Karl Marx (geboren 1818 in Trier, gestorben 1883 in London) übte als Philosoph, Gesellschaftstheoretiker, Ökonom und Journalist heftige Kritik am Kapitalismus und dessen Ungerechtigkeiten. Er lebte in der Zeit der Industrialisierung, die mit einer radikalen Veränderung der Arbeits- und Lebensverhältnisse einherging. Nach der Umwandlung der Feudalgesellschaft hin zur Klassengesellschaft stiegen die Lebensrisiken durch mangelnden Schutz und unsichere Einkommen in den Städten enorm. Durch das Überangebot an Arbeitskräften, dem Konkurrenzprinzip, geringen Löhnen und erhöhten Lebenskosten unterlagen die Proletarier*1einem Arbeitszwang. Es entwickelten sich Arbeiterslums, in denen Kinder Schwerstarbeit leisten mussten. Die durchschnittliche Lebenserwartung in dieser Arbeiterklasse lag gerade einmal bei 15-17 Jahren.
1844, mit 26 Jahren, verfasste Marx die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“, in denen er das Konzept der Entfremdung der Menschen von sich selbst und ihren Lebensgrundlagen prägte, da die Menschen diese immer weniger selbst gestalten konnten. Im folgenden Text diskutiere ich die Frage, ob sein Konzept der Entfremdung in unserer heutigen Zeit immer noch aktuell ist. Dazu werde ich seine vier Aspekte im Detail erläutern und unsere jetzige globale Gesellschaft sowie das Leben in Deutschland zu diesen Thesen kritisch hinterfragen. Abschließend möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob es Wege gibt, die aus der Entfremdung herausführen können.
Karl Marx (geboren 1818 in Trier, gestorben 1883 in London) übte als Philosoph, Gesellschaftstheoretiker, Ökonom und Journalist heftige Kritik am Kapitalismus und dessen Ungerechtigkeiten. Er lebte in der Zeit der Industrialisierung, die mit einer radikalen Veränderung der Arbeits- und Lebensverhältnisse einherging. Nach der Umwandlung der Feudalgesellschaft hin zur Klassengesellschaft stiegen die Lebensrisiken durch mangelnden Schutz und unsichere Einkommen in den Städten enorm. Durch das Überangebot an Arbeitskräften, dem Konkurrenzprinzip, geringen Löhnen und erhöhten Lebenskosten unterlagen die Proletarier[*] einem Arbeitszwang. Es entwickelten sich Arbeiterslums, in denen Kinder Schwerstarbeit leisten mussten. Die durchschnittliche Lebenserwartung in dieser Arbeiterklasse lag gerade einmal bei 15-17 Jahren.
1844, mit 26 Jahren, verfasste Marx die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte", in denen er das Konzept der Entfremdung der Menschen von sich selbst und ihren Lebensgrundlagen prägte, da die Menschen diese immer weniger selbst gestalten konnten. Im folgenden Text diskutiere ich die Frage, ob sein Konzept der Entfremdung in unserer heutigen Zeit immer noch aktuell ist. Dazu werde ich seine vier Aspekte im Detail erläutern und unsere jetzige globale Gesellschaft sowie das Leben in Deutschland zu diesen Thesen kritisch hinterfragen. Abschließend möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob es Wege gibt, die aus der Entfremdung herausführen können.
In seinen „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" stellte Marx die zentrale These auf, dass der Ursprung der Entfremdung im Verhältnis zur Arbeit liegt. Er beschreibt die Entfremdung des Menschen von:
1) Dem Produkt seiner Arbeit,
2) Der eigenen Tätigkeit,
3) Sich selbst und der Natur,
4) Der eigenen Gattung (seinen Mitmenschen).
Den ersten und zweiten Aspekt der Entfremdung möchte ich zusammen diskutieren. Marx geht davon aus, dass der Mensch einen Teil seiner selbst materialisiert, wenn er arbeitet. Das Produkt wird zu etwas Fremden, sobald er nicht mehr darüber verfügen kann. Dadurch kann sich der Hersteller/die Herstellerin selbst im Produkt seiner Arbeit nicht mehr wiedererkennen und entfremdet sich. Das Produkt tritt der produzierenden Person als Ware entgegen, die von ihr unabhängig ist. Hinzu kommt die Doppeldeutigkeit von Warenwert und Tauschwert. Der Tauschwert ist höher als der Warenwert, bringt für die Produzent*innen jedoch keinen Mehrwert, sondern nur für den Unternehmer, in dessen Auftrag das Produkt gefertigt wurde. Je mehr die Produkte nur Ware für den Tauschhandel und keine eigenen Produkte mehr sind, desto stärker wird die Entfremdung. Die konkreten Arbeiten und Fertigkeiten der Produzent*innen werden bedeutungslos, der Warenwert rückt in den Hintergrund. Die eigene Tätigkeit wird zu etwas Abstraktem, dem sich der Mensch nicht mehr verbunden fühlt. Die Arbeitskraft verkommt zur austauschbaren Ware. Dies gilt zum einen für die Zeit der Industrialisierung und der Fabrikarbeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zum anderen ist diese Art der Entfremdung auch heutzutage zu beobachten. Gerade in hoch technisierten Abläufen, wie sie in Entwicklungs- und Schwellenländern beispielsweise in der Textilbranche stattfindet, sind die Näherinnen vom Produkt ihrer Arbeit und ihrer Tätigkeit in extremster Form entfremdet. Aber auch in Deutschland lassen sich prekäre Arbeitsverhältnisse finden: z.B. in Schlachthöfen und Saisonarbeiten der Landwirtschaft (beispielsweise Spargelstechen), in denen meist osteuropäische Arbeiter*innen in engen Unterkünften zusammengepfercht hausen. Der Mehrwert, den Unternehmerinnen und Aktionärinnen einnehmen, ist quasi unentgeltliche Arbeitszeit.
Im Unterschied dazu gilt jene Arbeit laut Marx als nicht entfremdet, die Menschen für sich selbst oder ihr Umfeld verrichten sowie die Arbeit eines Künstlers. Darunter zählen zum Beispiel Hausarbeit, Essenszubereitung, Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Tätigkeiten im Stadtviertel.
Die dritte These von Marx lautet, dass der Mensch sich seiner selbst und von der Natur durch sein Verhältnis zur Arbeit entfremdet wird. Marx besitzt ein Menschenbild, in dem der Mensch von Natur aus fleißig und produktiv ist. In seiner Arbeit und in den von ihm geschaffenen Produkten verwirklicht sich der Mensch selbst. Marx geht allerdings davon aus, dass die Selbstverwirklichung in der Arbeit durch die abhängige Lohnarbeit verhindert wird. Eine Arbeit, die nur der Existenzerhaltung dient, führt zur Verarmung an Körper, Geist und Seele. Marx sah durch die abhängige Lohnarbeit im 19. Jahrhundert eine zunehmende Verelendung kommen, die heutzutage ebenfalls durch die ausgelagerten Produktionsstätten großer Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu beobachten ist. Die Menschen leben in unwürdigen Arbeitsunterkünften auf engstem Raum abseits ihrer Familien von ihrem natürlichen Wesen völlig entkoppelt. Hinzu kommt eine geistige Verelendung durch stumpfsinnige und eintönige Tätigkeiten. Die Menschen betreiben Raubbau an der eigenen Gesundheit aufgrund von Stress und Hektik in einem sich stetig beschleunigenden Produktionsprozess mit immer kürzer werdenden Produktzyklen. Hinzu kommt ein Raubbau an der Natur, derer sich der Mensch nur langsam bewusst wird und die Klimakrise als Damoklesschwert über der globalisierten Welt hängt.
Aber nicht nur in Fabriken der Entwicklungs- und Schwellenländer wird die Entfremdung sichtbar. Durch jegliche Arbeit in der Verwaltung, im Call-Center, als Fernfahrer oder in anderen Bereichen, kann man sich entfremden, wenn die Arbeit ausschließlich als dem Lebensunterhalt dient. Durch Zeit- und Leistungsdruck, zu hohe Verantwortung bzw. durch zu eingeschränkten Entscheidungsspielraum können psychische Erkrankungen hervorgerufen werden, sodass die eigene Arbeit krank macht.
Gerade die Generation Y die im Zeitraum der frühen 1980er bis späten 1990er Jahre geboren wurde, legt Wert darauf, sich in ihrer Arbeit selbstzuverwirklichen und hat mehr Ansprüche an ihre Arbeitgeber*innen im Vergleich zu früheren Generationen. Die Generation Z, die überwiegend denjenigen zugeordnet wird, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden, arbeitet häufiger in Teilzeit und in Berufen mit flachen Hierarchien, die das Gemeinwohl stärken. Generell achten beide Generationen auf eine gute Work-Life-Balance und wollen mit ihrer Arbeit verbunden sein. Meiner Wahrnehmung nach wird es heutzutage immer attraktiver, sich neben der reinen Lohnarbeit ehrenamtlich zu engagieren und somit freier gestaltete Arbeit für sich selbst und sein Umfeld zu verrichten. Diese Erfahrung von Selbstwirksamkeit steigert die eigene Zufriedenheit. Statistisch gesehen besitzen Ehrenamtliche ein höheres Haushaltsnettoeinkommen und besitzen höhere Bildungsabschlüsse. Sie können sich quasi zu einem gewissen Teil von Entfremdung „freikaufen“, indem sie ihre Arbeitszeit reduzieren. Deshalb steht diese Möglichkeit der Selbstverwirklichung und dieser Ausweg aus der Entfremdung allerdings nur einem Teil der Bevölkerung offen.
Im vierten Aspekt von Marx wird nun deutlich, dass sich der Mensch von seinen Mitmenschen entfremdet und dadurch zum einsamen Einzelkämpfer verkommt. Menschen begegnen sich auf dem Markt nur noch als Warentauscher, laut Marx mit spezifischen „Charaktermasken“, in der Rolle des Verkäufers, Unternehmers, Arbeiters oder Käufers. Das Wesen des Menschen besitzt starke Bedürfnisse nach Kooperation und Zugehörigkeit, wir wollen natürlicherweise in solidarischer Gemeinschaft leben. Stattdessen bewegt sich der Mensch in Vereinzelung und ständiger Konkurrenz: ein Kampf von jedem gegen jeden. Jeder ist Getriebener, jeder muss systemkonform handeln, ansonsten geht er unter - und ist somit entfremdet. Die gewaltsamen Durchsetzung des Kapitalismus auf Kosten von Mensch und Natur wird ebenso wie die Ausbeutung der Arbeit im Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital geleugnet. Heutzutage wird dies dadurch sichtbar, dass den meisten Menschen die Produktionsbedingungen der Waren, die sie kaufen, egal sind. Auf Kakaoplantagen werden beispielsweise seit Jahrzehnten PlantagenArbeiterinnen, unter denen auch Kinder Schwerstarbeit leisten, in sklavenähnlichen Verhältnissen „gehalten“. Große Unternehmen wie Nestlé, die eine milliardenschwere Monopolstellung besitzen, können für diese Menschenrechtsverletzungen allerdings nicht belangt werden. Die Konsumentinnen wiederum hinterfragen diese Produktionsbedingungen für ihre „Blut-Schokolade“ nicht. Nestlé ist in Aktienfonds und weltweiten ETFs vertreten, für die Anleger*innen wiederum ist nur der Profit ausschlaggebend. Der Mensch hat das Wirtschaftssystem definiert und trotzdem hat es wiederum die einzelnen Menschen so stark im Griff. Laut Marx bestimmt das Sein das Bewusstsein, da die Produktionsweise des materiellen Lebens den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess bestimmt. Heutzutage entspricht dieser Gedanke dem Umstand, dass das Milieu, in dem man aufwächst, stärker prägend ist als die kulturelle Zugehörigkeit. Marx hat damit eine Gegenthese zum Verständnis von Kant aufgestellt, der die Vernunft als Ausgang der selbstverschuldeten Unmündigkeit versteht. Was der Mensch denkt und wie er denkt, hängt vom System ab, in dem er lebt. Die Beschreibung der Menschen von Marx trifft auf Produzent*innen zu, die in der heutigen globalisierten Welt Teilarbeiten verrichten. Nicht nur in Fabriken oder auf Plantagen, auch in jedem anderen Beruf kann man sich entfremdet fühlen. Die Zwänge der abhängigen Lohnarbeit führen dazu, dass Eltern keine Zeit zur Erholung haben und somit keine Vorraussetzungen für einen freudvollen Umgang mit den eigenen Kindern geschaffen werden können. Wer seinen Kindern ein bedürfnisgerechteres Bildungssystem ermöglichen möchte, kann sich aus dem gesellschaftlichen System mit Privatkindergärten und Privatschulen herauskaufen, anstatt sich für eine strukturelle Änderung einzusetzen. Private Kindertagesstätten und Schulen werden zur Ware, Bildung verkommt zu einem materialistischen Privileg.
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1 Definition: Proletarier = Arbeiterklasse 2
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- Sabine Chromy (Author), 2020, Marx heute. Ist sein Konzept der Entfremdung bis heute aktuell?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1010265
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