste der Heeresgruppe Mitte waren enorm. Bis Mitte Juli werden die Gefallenen und Vermissten auf 300.000 bis 350.000 geschätzt, bis Ende Juli kamen nochmals ca. 100.000 Mann hinzu.
- Quote paper
- Sören Christensen (Author), 2000, Die Operation Bagration - Ursachen und Verlauf des Zusammenbruchs der Heeresgruppe Mitte 1944, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101128