Inhaltverzeichnis
Einleitung
1. „Der Tod der Natur“
2. Zur naturrechtlichen Debatte
3. Lockes Naturrecht
4. Lockes politische Theorie
5. Mechanismus und Aufklärung
Literatur
„ Ratio wird zur irrationalen Autorität. “1
Einleitung
Die historische Kritik an den modernen (Natur-) Wissenschaften ist eine, die sich an die Philosophie der Aufklärung hält. Schon für Adorno und Horkheimer war der Ausgangspunkt ihrer Dialektik der Aufklärung Francis Bacons Konzeption der experimentellen Philosophie. Sie schreiben: „Die glückliche Ehe zwischen dem menschlichen Verstand und der Natur der Dinge, die er [Bacon, Anm. T.K.] im Sinne hat, ist patriarchal: der Verstand, der den Aberglauben besiegt, soll über die entzauberte Natur gebieten. Das Wissen, das Macht ist, kennt keine Schranken, weder in der Versklavung der Kreatur noch in der Willfährigkeit gegen die Herren der Welt.“2 Aufklärung wird verstanden als ein Projekt, das dem Mythos entgegensteht und die Vernunft zur ordnenden Hüterin des gesellschaftlichen Zusammenlebens und des Umgangs mit Natur macht.
Horkheimer und Adorno waren möglicherweise die ersten, die die Ambivalenz dieser Entwicklung erkannten und versuchten aufzuzeigen. Ihr Interesse lag gleichwohl bei der philosophischen Konsequenz dieser Bewegung: sie endete (bzw. würde enden), sofern sie sich nicht radikal auf ihre Selbstkritik einließe, in einem „integralen Etatismus“3 oder einer total verwalteten, kulturindustriellen Welt.4 Aber die Kritik an der Aufklärung, ohne die Wissenschaft im heute verstandenen Sinne nicht denkbar wäre, wurde darüber hinaus prolongiert. Was Horkheimer und Adorno feststellten, dass nämlich die Vernunft selbst sehr bald für dogmatische Setzungen einstand, und bestimmte Motive und Bilder, die in ihrem Namen in die gesellschaftliche Realität umgesetzt werden sollten, selbst nicht von Freiheit, sondern von Ungleichheit und neuerlicher Ungerechtigkeit determiniert waren, blieb Thema kritischer Einwürfe.
Dass dabei das prinzipielle Festhalten an der Aufklärung nicht unbedingt immer nachvollzogen wurde, ist zumindest nicht überraschend. Oftmals war die Kritik dann auch nur ein Umschlagen in neuen Mystizismus oder ein moralisches Aufbegehren. Das Entscheidende bei der Kritik an der Entstehung der Wissenschaften aber war die Einsicht, dass hier einerseits etwas Neues gewagt (gedacht) wurde, zugleich aber dieses Neue nicht unabhängig von gesellschaftlichen Transformationen und Machtkonstellationen war. Insofern ist Carolyn Merchants Buch „Der Tod der Natur“5 ein hervorragendes Beispiel, wie eine solche Kritik auszusehen hat.
Merchant, der es nach eigener Darstellung darum geht, „die Wertvorstellungen zu prüfen, die im Zusammenhang mit der Entstehung unserer modernen Welt mit dem Bild von der Frau bzw. von der Natur verbunden waren,“6 entwirft in einer sehr detaillierten Studie die Transformation im Denken über Natur von der Renaissance in die Neuzeit des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Sie nimmt dabei ein Begriffspaar her, das diese Transformation kennzeichnen soll: wie „statt des ‚Organismus’ die ‚Maschine’ zur leitenden Metapher wurde, die Kosmos, Gesellschaft und Ich zu einer einheitlichen kulturellen Wirklichkeit - einer Weltanschauung - verschmolz [...].“7 Vom Organismus zur Maschine - das sind die für Merchant leitenden Begriffe, anhand derer sie versucht, den historischen Zusammenhang zwischen Wissenschaften, der Verdrängung der Natur und der gesellschaftlichen Behandlung der geschlechterspezifisch determinierten Rolle Frau zu verfassen. Freilich birgt der Begriffsdualismus Organismus - Maschine Probleme in sich, auf die später einzugehen sein wird. Zunächst sei aber das Buch in kurzen Zügen wiedergegeben.
1. „Der Tod der Natur“
Merchant beginnt ihre Untersuchung in der Renaissance. Ihre These zu Beginn lautet, dass gesellschaftliches Denken vor Anbruch der Neuzeit zumindest in der europäischen Geschichte immer organisch gewesen sei. „Das organische Rahmenwerk wirkte viele Jahrhunderte lang hinreichend integrativ, um kommerzielle Entwicklung und technische Innovation aufzufangen; zuletzt aber begann die im 16. und 17. Jahrhundert im ganzen westlichen Europa zu beobachtende Beschleunigung dieses Wandels, die Vorstellung der organischen Einheit von Kosmos und Gesellschaft zu erschüttern. Da die Bedürfnisse und Zwecke der Gesellschaft als ganzer sich mit der Revolution von Handel und Wirtschaft veränderten, waren die mit dem organischen Naturverständnis verbundenen Werte nicht länger brauchbar, und so geriet die Plausibilität dieses Begriffsrahmens selbst allmählich in Zweifel.“8
Das Denken über Natur wird verankert in der gesellschaftlichen Verfasstheit, und als diese sich radikal zu ändern beginnt, wandelt sich auch das Denken, da die bisherigen Schemata und Konzepte nicht mehr recht die neue Dynamik des anstehenden Gesellschaftssystems zu erklären imstande sind. Natürlich waren es immer verschiedene Konzepte, die Merchant ausmacht, und die innerhalb des organischen Denkens ausformuliert wurden. Aber, um die Grundlagen dieses organischen Denkens darzulegen: ausgegangen wurde von einer Einheit mit der Natur, zugleich war die Gesellschaftsmodelle ohne jede historische Dynamik, wie ein statischer Naturzustand.
Innerhalb des Rahmens unterscheidet Merchant zwischen „drei Varianten der organischen Theorie - die hierarchische, die kommunale und die revolutionäre [...]“9, wobei diesen dreien natürlich eine unterschiedliche Gesellschaftskonzeption vorschwebte. Konzepte wie Neuplatonismus, Naturalismus und Vitalismus betonten, wenn auch in anderen Zusammensetzungen, alle die Einheit in der Natur.10 Wie auch „organische Utopien“ von Thomas Morus und anderen waren sie notwendig starr und eigentlich unflexibel.11 Zugleich müssen gerade die Utopien bereits als Reaktion auf die Herausforderungen einer neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit verstanden werden, wie sie sich in gewissen Teile n Europas seit dem Hochmittelalter herauszukristallisieren begann.
Diese neue Wirklichkeit wurde auch von jenen antizipiert und begierig aufgenommen, die in der Folge das in die antike Philosophie verweisende Renaissance-Denken heftig bekämpften. Eine bezeichnende Stelle führt Merchant an, wenn sie Kepler zitiert: „Mein Ziel ist, zu erweisen, dass die Himmelsmaschine nicht einem göttlichen Organismus zu vergleichen ist, sondern einem Uhrwerk.“12 Die Zielsetzung dieser neuen, revolutionären Philosophie war zweierlei: einerseits eine vollständige Erklärung und logische Strukturierung der Welt; andererseits die Erklärung und Rechtfertigung der Herrschaft des (männlichen) Menschen über die Natur und die Gesellschaft, die Konstituierung einer neuen patriarchalen Ordnung.
Es ist die stärkste Phase des Buches von Merchant, wenn sie dies aufzeigt und logisch argumentiert. An die Stelle verschiedener Debatten zu verschiedenen Themen (die am besten unter die komplexen Bereiche des Naturrechts als gesellschaftstheoretische Auseinandersetzung und der Naturwissenschaften geordnet werden können) tritt bei ihr die Zusammenfassung der mechanistischen Denker, die sich nach ihrer gut argumentierten Meinung nicht in die eben erwähnten Kategorien einteilen lassen, sondern diese Kategorien vielmehr als verschiedene Aspekte eines Erkenntnisinteresses hatten. (Nur so lässt sich beispielsweise augenscheinlich erklären, warum Thomas Hobbes, der heute hauptsächlich als politischer Denker firmiert, tatsächlich mehr in Richtung Naturwissenschaft gedacht und geschrieben hat.) Die philosophische Tradition war der Grund, warum die heute übliche Differenzierung in bestimmte Bereiche (‚Disziplinen’) schlichtweg noch nicht existierte. Als Universalgelehrte verstanden sich damals alle bedeutenden Männer des Geistes, und, so sie sich durch die patriarchale Gesellschaft hoch gekämpft hatten, galt dies auch für die wenigen weiblichen Gelehrten.13 Auch das Erkenntnisinteresse der mechanistisch inspirierten Gelehrten war darauf gerichtet, eine (wenn auch ganz andere als die bisher bekannten) Welterklärung zu leisten. Rationalität stellte dabei das Rüstzeug und stand zugleich für die Überzeugung, eine allgemeine Epistemologie jenseits gesellschaftlicher Schranken (aber nicht ohne sie!) und ohne göttliche Determination bereiten zu können.
Gesellschaft und Natur waren damals keine abgegrenzten Bereiche, sondern verschiedene Etappen im philosophischen wie wissenschaftlichen Verständnis, das noch stark scholastisch geprägt war. Es ging darum, den Kosmos zu erklären; und die „mechanistische[] Rekonstruktion“14 dachte hier in ihren Anfängen gleich. Gewissermaßen schuldete man dem organischen Denken mehr, als man zuzugeben bereit war: „Aus den [...] organizistischen Philosophien der Renaissancezeit übernahmen die Mechanisten nun (in veränderter Form) gewisse Elemente vom konservativen oder hierarchischen Ende des Spektrums, während sie die radikaleren religiösen und politischen Perspektiven ablehnten. Die Destruktion und Tabuisierung der organischen und animistischen Merkmale zugunsten mechanisch beschreibbarer Elemente war die bedeutsamste und folgenschwerste Konsequenz der wissenschaftlichen Revolution.“15
Es tauchen hier einige Probleme in der Argumentation Merchants auf, auf die nun kurz eingegangen werden sollte. Zum einen betrifft es das zentrale Begriffspaar, das, wenn es auch wohltuend den diskursiven Diskussionsstand zu umreißen scheint, notwendig zu kurz greift, wenn es um differenziertere Auseinandersetzungen mit Schriften von Denkern geht, die nach Merchants Terminologie eindeutig dem mechanistischen Lager zufallen würden. Wir werden später an einem expliziten Beispiel sehen, wie problematisch es ist, dieses berechtigte Begriffspaar überzustrapazieren.
Zum anderen desavouiert Merchant ihre Einsicht in die diskursive Formation zu jener Zeit weiter, wenn sie sich zur Charakterisierung der verschiedenen Einflussnahmen eindeutig modern konnotierter Begriffe wie z.B. „konservativ“ verwendet. Tatsächlich liegt darin eine unzulässige Bewertung der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konzepte nach heutigem Maßstab. In dieser Richtung fällt dann auch auf, dass Merchant einem sehr spezifischen, eigenen Projekt nachgeht. Die Dynamik, die sie sehr wohl erfasst, verkürzt sie im Nachhinein doch wieder nur, weil sie vor allem die negativen Aspekte darin liest und vor allem sich daran stört, was durch die Mechanisierung des Denkens zerstört wurde und was die negativen Seiten dessen waren.
Wenngleich konzeptionelle wie terminologische Schwächen an Merchants Buch bestehen, ist das, was sie aufzeigen möchte, davon erst mal unbehelligt. Merchant sieht nämlich in der Transformation der Weltbilder vom organischen (oder auch organizistischen) zum mechanischen Denken einen massiven gesellschaftlichen Ausschluss von Frauen verortet. Hier nun verknüpft sie eine den neuen gesellschaftlichen Dynamiken geschuldete Revolution im Denken mit gesellschaftseingreifenden Zielsetzungen (was oben bereits ‚spezifisches Erkenntnisinteresse’ genannt wurde). Die Verwissenschaftlichung der Welt und des Menschen anhand mechanistischer Konzepte der neuzeitlichen Philosophie haben nicht nur die Natur zu einem bloß äußerlichen Begriff gemacht, sondern gesellschaftlich Frauen aus bestimmten angestammten Plätzen systematisch vertrieben.16 Frau und Natur, so Merchant, hatten jeweils zwei Gesichter, das der Mutter und das der Hexe. Natur wie Frau schenkten Leben und zerstörten es auch, willkürlich, wie es schien. Es galt: „Die gesetzlose Frau musste, wie die chaotische Natur, unter Kontrolle gebracht werden.“17 Neben den gesellschaftlichen Ausschluss trat daher die Verfolgung vieler Frauen als Hexen. Bekanntlich hatte die Hexenverfolgung bereits in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts voll eingesetzt.18
Zu untersuchen ist, wie die von Merchant vorgetragenen Kritikpunkte an Naturrechtslehren, naturwissenschaftlichen Theoremen und Gesellschaftskonzeptionen zutreffen; zum einen, ob es sich tatsächlich durchgängig um mechanistische Konzeptionen (im Sinne des Wortes Mechanismus und der darein gelegten begrifflichen Bedeutung) handelte, zum anderen, ob die unterstellte politische Motivation dahinter immer durchkommt. Es müsste sich nämlich, nach Merchants Annahme, der zufolge das spezifische Erkenntnisinteresse das mechanistische Weltbild determiniert, auch in Fällen, wo der Begriff des Mechanismus auf eine politische Theorie nicht anwendbar ist, herausstellen, dass dennoch das grundlegende Ausschlussinteresse aufzufinden ist, sofern es sich nicht um eine einigermaßen „subversive Theorie“19 handelte. Merchant zufolge ist das deshalb der Fall, weil über die mechanistische Denkbewegung hinaus in der Gesellschaft selbst das zusammenhängende Bild Frau- Natur eine wesentliche Veränderung erfahren hat: „Nach der wissenschaftlichen Revolution klagt die Natur nicht länger darüber, dass ihr züchtiges Gewand durch den schändlichen Zugriff des Menschen zerrissen wird. […] Aus einer tätigen Lehrmeisterin und Mutter ist ein geistloser, unterwürfiger Körper geworden. Nicht nur dient diese neue Metapher zur Rechtfertigung; die wissenschaftlic he Revolution - das mechanistische Denken - bringt auch Normen hervor, die sich völlig von den Normen des Organizismus unterscheiden. Die neue mechanistische Ordnung […] und die mit ihr zusammenhängenden Werte ‚Herrschaft‘ und ‚Kontrolle‘ […] führen den Tod der Natur herbei.“20
Wesentlich für die Entstehung der Wissenschaften ist demnach, dass hier ein neues Schema der Rezeption überhaupt einsetzte. Das Studium alter Texte wurde ja ebenso beibehalten wie die Diskussion der verschiedenen theoretischen Strömungen untereinander; für Zeitgenossen war es wohl kaum einsichtig, dass hier eine ganz neue Form von Denken entstehen sollte, die sich qualitativ vom bisherigen unterscheiden ließe. Doch nicht nur die Metaphern änderten sich; das war Ausdruck des Wandels. Es wurde die Welt selbst als etwas Träges, Unlebendiges angesehen. Das bedeutet, die grundlegenden Ansichten, die eine Erkenntnistheorie und eine von dieser geleitete Wissenschaftlichkeit erst mit diesem Wandel geschaffen wurden.
Die Rezeption der bisherigen Philosophiegeschichte stand unter dem Druck, Neues erklären zu müssen, sowohl in Bezug auf den Blick auf die Welt als auch in Bezug auf die gesellschaftliche Konstellation. Es war nicht zwingend, dass sich eine mechanistische Philosophie entwickelte, wie Merchant folgerichtig schreibt: „Weder bestimmten die sozialen und historischen Bedingungen den spezifischen Inhalt der mechanistischen Philosophie, noch gaben sie den Anstoß, eine Philosophie in direkter Reaktion auf gesellschaftliche Umstände zu konstruieren; doch trugen sie dazu bei, gewisse Annahmen über die Natur als plausibel erscheinen zu lassen und andere zu entkräften. Der soziale Kontext erklärt, warum Intellektuelle im frühen 17. Jahrhundert sich für bestimmte Ideen ihrer Vorgänger zu interessie ren begannen und sie umformten und ausarbeiteten, um sie in Übereinstimmung mit ihrer eigenen historischen Erfahrung zu bringen. Und innerhalb der einzelnen Gruppen französischer und englischer Naturphilosophen, die die neue mechanistische Philosophie entwarfen, bestätigte der neue Kurs miteinander den eingeschlagenen neuen Kurs.“21
Bringt man das auf den Punkt, so bedeutet es, dass die wissenschaftliche Revolution, die ja nichts anderes ist als die Begründung der Welt nach rationalen Gesichtspunkten, mechanistisch ist; dass die zugrundeliegende Metapher den Ausschluss der Frau und die Veräußerlichung der Natur zugleich zum Zwecke der rationalen Herrschaft und der effektiven Kontrolle andeutete.
Kann die Unterstellung einer Ablöse organizistischen Denkens durch mechanistisches Denken im geistigen Leben Europas des 17. Jahrhunderts tatsächlich umfassend festgestellt werden; und ist die Annahme richtig, dass ein massiver gesellschaftlicher Ausschluss motivierend dahinter stand? Das soll anhand der naturrechtlichen und politischen Theorie eines der bedeutendsten Philosophen des 17. Jahrhunderts diskutiert werden: John Locke. Locke hat in Merchants Buch kaum Gewicht, was auffällig ist. Seine Theorie soll daher nachvollzogen werden und mit dem Konzept Merchants verglichen werden. Ziel ist es, die These Merchants zu überprüfen und zu einer begrifflich differenzierteren Einschätzung ihrer historisch-kritischen Analyse zu kommen.
2. Zur naturrechtlichen Debatte
Wie sehr die Debatten der Renaissancezeit und der Aufklä rung mit den philosophischen Problemlagen der Zeit davor zu tun hatten, zeigt sich anschaulich an einem wesentlichen Aspekt neuzeitlicher Philosophie, dem Naturrecht. Das Naturrecht, so wie es in der Scholastik behandelt wurde, versuchte zunehmend mit dem Dilemma fertig zu werden, dass ein christlicher Gott als oberster Schöpfer die Gestaltung der Menschen prädestinierte und bestimmte, zugleich aber der Vernunft des Menschen als Selbstbestimmung bis zu einem gewissen Grade Platz eingeräumt werden musste. Der Rationalismus hatte von Anbeginn eine doppelte Wirkung innerhalb der Scholastik: zum einen diente er dazu, „dass ein rationales Verständnis des in der Offenbarung ergangenen Wortes Gottes zu erreichen sein müsste“, zum anderen wurde er in weiterer Folge in verschiedenen Auslegungen zu einem subversiven Angriff gegen das Glaubensdogma der Offenbarung: „Etwas radikal anderes ist demgegenüber der Anspruch, die Offenbarung Gottes durch rationale Ergründung so gänzlich einsichtig machen zu können, dass damit der Charakter des Mysteriums einfach aufgehoben wird und folglich Offenbarung wie Glaube als gleichermaßen überflüssig erscheinen. [...] [Dies] schließt die Behauptung in sich, es könne nichts geben, das die Fassungskraft der menschlichen Vernunft schlechthin übersteigt.“22
Die Grundformation in der Naturrechtsdebatte zwischen den Polen Natur und Recht bleibt in der neuzeitlichen Philosophie bestehen bis in den deutschen Idealismus, allerdings verschiebt sich das Verhältnis von Natur und Recht ganz entscheidend. „’Natur’ wird aus einem Begrenzenden und Leitenden zum Verdrängten und Unwesentlichen.“23 Bei Hegel heißt es dementsprechend, dass „das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freiheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht, als eine zweite Natur, ist.“24 Wir sehen hier eine Entwicklung innerhalb der Aufklärung, die in der von Merchant inkriminierten Zeitspanne einsetzt und entscheidende Folgen haben sollte. Gerade in der ‚mechanistischen Wendezeit’ veränderte sich das Denken über Gesellschaft komplett. Die Vernunft sollte zur einzigen Rechtfertigungsgrundlage aller Handlungen werden.
Der von Merchant unterstellte Wandel im Denken hin zu mechanistischen Kriterien entspricht relativ gut der eben angegebenen Transformation in der Philosophie. Die Stärke ihrer Terminologie entfaltet sich besonders unter dem Aspekt, dass die naturrechtliche Debatte nicht für sich genommen wird, sondern - in den sozialen und politischen Kontext ihrer Zeit gestellt - innerhalb der wissenschaftlichen Gesamtkonzepte betrachtet wird. So sind es spezielle Anforderungen einer neuen, dynamischen Gesellschaft, die es notwendig machen, neue Kriterien zu entwerfen. Nach Merchant (und es gibt wenig Grund, ihr daran nicht zu folgen), sind die zwei Hauptanforderungen an eine zeitgemäße Konzeption des Kosmos die Ordnung und die Macht.25 „Ordnung und Macht ergaben gemeinsam Kontrolle. Rationale Kontrolle über Natur, Gesellschaft und Ich [die drei Bestandteile des umfassenden Kosmos, Anm. T.K.] wurde dadurch erreicht, dass man die Realität selbst im Sinne der neuen Maschinenmetapher umdefinierte.“26 In Anknüpfung eines moderaten Skeptizismus der Antike bestritten erste Denker des umfassenden mechanistischen Denkens, v.a. Marin Mersenne, Pierre Gassendi und Réne Descartes, die inhärenten Dynamiken der utopischen organischen Konzepte, während sie die stabilisierenden, statischen Überlegungen der hierarchischen Konzepte wohl übernahmen (oder zum Ausgangspunkt ihrer eigenen Überlegungen machten). Zum anderen „übten sie Kritik an Ideen und Verhaltensweisen, die mit sozialer Gesetzlosigkeit und Anarchie zu tun hatten.“27 Leidenschaften, unkontrollierte Tätigkeiten und unvernünftiges (d.h. von keinem vernünftigen Endzweck getragenes) Handeln wurden geächtet.
In Bezug auf die Verschiebung in der Naturrechtsdebatte bedeutete das, dass die bisher versuchte Festlegung auf das göttliche Prinzip dem der ratio zu weichen hatte. Ebenso wie die Natur blieb Gott bei den modernen Ansätzen zunehmend außen vor. Das bedeutete nicht, dass diese Theorien atheistisch waren, sondern dass Vernunft immer mehr zu einem Substitut für das Göttliche wurde. Der berühmte Zwist zwischen Empirismus und Rationalismus, der erst durch Kants Kritik der reinen Vernunft seine Lösung finden sollte28, entspringt genau dieser Problematik: woher wissen wir, wenn wir etwas als vernünftig betrachten, dass es das (im Sinne Gottes) auch ist? Vom Mittelalter bis in die Renaissance spielte dieses Problem keine Rolle, denn es war in den Vorstellungen dieser Zeiten das göttliche Tableau, dem die Vernunft entsprang, und dieses Tableau wurde als dem Menschen immer schon eingeschrieben angesehen. Erst mit Wegfall des unmittelbaren göttlichen Prinzips (mittelbar, wie gesagt, wurde es von keinem der Gelehrten je ernsthaft angefochten, es wäre auch einer Ketzerei gleichgekommen) konnte es zu so einer Problemlage kommen.
In ihrer Analyse bespricht Merchant keine naturrechtlichen Konzepte direkt. Allerdings diskutiert sie die Erkenntnistheorien der einzelnen von ihr analysierten Gelehrten und kommt dabei zu dem Schluss, dass die frühen, französischen Mechanisten allesamt von mathematischer Logik ausgehend die Welt zu erklären versuchten. Für sie war „die Suche nach Gewissheit das Hauptproblem [...]“29 und sie glaubten, „dass die Mathematik der Schlüssel zum Verständnis sei [...].“30 Tatsächlich entsprach die Hinwendung zum Erkenntnisideal der Mathematik (mos geometricus) unter den Gelehrten des 17. Jahrhunderts einer stillen Übereinkunft. Das kann als die Suche nach einem Ordnungsprinzip verstanden werden. Das göttliche Prinzip, das jedem Menschen eingepflanzt wäre, sollte durch logische Deduktion von jedem Verstandeswesen erkannt werden. In dieser Aussage steckt eine erhebliche, zugleich widersprüchliche Sprengkraft. Einerseits erreichten dadurch theoretisch auch Diskriminierte, gerade Frauen, eine bisher den Männern einer speziellen Klasse vorbehaltene gesellschaftliche Anerkennung; andererseits stellt sich die Frage: wer wird durch den Begriff des Verstandeswesens ausgeschlossen?
Descartes’ Naturphilosophie war noch einfach gestrickt: vor allem Quantitäten machten ihm zufolge das Wesen der Natur aus. Sein recht simpler Dualismus zwischen denkender und ausgedehnter Substanz (res cogitans und res extensa) bildet die Grundlage der modernen Naturwissenschaften31 ; wesentlich sind ihm die eingepflanzten Prinzipien, die es jedem Menschen möglich machten, ein gutes, das heißt ein gottergebenes Leben zu führen. Merchant zufolge bildet das Werk von Thomas Hobbes, im Anschluss an Descartes entstanden, den ersten Höhepunkt mechanistischer Philosophie. Seine Philosophie wird allgemein als mechanischer Materialismus bezeichnet32 und ist weit ausgereifter als die der französischen Mechanisten; für Hobbes geht es in seiner ganzen Philosophie primär um die Frage der Macht. Daher kann seine Philosophie zugleich radikal nominalistisch genannt werden, daher setzt Hobbes als einer der ersten auch einen erkenntnistheoretischen Durchbruch, wenn er zwar an dem scholastischen Substanzbegriff festhält, ihn aber mit Materie gleichsetzt und von dem Akzidentiellen, also der subjektiven Affektion unterscheidet. Die Hinwendung zu einem straffen Gesellschaftswesen, wie es im berühmten Leviathan zum Ausdruck kommt, ist für Hobbes nur die konsequente Umsetzung seiner materialistisch-nominalistischen Philosophie. War das Staatswesen, die Gesellschaft bisher allgemein als Körper gesehen worden, so änderte Hobbes diese Sichtweise in der Einleitung zum Leviathan total: „Denn da das Leben nur eine Bewegung der Glieder ist, die innerhalb eines besonders wichtigen Teils beginnt - warum sollten wir dann nicht sagen, alle Automaten (Maschinen, die sich selbst durch Federn und Räder bewegen, wie eine Uhr) hätten ein künstliches Leben? Denn was ist das Herz, wenn nicht eine Feder, was sind die Nerven, wenn nicht viele Stränge, und was die Gelenke, wenn nicht viele Räder, die den ganzen Körper so in Bewegung setzen, wie es vom Künstler beabsichtigt wurde?“33
In der ideengeschichtlichen Interpretation werden die neuzeitlichen Theorien gemeinhin den Anfängen von Konservativismus bzw. Liberalismus zugerechnet. Allerdings wäre es falsch, den Begriff z.B. des Liberalismus unmittelbar auf die Autoren jener Zeit zu münzen. Wenngleich zum ersten Mal Problemfelder in einer Formation aufgetreten sind, die sich bis heute ähnlich geblieben sind (als Beispiele seien hier Staat, Freiheit, Individuum und ihre Beziehung zueinander genannt), so waren die Ausgangspositionen grundlegend andere, als sie es heute sind. Damals befand sich die aufgeklärte Position in der Rolle der minoritären Opposition zu scholastisch inspirierten Thesen. Das bedeutete, dass die Argumentation zum Gegenstand anders geführt wurde als heute, da die Prämissen der Aufklärung in gewisser Hinsicht weitgehend verwirklicht worden sind. Es sind aber auch erhebliche begriffliche Unterschiede vorhanden, die, werden sie, wie in vielen ahistorischen Interpretationen geschehen, negiert, kaum die Spezifik des z.B. Lockeschen Begriffsapparats verdeutlichen können.34
Tatsächlich kann man ahistorischen Herangehensweisen an (neuzeitliche) politische Theorien entgegenhalten, was der englische Ideengeschichtler Quentin Skinner, der sich um eine historisch- kritische Analyserichtung verdient gemacht hat, vor 30 Jahren bereits so schön formuliert hat: „The surest symptom, in short, of this mythology of prolepsis is that the discussions that it governs are open to the crudest type of criticism that can be levelled against any teleological form of explanation: the action has to await the future to await its meaning.“35 Die von Merchant betriebene Analyse versteht sich, trotz oben angeführter problematischer Begrifflichkeit, als eine historisch-kritische Herangehensweise, das bedeutet, sie denkt die historische Dimension der verwendeten Begriffe mit. Sie leidet allerdings unter dem ebenfalls bereits aufgezeigten Dilemma, die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Strömungen in ein zu wenig flexibles Begriffskorsett einzwängen zu wollen.
Sie begreift daher die angeschnittene Transformation in der naturrechtlichen Debatte falsch. Denn anstatt die gewonnenen Synergieeffekte der Studie, die sie aus dem Zusammendenken von Naturrecht (also der Auseinandersetzung um die Gesellschaft) und Naturwissenschaften gewinnt, dazu zu nützen, die Kritik zu differenzieren und emanzipatorische Ansätze ebenso hervorzustreichen wie neue Macht- und Ausbeutungsverhältnisse des Mechanismus aufzuzeigen, muss sie ihrer eigenen Terminologie zufolge Abstriche in der gesamten Ideengeschichte machen. Nach ihrer eigenen, hier problematisierten Terminologie hebt sie vor allem „konservative“ Denker hervor, vernachlässigt allerdings die im Mainstream so genannten „liberalen“. Da die Unterscheidung selbst aus ideengeschichtlichem Blickwinkel falsch ist, werden wichtige Momente in der damaligen Philosophie unterschlagen, nämlich einmal der Versuch einer Vermittlung gesellschaftlicher Realitäten, die dem neuen Denkschema zufolge gegeneinanderstehen (beispielsweise die Frage nach dem Geschlechterverhältnis, oder die Besitzfrage). Weiter die Dynamik des mechanistischen Weltbildes, das schnell zur Basis, ebenso schnell aber zum Kritikpunkt der damaligen Philosophie wird. Und es werden auch ganze Theorien unterschlagen, die sich zwar auf ähnlichen Motiven wie die von Merchant aufgezeigten, nämlich den Fragen nach gesellschaftlic her Macht und Ordnung, gründen. Sie konstituieren aber auch ein in der Geschichte der Aufklärung typisches, ‚dialektisches’ Gegengewicht, indem sie eine neue Gesellschaftsordnung affirmativ unterstreichen und zugleich neue Probleme im Ordnungsdenken benennen; etwa das Verhältnis Individuum und Staat. Wie weit kann diese Problematisierung aber noch „mechanistisch“ genannt werden?
3. Lockes Naturrecht
In Lockes naturrechtlichem Hauptwerk An Essay Concerning Human Understanding 36, das in der Folge hauptsächlich analysiert werden soll, fällt zuallererst auf, dass der Begriff „Mechanismus“ kaum verwendet wird. Wenn er aber auftaucht, dann in einer eher negativen Konnotation. Mechanisch sei beispielsweise die Wahrnehmung der Pflanzen zu nennen, so „die Drehung der Grannen des Wildhafers bei allmählichem Eindringen von Feuchtigkeit [...]“37. Dagegen hält Locke die Wahrnehmung des Menschen: „Überall also, wo Empfindung oder Wahrnehmung ist, wird wirklich eine Idee erzeugt und ist im Verstand gegenwärtig.“38 Die Fähigkeit, Ideen zu erzeugen, reicht also für Locke zumindest implizit über einen bloß mechanischen Vorgang hinaus.
In einer anderen Passage nimmt Locke allerdings auch positiver auf die Metapher des Körpers als Maschine bezug. In der Diskussion der Identität von Tieren meint er, dass wir „[e]twas dem Ähnliches [...] in den Maschinen vor uns“ hätten: „Denken wir uns diese Maschine als einen einzigen, zusammenhängenden Körper, dessen organisierte Teile durch fortgesetzte Hinzufügung und Loslösung nicht wahrnehmbarer Teile wiederhergestellt, vermehrt oder vermindert werden und der ein gemeinsames Leben führt, so haben wir etwas, was einem Tierkörper sehr ähnlich ist. Der Unterschied besteht nur darin, dass beim Tier die Zweckmäßigkeit der Organisation und der Bewegung, in der das Leben besteht, gleichzeitig beginnen.; denn die Bewegung kommt von innen.“39 Und in Bestimmung der Identität des Menschen folgert Lo>Menschen besteht. Sie besteht nämlich offenbar in nichts anderem als in der Teilnahme an demselben Leben, welches durch beständig in Fluss befindliche Partikel der Materie fortgesetzt wird, die in ihrer Aufeinanderfolge mit demselben organisierten Körper lebensfähig verbunden sind.“40 Wie wichtig die von Locke getroffene Unterscheidung zwischen Körper und Maschine, dass nämlich bei ersterem die Bewegung „von innen“ kommt, ist, lässt sich im Folgenden nur vermuten. An anderer Stelle hebt Locke bei der Unterschied zwischen Tier und Mensch hervor, dass auch Tiere mehr als Maschinen in der Lage seien, Ideen zu bilden.41 Wenn die innere Bewegung also die Fähigkeit ist, Ideen zu bilden, dann ist an einer entscheidenden Stelle in Lockes Naturrechtslehre eine Überschreitung des bloß mechanischen Denkens erfolgt.
Locke definiert an der zuerst angegebenen Passage „Über Identität und Verschiedenheit“ auch die Identität der Person, die er von der Identität des Menschen scharf trennt. Die Identität der Person hat augenscheinlich nicht mehr viel mit der mechanischen Metapher zu tun. Sie definiert sich durch ein (unbestimmt bleibendes) Bewusstsein.42 Es ist anzunehmen, dass in der oben genannten Unterscheidung zwischen Körper und Maschine sowie der Bestimmung einer (bewusstseinsmäßig definierten) Identität der Person, die sic h von der (körperlich definierten) Identität des Menschen unterscheidet, auch ein Verlassen der mechanistischen Metaphorik stattfindet. Man könnte es salopp so formulieren, dass Locke hier das mechanistische Denken über sich hinaus treibt.
Die mechanistische Vorstellung, dass Wahrnehmung, insgesamt: der menschliche Verstand bestimmten Abläufen folgt, ist also auch bei Locke zu finden. Sie dient aber nur noch als Basis einer darüber hinausgehenden Bestimmung des Menschen und seiner Erkenntnisfähigkeit. Die Lockesche Schrift versucht sich von den Cartesianern und insbesondere auch von Hobbes explizit zu unterscheiden: sie widerstreitet die Annahme, dass es dem Menschen von Anbeginn eingepflanzte Prinzipien gebe, seien sie moralischer, spekulativer oder praktischer Natur.43 Damit bestreitet Locke zugleich die Annahme, dass der menschliche Wahrnehmungsapparat ausnahmslos wie eine Maschine funktioniere; an einer berühmten Stelle definiert er den menschlichen Verstand als einen „dunklen Raum“. „Denn meines Erachtens ist der Verstand einem Kabinett gar nicht so unähnlich, das gegen das Licht vollständig abgeschlossen ist und in dem nur einige kleine Öffnungen gelassen wurden, um äußere, sichtbare Ebenbilder oder Ideen von den Dingen der Umwelt einzulassen.“44 Die hier an zentraler Stelle, nämlich im Kapitel über „Operationen im Verstand“, wie Locke titelt, verwendete Metapher steht offenbar in einer gewissen Distanz zu dem mechanistischen Denken, wie es Merchant entwirft, weil sie folgerichtig die oben genannte innere gegenüber der bei Maschinen angewandten äußeren Bewegung betonen muss.
Das Prinzip der „radikal sensualistisch interpretierten“45 tabula rasa, das Locke formuliert, bringt ihn philosophisch in eine bereits angeführte Verlegenheit, die allerdings zugespitzt ist. Da er genanntes Prinzip als Basis seiner Philosophie nimmt, zugleich aber an den obersten naturrechtlichen Geboten festhält, wie sie noch von der scholastischen Tradition her bekannt sind (und auch von den Cartesianern nicht bestritten wurden), steht er vor dem unlösbaren Dilemma, nie vollständig sicher sein zu können, dass ein menschliches Wesen die göttlichen Gesetze zu erkennen in der Lage ist - wiewohl er letzteres immer unterstellt.46 Sein Festhalten an mathematischen Gesetzmäßigkeiten zeigt das ebenso auf wie sein Unvermögen, eine konsistente Erkenntnistheorie zu entwickeln, die abseits eingeprägter Prinzipien jeden Menschen zu einem vernünftigen Leben antreibt. In einer - zu Lebzeiten Lockes freilich unveröffentlichten - Passage zeigt sich dieses Scheitern besonders schön. Dass ein naturrechtliches Gesamtsystem in seinem Sinne nicht erstellt werden könne, sei kein Nachteil sondern nachgerade eine Tugend, denn der pädagogische Wert einer solchen Schrift wäre so gering, dass sich die Menschen nicht weiter in Moral und Tugend vertiefen könnten. „Wenn sie [die Menschen, Anm. T.K.] schlichte Gebote hören, so ist das für solche Leute ein sicheres und zugleich das einzige Mittel, sie zum Gehorsam und zum praktischen Handeln zu veranlassen. Die meisten Menschen können nicht erkennen, sie müssen glauben.“47
Es zeigen sich zwei interessante Neuerungen gegenüber den immer noch starren erkenntnistheoretischen Menschenbildern der „mechanistischen Philosophen“. Einerseits kann Locke, wegen des eben aufgezeigten Dile mmas, freier als zuvor ein pluralistisches Menschenbild zeichnen, d.h. er entwickelt den schon in den Theorien Descartes und Hobbes vorkommenden Begriff des Individuums noch einmal bedeutend weiter, auch indem er ihm erstmals bürgerliche Züge einschreiben kann.48 Spöttisch meint er gegenüber den Philosophen, die von fest verankerten Prinzipien in der menschlichen Seele ausgehen: „Kaum jemand hat so einen unsteten und oberflächlichen Verstand, dass er nicht einige hochgeschätzte Sätze hätte, die für ihn die Prinzipien sind, auf die er seine Überlegungen gründet, und wonach er über Wahrheit und Irrtum, über Recht und Unrecht urteilt; da es aber den einen an Fähigkeit und Muße, anderen an Lust fehlt, wieder anderen gelehrt wurde, dass sie nichts prüfen dürfen, so findet man nur wenige, die nicht aus Unwissenheit oder Trägheit oder infolge ihrer Erziehung oder Übereilung in der Gefahr sind, solche Sätze auf Treu und Glauben hinzunehmen. “49 Das besitzende Individuum wird in Lockes politischer Theorie freilich zu ganz neuen Problemstellungen führen.
Andererseits entwickelt Locke die von Hobbes aufgezeigte Akzidentienlehre weiter, indem er die „ersten“ und die „zweiten Qualitäten“ der Dinge unterscheidet. Nach Locke kann der menschliche Verstand nur die „zweiten Qualitäten“ der Dinge wahrnehmen und verarbeiten50 ; zwei Vorgänge, die er mit den Begriffen Sensation und Reflexion umschreibt. Locke erweist sich also als Empirist und Nominalist zugleich. Empirist ist er, insofern der menschliche Verstand immer nur die Ideen aufnehmen kann, die sich ihm in der Natur darbieten und die seine Sinne rezipieren können. Seine Ideenlehre beginnt als Aneinanderreihung aller Einzeldinge, von denen der Mensch sich einen Begriff machen kann. Nominalist ist Locke, weil er radikal in Frage stellt, ob der menschliche Verstand die innere Struktur der Dinge (die „ersten Qualitäten“) aufnehmen kann. Die daraus entwickelte Substanzenlehre besagt, dass die vom menschlichen Verstand gebildete Idee einer Substanz nur die „nominale Wesenheit“51 der Dinge bezeichnen kann. Hier ist in Grundzügen die moderne Erkenntnistheorie zu finden, wie sie erstmals von Kant ausformuliert werden wird.
In der allgemeinen Darstellung wird Locke daher so gelesen, dass er zwar der traditionellen Naturrechtslehre verhaftet geblieben ist, zugleich aber diese „in dreifacher Hinsicht“ „unterminiert“ habe: „durch seine moderne Epistemologie, durch seine Lehre von der Motivation menschlichen Handelns [...], sowie durch die Umdeutung der Stellung des Einzelnen im System der natürlichen Rechte und Pflichten [...].“52 Vielleicht ließe sich seine Theorie trotzdem noch dem mechanistischen Denken zuschreiben. Locke hat jedoch eher die Legitimation des menschlichen Handelns im Auge, wie seine eigenen Schriften belegen. Und hier ist allerdings ein wesentlicher Bruch zu den mechanistischen Denkern festzustellen; so sehr Locke sich genötigt sieht, die generelle Übereinstimmung seiner Theorie mit den Prinzipien der traditionellen Lehre zu unterstreichen (gerade weil er sie nicht bestimmen kann), so sehr entwickelt er im Laufe seiner philosophischen Studien ein Prinzip menschlichen Handelns, das dem nur widersprechen kann. Dafür ist das Zusammenwirken zweier Aspekte seines Denkens wesentlich. Diese sind zum einen die Bestimmung des menschlichen Verstandes als tabula rasa und zum anderen das Hervorstreichen eines neoepikureisch beeinflussten Lustprinzips.
An dieser Stelle muss nochmals die Inkonsistenz der Lockeschen Schriften hervorgehoben werden. Wenn auch die Entstehungsgeschichte der beiden wichtigsten Schriften Lockes, des Essays und den Two Treatises on Government, im Detail unklar geblieben sind, so fallen doch beide ungefähr in denselben Zeitraum.53 Während Locke im Essay allerdings von dem schon zitierten „dunklen Raum“ spricht, merkt er m First Treatise an, dass dem Menschen nur ein Prinzip eingepflanzt sei: „Gott hat den Menschen geschaffen und ihm, wie allen anderen lebenden Wesen, einen starken Selbsterhaltungstrieb eingepflanzt.“54 Es ist oft - und wohl kaum zu Unrecht - kritisch angemerkt worden, dass hier eine willkürliche Zielsetzung zum Ausdruck kommt, die die mühsam errichtete Theorie aus dem Essay wieder niederreißt. Die Zielsetzung besteht darin, das individuelle Handeln des Menschen zu unterstreichen und gegenüber allgemeinen Pflichten gegenüber der Gesellschaft hervorzuheben.
Gemeinsam mit dieser Zielsetzung entwickelt sich das Lustprinzip, wie es Locke darlegt, zu einer Apologie bürgerlich-kapitalistischen Handelns. Es ist negativ bestimmt, denn das Streben nach Lust bedeutet mmer nur das Verlassenwollen eines als unbehaglich empfundenen Zustands. So ist „das Unbehagen die wichtigste, wenn nicht die einzige Triebfeder des menschlichen Fleißes und der menschlichen Arbeit [...].“55 „Denn wir begehren ständig Glück, und soviel Unbehagen wir empfinden, ebensoviel fehlt uns sicherlich auch nach unserer eigenen Meinung am Glück, gleichviel wie unsere Umstände und unsere Lage sonst sein mögen.“56 Die Leidenschaften spielen, wenn sie auch gezügelt zu sein haben57, eine entscheidende Rolle in Lockes ganzer Philosophie. Und diese Emphase der menschlichen Leidenschaften macht einen bloßen Mechanismus des Agierens unglaubwürdig. Es ist wohl nicht zu weit spekuliert, dass in der Unmöglichkeit einer Freiheitsbestimmung für das Individuum für Locke ein entscheidender Ausgangspunkt an Descartes’ und Hobbes’ Mechanismus gelegen ist.
Zur Hervorrufung des Glücks ist eine Tätigkeit notwendig, um dem Zustand des Unbehagens zu entkommen. Diese Tätigkeit wiederum ist gekoppelt an eine Kraft, die über 100 Seiten im Essay gewidmet bekommt58 und grundsätzlich anders bestimmt wird, als wenn sie unter mechanistischer Terminologie firmieren würde. Wahrnehmen bzw. Geschehenlassen (passive Kraft) und Denken bzw. Tätigsein (aktive Kraft)59 sind Quelle der menschlichen Kraft, zweifellos die von Locke gemeinte „innere Bewegung“. Sie unterscheiden den Menschen vom Tier und den Pflanzen (deren bloß „mechanische“ oder zumindest unvollkommene Interaktion mit der Umwelt Locke hervorhebt, wie zu Beginn dieses Kapitels gezeigt wurde) ebenso wie von Gott und den Engeln. Und diese Kraft, so viel lässt sich Locke entlocken, ist „das große Privileg endlicher vernunftbegabter Wesen“60 ; sie ist Quelle menschlicher Freiheit und besteht darin, Entschlüsse fassen und abwägen zu können. Freiheit wird prinzipiell mit der handelnden Person identifiziert, also subjektiv zugeschrieben: „Freiheit ist also nicht eine Idee, die die Willensäußerung oder das Vorziehen betrifft; sie betrifft vielmehr die Person, in deren Macht es steht, gemäß der Wahl oder Verfügung des Geistes etwas zu tun oder zu unterlassen.“61
Insgesamt überschreitet Locke also den Kreis der mechanistischen Deutung, wiewohl er ihn als Ausgangspunkt seiner Betrachtungen nimmt. Zugleich bestimmt er die von Hobbes noch mechanistisch bestimmte Gesellschaft neu, indem er dem (bürgerlichen) Individuum sehr weitreichende Freiheitsrechte, aus seinem Lustprinzip resultierend, zuschreibt.62 Das bedeutet jedenfalls, dass das neu entstandene Topos der damaligen Philosophie und Gesellschaftstheorie, nämlich Einrichtung und Verwaltung von Ordnung und Macht, bei Locke eine Bedeutungsverschiebung erfahren haben muss.
4. Lockes politische Theorie
Während bei Thomas Hobbes die naturrechtlichen Beiträge zeitlich vor seiner Ausarbeitung des Leviathan, seiner politischen Theorie entstanden, fallen bei Locke die Ausarbeitung der beiden wichtigsten Schriften zu Naturrecht und Gesellschaft in dieselbe Zeit. Seiner politische Theorie kann also (trotz der schon aufgezeigten Inkonsistenz) durchaus unterstellt werden, sich wesentlich aus seinen Überlegungen zum Naturrecht abzuleiten. Im Second Treatise entfaltet Locke die im Essay legitimierten Prinzipien zu einer Staats- und Gesellschaftstheorie, die ihm in Folgezeit viel Anerkennung eingebracht haben. Tatsächlich war sie zumindest Handlungsanleitung für die ein Jahrhundert nach ihrer Entstehung einsetzenden bürgerlichen Revolutionsbewegungen, sei es im irischen Befreiungskampf, sei es im amerikanischen Unabhängigkeitskampf63, sei es noch als inhaltlicher Stichwortgeber bei den „Deklarationen“ in der französischen Revolution.64 Das entbehrt schon deshalb nicht einer gewissen Ironie, weil die Schrift ursprünglich als Unterstützung eines konkreten politischen Kampfes im englischen Parlament in den Jahren zwischen 1679 und 82 gedacht war.65 Es zeigt aber auch die Kraft der von Locke anvisierten Gesellschaftsordnung an, wenngleich in der Literatur das Ausmaß direkter Umsetzungen Lockescher Ideen heftig umstritten ist.66 Two Treatises on Government erschienen zunächst unter Pseudonym. Im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts war es noch keineswegs selbstverständlich, eine politische Theorie darzulegen, die das Postulat, dass alle Macht vom Volke ausginge, formulierte. In diesem Sinne waren Two Treatises eine fortschrittlic he Schrift, auch wenn sie später der Kritik verfielen, eine Apologie bürgerlicher Gesellschaft darzustellen.67
Locke entwirft in Anlehnung an Hobbes’ Leviathan eine rational begründete Theorie vom Staat und der Gesellschaft, die er von biblisch determinierten Legitimationsschriften scharf abgrenzt. Die Abgrenzung ist ihm so wichtig (und wir ersehen daraus die Bedeutung, die solche Legitimationen zur damaligen Zeit noch hatten), dass er den ganzen First Treatise dazu verwendet, um gegen eine solche Schrift herzuziehen.68 Im Second Treatise entwickelt er die hier zu diskutierende Theorie. Im Naturzustand, der der von Locke entworfenen Gesellschaft vorausgeht, tragen die ‚Individuen’ bereits bürgerliche Momente in sich - eine wichtige Unterscheidung zu Hobbes, bei dem das nicht der Fall ist, sondern im Grunde eine charakterliche Wesensbeschreibung der Menschen erfolgt (homo homini lupus). In weiterer Folge kommt es durch die Überwindung der drei gesellschaftlichen Schranken zur Notwendigkeit einer Gemeinschaftsbildung - der civitas. Interessant ist hier vor allem, dass Locke keine abstrakte menschliche Beschreibung mehr notwendig hat, sondern durch die Festsetzung des Selbsterhaltungstriebs zu Beginn eine Art ‚historische Dynamik’ in gesellschaftlichen Zusammenhängen formuliert.
Die staatlichen Institutionen werden nunmehr von der civitas (wie unvollkommen auch immer) getrennt. Denn der Staat hat ein Oberhaupt - den Monarchen -, aber dessen Macht beruht nicht in seiner Abstammung, sondern auf das traditionelle Vertrauen, dass die Menschen in seine Regierungsfähigkeit setzen. Außerdem wird der Legislative die oberste Macht im Staat zugeschrieben. Denn ihre Begründung ist „das erste und grundlegende positive Gesetz aller Staaten“, sie „ist nicht nur die höchste Gewalt des Staates, sondern sie liegt auch geheiligt und unabänderlich in den Händen, in welche die Gemeinschaft sie einmal gelegt hat.“69 Zu Beginn hat das Individuum zwei „Gewalten“ an die civitas und weitergehend an den Staat abgegeben: „Die erste ist, alles zu tun, was er innerhalb Grenzen des Gesetzes der Natur für die Selbsterhaltung seiner selbst und der anderen Menschen als richtig ansieht.“ Die zweite besteht darin, „ Verbrechen zu bestrafen, die gegen jenes Gesetz begangen wurden.“70 Die erste Gewalt müsse der Mensch abgeben, „damit sie durch die Gesetze der Gesellschaft so weit geregelt werde, wie es die Erhaltung seiner selbst und der übrigen Glieder dieser Gesellschaft erfordert.“71 Die zweite Gewalt „gibt er vollständig auf“72, und die Sanktionierung von Gesetzesbrechern obliegt dem Gewaltmonopol des Staates. Somit gründet sich die civitas auf Konsens (Vertragsabschluß) der Einzelnen, und der Staat hat den Zwecken dieser Individuen zu dienen - eine erhebliche Verschiebung in der Frage nach der Funktion des Staates!
Hier kommt die eigentliche Bedeutung des Lockeschen Motivs vom tätigen Individuum zum Tragen. Insofern dieses Individuum vom Staat nicht gestört wird, und zwar weder mit alltäglichen Verwaltungsfragen noch durch Eingriffe in das private Eigentum, kann es sich auf sein eigenes Handeln konzentrieren und damit der Grundbestimmung von Lockes Handlungstheorie Rechnung tragen. Grundbestimmung des Staates ist es folglich, die tätigen Bürger zu schützen und in Ruhe walten zu lassen. Diese normative Setzung und seine eigenen Erlebnisse zur Zeit des Thronfolgestreits um 1680 machten es möglich, dass Locke sich erstmals mit dem Konflikt zwischen dem tätigen Bürger und der Regierung, der staatlichen Exekutivmacht, auseinander setzte. Und er begründet dabei ein Widerstandsrecht, das theoretisch die Macht der Exekutive einschränkt.73 Die Locke vorschwebende Ordnungsform einer Gesellschaft ist also anders determiniert und ausformuliert, als es die mechanistischen Denker dachten. Wiewohl auch er auf der ratio als grundlegendes Prinzip des Zusammenlebens gegenüber seiner Ansicht nach verkommenen, traditionellen Gesellschaftsbildern beharrt, spielt er den Individuen eine ganz bestimmte, deutlich stärkere Rolle zu, als es noch bei Hobbes der Fall war.
Ohne Zweifel hatte Locke eine Gesellschaft der sich frei bewegenden und tätigen Bürger vor Augen, wenn er den Grundsatz der Selbsterhaltung zum Topos menschlichen Handelns machte. Die ihm vorschwebenden Individuen des Staates waren Besitzbürger. Zugleich macht er klar, dass es dem Individuum zugestandene Freiheitsrechte geben müsse, die ihm ein freies Handeln garantieren könne. Tätigsein wird so zur wichtigsten Kategorie menschlicher Existenz, und tätig sein kann - um es noch mal zu paraphrasieren - jedes ‚endliche vernunftbegabte Wesen’. Die Ambivalenz zwischen dem emanzipatorischen Impuls und der antizipierten neuen Ordnung wird allzu oft ausgeblendet, und auch Merchant verfällt diesem Fehler, indem sie Lockes Theorie einfach übergeht. Dabei stellen Two Treatises den interessanten Typus einer rationalen Gesellschaftstheorie dar, die wichtige Überlegungen aus dem im 1. Kapitel skizzierten Bereich ‚revolutionärer Varianten’ der organischen Theorien übernehmen. Es ist also nicht richtig, wenn Merchant unterstellt, die auf mechanischem Denken beruhenden Gesellschaftstheorien hätten sich ausschließlich an die hierarchischen, reaktionären Varianten gelehnt. Wenngleich über den (genauen) Einfluss gestritten wird, kann doch festgestellt werden, dass Locke und eine ganze Reihe von politisch tätigen Männern aus seinem Umfeld von den Ideen der Leveller beeinflusst waren, einer Bewegung in England in der Mitte des 17. Jahrhunderts, deren Ideen „sich im Rahmen einer vitalistischen Philosophie [bewegten]“74. Ihre Forderungen bezogen sich auf folgende politische Punkte: sie formulierten für das im Bürgerkrieg befindliche Land den Vorrang der von der Macht des Volkes getragenen Legislative; sie betonten Gleichheit und Freiheit jedes Bürgers sowie die Unantastbarkeit des Eigentums.75 Der Einfluss dieser Programmatik schlug sich auch in den Two Treatises nieder.
Unter die Kategorie des endlichen, vernunftbegabten Menschen fallen zunächst alle tätigen, selbständigen Menschen. Diese Begriffsbestimmung sollte hier noch problematisiert werde. Zunächst könnte bei vorliegendem Menschenbegriff angenommen werden, dass es sich um eine implizite Gleichstellung von Mann und Frau handelt. Die Forderung eines Ausschlusses von Frauen aus dem gesellschaftlichen Leben und aus staatlichen Institutionen lässt sich in den Two Treatises nicht finden. Zur Stellung der Frauen in der Gesellschaft und zu deren Rollenbild, das zunehmend wissenschaftlich definiert wurde76, hat sich Locke unterschiedlich geäußert. Eine Unterordnung der Frauen unter den Willen der Männer auf der familiären Ebene scheint ihm - ganz traditionell - zwingend im Sinne der Idee der Familie zu sein. Auch wenn er in der Frage nach der Gewalt über Kinder für die Mutter den „gleiche[n] Rechtsanspruch“77, der auch dem Vater zustände, geltend macht, so steht doch in anderen Passagen klar, dass die Frau dem Mann untertan ist. In Diskussion von Filmers Bibelauslegung steht sehr deutlich: „Soweit ich sehe, gibt Gott in diesem Text [gemeint ist Gen. 3, 16, Anm. T.K.] überhaupt keine Autorität, weder Adam über Eva, noch Männern über ihre Frauen, sondern er sagt lediglich voraus, wie das Los der Frauen sein werde; wie er es durch seine Vorsehung einrichten werde, dass sie ihren Gatten untertan seien. Wir sehen auch tatsächlich, dass die Gesetze der Menschheit und die Sitten der Völker es allgemein so geordnet haben, und dafür liegt, wie ich zugebe, eine Begründung in der Natur.“78
Sollte er im übrigen die Begründung gesehen haben, so hat er sie in seiner Naturrechtslehre zumindest nicht wiedergegeben. Tatsächlich macht Locke sich bei seiner Erkenntnistheorie ganz im Sinne der neuen, vernunftorientierten Philosophie nämlich der „Liquidierung jahrhundertealter Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit, von aktiv-männlichem Geist und passiv-weiblicher Materie [...]“79 verdient. Zwar vermittelt nun das ausnahmslose Schweigen zu angeblichen spezifisch weiblichen Zuschreibungen eine gestrenge Umsetzung des postulierten Vernunftprinzips und eine Gleichstellung von Mann und Frau. Zugleich wird aber auch der von Merchant beschriebene Prozess, wonach Frauen über sich wandelnde Metaphern und Zuschreibungen aus neu entstehenden gesellschaftlichen Einrichtungen und Instanzen von vornherein verbannt werden, und zugleich traditionelle Betätigungsfelder geschnitten abgewertet und abgeschafft werden, von Locke nicht thematisiert. Auch Londa Schiebinger betont die auffällig „neutrale Haltung“ von Locke (und Descartes) in der Frage der Geschlechterbeziehung, und hält fest, dass damit „die traditionelle Vorrangstellung des Mannes in sozialer wie intellektueller Hinsicht faktisch unangefochten“80 blieb. In den wenigen Schriften und Briefen, in denen Locke das Thema streift, scheint er sich um eine Gleichbehandlung von Mann und Frau in politischer wie pädagogischer Hinsicht eingesetzt zu haben.81
Doch war, wie Schiebinger sogleich anmerkt, Locke mehr an einer Klassenunterscheidung orientiert, als es die Betonung von Freiheits- und Gleichheitsrechten für alle in den Two Treatises vermuten lässt. In seinen pädagogischen Schriften wird das am deutlichsten. „Für ihn war der Zugang zu ‚Wissen und Logik’ eher eine Frage des Standes als des Geschlechts. Er erkannte, dass die Bildung den Klassen vorbehalten war, die über die nötige Muße verfügten, innerhalb dieser Klassen aber unterschiedslos beiden Geschlechtern offenstand.“82 Seine Einsicht führte zu einer Apologie des Bestehenden. In der politischen Theorie entdeckt man ebenfalls Stellen, wo die gesellschaftlichen Klassen scharf getrennt werden. So etwa, wenn er in der Beschreibung des Naturzustands von „mein[em] Knecht“83 schreibt, der ihm das Torf steche - die unverbrüchlichen Freiheitsrechte scheinen nur auf einen bestimmten Stand gemünzt zu sein, den der Besitzenden.84 Wenn Locke das Individuum von Anbeginn als bürgerlich beschreibt, zugleich aber von Knechten schreibt, dann folgert daraus eigentlich, dass Nichtbesitzende keine Ansprüche auf irgendeines der Rechte haben, die Locke emphatisch hervorhebt. Es ist müßig, die widersprüchlichen Aussagen Lockes85 gegeneinander aufzuwiegen; der Leitstern seines Denkens, die Vernunft, lässt vermuten, dass er sich grundsätzlich zur Gleichstellung aller Menschen bekannt hat. Aber die implizite Abwertung im Denken, der faux pas, der dem Bürger Locke passierte, als er von besagtem Knecht schrieb, und seine Vertragstheorie mit einem Schlag fragwürdig erscheinen lässt, zeigt doch, dass die theoretische Anerkennung der Gleichheit und Freiheit aller Menschen praktisch auf Idiosynkrasie stieß. Jedenfalls mussten diejenigen, die nichts besitzen, nach Lockes eigener Handlungstheorie tätig sein und schaffen - das entsprach ihrem Wesen, darin sollten sie auch nicht durch weitergehende Theorien gestört werden. Politisch setzt die Einführung des Vernunftmenschen neue Grenzen, wer eigentlich als Mensch behandelt und gesellschaftlich anerkannt werden sollte. In Bezug auf die Nichtbesitzenden sind die Aussagen Lockes zwar widersprüchlich, aber insgesamt doch klar. Der Knecht zum Beispiel wird von Locke so beschrieben: „Ein freier Mensch macht sich dadurch zum Knecht eines anderen, wenn er ihm gegen Lohn für eine gewisse Zeit seine Dienste verkauft. [Und] so verleiht es dem Herrn doch nur eine vorübergehende Gewalt über ihn, die nicht größer ist, als in dem Vertrag zwischen ihnen vereinbart wurde.“86 Der Knecht ist also noch Mensch, wenn auch von zweifelhaftem Rang. In Bezug auf „die Wilden“ bleibt Locke ähnlich vage, und da sie in seinen Augen nicht arbeiten, nicht tätig sind87, bleiben sie ebenfalls ‚zweifelhafte’ Menschen. Die Rücknahme des epikureischen Prinzips, das Locke in seinen Ansichten übers Naturrecht noch so emphatisch vertritt, scheint zwangsläufig mit der Konstituierung eines Gesellschaftsbegriffs zu folgen.
Doch auch andere Gruppen sind nicht automatisch dem Begriff Menschen zugeschlagen. Kinder beispielsweise sind als Menschen nur akzeptabel, weil sie durch vernünftige Erziehung dereinst Erwachsene, also akzeptierte, vernünftige Menschen sein werden. „Kinder werden [...] nicht in diesem völligen Zustand der Gleichheit geboren, sie werden aber doch für ihn geboren. Ihre Eltern haben eine Art Herrschaft oder Gerichtsbarkeit über sie [...] Alter und Vernunft lockern sie [die Fesseln der Unterwerfung, Anm. T.K.], je größer die Kinder werden, bis sie schließlich ganz wegfallen, und der Mensch der eigenen freien Leitung überlassen wird.“88
Auch zu geistig Behinderten gibt es Äußerungen. Eine Definition derselben versucht Locke im Essay, wenn er im Kapitel „Über das Unterscheiden“, in dem er auch eine wichtige Unterscheidung zwischen Mensch und Tier einerseits und Tier und Maschine andererseits macht (vgl. Kap. 3), zwischen „Idioten“ und „Wahnsinnigen“ differenziert. „Kurz gesagt liegt wohl der Unterschied zwischen Idioten und Wahnsinnigen darin, dass die letzteren falsche Ideen verbinden, aber von diesen ausgehend richtig folgern und schließen, während Idioten sehr wenige oder gar keine Sätze bilden und fast überhaupt keine Schlüsse ziehen.“89 Während also Wahnsinnige bloß falsch leben, so leiden Idioten scheinbar an einem technischen Gebrechen, das die Wahrnehmung und/oder das Denken verhindert oder zumindest erschwert. Während Wahnsinnige von der gesellschaftlichen Ordnung zurechtgebogen werden könnten, wäre „das Fehlen der Vernunft und des Verstandes“90 im Mechanismus des Geistes der Idioten irreversibel - sie sind demnach weder Mensch noch Tier, wie Locke an anderer Stelle in nominalistischer Manier schreibt, sondern eine eigene Kategorie.91
Der Anspruch der aufklärerischen Philosophie war es, auf Grundlage der Vernunft ein jenseits allen gesellschaftlichen Schranken liegendes Menschenbild zu entwerfen. Bei Locke zeigt sich nun, wie aus ökonomischen und sozialen Gründen ebenso wie aus dem emphatischen Begriff der Vernunft selbst implizit und explizit neue Schranken definiert und Diskriminierungen geschaffen werden, wer als Mensch angesehen werden darf und wer nicht. Die Formierung eines neuen Gesellschaftsbegriffs unter dem Blickwinkel der ratio, wie Locke ihn versucht, hat einige solcher Schranken theoretisch aufgehoben, praktisch aber bestehen lassen, und dabei neue Schranken unter dem Verdikt der Wissenschaftlichkeit geschaffen.
5. Mechanismus und Aufklärung
Was bedeutet das nun in bezug auf die Fragestellungen? Merchant hat das Bild einer Aufklärung gezeichnet, die über die Neubesetzung von Metaphern eine Wissenschaftlichkeit des Menschen, der Natur und der Gesellschaft konstituiert und dabei neue Diskriminierungen schafft - vor allem hebt sie dabei die Verdrängung von Frauen aus bestimmten Räumen hervor. Es hat sich aber schon angedeutet, dass die Umwälzung und die ‚Verwissenschaftlichung vom Menschen’ nicht allein unter diesem Blickwinkel gesehen werden kann. Frauen waren zwar nicht berechtigt, in den Zentren der Wissenschaften zu partizipieren, sie erhielten aber gerade von den mechanistischen Denkern die Möglichkeit, aus den vorgegebenen Rollenbildern auszubrechen. Neue Rollen wurden zwar meist genauso schnell wiedergefunden, aber sie boten auch die Möglichkeit zur Freisetzung von gesellschaftlich merkbaren Aktivitäten. Diese Aktivitäten werden von Merchant nicht erwähnt, von Schiebinger, die eine eher empirisch-historisch geleitete Analyse führt, aber sehr wohl hervorgehoben.
In der Frage nach der Bedeutung der neuen Wissenschaftlichkeit ist zu unterstreichen, was Merchant als Ergebnis ansieht: dass im angegebenen Zeitraum eine massive Veränderung im Denken über den Menschen, die Natur, Gesellschaft und das Geschlechterverhältnis eingesetzt hat. Doch auch hier fehlt es eigenartig an Ambivalenz: denn das Hervorheben des Menschen als Vernunftwesen ließ, wie andernorts angeführt, zunächst einen Freiraum für emanzipatorische Bewegungen oder zumindest für ein ‚subversives Denken’. John Lockes Theorie kann kaum für Subversion einstehen, doch hat ihm der Einfluss von bestimmten derart geleiteten Überlegungen die Auseinandersetzung mit neuen gesellschaftlichen Phänomenen eingebracht, die sich als zukünftig bedeutsam für die bürgerliche Gesellschaft erweisen sollte. Es kann kein Zweifel bestehen, dass das Vernunftdenken der Aufklärung seinerseits einen autoritären Einschlag erhalten hat: es ist dies bei den einzelnen Diskriminierungen, die aus dem Begriff des Menschen als Vernunftwesen hervorgehen, klar geworden. Vernunftdenken kommt ohne Moral nicht aus, wie das noch Locke zu glauben schien92 - wenn das aber stimmt, dann muss der Begriff der Vernunft wieder neu gefasst werden. Merchant bemüht sich darum nicht, sie vom Tier Verschiedenes zu bezeichnen, wie die Namen Mensch und Tier sich eignen, voneinander abweichende Bedeutungsinhalte zu kennzeichnen.“ - ebd.: S.227, §14. Hervorgehoben im Original. redet letztlich einem guten Zustand des organischen Denkens das Wort und vermag im rationalen Denken der Aufklärung keinerlei positiven Impulse aufspüren.
Der Begriff Mechanismus bezeichnet ein bestimmendes Motiv innerhalb der neuzeitlichen Philosophie93, kann aber nicht als deren grundlegende Metaphorik derselben verstanden werden. Es verweist dies auf eine ideengeschichtliche Dialektik innerhalb des Denkens, die Befreiung wie Herrschaft auf einen neuen, vermittelten Stand gebracht hat. Locke ist ein Prototyp dafür: weil sich sein Denken nicht sofort dem autoritären Ordnungsdenken unterordnen lässt, zugleich aber ein Ordnungsdenken propagiert, das sich als zukunftsträchtig erweisen sollte. Seine philosophische Theorie - und hierin hat Merchant recht - ist von diesem gesellschaftlichen Motiv bestimmt. Doch es ist zugleich mehr als mechanistisches Denken; es verweist auf bestimmte Punkte im menschlichen Zusammenleben, die darüber hinausgehen. Es hieße, die theoretischen und praktischen Entwicklungen der Neuzeit, des bürgerlich-kapitalistischen Zeitalters als zu gering schätzen, wenn man sich darauf beschränken würde, bloß ihre Ordnungstechniken zu beschreiben und zu kritisieren, weil dadurch ein adäquates Bild dieser Ordnungs- und Machtrealität kaum geschaffen werden könnte.
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[...]
1 Theodor W. Adorno: Negative Dialektik, Frankfurt/Main 81994, S.258
2 Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (1947), Frankfurt/Main 1988: S.10
3 Max Horkheimer: Autoritärer Staat (1942), in: ders., et al.: Wirtschaft, Recht und Staat im Nationalsozialismus. Analysen des Instituts für Sozialforschung, hrsg. v. H. Dubiel und A. Söllner, Frankfurt/Main 1984: S.61
4 Vgl. Horkheimer, Adorno: Dialektik der Aufklärung, a.a.O.: S.128 ff
5 Carolyn Merchant: Der Tod der Natur. Ökologie, Frauen und neuzeitliche Naturwissenschaft (engl. 1980), München 21994
6 Ebd.: S.13
7 Ebd.: S.14
8 Ebd.: S.22
9 Ebd.: S.82
10 Vgl. ebd.: S.116
11 Vgl. ebd.: S.93 ff
12 Zitiert nach ebd.: S.143. Merchant hält es an dieser Stelle nicht für notwendig, die Quelle des Zitats anzuführen.
13 Vgl. Londa Schiebinger: Schöne Geister. Frauen in den Anfängen der modernen Wissenschaft (engl. 1989), Stuttgart 1993: S.61 ff
14 Merchant: Der Tod der Natur, a.a.O.: S.140
15 Ebd.: S.140 f
16 Zur mittelalterlichen Frauenbewegung vgl. Caroline Walker Bynum: Mystik und Askese im Leben
mittelalterlicher Frauen. Einige Bemerkungen zu den Typologien von Max Weber und Ernst Troeltsch, in: Wolfgang Schluchter (Hg.): Max Webers Sicht des okzidentalen Christentums. Interpretation und Kritik, Frankfurt/Main 1988: S.357
17 Merchant: Der Tod der Natur, a.a.O.: S.142
18 Es ist - nach Merchants eigener Epocheeinteilung - etwas schwierig, für die Renaissance, die im ersten Teil von Merchants Buch noch eher die Zeit der Orientierungen und der Möglichkeiten im Rahmen organizistischen Denkens ist, nun bereits die volle mechanistische Konsequenz der gesellschaftlichen Umpolung zu konstatieren.
19 Dieser Begriff folgt in ideengeschichtlicher Hinsicht Johannes Agnoli, der ihm eine eigene Abhandlung widmete. Vgl. Johannes Agnoli: Subversive Theorie. „Die Sache selbst“ und ihre Geschichte. Eine Berliner Vorlesung, Freiburg 1996
20 Merchant: Der Tod der Natur, a.a.O.: S.190
21 Ebd.: S.196
22 Josef Pieper: Scholastik. Gestalten und Probleme der mittelalterlichen Philosophie, München 1978: S.41
23 Stefan Breuer: Die Metamorphosen des Naturrechts. Zur sozialen Funktion vorbürgerlicher und bürgerlicher Rechtsbegründungen, in: ders.: Aspekte totaler Vergesellschaftung, Freiburg 1985: S.160
24 G.W.F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821). Werke 7, Frankfurt/Main 51996: §4
25 Vgl. Merchant: Der Tod der Natur, a.a.O.: S.192 und 220
26 Ebd.: S.192
27 Ebd.: S.194
28 Vgl. Immanuel Kant: Zur Kritik der reinen Vernunft (1787). Werke in 6 Bänden, Band 2, Köln 1995, S.16 ff
29 Merchant: Der Tod der Natur, a.a.O.: S.204
30 Ebd.: S.205
31 Vgl. Metzler Philosophen Lexikon. Von den Vorsokratikern zu den Neuen Philosophen, Stuttgart 21995: Eintrag: Descartes: S.215
32 Vgl. ebd., Eintrag: Hobbes: S.395; auch Theodor W. Adorno: Philosophische Terminologie. Zur Einleitung, Band 2, 61992: S.244
33 Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, Frankfurt/Main 1966: S.5
34 Zur richtigen methodischen Herangehensweise an das Lockeschen Begriffsapparats und dessen rechte Deutung wird im angelsächsischen Raum heftig debattiert. Vgl. die Auseinandersetzung zwischen Richard Ashcraft: The Radical Dimensions of Locke’s Thought: A Dialogic Essay on some Problems of Interpretation, in: History of Political Thought 13 (1992): S.703-772 und Ellen M. Wood: Radicalism, Capitalism and Historical Contexts: Not only a Reply to Richard Ashcraft on John Locke, in: History of Political Thought 15 (1994): S.323-372
35 Quentin Skinner: Meaning and understanding in the history of ideas (1969), in: Meaning and Context. Quentin Skinner and his Critics, hrsg.v. James Tully, Princeton 1988: S.45. Hervorgehoben von T.K.
36 John Lo>52000. Es sei darauf hingewiesen, dass vorliegende Analyse sich auf eine deutschsprachige Ausgabe des Essays stützt, die zufolge der dortigen editorischen Notiz eine Übersetzung einer heute nicht mehr gültig angesehen englischsprachigen Ausgabe darstellt. - vgl. ebd.: Band 2, S.441
37 Ebd.: Band 1, Buch 2: Über die Ideen: S.165, §11
38 Ebd.: S.160, §4
39 Ebd.: S.414 f, §5
40 Ebd.: S.415, §6
41 Vgl. ebd.: S.181, §11
42 „Denn wenn die Identität des Bewusstseins es bewirkt, dass jemand ein und derselbe ist, so beruht die Identität der Person offenbar allein hierauf.“ - ebd.: S.421, §10
43 Vgl. ebd.: Buch 1, in dem Locke sich vor allem der Widerlegung dieser cartesianischen Unterstellung bemüht. Die für uns entscheidende Stelle lautet hier: „Ja, ein großer Teil der Menschen ist so weit davon entfernt, irgendwelche angeborenen moralischen Prinzipien in sich zu finden, dass sie, indem sie der Menschheit die Freiheit absprechen und die Menschen dadurch zu bloßen Maschinen machen, nicht nur die angeborenen, sondern alle moralischen Regeln überhaupt beseitigen und jenen keine Möglichkeit offen lassen, an irgendwelche zu glauben, die sich nicht vorzustellen vermögen, wie für ein Wesen, das nicht frei handelt, ein Gesetz vorhanden sein könne. Aus diesem Grunde müssen dann notwendig alle Prinzipien der Tugend von denen verworfen werden, die Moral und Mechanismus - zwei Dinge, die sich nicht leicht miteinander vertragen und zusammen bestehen können - nicht zu vereinigen vermögen.“ - ebd.: S.68, §14
44 Ebd.: Buch 2, S.185, §17
45 Walter Euchner: Naturrecht und Politik bei John Locke, Frankfurt/Main 1969: S.23
46 Vgl. ebd.: S.159 ff
47 John Lo>Naturrecht und Politik, a.a.O.: S.171, übersetzt von Euchner.
48 Vgl. C.B. Macpherson: The Political Theory of Possessive Individualism. Hobbes to Locke, London - Oxford - New York 1972
49 Lo>
50 Vgl. ebd.: Buch 2, S.148 ff, §§10-19
51 Ebd.: Band 2, Buch 3, S.50, §2. Im englischen Original spricht Locke hier von „nominal essence“ - vgl. Euchner: Naturrecht und Politik, a.a.O.: S.54
52 Euchner: Naturrecht und Politik, a.a.O.: S.9
53 Vgl. Maurice Cranston: John Locke. A Biography, London - New York - Toronto 1957: S.207 f
54 John Lo>51995: I, §86, S.136
55 Lo>
56 Ebd.: S.308, §39
57 In klassisch epikureischer Tradition schreibt Lo>- ebd.: S.321, §53
58 Vgl. ebd.: XXI. Kapitel, S.276-356
59 Zu dieser Unterscheidung vgl. ebd.: S.277, §2, sowie S.345, §72, wobei, um allen Missverständnissen vorzubeugen, Locke hervorhebt, dass die aktive Kraft „die richtigere [sic!] Bedeutung des Wortes Kraft ist“, was seine Emphase des Tätigseins nur unterstreicht - ebd.: S.279, §4
60 Ebd.: S.320, §52
61 Ebd.: S.284, §10
62 „Indem Locke der Triebsphäre keine normative Formierung zuerkennt, gleichwohl aus ihr subjektive natürliche Rechte ableitet, verleiht er diesen Rechten, da sie mit der Dynamik der Triebe verkoppelt sind, ein Übergewicht über die natürlichen Pflichten.“ - Euchner, Naturrecht und Politik, a.a.O.: S.107
63 Vgl. John Dunn: The Politics of Locke in England and America, in: John W. Yolton (Hg.): John Lo>
64 Vgl. Jürgen Habermas: Naturrecht und Revolution, in: ders.: Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien, Frankfurt/Main 31974: S.97
65 Vgl. Carolyn A. Edie: Succession and Monarchy: The Controversy of 1679-1681, in: American Historical Review 70 (1964/65): S.350-370
66 Vgl. Martin P. Thompson: The Reception of Locke’s Two treatises of Government 1690-1705, in: Political Studies 24 (1976): S.184-191 und Jeffrrey M. Nelson: Unlocking Locke’s Legacy: A Comment, in: Political Studies 26 (1978): S.101-108
67 Vgl. Macpherson: Political Theory of Possessive Individualism, a.a.O.: S.270
68 Und zwar gegen Robert Filmers Patriarchia - vgl. Euchner: Einleitung, in: Lo>a.a.O.: S.25 ff
69 Lo>
70 Ebd.: II, §128, S.280. Hervorgehoben im Original.
71 Ebd.: II, §129, S.280. Hervorgehoben im Original.
72 Ebd.: II, §130, S.280
73 Zu einer genauen Besprechung dieses Widerstandsrechts verweise ich auf eine frühere Arbeit von mir: Thomas König: Das Widerstandsrecht bei John Locke. Unveröffentlichte Seminararbeit, Universität Kopenhagen, Institut for Statskundskab (Prof. Mads Qvortrup) 1999
74 Merchant: Tod der Natur, a.a.O.: S.138; vgl. auch Agnoli: Subversive Theorie, a.a.O.: S.155 ff
75 Vgl. Manfred Brocker: Die Grundlegung des liberalen Verfassungsstaates. Von den Levellern zu John Locke, Freiburg - München 1995: S.90 ff
76 Vgl. Schiebinger: Schöne Geister, a.a.O.: insbes. S.177 ff
77 Lo>
78 Ebd.: I, §47, S.103. Hervorgehoben im Original.
79 Schiebinger: Schöne Geister, a.a.O.: S.248
80 Ebd.: S.244
81 Vgl. ebd.: S.247
82 Ebd.
83 Lo>
84 Diesen mittlerweile oft hervorgehobenen Sachverhalt findet man am Ausdrücklichsten immer noch dargestellt bei Macpherson: Political Theory of Possessive Individualism, a.a.O.
85 Vgl. Lo>
86 Ebd.: II, §85, S.252
87 Vgl. ebd.: II, §41, S.225. Der letzte Satz in diesem Paragraphen lautet: „Und der König eines großen und
fruchtbaren Gebietes wohnt, nährt und kleidet sich dort [in Amerika, Anm. T.K.] schlechter als ein Tagelöhner in England.“ Wie dazu verschiedentlich richtig festgestellt wurde, handelt es sich um ein seit damals gern vorgebrachtes Argument, dass, wenn faktische Ungleichheit besteht, der daraus entstehende produktive Vorteil auch den Ärmsten zugute komme. - vgl. Michael Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert. Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition. Münster 1999, S.33
88 Ebd.: II, §55, S.233
89 Lo>
90 Ebd.: Band 2, Buch IV, S.230, §16
91 „Hierin wird jeder sogleich fragen: Wenn nun Idioten ein Mittelding zwischen Mensch und Tier sein sollen, was sind sie denn? Ich antworte: Idioten. Denn dieses Wort ist ebenso gut geeignet, etwas vom Menschen und
92 In der erwähnten Passage über „Idioten“ glaubt Locke, sich allen Konsequenzen seiner Differenzierung entledigen zu können, indem er vornehm eine Entscheidung jenseits seiner rational getroffenen Begrifflichkeit ablehnt; womit er dieselbe „neutrale Haltung“ beweist, die in Bezug auf die reale gesellschaftliche Stellung der Frauen schon Schiebinger hervorgehoben hat und letztlich eine Willfährigkeit darzustellen scheint. - vgl. ebd.: S.228, §15
93 Eine begriffliche Anwendung dieser Art findet sich etwa bei Charles Taylor: Hegel (engl. 1978), Frankfurt/Main 21993, S.19 ff
- Quote paper
- Thomas Koenig (Author), 2001, John Locke im mechanistischen Denken. Zur Problematik des Begriffsdualismus Organizismus - Mechanismus anhand einer Studie des Lockeschen naturrechtlichen und politischen Theoriekonzepts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101049
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