Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Technoszene - Jugendsubkultur der 90er Jahre
2.1 Entstehungsgeschichte von Tech- no
2.2 Aspekte der Technokul- tur
2.2.1 Die Philosophie der Technobewe- gung
2.2.2 Die Technobewegung und seine Parallele zur Hippiebewe- gung
2.2.3 Techno als moderne Form archaischer Trancetän- ze
3 Drogenkonsum der Technoszene
3.1. Partydrogen - Modedrogen - Designerdro- gen
3.1.1 Entaktogene (Ecsta- sy)
3.1.1.1. Designerdroge Ecsta- sy
3.1.1.2 Inhaltsstoffe und Wirkung von Ecsta- sy
3.1.1.3 Ecstasy und die Technokul- tur
3.1.2 Halluzinoge- ne
3.1.3 Aufputschende Drogen (Stimulan- zien)
3.2 Konsummuster und -motivationen der Partydrogengebrau- cher
3.2.1 Studien zum Ecstasy- gebrauch
3.2.2 Partydrogengebrauch aus soziologischer Sicht
3.3 Darstellung von Ecstasy- und Partydrogenkonsum in den Me- dien.
4 Mögliche Gefahren beim Partydrogenkonsum
4.1 Gefahren bei Ecsta- sy
4.1.1 Allgemeine Gefah- ren
4.1.2 Gefahren für die psychische Befindlich- keit
4.1.3 Soziale Gefah- ren
4.2 Gefahren bei Halluzinoge- nen
4.3 Gefahren bei Stimulan- zien
4.4 Die Gefahr der Straffällig- keit
5 Handlungsstrategien im Umgang mit Partydrogenkonsume nten
5.1 Substanzaufklärung - Drugche- cking
5.1.1 Der Säure- Schnelltest
5.1.2 Qualitative und quantitative Analy- se
5.2 Monitoring - Drogentrendfor- schung
5.3 Safer Use - Risikominderung beim Drogenkon- sum
5.4 Safe House Campaign - Beeinflussung des Set- tings
6 Beispiele von Konzepten der Schadensminderung in der Praxis
6.1 Die Selbstorganisation Eve and Rave e.V. ..
6.1.1 Organisation und Selbstverständnis ..
6.1.2 Eve & Rave Arbeitsgrup- pen
6.1.3 Die Eve & Rave -Partydrogen-Broschüre und Veröffentli- chun- gen
6.1.4 Das Safer-House-Konzept von Eve & Ra- ve
6.1.5 Das Drugchecking-Pilotprojekt von Eve & Rave Ber- lin
6.2 Das Jugend- und Drogenberatungszentrum DROBS Hanno- ver
6.2.1 Das DROBS Info-Mobil und Drugche- cking
6.2.2 DROBS „Böse-Pillen“-Info und Beratungskolum- ne
6.2.3 DROBS Szene- Aktivitäten
6.3 Das ecstasy project der Hamburgischen Landesstelle für Suchtgefahren e.V. und des Büros für Suchtgefah- ren
6.3.1 Das europäische Modellprojekt network preventi- on
6.3.2 Die Info-Karten des ecstasy pro- ject
6.3.3 Zusammenarbeit mit Clubs und Veranstal- tern
6.3.4 Evaluation der network preven- tion
6.3.5 Die Ecstasy- Hotline
6.4 Mind Zone vom Landescaritas-Verband Bayern e.V.
6.4.1 Organisation und Selbstverständ- nis
6.4.2 Aktivitäten und Broschüre von Mind Zo- ne
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Erklärung
Anhang:
Zeitungsausschnitte zur Ecstasyproblematik
Info-Karten des ecstasy project
Eve & Rave Drugchecking-Liste
. DROBS „Böse-Pillen“-Info
1. Einleitung:
A. Intention der Arbeit
Ich habe die Entwicklung der Technoszene seit seinem Beginn in den Achtziger Jahren aus der Distanz beobachtet, manchmal interessiert, häufiger aber eher be- lächelnd. Daß es sich hier um eine ernstzunehmende neue Musikströmung und damit auch um eine neue „Szene“ handelte, die die Jugendkultur der Neunziger Jahre bestimmen würde, wurde mir erst richtig bewußt, als mich ein Freund in den damals noch recht neuen Technoclub „Tresor“ in Berlin mitnahm. Die einerseits beklemmende aber andererseits auch faszinierende Mischung aus Provisorium -es handelte sich um den feuchten Betonkeller der ehemaligen Reichsbank- und „High-Tech“ unter den hypnotischen Klängen von Techno-Musik hatte ich so noch nicht erlebt. Dieses Erlebnis in dieser einzigartigen Atmosphäre hat mich noch Wochen danach beschäftigt. Ich hatte den Eindruck, daß solche „Discobe- suche“ allein schon zur Droge werden können, ohne daß es nötig ist, sich noch zusätzlich zu berauschen. Im Gegenteil: Ich war sogar der Meinung, daß ein zu- sätzlicher Rausch1 hier zuviel sein muß! Zu diesem Zeitpunkt nannten die Medien häufiger die Droge Ecstasy im Zusammenhang mit Techno. Da ich diese Substanz nicht aus persönlicher Erfahrung kenne, gewann ich meine Eindrücke aus den Medien, die in üblicher Berichterstattungsweise eine neue Gefahr unserer Gesellschaft und insbesondere der Jugend heraufbeschwor.
Seit ich mich im Rahmen meines Studiums ausführlicher mit der Drogenproblema- tik beschäftigte, bekam ich unterschiedlichste Informationen über diese Droge: Auf der einen Seite hörte man von Ecstasy-Todesopfern, auf der anderen Seite schien es sich um ein eher ungefährliches Mittel zu handeln, welches beim Einsatz in der Psychotherapie schon beachtliche Erfolge verzeichnet hatte.
Inzwischen wird Ecstasy von einer immer größer werdenden Masse konsumiert, daher sind auch die Informationen in Bezug auf Ecstasy und andere altbekannte Drogen, die in der Techno-Partyszene konsumiert werden, notwendiger gewor- den. Es gibt viele Publikationen, die sich kompetent mit dem Thema befassen und verschiedene Einrichtungen, die häufig vor Ort bei den Techno-Veranstaltungen Hilfe leisten.
In der vorliegenden Arbeit werden diese Publikationen einer kritischen Analyse unterzogen, um auf dem Wege der Entmythologisierung und Aufklärung die Unwägbarkeit des Drogengebrauchs zu verdeutlichen und damit die Gefahren, die im Drogengebrauch liegen, zu minimieren.
B. Thematischer Aufbau der Arbeit
Meine Arbeit soll einen Einblick in eine noch recht neue Szene und ihren Drogen- gebrauch geben. Jede Szene, die eine eigene Subkultur darstellt, hat auch ihre bevorzugten Drogen. Das Kaffeekränzchen, der bierselige Stammtisch, die kif- fenden Hippies und die koksende Schickeria sind nur einige Beispiele hierfür. Da es schwieriger ist, Subkulturen zu verbieten, als ihre bevorzugte Droge, wur- den sie bisher meist über deren Verbot eingeschränkt (vgl. SCHEERER in HANFFORMATION, S. 9 ff.). So kam es auch, daß in den letzten Jahrzehnten vermehrt psychoaktive Substanzen verboten wurden, die in unerwünschten Sub- kulturen genossen wurden und ihre Benutzer bekamen die repressive staatliche Gewalt zu spüren. Offiziell durfte auch nur die Abstinenz dieser Substanzen ver- treten werden, und daher wurde auf allen Ebenen von Politik bis Drogenhilfe vorwiegend auf Abschreckung von (illegalisierten) Drogen gesetzt. In den neunzi- ger Jahren wurde jedoch eine Gegenbewegung stärker, die die offizielle Drogen- politik für gescheitert erklärte und vermehrt, den Drogenkonsum akzeptierend, auf Risikominderung setzte.
Bei dem recht neuen Phänomen des Drogengebrauchs in der Technoszene, wel- ches ich im folgenden beschreiben werde, ist dieser neue Umgang mit Drogen- konsum sehr deutlich zu beobachten. Vergleicht man z.B.die Fülle der Broschüren zum Thema Ecstasy und Partydrogen mit den althergebrachten Drogenbroschü- ren, so ist die akzeptierende Tendenz gut erkennbar. Doch bevor ich mich mit dem Drogenkonsum der Technoszene beschäftige (Kapitel 3), wende ich mich im anschließenden Kapitel (2) zunächst der Technokultur zu. Dabei werde ich den (Party-) Drogenkonsum im Hintergrund belassen. Nach einer kurzen Entste- hungsgeschichte betrachte ich die verschiedenen Aspekte der Technokultur sowie die ihr zugrundeliegende Philosophie. Da sich schon äußerlich eine Parallele zur Hippiekultur anbietet, untersuche ich in einem weiteren Punkt, inwieweit hier Ge- meinsamkeiten bestehen. Techno wird auch gerne als moderne Form alter Tanz- Rituale gesehen. Der Fragestellung, ob hier auch spirituelle Aspekte bzw. kulti- sche Elemente zu finden sind, werde ich anschließend behandeln.
Kapitel 3 ist dem Drogenkonsum der Technoszene gewidmet.
Was sich hinter dem Begriff Partydrogen verbirgt und welche „neuen Drogen“ im Zusammenhang mit Techno gemeint sind, wird ebenso vorgestellt, wie in der Technoszene konsumierte Drogen, ihre Wirkungsweise und Funktion. Ich versu- che anschließend die Motivation der Partydrogenkonsumenten aufzuzeigen. Im folgenden werde ich wichtige Erkenntnisse aus zwei Studien zum Partydrogen- und Ecstasygebrauch dokumentieren. In einem Abschnitt über Partydrogen- und Ecstasygebrauch aus soziologischer Sicht werde ichvor allem den Soziologen Helmut Ahrens, der sich intensiv mit dieser Problematik beschäftigt hat, zu Wort kommen lassen. Danach lenke ich den Blick auf die Berichterstattung in den Me- dien, unter der Fragestellung inwieweit hier Information oder Fehlinformation betrieben wird. Dienen die Meldungen über die neue Bewegung und deren Drogengebrauch vielleicht der Panikmache gegenüber neuen Strömungen in der Gesellschaft oder der Befriedigung der Sensationslust?
In Kapitel 4 werde ich die Gefahren von Partydrogen betrachten. Hierzu zählt auch die nicht zu vernachlässigende Gefahr der Kriminalisierung beim Ungang mit (illegalisierten) Partydrogen.
Aus den Schilderungen des vorausgegangenen Kapitels ergeben sich für Kapitel 5 bestimmte Handlungsstrategien zur Verhütung dieser Gefahren. Besonders in Be- zug auf den Konsum von Partydrogen gibt es bereits viele sinnvolle Handlungs- konzepte. So zeige ich in einzelnen Abschnitten, was sich hinter den Begriffen Drugchecking, Monitoring, Safer Use und Safe House Campaign verbirgt. Da die meisten dieser neuen Konzepte aus Holland eine Akzeptanz des Drogenkonsums voraussetzen, befinden sie sich in Deutschland immer noch am Rande der Legali- tät.
Wie sich diese Konzepte in der deutschen Praxis umsetzen lassen, werde ich in Kapitel 6 an einigen Beispielen erläutern. Hierbei beschreibe ich zunächst die Selbstorganisation Eve & Rave (gegründet in Berlin) und die Drogenberatungs- stelle (DROBS) Hannover, die sich vor Ort in den Clubs bei ihrer Arbeit bewäh- ren und in der Szene eine hohe Akzeptanz genießen. Das ecstasy project aus Hamburg vernetzt verschiedene europäische Projekte miteinander und bietet eine eigene Telefon-Info-Hotline für Partydrogenkonsumenten an. Als letztes wird mit Mind Zone aus München eine abstinenzorientierte Einrichtung vorgestellt, die wie die anderen auch auf Technoparties an ihr Klientel herantritt.
Zum Abschluß werde ich zu der zuvor beschriebenen Situation Stellung beziehen und einen Ausblick auf die zukünftige Situation vornehmen.
2 Die Technoszene - Jugend(sub)kultur der neunziger Jahre
Das Wort „Techno“ (von Techno logie) ist ein Begriff, der in erster Linie eine Musikrichtung beschreibt, die technisch „mit Computern erzeugt wird und sich auch so anhört“ (J. Laarmann in ANZ/ WALDERS 1995, S. 217). Diese neue Musikrichtung steht im Zentrum dieser Jugendkultur.
Techno ist eine Kultur des Körperkultes, der Bewegung, der Befreiung von all- täglichen Zwängen vor allem durch Tanz und das Miteinander in der Gemein- schaft. Das Ausleben des Egos und das Zurschaustellen der eigenen Person ist hierbei kein Widerspruch. Die Raver (engl. to rave: toben, rasen), wie sich die Anhänger von Techno selbst bezeichnen, sehen ihre Kultur sogar als eine der Hippiebewegung der sechziger Jahre vergleichbaren wenn nicht sogar einflußrei- cheren Bewegung (vgl. J. Laarmann in BÖPPLE/ KNÜFER 1998, S. 58 und im SPIEGEL 29/1996, S. 94).
2.1 Die Entstehungsgeschichte von Techno
Zunächst möchteich auf die musikalischen Wurzeln eingehen. Aus der Vielzahl der Elektronikmusiker2 werden deutsche Musiker wie Klaus Schulze, Gruppen wie „Tangerine Dream“ und insbesondere „Kraftwerk“, die alle seit den sechziger Jahren wirken, als musikalische Urväter des Techno bezeichnet (Vgl: C. Claus in RABES/ HARMS 1997, S. 73 f.). Klaus Schulze sagt zur heutigen Technomusik: „Das ist ja fast das gleiche, was wir damals gemacht haben, nur daß die Produ- zenten heute eine durchgehende Bassdrum darunterlegen.“ (ebd. S.74)
Eben diese durchgehende Bassdrum, der charakteristische Stampfrythmus, ist das revolutionäre Element dieser Musik, welches in den achtziger Jahren die elektronische Musik zu Discomusik machte.
Ein schwarzer Musiker namens Afrika Bambaataa brachte 1982 das ganz und gar synthetisch produzierte Stück „Planet Rock“ aus dem musikalischen Untergrund in die Charts. In diesem Stück verband er den schwarzen Rap oder Hip Hop mit der Melodie aus dem Stück „Trans Europa Express“ der Gruppe „Kraftwerk“ zunächst ungefragt, was ihm einen Rechtsstreit mit den Urhebern einbrachte. Er wird fortan als einer der wichtigsten Personen auf dem Wege zur heutigen Technomusik genannt (vgl. BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O., S.16 f.).
Die Entwicklung dieser elektronischen Tanzmusik war und ist eng an die Verfügbarkeit der Technologie gekoppelt, die zu ihrer Produktion notwendig ist (vgl. PESCH/ WEISBECK 1995, S. 9)
In Chicago sollte der DJ (Disc-Jockey), der bisher einfach nur Platten auflegte, zu einem neuen Typ des Musikers werden. Neben obengenanntem begannen Künst- ler wie „Grandmaster Flash“ damit, verschiedene Platten vom Tempo her an- zugleichen und übereinanderzumischen. Aus unterschiedlichen Stücken wurde so ein „Track“. Als die ersten Schlagzeugcomputer auf den Markt kamen, wurden diese Tracks mit einem durchgängigen Beat versehen und die Übergänge zwi- schen den Stücken konnten, das Talent des DJs vorausgesetzt, unhörbar gemacht werden. Dies lieferte die Illusion, die ganze Zeit würde nur ein Stück gespielt.
Während der „Chicago House3 “, wie sich diese Musik nannte, eher von dem Disco-Sound der siebziger Jahre geprägt war, gab es aus Detroit eine mehr in die Zukunft weisende Richtung, die auf futuristische athmosphärische SynthesizerKlänge setzte, mit der sie die düstere Stimmung der von Arbeitslosigkeit bestimmten Krisenstadt auszudrücken suchten (vgl. BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O. S. 23- 26). Juan Atkins (alias Cybotron) und Derrick May sind die bekanntesten Namen der Detroiter Szene Mitte der achtziger Jahre (die sogenannte „Detroit-Mafia“), deren Musik nun auch europäische DJs aufgriffen.
In Chicago wurden in den Clubs „Warehouse“ und „Music Box“ neue experimen- tierfreudige Synthesizer-Tracks aufgelegt, die als „Acid-Tracks“ auch in Europa bekannt werden sollten. Hier ist der Bezug zum Drogenkonsum4 des Zielpubli- kums nicht zu übersehen (vgl. BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O., S. 18 f.). Tatsächlich drehte sich in dieser Szene auch alles um Drogen. „Eine gute Versorgung mit Drogen sicherte“, so Paul Staines (in SAUNDERS 1998, S. 151 f.) „der Party den richtigen Kick - LSD, MDMA, Kokain, Cannabis - je mehr desto munterer die Party.“
Die eigentliche Technobewegung begann dann in Europa mit dem „Summer of Love5 “ in England 1988. Die Jugend feierte in Manchester, Liverpool, Sheffield und Leeds ihre „Acid-House-oder Warehouse-Parties“ ohne Genehmigung in alten Fabriken und Lagerhallen, den „Artefakten der industriellen Vergangenheit“ (BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O.). Das war etwas, was das konservative England nicht recht einordnen konnte. Daher traten auch sehr schnell die bürgerlichen Me- dien mit Horrorgeschichten über schlimme Drogenorgien auf den Plan, die unter dem Einfluß der „Killermusik“ Acid-House gefeiert würden. Eine regelrechte Hysterie brach in England bei Bevölkerung, Medien und Politikern aus. Zunächst nahmen Kaufhäuser T-Shirts mit dem strahlenden, breitgrinsenden Smiley, dem Hippiesymbol für Liebe und Glück, aus dem Sortiment, als deren Verbindung zu Acid-House-Parties und Drogenkonsum bekannt wurde. Die Polizei appellierte an die Bürger, sofort die Polizei zu informieren, wenn sie von einer solchen Party6 hörten. Der Chart-Hit „We call it Acieed“ von „D-Mob“ wurde vom BBC aus ihrer Sendung „Top of the Pops“ verbannt.
Im Jahre 1990 wurde von den britischen Konservativen im Parlament ein Gesetz mit dem Namen: „Entertainments (Increased Penalties) Act“ eingeführt, dem 1994 und 1997 noch zwei weitere Gesetze zur Verfolgung unerlaubten Partyfeierns folgen sollten (vgl. P. Staines und A. M. Wright in SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 147-157). „Raves“, wie Acid-House- oder Techno-Großveranstaltungen genannt wurden, in Lagerhallen wie im Freien wurden damit kriminalisiert: Örtlichkeiten wie alte Fabrikhallen oder verlassene Steinbrüche, denen sanitäre Einrichtungen etc. fehlen, dürfen seither nicht mehr als Tanzveranstaltungsorte genutzt werden. Öffentliches Abspielen repititiver Musik wurde verboten, wenn mehr als 20 Leute zuhören (vgl. SPIEGEL 29/1996, S. 92). Diese Gesetze bewirkten einerseits, daß aus den bis zu diesem Zeitpunkt buntgemischten unpolitischen „Ravern“ eine politische Opposition wurde, eine Bewegung, die gemeinsam ein Recht auf Ver- gnügen, auf Party-Feiern einforderte. Andererseits bewirkte es, daß die Veran- staltungen immer häufiger von professionellen Geschäftsleuten ausgeführt wurden, die in der Lage waren, die Sicherheitsstandards zu erfüllen und sanitäre Einrich- tungen anzubieten. Hier setzte eine Kommerzialisierung der Techno-Bewegung ein (vgl. BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O. S. 27 ff.).
Die neue Musik breitete sich jetzt sogar über Nordamerika und Europa bis nach Asien aus. Besonders in Thailand, Bali und Goa, dem klassischen Hippieort an der westindischen Küste, wurden seit 1988 wilde Parties unter Einfluß von LSD oder Psilocybin-Pilzen gefeiert (vgl. ebd. S. 36-43).
In Europa fand (Acid-)House - bzw. was daraus hervorging: Techno (-House)7 - abgesehen von England, vor allem auf Ibiza, in Belgien8 und in Deutschland sein Publikum. In Deutschland lief diese Musik zunächst in Discotheken, ohne daß sich eine besondere Szene oder „Underground“ abzeichnete. In Großstädten wie Köln, Frankfurt oder Berlin entstand aber zunehmend eine Ausgeh- oder Club- Kultur, wobei sich die sonst so streng abgegrenzte Schwulenszene mit den ande- ren Szenen mischte. Besonders Berlin tat sich hier hervor: Es gab „angesagte“ Clubs wie das „Ex und Pop“, das „Space-Center im Fischlabor“ und den „UFO- Club“ mit dem Loveparade9 -Erfinder Dr. Motte als hauseigenem DJ. Nach dem Mauerfall gab es in Berlin viele zum Teil halbverfallene Orte, deren Eigentumsver- hältnisse ungeklärt waren, die nun für Technoparties prädestiniert zu sein schienen. In einem verfallenen Bankgebäude z. B. entstand 1992 einer der legendärsten Clubs, der „Tresor“ (vgl. Carsten Claus in RABES/ HARMS a.a.O. S. 79 f.).
Die Szene wurde beständig größer, entgegen Prognosen der Medien, die in Techno eine kurzlebige Modeerscheinung sahen (vgl. ANZ/ WALDER a.a.O., S. 21). Unter dem Oberbegriff Techno verbergen sich inzwischen unterschiedlichste (elektronisch produzierte) Musikrichtungen: Von entspannenden sphärischen Klängen mit der Bezeichnung „Ambient“ über verschiedene Arten von „House“ und „Trance“ sowie „Jungle“, „Dub“, „Drum and Bass“ bis zu den schnellen Beats von „Hardcore“ oder „Gabber“ sind hier zu finden. Eines der entscheidensten Unterscheidungsmerkmale ist der Rythmus und die Anzahl der „Beats per Minu- te“ (Ambient: 0-60, Gabber bis zu 250). So verschieden die Musikstile10 sind, so vielfältig sind auch inzwischen die Szenen geworden (vgl. T. Haemmerli in ANZ/ WALDERS a.a.O., S. 187). Dennoch wird nach wie vor von einer Technobe- wegung gesprochen. Techno ist genaugenommen ein musikalischer Oberbegriff wie Rock und ein Bestandteil der Popmusik. Aber Techno ist darüber hinaus auch ein Gesamtkonzept aus Musik, Dekoration, Licht, DJ-Kultur und den ent- ein eigenständiger (Ober-) Begriff wurde und House weiterhin eine Richtung innerhalb der Technomusik blieb.
sprechenden Leuten mit bestimmten Erlebniswünschen und Einstellungen, ferner eine Szene mit eigenen Medien und Kommunikationskanälen (vgl. R. Domes in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH 1997, S.64). Es kann daher auch von einer Technokultur gesprochen werden11.
2.2 Aspekte der Technokultur
Während die „Neue Deutsche Welle“12 Anfang der achtziger Jahre schon nach wenigen Jahren wieder verschwand, hat sich Techno in den ca. zehn Jahren seiner Existenz etabliert und ein Ende ist nicht abzusehen. Ein Grund wird sein, daß Techno die Einbeziehung aller bisher dagewesenen Musikrichtungen erlaubt, von Jazz über Rock bis Klassik. Dabei ist Techno durch die zunehmende Computeri- sierung und damit verbunden, der breiteren Verfügbarkeit der immer preisgünsti- ger gewordenen Produktionsmittel, von immer mehr Menschen produzierbar ge- worden. Das hält die Musik offen, da jeder in der Lage ist, seinen eigenen Stil zu kreieren und möglicherweise die Entwicklung der elektronischen Musik mit zu beeinflussen. Auf der anderen Seite ist ein wichtiger Grund der heutigen Verbrei- tung von Techno seine finanzielle Ausschlachtbarkeit, was bei den vorhergehen- den Jugendbewegungen wie der Punkbewegung in dieser Form nicht möglich war (vgl. HARMS/ RABES a.a.O., S. 88 f.). Techno wird vom Goethe-Institut sogar inzwischen als wichtigster Export der Musikszene in Deutschland bezeichnet (vgl. COUSTO 1995, S. 78).
Wo aber liegt die Faszination für die Anhänger dieser Musikrichtung, die Raver, und welche Philosophie steht hinter dieser Jugendbewegung?
2.2.1 Philosophie der Technobewegung
Bei Techno geht es um das individuelle und gemeinsame Vergnügen beim Tanzen und das Partyfeiern, welches durch die oben beschriebene Neuerung der Discomusik eine neue Dimension bekommen hat. Die Musik und ihre Wirkung - besonders unter Drogeneinfluß- ist das vorwiegend Revolutionäre. Ich gehe hierauf noch einmal gezielter unter Punkt 2.2.3 ein.
Der Chefredakteur der ehemals führenden Techno-Zeitschrift „Frontpage“ und „Chefideologe der Technobewegung“(SPIEGEL 27/1995), Jürgen Laarmann, hat in seiner Mai-Ausgabe 1994 in einem Artikel den vielzitierten Begriff der „Raving Society“ geprägt und damit eine in der Szene kontrovers geführte Diskussion über Ziele und Inhalte der Technobewegung ausgelöst (vgl. ANZ/ WALDER a.a.O., S.217 ff.).
House und Techno solle danach über die Musik hinaus eine Lebenskultur sein, Ausdruck der Bejahung der Nutzung von neuen Technologien zugunsten des Glücklichwerdens der Menschen bzw. für deren Genuß:
„Wir wollen unseren Spaß sofort und ohne Umweg. Wir wollen mehr erleben, die Farben riechen, den Sound schmecken, die Dinge fühlen, die Wahrheit sehen, die Lügen nicht glauben und das tun, was uns wirklich interessiert13. Toleranz, Offen- heit, Inspiration, Humor (natürlich auch ein gewisser Zynismus gegenüber denen, die uns nicht verstehen), Freude am Neuen und tiefe, inbrünstige Liebe zu dem und denen, die wir gut finden, sind unsere Charakterzüge. Wir setzen die zur Ver- fügung stehende Technik so ein, daß sie uns am meisten nützt. Sehr ökonomisch: z.B. um die Musik zu machen, die wir lieben, um schnell und direkt zu kommuni- zieren, um schnell mehr zu wissen und weiter zu denken, nicht zuletzt, um unser Heft zu machen.“ (Laarmann in ebd., S. 218).
Bei Techno solle niemand ausgeschlossen sein. Techno solle auch mehr als nur Kompensation des Arbeitslebens sein. Zukunftsperspektive sei die „raving socie- ty“:
„Die ravende Gesellschaft mit lauter glücklichen Leuten, die mit ihrer Identität und Funktion zufrieden sind, genügend Spaß, gute Laune, Sex, gesundes Urteilsvermögen, hohes Selbstbewußtsein etc. haben, ist unser Ideal, dem wir näher kommen.“(Laarmann in ebd. S. 219).
Bei der „Loveparade“, ihrer zentralen Veranstaltung, oder anderen dieser folgen- den Paraden in vielen europäischen Städten, werben die Technobegeisterten selbstbewußt und lebensfroh für ihren Lebensstil in der Öffentlichkeit (im Jahre 1998 ist das Motto der Loveparade„One World, one future“ (vgl. RAVELINE 7/98, S. 68)).
Die Raver erscheinen als funktionierende Mitglieder der Leistungsgesellschaft, ihre allgemeinen Ziele kollidieren erst einmal nicht mit den Normen der Leistungsge- sellschaft. Feindbilder sind jedoch vor allem diejenigen, die ihnen den Spaß ver- derben wollen wie z.B. Behörden, durch Einschränkung ihrer Partyfreiheit (durch Sperrstunden oder Drogenrazzien), aber auch „Miesepeter und Schlaffis“ sind nicht erwünscht (SAUNDERS 1994, S.314). Es gibt keine gemeinsame politi- sche Ausrichtung der Technobewegung im Sinne von Links- oder Rechtsorientie- rung; unter den Anhängern von Techno findet man sowohl Autonome als auch Mitglieder der Jungen Union. Innerhalb dieser Jugendbewegung gibt es laut Eve and Rave aber auch Spannungen zwischen den Ravern aus der (Loser-) Unter- und (Winner-) Mittelschicht (vgl. BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O., S. 57). Aktives Mitglied dieser Jugendbewegung zu sein ist auch ein teures Vergnügen: Nicht je- der ist in der Lage jedes Wochenende das Geld für Anfahrt14, Eintrittspreise, Verzehr, Drogen und „Clubwear“, die techno-interne Mode und Erkennungszei- chen der Zugehörigkeit zur Szene aufzubringen. „Techno ist die erste Popbewe- gung, die sich nicht als antikapitalistische Gegenkultur gibt -weil die meisten Betei- ligten festgestellt haben, daß es sich im Kapitalismus gut leben läßt“, schrieb ent- sprechend der SPIEGEL (27/1995, S. 106).
Die Technokultur ist aber auch von einem eher subkulturellen Bewußtsein über die Art und Weise des Zusammenlebens geprägt, und so hat sie mit ihrem Leit- motiv von „Love, Peace and Unity“ (vgl. SPIEGEL 27/1995, S. 103) durchaus auch eine Form von politischer Ausrichtung. Es geht ihren Mitgliedern um Akzep- tanz, Toleranz und friedliches Miteinander. Ihre Beziehung zu anderen Menschen ist, so beschreibt es Hans Cousto, einer der Begründer von Eve and Rave (siehe Kapitel 6.1), von der Respektierung ihrer Würde und einer umfassenden, nicht nur durch Sexualität bestimmten, Liebe durchdrungen. Er führt es darauf zurück, daß das Bewußtsein der Raver durch das häufige gemeinsame Erleben von eksta- tischen Zuständen beeinflußt ist, und viele Techno-Fans durch den Gebrauch psy- chedelischer15 und empathischer16 Drogen in ihrer Wahrnehmung stark sensibili- siert sind (vgl. COUSTO a.a.O., S. 77 f.).
2.2.1.2 Die Technobewegung und seine Parallelen zur Hippiebewegung
Die bekannte Parole der Technobewegung „Love, Peace and Unity“ weckt Erin- nerungen an die Parolen der Hippiebewegung. Auch hier gab es eine Utopie vom friedlichen liebevollen Miteinander der Menschen. Aus diesen und weiteren Grün- den bietet es sich an, diese großen (Jugend-) Bewegungen miteinander zu verglei- chen.
Die Hippies sind Mitte bis Ende der sechziger Jahre in den USA aus den Beatniks hervorgegangen. Beide, Beatniks wie Hippies, waren Gegenkulturen gegen die vorherrschende Moral und die Verhältnisse in den konservativen USA. Ihre kul- turellen Wurzeln waren im schwarzen Amerika zu finden (vgl. Miller 1992, S. 6). Die vorwiegend aus der amerikanischen Mittelschicht stammenden Hippies wand- ten sich gegen die Leistungsorientierung, den Konsumzwang, die Intoleranz, die strikte Moral, gegen den (Vietnam-)Krieg und die Umweltzerstörung durch die moderne Industriegesellschaft. Sie taten dies jedoch weniger auf politischem We- ge wie die „Neue Linke“ -zu denen allerdings die Grenzen nicht so klar gezogen werden konnten- sondern hauptsächlich durch ihren Lebensstil. Sie propagierten den Ausstieg aus der Industrie-Gesellschaft, eine hedonistische17 Lebensart: „Tue was du willst und was dir Spaß macht, solange du niemand anderem schadest“, das friedliche harmonische Miteinander und vor allem den Genuß von Drogen. Dabei unterschieden sie zwischen guten (Dope: Marijuana, LSD, Psilocybin etc.) und schlechten Drogen (Drugs: Alkohol, Amphetamine, Opiate etc.).
Das Propagieren des Drogenkonsums für eine „Revolution des Bewußtseins“ diente auch ihrer Abgrenzung gegenüber dem „Establishment“ (vgl. ebd. S. 25 und 35). Im Gegensatz zur Hippiebewegung ist die Technobewegung keine wirk- liche Gegenkultur. Die Hippies waren durch ihren starken Kontrast zur krisenbe- hafteten amerikanischen Gesellschaft der sechziger Jahre zu einer der Protestbe- wegungen -neben der „Neuen Linken“ und der schwarzen Bürgerrechtsbewe- gung- geworden und ihr Lebensstil hat die Gesellschaft bis heute grundlegend beeinflußt (vgl. ebd., S. 11). Als Nachkommen der von der Hippiekultur gepräg- ten Sechziger-Generation fand die Technobewegung jetzt einen weitgehend güns- tigeren Nährboden für ihre Sub-Kultur vor.
Sie propagiert nicht den Ausstieg aus der Gesellschaft und wendet sich auch nicht gegen den Konsum, sondern schließt diesen -ganz im Gegenteil- in ihren Lebensstil mit ein. m Gegensatz zum Hippie konzentriert sich die Identität des Raver hauptsächlich auf das Wochenende, während sie in der Woche dem Arbeitsalltag nachgehen, ohne sich von anderen zu unterscheiden (vgl. R. Domes in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 64).
Die wesentlichen Parallelen zwischen beiden Bewegungen sind neben dem friedli- chen Miteinander, der Hedonismus und der Drogenkonsum. Die meisten von den Technoanhängern eingenommenen Drogen (wie Haschisch, LSD etc.), haben auch schon die Hippies genommen. Bei beiden ist der Einfluß dieser meist psy- chedelischen Drogen im kreativen Ausdruck von Musik und Kunst nicht zu über- sehen. Der ebenso wie bei den Hippies hochgradig visuell angelegte Stil der Techno-Mode (Batik-T-Shirts, Blümchenkleider etc.), der Veranstaltungsorte der Technokultur und die Gestaltung der Flyer, der Zeitschriften und sonstige Techno- Publikationen enthält neben eigenen Schöpfungen aus Comics, Science Fiction und Computerdesign auch häufig Symbole und Stilelemente der Hippies (wie Sonnen oder psychedelische Muster), die jetzt mit modernster ComputerTechnologie verfeinert werden.
Technoparties waren seit den Anfängen eng mit dem (psychedelischen) Drogengebrauch verbunden und daher lassen sich besonders Ken Keseys „Merry Pranksters“18 und ihre „Acid Tests“ mit den „Acid-House“- oder Techno-Parties sehr gut vergleichen: Zur Grundausstattung gehörten bei beiden extreme Musik, Stroboskop-Lichtgewitter und LSD. BÖPPLE und KNÜFER (a.a.O., S. 52 ff.) bezeichnen auch Techno (oder mit ihren Worten: die „Generation XTC“) als Wiederkehr des „Lebensgefühls von LOVE“.
Da die Technoszene aber inzwischen in verschiedenste Stilrichtungen aufgesplittert ist, die unterschiedliche Menschengruppen ansprechen, läßt sich Techno nicht pauschal als moderne Form des Hippietums bezeichnen. Die am ehesten mit dem Hippielebensgefühl zu vergleichende Techno-Richtung ist Goa-Trance, auch Psy(chedelic)-Trance genannt. Goa-Trance entstand in den (ehemaligen) Hippie- Zentren wie Goa oder Ibiza (s.o.). Die auch in Deutschland immer häufiger statt- findenden Goa-Veranstaltungen zeichnen sich durch magisch und mythisch anmu- tende Ambiente aus (vgl. R. Eisch in CONNECTION 3-4/98, S. 28).
2.2.3 Techno als moderne Form archaischer Trancetänze
Wie schon erwähnt, ist das revolutionäre Element die Techno musik selbst. Diese Musik verbindet das archaische Prinzip der Trommelmusik, wie beim Samba, mit den modernen Klängen der Industriegesellschaft: „Die erste echte Buschmusik für Weiße“, meint dazu passenderweise die Züricher SheDJ Viola (vgl. SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 297). Durch den über Stunden hinweg andauernden repetitiven19 Rhytmus ist es möglich, auch ohne zu Hilfenehmen von Drogen so etwas wie Trancezustände20 zu erreichen (vgl. T. Koch in ANZ/ WALDER a.a.O., S. 101 f. und WALDER/ AMENDT 1997, S. 14). Techno-Musik löst bei ihren Liebha- bern starke körperliche Empfindungen und daraus folgend psychisches Wohlbe- finden aus: „Techno-Musik scheint den ganzen Körper zu überfluten und zu durchströmen und die Welt ringsumher vergessen zu machen. Sie versetzt die Tanzenden - nicht nur, aber insbesondere in Kombination mit den entsprechenden Drogen - in einen enthusiastischen Zustand, dessen Beschreibungen relativ sym- ptomatisch an die von mystischen Erlebnissen erinnern.“(R.Hitzler und M. Pfa- denhauer in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 55)
Oft wird das Techno-Tanzen von den Beteiligten sogar als ein besseres Erlebnis wie Sex beschrieben (vgl. SPIEGEL 29/1996, S. 100).
Hans COUSTO (1995, S. 74) vergleicht den Besuch des Techno-Clubs mit dem Besuch der Kirche. Er ist der Ansicht, daß Techno im Vergleich zur Kirche kein toter , sondern ein lebendiger Kult ist, vergleichbar mit den archaischen Urkulten, in dem nichts substituiert oder durch eine symbolische Handlung ersetzt wird, sondern echtes Ritual ist. Im „Techno-Tanz-Tempel“ würden junge Menschen das Wunder vollbringen,“den göttlichen Funken des Lebens in Trance und Ekstase in sich zu erleben und zum blühen zu bringen“ (ebd., S. 74).
Der DJ wird häufig mit einem Priester oder Schamanen21 verglichen, der die an die Musik hingegebenen Party-Besucher, den „kollektiven Tanzkörper“, führt, deren Stimmung wahrnimmt und durch Anpassung der Musik auf ihre Bedürfnisse eingeht. Von daher ist eine gute Technoparty im höchsten Maße vom Talent und Einfühlungsvermögen des DJs abhängig (R.Hitzler und M. Pfadenhauer in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S.52 und BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O., S. 76). Das positive Gruppengefühl und die Atmosphäre einer Techno- party und der Grad der erreichten gemeinsamen Ekstase wird aber auch zu einem ganz entscheidendem Teil dem gemeinsamen Konsum der Party-Drogen zuge- schrieben. Dem Drogenkonsum der Technoszene widme ich das nächste Kapitel.
3 Drogenkonsum der Technoszene
Techno und Drogen werden in den Medien meistens miteinander in Verbindung genannt, so daß man den Eindruck gewinnt, es handele sich bei Techno um eine reine Drogenkultur (siehe 3.3). Drogen aller Art, illegalisierte wie legale, sind aber auch schon vor dem Aufkommen der Technokultur in unserer Gesellschaft ver- breitet gewesen. Hans Cousto nennt Techno eine drogenbeeinflu ß te Kulturform, da sie von Menschen mit Drogenerfahrungen ins Leben gerufen wurde (vgl. COUSTO a.a.O., S. 29). Sie kann jedoch auch ohne Drogengebrauch ausge- kostet werden, und es gibt auch viele Genießer der Technokultur, die gar keine Drogen zu sich nehmen. Techno kann daher nicht einfach als Drogenkultur be- zeichnet werden. Zu diesem Schluß kommen auch Hitzler und Pfadenhauer in ihrer Abhandlung zur Fragestellung, ob Techno nun eine Jugend- oder Drogenkul- tur ist (in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 47-60).
Es läßt sich aber feststellen, daß Drogen und Techno sehr gut zusammenpassen. Häufig werden leistungssteigernde Drogen als „Doping für Körper und Geist“(WALDER/ AMENDT) im Zusammenhang mit Techno benannt, z.B.um die langen Disco-Nächte (bzw. Wochenenden) durchzuhalten: „Man will Spaß haben auf der Party. Fit und happy sein, wie es von uns verlangt wird. Intensiver leben. Länger tanzen. Mehr Sex haben. Immer härter, weiterbreiter.“(WALDER/AMENDT a.a.O., S. 8).
Dieser Leistungsdruck hat neben der Arbeitswelt nun auch schon den Freizeitbereich erfaßt. Durch Drogen will man ihm standhalten22.
Hans Cousto u.a. verweisen aber darüberhinaus vor allem auf die Trance und Gemeinschaftsgefühl fördernden Aspekte der im Rahmen von Techno gebrauchten Drogen (vgl. COUSTO a.a.O., S. 33-37).
3.1 Partydrogen - Modedrogen - Designerdrogen
In den Medien und Publikationen der letzten Jahre kann man übereinstimmend lesen, daß der Drogenkonsum unter Jugendlichen weiterhin ansteigend ist (siehe z.B. HNA vom 21.5.98). Besonders hervorgehoben wird dabei der Partydro- genkonsum der Technoszene. Wenn von diesem die Rede ist, handelt es sich um insbesondere um „Ecstasy“, die meistkonsumierte Droge in der Technoszene. Diese wird, außer als Partydroge, auch als Modedroge bezeichnet, da sie erst im Zusammenhang mit der Technoszene zu größerer Verbreitung gelangte und des- sen Konsum in den Reihen der Technoanhänger in Mode ist. Aufgrund der Ak- tualität werde ich Ecstasy im nächsten Abschnitt mein Hauptinteresse widmen.
Eine Party bezeichnet ein Fest oder einen Tanzanlaß, hier meist mit Techno- oder Housemusik. Die in diesem Rahmen konsumierten Drogen werden Partydrogen genannt. Wichtiges Kriterium bei diesen ist, daß sie das Partyfeiern fördern.
Die verbreitetste Partydroge ist der in unserem Kulturkreis legale Alkohol, der auf den meisten Parties in allen Varianten zu finden ist. Daneben gibt es die klassi- schen illegalisierten Drogen Cannabis, Amphetamine und Kokain, die schon lange als Partydrogen gebraucht werden. Halluzinogene dagegen sind eigentlich keine typischen Partydrogen23, obwohl auch diese schon gerne auf speziellen Parties genossen wurden (ein Beispiel einer solchen Party bei SCHAFFNER 1992, S. 51-55). Heroin dagegen ist wegen seiner vordergründig dämpfenden Eigenschaf- ten keine Partydroge und in der Technoszene wegen des ihm anhaftenden negati- ven Image als Verliererdroge „out“24. In meinen folgenden Ausführungen werde ich mich auf die sogenannten Partydrogen, die drei in der Technoszene aktuellsten Drogengruppen, -nämlich Entaktogene, Halluzinogene und Stimulanzien- konzent- rieren und die übrigen Drogen in diesem Zusammenhang nur am Rande anspre- chen.
3.1.1 Entaktogene (Ecstasy)
Ecstasy wird zu der bislang unbekannten Stoffgruppe, den Entaktogenen (nach dem amerikanischen Chemiker Nichols) gezählt. Der Begriff Entaktogene kommt aus dem griechischen und kann (lt. R.Thomasius in RABES/ HARM a.a.O., S. 42) mit „Ermöglichen einer Berührung des eigenen Inneren“ übersetzt werden, was auf den Effekt des verbesserten Zugangs zu den eigenen Gefühlen und Konflikten anspielt. In meiner Beschreibung gehe ich zunächst von der Ur- sprungssubstanz MDMA aus. MDMA gehört der chemischen Gruppe der Phe- nethylaminen25 an, die eine Reihe von unterschiedlich wirkenden Drogen beinhal- tet.
1898 wurde MDMA das erste Mal synthetisiert. 1912 wurde von der Firma Merck in Darmstadt das Patent für MDMA und vier weitere Verbindungen, dar- unter auch MDA, angemeldet, welches 1914 genehmigt wurde26. Auch wenn in vielen Publikationen fälschlicherweise angegeben wird, MDMA sei als Appetit- zügler entwickelt worden, gibt es über den wirklichen Zweck keine Angaben (vgl. A. Shulgin in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 97 f. und WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 37).
Vor dem Verbot (1985 in den USA, 1986 in Deutschland) wurde ausschließlich die Droge MDMA27 (3,4 MethylenDioxyMethAmphetamin) als „Ecstasy“28 bezeichnet, inzwischen fallen aber eine ganze Reihe von verwandten Substanzen unter diesen Begriff. Der Preis für eine Ecstasy-Pille betrug auf dem Schwarz- markt vor einigen Jahren noch um die 50.-DM und ist inzwischen auf ca. 20.- DM gefallen.
3.1.1.1 Designerdroge Ecstasy
Durch die Illegalisierung von MDMA entstanden einige Designerdrogen- Varianten, die auf dem Schwarzmarkt gleichermaßen als Ecstasy verkauft wer- den. Unter einer Designerdroge29 versteht man in erster Linie eine „Substanz, deren psychoaktive Wirkung einer bekannten Droge gleicht, deren Molekular- struktur jedoch verändert wurde, um die strafrechtliche Verfolgung zu umgehen“ (SAUNDERS a.a.O., S. 411) aber häufig auch eine speziell auf die Bedürfnisse und Wünsche der Drogengebraucher zugeschnittene Droge (vgl. K. Nowocin in RABES/ HARM a.a.O., S. 25). Es werden allgemein auch einfach synthetisch hergestellte Drogen (vgl. SAUNDERS a.a.O., S. 411) als solche bezeichnet, obwohl das nicht ganz korrekt ist.
Die mit MDMA verwandten Designerdrogen sind MDEA (MDE), auch Eve ge- nannt, und MBDB. MDMA und MDA sind (nach o.g. erster Definition) keine Designerdrogen.
3.1.1.2 Inhaltsstoffe und Wirkung von Ecstasy
Ecstasy wird meistens in Pillenform mit verschiedenen Symbolen aufgedruckt wie z.B.Taube, Friedensymbol oder Dollar, seltener auch in Form von Kapseln ange- boten und oral konsumiert. In Ecstasypillen sind hauptsächlich die entaktogen wirkenden MDMA, MDEA und MBDB30, selten die halluzinogen wirkenden MDA, DOB und 2-CB sowie auch Stimulantien wie Koffein, Ephedrin, Amphe- tamine und Methamphetamine zu finden31. Sogenannte „Fakes“, also Fälschun- gen, enthalten manchmal Paracetamol, Koffein oder gar keine Wirkstoffe (Place- bos, Blender). Von 142 getesteten Ecstasyproben 1995/96 enthielten 57% MDMA, 29,5% MDEA 1,5% MBDB, wenige (je fünf) enthielten Amphetamine (Speed) oder keine Wirkstoffe. Lebensgefährliche Inhaltsstoffe wie Rattengift oder Suchtstoffe wie Heroin sind entgegen Pressemeldungen nicht in Ecstasypillen gefunden worden (vgl. EVE & RAVE Partydrogen ‘97, S. 10). Die übliche Dosis liegt bei 50-150 mg Wirkstoff bzw. 0.4-1 mg/ kg Körpergewicht, und die Wir- kung setzt 30-60 Minuten nach Einnahme ein. Grundsätzlich ähneln sich die Wir- kungen der Ecstasy-Substanzen MDA, MDMA, MDEA und MBDB in ihrer stimmungsaufhellenden und gefühlsverstärkenden Eigenschaft. Die wesentlichen Unterschiede in der Wirkung verschiedener Ecstasy-Wirkstoffe sind:
MDMA, das eigentliche „ECSTASY“ (= „ADAM“) ist 3-5 Stunden wirksam. Neben der gefühlsverstärkenden/gefühlserzeugenden (entaktogenen) Hauptwir- kung weist es deutlich antriebssteigernde/ tanztreibende Eigenschaften auf, während die halluzinogene Potenz nur schwach ausgeprägt ist.
MDEA (=„EVE“) wirkt kürzer (2-3 Stunden) als MDMA und „gibt weniger (Tanz-)Energie“, ist noch schwächer halluzinogen, macht aber „breiter“ und gilt als weniger nervengiftig.
MDA ist ein mittelstarkes Halluzinogen, wirkt von allen E-Stoffen am längsten (6- 8 Stunden) und soll am stärksten bestimmte Nervenzellen im Gehirn schädigen. MDMA und MDEA werden zu ca. 10% vom Körper zu MDA verarbeitet. MBDB wurde als Prototyp eines Gefühlsverstärkers/Gefühlserzeugers (Entaktogens) designet. Es wirkt 4-5 Stunden. Wegen der fehlenden antriebssteigernden Wirkkomponente ist es als Tanztreiber auf Parties wenig beliebt, während „Sofa und Schlafzimmeruser“ diesen Stoff bevorzugen (aus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ecstasy und Techno, S. 4).
Die Ecstasy-Wirkung32 besteht aus einer verstärkten Freisetzung der Neu- rotransmitter Dopamin33 und Serotonin34 im Gehirn, die zu einer Entspannung der Muskeln, einigen Nebenwirkungen und dem erwünschten Gefühl führen. Die durch diese Freisetzung bewirkte Veränderung in der Hirnchemie verändert die Stimmungs- und Gefühlslage: Schwankungen im Serotoninspiegel verursachen Veränderungen der Glücksgefühle und Schwankungen im Dopaminspiegel Ver- änderungen im Ausmaß der Schmerzempfindungen (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 23). Zusätzlich wird die Körpertemperatur angehoben. Unter Ecstasy- Einfluß entwickeln sich bei den Konsumenten neben einer allgemeinen Stimulie- rung und Euphorisierung intensive Gefühle von Nähe zu anderen Menschen. Ver- bunden ist dieses subjektive Erleben mit einer erhöhten Kommunikationsbereit- schaft und mit gesteigerten Kontaktbedürfnissen. Ecstasy wird daher auch oft als „Herzöffner“ bezeichnet. Die Unterscheidungsfähigkeit zwischen der eigenen Per- son und der Umwelt, zwischen Selbst und Nichtselbst, ist herabgesetzt. Einige Konsumenten berichten über ecstatisch-mystische Verschmelzungserlebnisse. In vielen Fällen gehen diese Veränderungen im interpersonalen Erleben mit einer Steigerung des Selbstwertgefühls und Selbstbewußtseins einher. Außerdem be- schreiben die Konsumenten eine Zunahme ihrer Introspektionsfähigkeit, das heißt also einen verbesserten Zugang zu den eigenen Gefühlen, Stimmungen und Kon- flikten. Halluzinatorische Effekte fehlen beim MDMA/MDEA/MBDB-Rausch -im Gegensatz allerdings zum MDA-Rausch- weitgehend. Die Selbstkontrolle bleibt erhalten. Wahrnehmungsveränderungen sind aber recht häufig (verschwommenes Blickfeld, Nachbilder, Geräuschempfindlichkeit etc.) Zu den subakuten psycho- tropen Effekten des Ecstasy, die die Akutphase überdauern und selten länger als 24 Stunden anhalten, gehören überwiegend unerwünschte Begleiterscheinungen des Rausches. In erster Linie sind depressive Verstimmungen und Angstzustände zu erwähnen, die mit dem Ausklingen des Rausches einsetzen. Ferner werden als Nachwirkungen eine Abnahme des Schlafbedürfnisses, Appetitverlust, Gereizt- heit, Konzentrationsstörungen, Verschlossenheit, Erschöpfungszustände (beson- ders nach langem Tanzen), Sprechstörungen, herabgesetzte Libido, Rastlosigkeit und Gedächtnisstörungen genannt (vgl. R.Thomasius in RABES/ HARM a.a.O.; S.48 f.). Diverse subjektive Erfahrungsberichte von Ecstasy- Rauschzuständen finden sich unter WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 11 f.,16 ff.und 23 ff.; SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 13-18,S. 328-353; SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 221-234 u.a. Die Ecstasy-Wirkstoffe haben eine große Toleranzbildung, d.h. die Wirkung wird von Pille zu Pille trotz gleichbleibenden Wirkstoffgehaltes immer schwächer und eine amphetaminartige Wirkung tritt in den Vordergrund. Im Falle von Ecstasy liegt das daran, daß nach dem Rausch die körpereigenen Seroto- ninspeicher entleert sind. Eine volle Ecstasy-Wirkung ist erst nach 4-6 Wochen wieder möglich (vgl. EVE & RAVE Partydrogen ‘97 a.a.O., S. 11). Auch wenn das Berührungsempfinden, Zärtlichkeit und der Wunsch nach Nähe nach Ecstasy- genuß dominiert, ist die Substanz aber nicht -wie manchmal angenommen- eine Sexdroge. Es ist bei den Konsumenten zwar häufig ein Bedürfnis zu kuscheln vorhanden, aber nicht so sehr nach sexueller Betätigung. Die aktive Potenz ist nach Ecstasy-Konsum meist reduziert (vgl. ebd., S. 11). Wie für andere Drogen (besonders Halluzinogene) gilt auch für Ecstasy, daß sich der Einfluß von Set, der inneren Einstellung und Erwartung (vor dem Drogenkonsum), und Setting, den äußeren Umständen (des Drogenkonsums), wesentlich auf die Qualität des Dro- genrauschs auswirkt. Negative Grundstimmungen wie Angst (z.B. vor der Droge), Schwäche oder Nervosität oder die Einnahme mit unbekannten, nicht vertrauens- erweckenden Personen oder an unbehaglichen Orten können dem Drogengeb- raucher statt der beabsichtigten Wonnen wahrhaft unangenehme Erfahrungen bringen (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 14 f.). Die obengenannten empa- thischen und entaktogenen Effekte sind der Grund, daß Ecstasy (bzw. MDMA, zunächst noch Adam genannt), außer in den letzten Jahren in der Technoszene, zuvor im psychotherapeutischen und spirituellen Rahmen gebraucht wurde35.
3.1.1.3 Ecstasy und die Technokultur
Ecstasy wirkt beim wilden Tanzen auf Technoparties und Raves auf andere Weise als in ruhiger Athmosphäre (z.B. bei der Meditation oder bei therapeutischen Sit- zungen). Laut SAUNDERS hängt es möglicherweise auch mit der durch heftige Bewegungen verursachten verstärkten Sauerstoffaufnahme zusammen. Die ausge- löste Wirkung führe dazu, daß der innere Dialog an Kraft verliert und damit die Befangenheit verschwindet. Daher könne man sich viel besser auf die Musik, sei- ne Bewegungen und die Stimmung auf der Party einlassen (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 26). „Die Kombination der Droge mit Musik, Lichteffekten und Tanz bewirkt einen angeregten, tranceähnlichen Zustand der vielleicht mit dem zu vergleichen ist, der während Stammesritualen oder religiösen Zeremonien erfahren wird“ (SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 29). Der „Spirit von „Love, Peace und Uni- ty“ wäre (laut BÖPPLE/ KNÜFER a.a.O., S. 168) ohne Ecstasy nicht möglich. Raver und Raverinnen fühlen sich einer Art Stammeskultur zugehörig, in der durch den gemeinsamen Drogenkonsum andere Regeln und andere Werte wichtig sind als sonst üblich. So genießen Frauen unter Ecstasy-Konsumenten und - Konsumentinnen beispielsweise viel größere Freiheiten, da sie nicht den Annähe- rungsversuchen und Belästigungen Betrunkener ausgesetzt sind (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O.,S. 27 f.). Neben Ecstasy werden aber auch -oft in Kombination- noch andere Drogen wie Amphetamine oder Halluzinogene konsumiert, um die Wirkung zu verlängern oder zu verstärken.
3.1.2 Halluzinogene
Halluzinogene sind selten in Ecstasy-Pillen als Beimischungen zu finden. Im übri- gen werden diese auch als Halluzinogene und nicht als Ecstasy verkauft. Häufig werden sie aber mit Ecstasy zusammen konsumiert (Mischkonsum).
Unter Halluzinogenen versteht man pflanzliche oder chemische Wirkstoffe, die Änderungen der optischen (bisweilen auch der akustischen) Wahrnehmung her- beiführen (vgl. SAHIHI 1990, S. 76). Die bekanntesten Halluzinogene sind das chemisch hergestellte LSD, das pflanzliche Meskalin, das aus dem Peyote- Kaktus gewonnen wird, und die psilocybin-haltigen Pilze, die auch als Zauberpilze (magic mushrooms) bezeichnet werden. Diese sind in der Wirkung verwandt und auch untereinander kreuztolerant, d.h. nach Einnahme einer dieser Substanzen muß ein ausreichend langer Zeitraum bis zum nächsten Konsum abgewartet wer- den, bis wieder die volle Wirkung gespürt werden kann, unabhängig welche der drei Substanzen konsumiert wird. Besonders LSD und in letzter Zeit auch Zau- berpilze haben in der Technoszene ein beachtliches Revival erfahren und sind in der Goa- oder (Psychedelic-) Tranceszene am beliebtesten.
a) LSD (d-Lysergsäure -Diäthylamid):
Bei LSD handelt es sich um ein halbsynthetisches Halluzinogen. Dr. Albert Hoff- mann36 hat es 1938 aus dem Mutterkorn-Pilz synthetisiert und 1943 erstmals die Wirkung entdeckt. LSD ist ein äußerst potentes Halluzinogen: schon 25- 200 Millionstel Gramm bewirken heftige optische und akkustische Halluzinationen. Es wurde von der Firma Sandoz unter dem Namen Delysid auf den Markt gebracht und in der psychiatrischen Forschung wegen seiner Eigenschaft geschätzt, vorü- bergehende psychoseähnliche Zustände, sogenannte Modellpsychosen, auszulö- sen. Den großen Bekanntheitsgrad erreichte LSD in den sechziger Jahren als der Psychologie-Dozent Timothy Leary von der Harvard Universität sich zum Propa- gandisten der psychedelischen Bewegung aufschwang. Seit 1966 ist es weltweit verboten. Leider wurde in Bezug auf dasVerbot -wie R. Schwendter (1992, S. 169) es ausdrückte- „ganze Arbeit geleistet“, da jegliche weitere therapeutische Forschung von LSD bzw. Halluzinogenen bis heute (Ausnahme -wie auch bei MDMA- in der Schweiz) verhindert wurde. Seitdem wird LSD nur noch illegal in Form von Löschblattstückchen oder Mikrotrips gehandelt und konsumiert. Heute ist ein „Trip für 10.- bis 20.- DM erhältlich und enthält durchschnittlich 80 Mikro- gramm Wirkstoff. Im Vergleich zur Hippiezeit wird inzwischen deutlich niedriger dosiert. Auf Parties werden meist nur halbe oder viertel Trips genommen. Die Wirkung setzt ungefähr 30-60 Minuten nach oraler Einnahme ein und erreicht erst nach zwei bis vier Stunden ihren Höhepunkt. Die Gesamtdauer der LSD-Wirkung beträgt im Allgemeinen 8-12 Stunden. Als körperliche Wirkungen wurden erwei- terte Pupillen, eine leichte Erhöhung des Blutdrucks, Hautrötung und vermehrter Speichelfluß festgestellt. Die psychischen Wirkungen sind viel stärker und kom- plexer. LSD-Trips werden häufig als unbeschreiblich beschrieben, die Trips un- terscheiden sich nicht nur von Person zu Person sondern auch von Einnahme zu Einnahme beträchtlich. Die am häufigsten in der Literatur beschriebenen Wirkun- gen sind optische Halluzinationen, Sinnestäuschungen wie Synästhesien37, Fla- ckern und Fließen von Farben, farbige Nebel und Muster aber auch ausgeformte Bilder wie Landschaften oder Fratzen. Die erlebte Bilderwelt ist abhängig von der Persönlichkeit und von der Umgebung; Set und Setting (siehe auch unter 3.1.1.3) sind entscheidende Faktoren für den Verlauf der Wirkung (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., 127 f.).
b) psylocybinhaltige Pilze:
Halluzinogene Pilze wie die psilocybinhaltigen Pilze zählen zu den ältesten Kulturdrogen der Menschheit. Psilocybin wurde auch wie LSD zunächst in der Psychotherapie eingesetzt und mit der zunehmenden Verbreitung bei den Hippies zeitgleich mit den anderen Halluzinogenen verboten.
Die Wirkung ist vergleichbar mit der des LSDs, jedoch kürzer (4-6 Stunden) und „weicher“, also nicht so stark und leichter steuerbar. Die übliche Dosis liegt bei zehn bis zwanzig Milligramm Psilocybin. Der durchschnittliche Gehalt liegt bei 0.1-1% Wirkstoffs bei Trockengewicht bzw. 0,01-0,1% Frischgewicht. Die auf dem Schwarzmarkt angebotenen Pilze zu 10.-bis 20.-Mark pro Gramm Tro- ckengewicht stammen meist aus privater oder aus holländischer Zucht. Im Herbst sind auch auf heimischen Pferde- und Kuhweiden psilocybinhaltige Pilze („spitz- keglige Kahlköpfe“ u.a.) zu finden, deren Wirkstoffgehalt jedoch stark schwan- kend ist (vgl. ebd., S. 141 ff. und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zauberpilze, S. 2-10). Seit 1.2.1998 ist nicht mehr nur der Wirkstoff Psilocybin und Psilocin sondern der gesamte Pilz38 dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt.
c) Cannabis (Hanf)
Marijuana (auch Gras genannt = Hanfblüten und -blätter) oder Haschisch (Hanf- harz) gehören neben Ecstasy und Alkohol zu den meistkonsumierten Drogen in der Technoszene. Die Cannabisprodukte werden meistens -zum Teil mit Tabak vermischt- geraucht, seltener in Nahrungsmitteln oder Getränken verarbeitet, kon- sumiert. In der einschlägigen Lektüre zu Partydrogen werden Cannabisprodukte recht wenig bzw. wenn überhaupt dann eher am Rande behandelt. Das liegt dar- an, daß Cannabis unter allen am illegalen Markt befindlichen Drogen die harmlo- seste ist und erwähnenswerte Zwischenfälle mit dieser Droge verhältnismäßig selten sind. Aus diesem Grunde werde ich diese Droge nicht so ausführlich be- schreiben39. Cannabis ist eine seit jahrtausenden weltweit genutzte Kulturdroge und zählt nicht zu den Halluzinogenen im engeren Sinne, obwohl es häufig unter diese aufgelistet wird. Es hat sowohl anregende und beruhigende, als auch betäu- bende oder halluzinogene Eigenschaften. Die Wirkung hängt neben Set und Set- ting auch von der konsumierten Qualität ab. Meistens wird es im Chill Out und zum Ausklingen des Ecstasyrausches verwendet. Im Gegensatz zu Ecstasy han- delt es sich bei Cannabis um eine Alltagsdroge, die auch zwischen den Partywo- chenenden genossen wird.
d) sonstige Halluzinogene
Es gibt noch eine ganze Reihe Halluzinogene unter den Designerdrogen, die jedoch wegen ihrer unberechenbarer Wirkungen vergleichsweise eher selten sind (2-CB40, DOB, DOM u.a.). Ich werde diese daher nicht mehr im Einzelnen vorstellen (Informationen zu diesen Substanzen bei WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 130 und SHULGIN 1992, nach Index ).
3.1.3 Aufputschende Drogen (Stimulanzien)
In der Partyszene ist alles, was wach und munter macht, sehr beliebt. So reicht die Spanne der konsumierten Stimulanzien von Koffein, in verschiedenen Varian- ten über Amphetamine (Speed) bis Kokain, dem Klassiker unter den Partydro- gen41.
a) Koffein
Koffein ist ein zentralnervös stimulierendes Alkaloid, das in der Kaffeebohne, dem Tee, der Cola-Nuß und in den Samen der Guarana42 -Fruchtkapseln enthal- ten ist. Es wirkt leistungssteigernd und leicht euphorisierend (vgl. Sahihi a.a.O., S.38). Abgesehen von Kaffee43, Tee und Cola, die in der ganzen Gesellschaft massenweise konsumiert werden und bei den wenigsten mit Drogen in Verbin- dung gebracht werden, sind in der Technoszene vor allem Guarana-Produkte und sogenannte „Energy Drinks“ verbreitet. Auch wenn diese „Energy Drinks“ wie „Red Bull“ oder „Flying Horse“ oft noch zweifelhafte Wirkstoffe wie Taurin44 enthalten, ist es das Koffein, welches die anregende Wirkung dieser Getränke ausmacht. Bei diesen „Energy Drinks“ -inzwischen gibt es ca. 120 dieser „Wun- dersäfte mit grellbunter Aufmachung“ (WALDER/ AMENDT a.a.O., S.114)- ist auffällig, daß seitens der Hersteller, z.B. durch Namen wie XTC oder Gerüchte um die Designerdrogen-ähnliche Wirkung ihrer Drinks, bewußt die Nähe zu ver- botenen Substanzen gesucht wird, um das Produkt in der Technoszene attraktiver zu machen (vgl. RABES/ HARMS a.a.O., S. 14-17)45. Außer in diversen Ge- tränken ist Koffein aber auch sogenannten „Legal Highs“, Kräutermischungen, die in „Head-Shops“46.erhältlich sind oder Ecstasy-Pillen beigefügt. Unter diesen ist „Herbal Ecstasy“ eine der bekanntesten. Einer der anregenden Hauptwirkstoffe, Ephedra 47 , wurde inzwischen durch Guarana und die koffeinhaltige Cola-Nuß ersetzt.
b) Amphetamine (Speed)
In der Technoszene werden oft Amphetamine und Ecstasy kombiniert, teilweise werden Amphetamine auch als Ecstasy verkauft oder sind den Ecstasy-Pillen beigemischt.
Die Amphetamine -wegen ihrer Weck-Wirkung auch Weckamine genannt- wur- den zuerst 1887 synthetisiert, ihre psychische Wirkung aufgrund der Ähnlichkeit zum körpereigenen Hormon Adrenalin wurde aber erst 1910 entdeckt. Amphe- tamine werden seither quer durch alle Bevölkerungsgruppen zu verschiedenen Zwecken verwendet, als Leistungsdroge beim Sport und als Sexdroge, beruflich von Fernfahrern oder in der Freizeit als Tanzdroge. Als Medikamente wurden Amphetamine unter den Handelsnamen Benzedrin, Pervitin und Captagon be- kannt und sind verschreibungspflichtig. In der Drogenszene sind sie als Speed oder auch häufig als billiger Ersatz oder als Streckmittel von Kokain verbreitet. In der Technoszene erfreuen sie sich besonders bei den Gabber-Anhängern beson- derer Beliebtheit, welche erst unter Speed-Einfluß richtig in der Lage sind, den atemberaubend schnellen Rythmen zu folgen (vgl. AMENDT/ WALDER a.a.O., S. 103 ff.). Amphetamine werden geschnupft oder geschluckt, die gängige Darreichungsform sind Pulver oder Tabletten, der Schwarzmarktpreis für ein Gramm liegt zwischen 20.- und 50.- DM. Beim Schnupfen setzt die Wirkung schneller als beim Schlucken ein (vgl. DROBS Elternbroschüre 1997, S. 9). Die Wirkung erfolgt durch eine Stimulierung des Wachzentrums im Gehirn und dauert 8-12 Stunden (bei Methamphetaminen sogar über 30 Stunden) an. Eine niedrige Dosis (5-10 mg) bewirkt einen angenehm angeregten Zustand mit erhöhter Leis- tungsfähigkeit und Unbeschwertheit bei erhöhtem Herzschlag und erhöhter Atem- frequenz, Mundtrockenheit und Appetitlosigkeit. Bei höheren Dosen (10-20 mg) verstärken sich diese Symptome, es können allerdings Übelkeit und Kopfschmer- zen hinzukommen. Amphetamine ermöglichen zwar körperliche Dauerleistungen, doch werden dabei die körperlichen Reserven ausgeschöpft, schlimmstenfalls bis zum Zusammenbruch (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 106 f.).
c) Kokain
Kokain wurde erstmals 1859 in Deutschland aus importierten Kokablättern iso- liert. In Südamerika, dem Ursprungsland, wurde Koka, die älteste Kulturpflanze, schon seit Jahrhunderten bei religiösen Anlässen und Kriegen gebraucht. Noch heute werden die Kokablätter von den Indios zur Steigerung ihrer Arbeitskraft gekaut. Zwischen 1886 und 1903 war Kokain ein wichtiger Bestandteil des populären Erfrischungsgetränks Coca Cola, bis aufgrund des zwischenzeitig festgestellten Suchtpotentials der Wirkstoff Kokain gegen Koffein ausgetauscht wurde. Verboten wurde es nach einem regelrechten Kokain-Boom in den Zwanziger Jahren. Kokain ist als weißes, kristallines Pulver zu derzeit 150.- - 200.- DM pro Gramm auf dem Schwarzmarkt im Handel und wird geraucht, gespritzt oder meistens -so auch in der Technoszene- geschnupft. Die Qualität ist stark schwankend, der Wirkstoffgehalt liegt zwischen 30-80%. Kokain gilt als Leistungs-und Egodroge: Es wirkt geistig und körperlich anregend, mildert Müdigkeit, Hunger und Durst, euphorisiert und verleiht ein Gefühl von Stärke. Das unter Kokain gesteigerte Selbstbewußtsein macht allerdings auch unsensibel, vermindert die Selbstkritik und verleitet zu „Egotrips“ bis hin zum Größenwahn. Bei höheren Dosierungen kommt es zu Halluzinationen. Die Droge wird nur selten mit Ecstasy kombiniert, da sie dessen Wirkung zerstört und stattdessen Schweißausbrüche und Kreislaufprobleme verursacht (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 117-122).
3.2 Konsummuster und -motivationen der Partydrogengebraucher
Wie man leicht den verschiedenen Publikationen zu diesem Thema entnehmen kann, ist Ecstasy die beliebteste Partydroge in der Technoszene. Kaum einer der Ecstasykonsumenten nimmt jedoch nur Ecstasy alleine. Vielmehr ist immer mehr ein polyvalenter Drogengebrauch (Mischkonsum) zu verzeichnen. In verschiede- nen Studien über Drogengebrauch in der Technoszene wurden die Konsummuster und -motivationen meist vom Ecstasykonsum ausgehend beleuchtet. Im folgenden Abschnitt werde ich aus einigen dieser Studien wichtige Erkenntnisse zum Party- drogengebrauch zusammenfassen. In Abschnitt 3.2.2 werde ich auf die Motivati- onen der Partydrogenkonsumenten aus soziologischer Sicht eingehen.
3.2.1 Studien zum Ecstasykonsum
Nach einer Veröffentlichung des Magazins FOCUS (vom 10.6.96) hatten bis zu diesem Zeitpunkt 540000 Menschen Erfahrungen mit Ecstasy gemacht, inzwi- schen dürften es allerdings einige mehr sein. Die meisten, nämlich 340000, befan- den sich danach im Alter zwischen 14 und 25 Jahren, 200000 der Ecstasy- gebraucher waren älter. In verschiedenen Studien wurden dieTechnoanhänger, Jugendliche oder Ecstasykonsumenten in Stichproben nach ihren Drogen- gebrauchsmustern befragt.
Daraus ein paar wichtige Ergebnisse:
RAKETE/ FLÜSMEIER 199748 fanden heraus: 90 % der Ecstasykonsumenten haben zuvor schon Alkohol und Cannabis konsumiert; das Erstkonsumalter von Ecstasy liegt zwischen 16. und 18. Lebensjahr, das von Alkohol und Cannabis zwischen 13. und 15. Lebensjahr. 93.9 % der Personen, die Ecstasy gebrauchen, haben Mehrfachkonsum mit den in 3.1. vorgestellten Drogen; fast 70 % trinken Alkohol als Beikonsum zu Ecstasy, sogar 80 % als Ersatzkonsum. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Konsumdauer von Ecstasy und den daneben konsumierten Drogen; mit zunehmender Ecstasykonsumdauer werden auch die anderen Drogen häufiger (auch als Ersatzkonsum) genommen. Die häufigsten Mo- tive für den kombinierten Drogengebrauch sind die Intensivierung, die sehr ange- nehme Veränderung und die Verlängerung der Ecstasywirkung. 73,4 % der Ecstasygebraucher ordnen sich der Technoszene zu und 64,9 % nehmen die Dro- ge ausschließlich am Wochenende. 49 % der befragten Ecstasykonsumenten ha- ben bisher mehr als 50 Pillen genommen und 56,7 % nehmen Ecstasy schon über ein Jahr. Bei 55,7% hat sich der Bekanntenkreis mit Gewichtung auf Drogengeb- raucher geändert, seit sie Ecstasy nehmen. Als wichtigste Konsummotive werden genannt: „Glücksgefühle“, „gehobene Stimmung“ und „intensiveres Hören und Fühlen“. Als weitere Gründe werden „bessere Kontaktfähigkeit“, „Entspanntheit“ und „Bewußtseinserweiterung“ genannt. Bei 79% ist der Ecstasykonsum häufig oder immer ein positives Erlebnis. Fast 60% der Konsumenten sind in Anlehnung an die WHO-Kriterien49 als abhängig zu bezeichnen, Mehrfachkonsumenten da- bei häufiger als reine Ecstasykonsumenten (vgl. FLÜSMEIER/ RAKETE 1997, S.4 f., S. 2-71)
W.Wilkens, G. Thiel und E.Friedrich veröffentlichten 1997 in der Zeitschrift SUCHT50, daß ca. 39 % der befragten Technoanhänger Ecstasy nehmen; etwa die Hälfte seltener als wöchentlich, ein Drittel wöchentlich und fast jeder Zehnte häufiger als wöchentlich. Die Zahl der Ecstasykonsumenten und die Konsumhäufigkeit ist in den Clubs höher als auf Großraves. Frauen neh- men mit 34.9% seltener als Männer (41,3%) Ecstasy beginnen aber meist früher damit. Auf die Frage ob es eine Rolle spiele, daß die Pillen legal oder illegal sind antworteten 83% mit „Nein“. Etwa die Hälfte der Konsumenten schätzte am Ecstasy-Konsum das ausgelöste „gute feeling“, nicht ganz ein Drittel fand die auf- putschend-aktivierende Wirkung attraktiv. Deutlich weniger, dennoch mit nen- nenswerter Häufigkeit, wurden als weitere positive Konsumaspekte genannt: „Harmonie/Spaß/Feiern mit anderen“, „sensorische Veränderun- gen/Halluzinationen“, „erhöhte Kontaktfähigkeit/Hemmungsabbau“ und „verbes- serter Sex/ aphrodisierende Wirkung“. Die Pillen wurden überwiegend konsu- miert um positive Stimmungen hervorzurufen oder zu verstärken, Betäubungs- oder „Dichtmach“-Motive spielten keine nennenswerte Rolle. Eine Vielzahl an unterschiedlicher, in der Regel hedonistisch ausgerichtete Konsummomente wur- den als positiv erlebt, 85% derjenigen die positive Konsumaspekte beschrieben, berichteten aber auch zugleich unangenehme Seiten des Konsums. Diese sind vorallem „depressive Stimmung am Tag nach dem Konsum“ (ca. 50%) und „ver- schiedene körperliche Beschwerden“ (etwa ein Viertel). Die Konsumenten fürch- teten auch den Konsum unbekannter Substanzen und etwaige längerfristige geistige und körperliche Schädigungen (vgl. SUCHT 43 (6) 1997, S. 428 f.).
3.2.2 Partydrogenkonsum aus soziologischer Sicht
Rakete und Flüsmeier (a.a.O., S. 8) zitieren Soeffner, der die Technoveranstal- tung am Wochenende mit dem klassischen Kirchgang vergleicht, wo der Einzelne durch die gemeinsame Trance oder durch das Gemeinschaftsgefühl für seine Ver- einzelung in der Gesellschaft entschädigt würde. Dies sei ein innerweltlicher Ver- such des Individuums zur Aufhebung der gesellschaftlichen Vereinzelung. Ebenso wird U. Becks These (zit. nach RAKETE/ FLÜSMEIER a.a.O., S. 8) genannt, wonach Individualisierung zur Gegenindividualisierung führe. Die prosozialen, kol- lektiv-hedonistischen Motive der Ecstasykonsumenten verwiesen in diese Rich- tung.
Helmut Ahrens, nach dem Technomagazin Frontpage einer der führenden Sozio- logen Deutschlands und Mitarbeiter bei Eve & Rave, beschäftigt sich schon seit den Anfängen der Technobewegung mit dem Phänomen des Partydrogen- gebrauchs. Er beschreibt den Drogenkonsum der Technoszene als eine Art Selbstheilungsversuch. Es ginge dabei nicht nur oberflächlich um einen schnellen Kick. Im speziellen Setting, dem Tanzen zu der „Urknallmusik“, dem Licht und den Räumlichkeiten würde vielmehr eine innere Zwiesprache mit sich selbst ange- regt. Man erkenne sich selbst und lerne seine versteckten Ängste, Agressionen, Sehnsüchte und Leidenschaften zu akzeptieren. Dies erweitere den persönlichen Bewußtseinshorizont, wodurch auch neue Sichtweisen im Verhältnis zwischen dem Ich und der Welt entstünden. Außerdem ginge es um „Ekstaseantworten“ in einer immer „schneller werdenden Kultur“ und um die Schaffung von Moratorien, Ruhepausen und Freiräume für Jugendliche, die für sich auf dem Weg zum Er- wachsenwerden eine Zeit der selbstformenden Reifung verlangten. Ein Raum der ihnen anderswo verwehrt würde oder der ihnen in den Lebenswelten Gleichaltri- ger nicht zusage. Schließlich gäbe es gegenwärtig eine Umcodierung und Neube- wertung alterstypischer Entwicklungsaufgaben in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und des soziokulturellen Wandels (Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft und von der Konsum- zur Erlebnisgesellschaft). In einer solchen Phase der Unsicherheit gäbe es naturgemäß Anpassungsprobleme bei Jugendlichen. Diese würden mit „normbrüchigen“ Lebensweisen beantwortet, in denen Drogenkonsum eine oberflächlich sinnstiftende Rolle spielen könne. Das pharmakologische Designen von emotionalen Stimmungslagen, von geistiger Auf- merksamkeit, von künstlerischer Kreativität -also die drogenspezifische Stimulie- rung von Erlebnis- und Leistungsbereitschaft- sei in unterschiedlichen Milieus und Gruppen zu einem selbstverständlichen Besandteil alltäglicher Anpassungsleistun- gen geworden. Also handele es sich beim Partydrogenkonsum aus soziologischer Sicht um einen Versuch , auf Basis eines allgemeinen Konsens zum vorherrschen- den technologisch/instrumentellen Fortschrittsbegriff den heutigen Modernisie- rungsanforderungen in den Teilwelten Arbeit und Freizeit die „natürlichen“ Gren- zen unserer Leistungs-, Denk- und Erlebnisfähigkeit durch Indienstnahme chemi- scher Substanzen zu erweitern (vgl. H- Ahrens in FRONTPAGE 5/95, entnom- men der Internetseite http://www.techno.de/frontpage/95-05/hahrens.html. S. 5 f.).
3.3 Darstellung von Ecstasy- und Partydrogenkonsum in den Medien
Im Prinzip verhält es sich bei der Berichterstattung der Mehrzahl der Medien im Falle von Ecstasy bzw. Partydrogen nicht so sehr anders als bei der herkömmli- chen Berichterstattung beim Thema illegalisierte Drogen51. Illegalisierte Drogen werden vorwiegend verteufelt bzw. in Sensationsmanier behandelt. Damit wird jedoch gegensätzliches bewirkt: In den USA hatten die Medien durch ihre „Schauergeschichten“ über MDMA einerseits mit dafür gesorgt, daß es 1985 von den Behörden verboten wurde (vgl. SAUNDERS 1994 a.a.O., 22 f. und WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 41). Andererseits haben sie durch die öffentli- che Diskussion über die Droge und ihr Verbot eine „Gratiswerbung“ für MDMA gemacht, die dafür sorgte, daß sich die Droge wie ein Lauffeuer verbreitete (vgl. SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 22 und WEIGELE/ RIPPCHEN a.a.O., S. 18). Dies ist nichts Neues. Schon in den Sechzigern erfüllten die Medien unfreiwillig diese Funktion52. Die Masse der Medien versucht weniger die Probleme sachlich zu behandeln, sondern trägt eher einem im Volke verbreiteten Bedürfnis nach Sensationen und Skandalen Rechnung. Die allgemeine Tagespresse beschreibt dabei am häufigsten mehr oder weniger spektakuläre Drogenfunde oder zitiert Politiker und Fachleute unterschiedlichster Art über angeblich neue Erkenntnisse und Schäden, die wissenschaftlich festgestellt worden seien. Gerne werden einfa- che Ursachen und Lösungen präsentiert. Letztendlich liefert diese Berichterstat- tung eher Verwirrung als sachliche Informationen und ist Spiegel der Doppelmoral und Kopflosigkeit in Bezug auf illegalisierte Drogen. Im Anhang (I-III) habe ich einige Beispiele dokumentiert. Das gleiche gilt in teilweise noch verschärfterem Maße für die Illustrierten. Im Fordergrund steht die Sensationslust53. Diese wird aber als Prävention oder Aufklärung gegen Drogen verkauft. SAUNDERS (1998 a.a.O., S. 121) kritisiert die Medien aufs Schärfste, daß sie ihrem demokratischen Auftrag, die Regierungspolitik bzw. in diesem Falle die vorherrschende Drogen- politik kritisch zu diskutieren und zu hinterfragen sowie die Öffentlichkeit zu infor- mieren, nicht mehr nachkämen, sondern stattdessen bewußt Falschmeldungen in Kauf nehmen würden, wenn diese dazu beitragen, die Propaganda gegen den Konsum illegaler Drogen zu bestärken. Er dokumentiert einige Fälle aus Presse und Fernsehen in England, wo er eine solche bewußt fehlerhafte, einseitig propa- gandistische und die Bevölkerung irreführende Berichterstattung erlebte und kommt zu dem Schluß: „Die Horrormeldungen bezüglich Ecstasy sind vielleicht zum Teil Ausdruck eines starken Bedürfnisses seitens der Leserschaft, die Welt und komplexe Themen auf einfache Dinge reduzieren und eindeutig in gut und böse einteilen zu können und nicht in ihren wahren, aber komplizierten Zusam- menhängen sehen zu können.“(ebd., S. 125). Während die in Bezug auf illegale Drogen unerfahrene Normalbevölkerung sich auf die Aussagen der Medien stützt und diese ernstnimmt, mißtrauen die Ecstasyuser diesen Meldungen, da sie mit ihren eigenen Erfahrungen zumeist sehr wenig zu tun haben. In ihren eigenen Ver- öffentlichungen wie FRONTPAGE, GROOVE, MUSHROOM usw. bemühen sie sich um eine realitätsnähere Berichterstattung, die auf die eigene Erlebniswelt zugeschnitten ist (vgl. z.B. Peter Hubers „Just say no to drughysteria“ aus GROOVE Dez. 93 in KLANTEN 1995, FEA 1.5 DRU54 ). Das gilt besonders für eine Vielzahl von Berichten innerhalb der Flut der Veröffentlichungen im Inter- net, welches ein besonders von den Technoanhängern bevorzugtes Medium dar- stellt. SAUNDERS (1998 a.a.O., S. 130) sieht im Internet durch den unzensier- ten Austausch an Informationen die glaubwürdigste Quelle für neueste Erkenntnis- se über illegale Drogen. In meinem Literaturverzeichnis habe ich einige interessan- te Internetadressen zum Thema Partydrogen und Techno aufgelistet.
4 Mögliche Gefahren beim Partydrogenkonsum
In den meisten Medien und den der offiziellen Drogenpolitik nahestehenden Pub- likationen werden -wie zuvor erwähnt- einseitig nur die Gefahren von illegalisier- ten Drogen und diese zumeist auch noch über Gebühr dramatisiert und falsch dar- gestellt. Dabei wird von den sich meist als „Fachleuten“ bezeichnenden Autoren auch vor wirren und unrichtigen Informationen nicht zurückgeschreckt55. Im Ge- genzug hierzu gibt es aber auch Autoren bzw. „Fachleute“, bei denen der Ein- druck der Verharmlosung des Gebrauchs von illegalisierten Drogen möglich wird56 (vgl. hierzu auch SCHWENDTER a.a.O., S. 17 f.). Es wird wohl keine wirklich objektive Schrift zum Thema Drogen zu finden sein, schließlich ist auch der Drogenrausch grundsätzlich subjektiv. Die „erhöhte Sensibilität“, das „intensi- vere Hören“, das„Gefühl zu gleiten oder zu schweben“ etc. nach Cannabisgenuß bei HAI und RIPPCHEN (1998, S. 189) beschreibt ein K.-L. TÄSCHNER (1997, S.14) als „Wahrnehmungsstörungen“, „Sinnestäuschungen“, „Störungen des Körpergefühls“ etc. Gerade aber auch in Bezug auf die Gefahren des illegali- sierten Drogenkonsums ist leider in den letzten dreißig Jahren so viel Unsinn ge- schrieben worden, daß selbst berechtigte Warnungen vor ernstzunehmenden Ge- fahren des Drogenkonsums von vielen Drogenkonsumenten nicht mehr beherzigt wurden und werden. Dadurch ist ein Schaden an der Vertrauenswürdigkeit ge- genüber Drogenhilfemaßnahmen entstanden, der nicht so schnell wieder gutzuma- chen ist (vgl. SAHIHI a.a.O., S. 9 f.). Mit gewissem Recht nehmen die Drogen- gebraucher Ratschläge und Warnungen inzwischen eher aus den eigenen Reihen bzw. zumindest ihrer Lebenswelt nahestehenden und den Drogengebrauch akzep- tierenden Organisationen entgegen. Doch hierzu mehr im nächsten Kapitel.
Einiges gilt grundsätzlich im Zusammenhang mit Drogen: Schon Paracelsus be- merkte, daß erst die Dosis entscheidet, ob eine Substanz Gift ist oder nicht. Keine Droge macht bei einmaligen Gebrauch unwiderbringlich süchtig, aber auch keine Droge ist so harmlos, daß sie ohne Schaden permanent genossen werden kann, schreibt R. MOSCHER (o.J., S. 30). Was SCHMIDTBAUER und VOM SCHEIDT (a.a.O., S 113) in Bezug auf Cannabiskonsum feststellen: „Je jünger und lebensunerfahrener der Konsument ist, um so eindrücklicher wird die War- nung ausfallen müssen.“, ist durchaus auf alle Drogen verallgemeinerbar. Ich finde, es ist auch ein himmelweiter Unterschied zwischen dem besonnenen Drogen- gebrauch von Wissenschaftlern wie Alexander Shulgin oder Therapiegruppen, die in streng kontrolliertem Setting genau dosierte Mengen einer Droge zu sich neh- men und bestimmten jugendlichen Technoanhängern, die wahllos unbekannte Ecstasypillen konsumieren. Die Gefährlichkeit einer Droge hängt in höchstem Maße von den Personen, die sie konsumieren sowie den Umständen ihrer Ein- nahme ab. Dies wird aber in der augenblicklichen Drogenpolitik in keinster Weise berücksichtigt. Zu den spezifischen Gefahren der Partydrogen komme ich in den nächsten Abschnitten. Analog zu den Beschreibungen der verschiedenen Party- drogen in Abschnitt 3.1 werde ich nun in der selben Reihenfolge die unterschiedli- che Schädlichkeit dieser Drogen behandeln.
4.1 Mögliche Gefahren bei Ecstasy
4.1.1 Allgemeine Gefahren
Grundsätzlich wäre erst einmal die Gefahr zu nennen, daß der Ecstasykonsument etwas anderes und möglicherweise schädlicheres als MDMA (bzw. einem Entak- togen wie MDEA , MBDB etc.) als Ecstasy konsumiert. Daneben ist auch die unbekannte Höhe der Dosis eine große Gefahr, da wirksame Dosis (50-150 mg MDMA) und Überdosis (über 150 mg MDMA) gefährlich nahe beieinanderlie- gen. Oft weiß nicht einmal der Dealer, was er wirklich verkauft (vgl. SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 53). Dies sind jedoch keine Gefahren, die primär durch die Substanz bedingt sind, sondern eher durch den gesellschaftlichen Um- gang mit ihr. Aber selbst wenn die Qualität gleichbleibend gut wäre, löst die Pille immer noch bei unterschiedlichen Personen unterschiedliche Wirkungen aus und ist auch unterschiedlich gefährlich. Bei Frauen wirkt Ecstasy meist stärker, was auf ein niedrigeres Körpergewicht zurückzuführen ist. Ein weiterer Aspekt für die Gefährlichkeit ist auch die Ausgangslage, Vorschädigung oder die Krankheitsge- schichte eines Ecstasykonsumenten. So werden Menschen mit Unterzuckerung, hohem Blutdruck oder grünem Star, Herzkranke, an Leber oder Niere vorge- schädigte Personen sowie Schwangere, Epeleptiker oder psychisch instabile Menschen vor dem Konsum von Ecstasy gewarnt. Eine sehr große Gefahr ist die Tatsache, daß es die Körpertemperatur erhöht und gleichzeitig ein ungemeines Wohlgefühl bewirkt , so daß der Ecstasykonsument Erschöpfung und körperli- ches Unbehagen nicht mehr wahrnimmt. So kam es schon zu Todesfällen durch Überhitzung und Austrocknung beim stundenlangen Tanzen auf Technoparties, da die körpereigenen Warnsysteme nicht mehr funftionierten und das Trinken und notwendige Erholungspausen vergessen wurden. Die häufig auf solchen Veran- staltungen vorherrschende Hitze und schlechte Luft verstärken dieses Gefahren- moment erheblich. Seit Bekanntwerden dieser Gefahren sorgten die Veranstalter jedoch zunehmends für bessere und sicherere Bedingungen. Doch dazu Näheres in Kapitel 5.4 und 6.1.4. Sehr umstritten ist der Grad der Neurotoxizität, d.h. der Hirnschädigung durch Ecstasy, da es nicht so einfach ist, Ergebnisse von Tierver- suchen auf Menschen zu übertragen. Sowohl in Tierversuchen als auch in theoreti- schen Überlegungen wurde festgestellt, daß die Neurotoxizität von der Dosierung abhängt. Eine einzelne hohe Dosis ist dabei aber viel gefährlicher als die gleiche Menge, die bei mehreren verschiedenen Anlässen genommen wird. Je höher die genommene Dosis von MDMA ist, desto toxischer, unangenehmer und amphe- taminähnlicher ist die Wirkung. Eine weitere Gefahr ist der häufige Mischkonsum unter Ecstasygebrauchern. Die Kombination von verschiedenen Drogen belasten Körper und Geist weit mehr als jede einzelne Droge für sich genommen. Beson- ders gefährlich ist die Kombination mit Amphetaminen oder Kokain, die die toxi- schen Wirkungen verstärken, den ohnehin stark beanspruchten Kreislauf weiter belasten und die Gefahr problematischer psychischer Reaktionen verstärkt. Die- ses gilt in geringerem Maße auch für die Kombination mit Koffein. Alkohol ent- zieht ohnehin dem Körper Wasser, was zusammen mit Ecstasy den obengenann- ten Austrocknungseffekt begünstigt und zudem Leber und Nieren belastet. Weite- re gefährliche Wechselwirkungen werden besonders mit sogenannten MAO (Monoamino-Oxidase)-Hemmern57 beschrieben. Die Einnahme dieser Substanz zusammen mit anderen hat häufig Kopfschmerzen, Nackensteife, Herz-, Kreis- laufbeschwerden sowie Blutdruckkrisen zur Folge und kann unter Umständen zu lebensbedrohlichen Zuständen bis hin zum Tode führen. Da auch Ecstasy ein MAO-Hemmer ist, sollte es nicht mit anderen MAO-Hemmern kombiniert wer- den. (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 33-50 und WALDER/ AMENDT a.a.O. 64-70) Daneben sind aber auch noch eventuell gefährliche Wechselwir- kungen mit anderen Medikamenten zu berücksichtigen58. Es wird auch davon gesprochen, daß Ecstasy das Immunsystem schädige. Hierbei ist jedoch das den Organismus ohnehin schädigende häufig exzessive Partyleben vieler Ecstasykonsumenten zu berücksichtigen (ebd., S. 67 f.).
4.1.2 Gefahren für die psychische Befindlichkeit
Ecstasy galt anfangs als eine Droge mit nur wenigen negativen Wirkungen. Ernste psychische Probleme waren in der Zeit, als es als Werkzeug zur Erkundung des Bewußtseins oder im therapeutischen Rahmen benutzt wurde, praktisch unbe- kannt (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 71 f.). Seit der stärkeren Verbreitung häufen sich jedoch auch die Zahl der Berichte über mit der Droge verbundene problematische Reaktionen wie z.B. Angstanfälle, Schlafprobleme, Verwirrungs- zustände , Depersonalisation und Derealisation59 oder schwerere psychiatrische Symptome wie chronische Depressionen oder ausgelöste Psychosen. Das kann allerdings verschiedene Ursachen haben:
1. Wie bei allen bewußtseinsverändernden Substanzen ist Set und Setting entscheidend für eine positive Drogenwirkung. Unerfahrene Menschen, die Ecstasy in falscher Umgebung unter wenig vertrauenswürdigen Menschen -das kann schon ein Groß-Rave mit vielen Fremden sein- konsumieren, geraten in Gefahr, eher negative Erfahrungen zu machen.
2. Eine Vorgeschichte psychiatrischer Erkrankungen oder eine entsprechende - bislang vielleicht noch nicht bekannte- Disposition wird einen wesentlichen Einfluß auf eine mögliche problematische Erfahrung haben. Von Ecstasy ausgelöste tiefere Innensichten können neben angenehmen auch schwer verarbeitbare verdrängte Inhalte zum Vorschein bringen.
3. Die unbekannte Dosishöhe sowie unbekannte fremde Inhaltsstoffe der EcstasyPillen können unter Umständen unbeabsichtigt schwere Rauschzustände hervorrufen, die zu problematischen Reaktionen führen können.
4. Dies gilt besonders für den in der Technoszene so häufigen Mischkonsum: Durch die verschiedenen unterschiedlich wirkenden Drogen können die unberechenbarsten psychischen Wirkungen hervorgerufen werden.
Bei Dauerkonsum werden gegenüber gelegentlichem Konsum neben den körper- lichen auch die psychischen Beschwerden häufiger. Aber auch die subjektiv als positiv erlebten Effekte bergen Gefahren: Rausch und Realität kann möglicherwei- se nicht mehr unterschieden werden. Die tieferen Gefühle und die vermeintlich klarere Sicht der Dinge können zu vorschnellen Entschlüssen oder Risikoverhalten führen. Deswegen wird in Partydrogenbroschüren (z.B. von EVE & RAVE 1997, S. 22) auf das Beachten von Safer Sex hingewiesen.
4.1.3 Soziale Gefahren
Die Mehrzahl aller Fachleute geht davon aus, daß Ecstasy nicht körperlich abhän- gig macht (WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 61). Es kann jedoch zu einer psy- chischen Abhängigkeit von Ecstasy bzw. der Party als Ganzem kommen. Es ist häufig zu lesen, die Party, die Droge, die Musik, das Licht, die Leute und die Stimmung seien es die süchtig machen (vgl. SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 272). Die Gefahr einer psychischen Abbhängigkeit besteht immer dann, wenn die Wir- kung von Ecstasy bzw. das ganze Partyerlebnis als ausgesprochen beglückend erlebt wird und der Alltag dagegen grau und trostlos wirkt. Das kann zu einem Teufelskreis führen, wenn der Partydrogenkonsument alles, was Spaß macht und schön ist, nur noch mit dem Wochenende auf Party und Pille verbindet und die Alltagsprobleme zu verdrängen sucht. Im Extremfall könnte das zu folgendem Horrorszenario eines sozialen Abstiegs führen: Der Betreffende wird möglicher- weise dazu neigen, jedes Wochenende Ecstasy zu nehmen. Da ja die Toleranz- phase60 mit 4-6 Wochen sehr lang ist, wird er zu immer höheren Dosen neigen, aber die ursprüngliche erwünschte Wirkung nicht mehr erzielen. Um dies aus- zugleichen kommt es vermehrt zum Mischkonsum und der nach dem Wochenen- de folgende entkräftete Zustand und psychische Kater (z.B. innere Leere, De- pressionen usw.) wird immer schlimmer, so daß auch der Alltag wie Schule oder Beruf davon betroffen wird und Leistungen nicht mehr in vollem Umfang erbracht werden können. Aufgrund der Fixierung auf Drogen und Party ziehen sich mögli- cherweise alte Freunde zurück, und/oder es werden nur noch neue unter Drogen- konsumenten gesucht. Dies hat eine zunehmende Isolierung gegenüber Nichtkon- sumenten zur Folge. Durch den stark belastenden Lebenswandel stellen sich jetzt psychische und körperliche Beschwerden ein, und um diese negativen Auswir- kungen zu behandeln oder zu lindern, werden vermehrt Drogen auch während der Woche konsumiert. Der seelische und körperliche Verfall scheint vorgezeichnet zu sein. Nicht bei allen wird der Ecstasykonsum zu solch drastischen Konsequen- zen führen. Dennoch ist die Zahl derjenigen, die Probleme mit ihrem Partydrogen- konsum haben, nicht zu unterschätzen, nimmt man die Ergebnisse empirischer Studien wie die von RAKETE und FLÜSMEIER61 ernst.
4.2 Gefahren bei Halluzinogenen
a) LSD
LSD ist eine im Verhältnis zu ihrer außergewöhnlich hohen psychischen Wirk- samkeit relativ ungiftige Substanz. SCHMIDTBAUER und VOM SCHEIDT (a.a.O., S. 242 f.) berichten allerdings von möglichen selten vorkommenden Chromosomenbrüchen oder Mißbildungen bei Kindern, deren Mütter LSD wäh- rend der Schwangerschaft genommen haben. Die Beweise hierfür reichten aber nicht aus. MOSCHER (a.a.O., S. 51 f.) berichtet davon, daß es möglicherweise Wehen oder gar Fehlgeburten bei Schwangeren auslösen könne. Zudem würde es bei Frauen häufig die Periode auslösen (ebd., S. 52). Ansonsten sind keine organischen Schäden oder gar Todesfälle als direkte Folgen der LSD-Einnahme bekannt geworden (vgl. HOFFMANN a.a.O., S. 72). Wie auch schon bei Ecstasy, sollte auch LSD nicht mit MAO-Hemmern gemeinsam eingenommen werden, da unter Umständen ein tödlich hoher Bluthochdruck möglich ist ( vgl. MOSCHER a.a.O., S. 51). Die Gefahren liegen aber vor allem im psychischen Bereich. In Bezug auf Set und Setting gilt grundsätzlich das gleiche wie bei Ecsta- sy, wenn nicht sogar stärker. Bei ungeeigneten Einnahmebedingungen und/oder entsprechender Veranlagung der Konsumenten kann in seltenen Fällen völliger Realitätsverlust einsetzen, im Extremfall: Angstzustände oder Ausbruch von Psy- chosen. Scheinbar Nebensächliches kann darüber entscheiden, ob man im Him- mel oder in der Hölle landet („bad trip“). Klingt die negative Reaktion nicht ab, so kann eine länger dauernde psychotische Phase folgen („auf dem Trip hängenblei- ben“). Es ist praktisch nicht vorauszusagen, ob bei einem bestimmten Menschen eine solche psychotische Reaktion nicht auftreten wird (vgl. SCHMIDTBAUER/ VOM SCHEIDT a.a.O., S. 243). Eine weitere Gefahr liegt in der Verkennung der Realität unter LSD-Einfluß. Ein häufig zitiertes Beispiel ist, daß der Betreffen- de in der Annahme aus dem Fenster springt, er könnte fliegen (vgl. ebd., S. 243). Es kann außerden zu einem Flash-back (einer Nachhall-Psychose) noch Tage oder gar Wochen nach Einnahme der Substanz kommen, ohne daß erneut ein Halluzinogen eingenommen wurde (ebd., 244). Halluzinogene verursachen keine körperliche Abhängigkeit, eine psychische Abhängigkeit ist aber nicht auszu- schließen. Außerdem entwickelt sich schnell eine Toleranz.
b) Psilocybin-Pilze
Die psychischen Gefahren bei Psilocybin-Pilzen sind ähnlich, aber nicht so stark wie bei LSD, da der Rausch kürzer und die Wirkung stabiler und harmonisch gefärbt verläuft. Es sind bei Psilocybin-Pilzen keine ernsthaften Organschäden bekannt geworden, es können aber neurovegetative Nebenwirkungen wie Atem- beschwerden, Herzrasen und Veränderungen von Blutdruck und Pulsschlag ver- ursacht werden. Beim Selbstsammeln auf der Wiese kann von Unerfahrenen eine Verwechslung mit giftigen Pilzen wie z.B. dem Rißpilz vorkommen. Beim Kauf auf dem Schwarzmarkt kann es mangels Psilocybin-Pilzen im Angebot auch schon mal vorkommen. daß man mit LSD versetzte Speisepilze bekommt. Bei unsach- gemäßer Trocknung oder Lagerung (z.B. in Kunststoffbeuteln) können sich krebserregende Aflatoxine bilden.(vgl. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: ZAUBERPILZE bei uns, o.J., S. 10-14).
c) Cannabis
Abgesehen von Lungenschäden durch Rauchen von Haschisch oder Marihuana sind keine organischen Schäden bekannt. Die Wirkungsintensität von Cannabis- produkten ist sehr schwankend, holländische Zuchtsorten (wie White Widow, Super Skunk etc.) können extrem stark wirken. Oral eingenommen wirkt Canna- bis besonders stark und lange (ca. 4-12 Std.). Unwirksame Unterdosierung und unerwünschte Überdosierung liegen dabei oft sehr eng beieinander. Menschen mit Herzproblemen wird vom Cannabisgenuß abgeraten. Es besteht die Gefahr von Kreislaufkolläpsen, Angstzuständen und selten dem Auslösen psychischer Krank- heiten. Auch sollte Cannabis nicht mit Alkohol oder Kreislaufmitteln gemischt werden (vgl. MOSCHER a.a.O., S. 43 f.). Neben der erwünschten Entspannung beim „Runterkommen“ von Ecstasy, kann Cannabis auch die unerwünschten Ef- fekte wie Herzrasen noch verstärken.
4.3 Gefahren bei Stimulanzien
a) Koffein
Koffein kann in hohen Dosen recht unangenehme und gar gefährliche Auswirkun- gen haben. So kann es zu Ohrensausen Herzklopfen, Schlaflosigkeit, Unruhe, Angst, Muskelzittern, Halluzinationen, Durchfall und Brechreiz kommen (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 137). Bei Dauereinnahme kann es zu psychi- scher und körperlicher Abhängigkeit, Herz- und Kreislaufschäden oder Störungen des vegetativen Nervensystems kommen. Koffein sollte nicht mit Substanzen, die die Herzschlagfrequenz erhöhen wie Amphetaminen, Atropin etc. gleichzeitig genommen werden. (vgl. MOSCHER a.a.O., S. 49).
b) Amphetamine
Das meiste, was für Koffein gilt, gilt in verstärktem Maße für Amphetamine. Zwar machen Amphetamine nicht körperlich, dafür aber umso stärker psychisch abhän- gig. Regelmäßiger Gebrauch setzt Körper und Geist unter Dauerstreß, dem sie schließlich nicht mehr gewachsen sind. Zerrüttung des vegetativen Nervensystems, Verfolgungswahn und Psychosen sind möglich. Entzugserscheinungen treten in Form von Angstzuständen und schwersten Depressionen auf, die viele Monate dauern können. Es gibt möglicherweise nicht mehr umkehrbare Schäden an Her- zen und Gehirn. Genau wie LSD oder Ecstasy vertragen sich Amphetamine nicht mit MAO-Hemmern. Es ist tödlicher Bluthochdruck möglich. Gefahren drohen auch durch Streckmittel und stark variierende Dosen auf dem Schwarzmarkt. (vgl. ebd., S. 54 und WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 107 f.).
c) Kokain
Die Gefahren von Kokain ähneln denen von Amphetaminen. Auch Kokain macht nicht körperlich, dafür aber sehr stark psychisch abhängig. Gewohnheitsmäßiger Gebrauch bleibt auch körperlich nicht folgenfrei. Durch Schnupfen wird die Na- senschleimhaut gereizt, die Nasenscheidewand ist chronisch entzündet. Leber- schäden und Gelbsucht, eine Schwächung des Immunsystems, Sehstörungen und Schlaganfälle etc. sind möglich. Die ständige nervliche Überbelastung führt zu Konzentrationsschwächen, zu Antriebs- und Wahrnehmungsstörungen, zu para- noiden Zuständen bis hin zu schweren psychischen Erkrankungen.Es kann auch zu Größen-, Verfolgungswahn, Impotenz und unberechenbaren Reaktionen kom- men. In hohen Dosen kann es zu Bewußtlosigkeit und wegen Herzversagens oder Atemlähmung zum Tod führen. Diese Gefahr ist in Kombination mit Alkohol be- sonders groß (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 121 f.). Auch Kokain darf nicht mit MAO-Hemmern kombiniert werden (vgl. MOSCHER a.a.O., S. 50).
4.4 Die Gefahr der Straffälligkeit
Der Besitz, Handel und Verkehr mit den oben besprochenen Substanzen (mit Ausnahme von Koffein) ist nach dem Betäubungsmittelgesetz (§ 29) strafbar. Bei kleinen zum „gelegentlichen Eigengebrauch bestimmten Mengen“ wird im allge- meinen das Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Es bestehen regional sehr große Unterschiede, was die tatsächliche Größe dieser Menge und die Straf- verfolgung anbelangt. Grob gesagt werden im Norden Verfahren eher eingestellt als im Süden Deutschlands (vgl. hierzu LÖTZERICH a.a.O.). Um Drogenkonsu- menten, vorwiegend Cannabiskonsumenten, mit Rat und Tat gegen Strafverfol- gung beizustehen, hat sich die Gr ü ne Hilfe zusammengeschlossen (siehe hierzu die Grüne Hilfe Fibel o.J.). Außerdem wird inzwischen in einigen Broschüren (z. B. EVE & RAVE Partydrogen a.a.O., S. 28 f., ECSTASY UND STRAFRECHT 1996) und Büchern (z. B. COUSTO 1995 a.a.O., S. 253-267) zur rechtlichen Situation bzw. zum richtigen Verhalten im Umgang mit Strafverfolgungsorganen Auskunft erteilt.
5. Handlungsstrategien im Umgang mit Partydrogenkonsumenten
Seit Bekanntwerden des unter jugendlichen Technopartygängern verbreiteten Partydrogenkonsums hat es verschiedene, meist im altgewohnten Stile vorge- nommene Interventionsstrategien gegeben. Diese zielten auf eine Abstinenz in Bezug auf illegalisierte Drogen ab62 und betrachtete den Gebraucher von illegali- sierten Drogen grundsätzlich als defizitär. Die meisten abstinenzorientierten Hand- lungsstrategien erfüllen aber ihre Ziele nicht, da sie von den jugendlichen Zielgrup- pen nicht anerkannt oder ernstgenommen werden. In unserem Nachbarland Hol- land, schon seit vielen Jahren Vorbild, was eine pragmatische und realitätsnahe Drogenpolitik und -arbeit betrifft, gibt es einige vielversprechende Ansätze der Schadensminderung beim Partydrogenkonsum, die ansatzweise auch bei uns in Deutschland aufgegriffen wurden. Diese verschiedenen Ansätze werden erst durch die Kombination untereinander effektiv. Im folgenden werde ich einige neue in Bezug auf Partydrogen der Reihe nach vorstellen.
5.1 Substanzaufklärung -Drugchecking-
Eine der wesentlichsten Gefahren ist die, daß der Ecstasykonsument nicht weiß, was in seiner Pille enthalten ist, so daß eine Überdosierung oder unerwünschte Wirkung durch einen anderen Wirkstoff wahrscheinlicher wird. Gegen diese Gefahr bietet sich ein Verfahren namens „Drugchecking“ -die Substanzaufklärung an. Hierbei werden zweierlei Verfahren, der Säure-Schnelltest und die aufwendigere qualitative und quantitative Laboruntersuchung unterschieden.
5.1.1 Der Säure -Schnelltest
Der Säure-Schnelltest wird vor Ort im Club oder auf dem Rave durchgeführt. Hierbei wird eine Ecke der erworbenen Pille abgekratzt und fein zermahlen in die Testflüssigkeit gegeben. Nach etwa einer Minute Wartezeit verrät die Farbe - ähnlich wie beim Lackmuspapier- um was für einen Wirkstoff es sich handelt. Verfärbt es sich orange, bedeutet dies, daß es sich um Amphetamine oder Me- thamphetamine handelt. Bei blau sind es psychoaktive Amphetaminderivate wie MDMA, MDA, MDEA, DOB, DMT oder andere, und bei grün handelt es sich um Halluzinogene wie LSD. Keine Verfärbung zeigt, daß keiner dieser Wirkstoffe in der Pille ist, was bedeuten kann, daß es sich um einen „Fake“ oder Placebo handelt. Der Test ist sehr ungenau, weil er weder die Konzentration noch den genauen Wirkstoff benennen kann. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob noch weitere unerwünschte Giftstoffe wie Verunreinigungen vorhanden sind. Er wird absolut anonym durchgeführt. In den Niederlanden kostet dieser Schnelltest inclusive Beratungsgespräch 2.50 Gulden (vgl. COUSTO 1995 a.a.O., S. 164 ff.).
5.1.2 Qualitative und quantitative Analyse
Außer dem zuvor genannten Schnelltest wird in den Niederlanden im Labor von August de Loor vom Stichting Adviesburo Drugs und durch das Jellinek Preventie in Amsterdam eine aufwendigere und genaue Analyse aller bekannten Pillen auf Wirkstoffgehalte und gefährliche Verunreinigungen durchgeführt. Dessen Ergeb- nisse werden auf Listen veröffentlicht, wo den physikalischen und morphologi- schen Parametern wie Aufdruck, Form, Farbe, Höhe, Durchmesser und Masse die Ergebnisse der Analyse zugeordnet werden. Diese liegen in den Clubs bzw. anderen Veranstaltungsorten aus und können dort eingesehen werden. Jeder kann seine Pille für 25 Gulden im Labor testen lassen. Wer seine mit einem Kenncode versehene Pille bis Dienstag vorbeibringt, kann schon Freitag danach seine Test- ergebnisse anonym mittels dieses Codes abrufen. Dies ist die sicherste Methode zur Bestimmung der Wirkstoffe. Der ungeduldige User im Club kann jedoch im- merhin mit Schnelltest und Vergleich mit der ausliegenden Liste eine wesentlich höhere Sicherheit beim Ecstasykonsum erlangen, als wenn er die Droge blind schluckt. Insgesamt haben beide Tests auch eine höhere Qualität der Ecstasypillen auf dem Schwarzmarkt zur Folge, da schlechte Pillen schnell erkannt und vom Konsumenten boykottiert werden können (vgl. ebd., S. 166).
5.2 Monitoring -Drogentrendforschung
Ein weiteres Feld, welches mit dem zuvor Genannten im engen Zusammenhang steht, ist das Monitoring, die Drogentrendforschung. Die jede Woche getesteten 10 -12 neuen Pillensorten werden in Holland mit früheren Analysen verglichen und in Tabellen aufgelistet. Schon am Wochenende darauf sind die Analysen be- reits bekannt, und so kann vor besonders schädlichen Ecstasy Pillen rechtzeitig und schnell gewarnt werden. Dies geschieht mit Hilfe von Flugblättern, die an Clubs und Technoparties verteilt werden (Auflage bis zu 100000) -in Holland werden diese auf dem Lande sogar von der Polizei verteilt- oder über die Presse (vgl. ebd., S. 168 ff.). Es geht beim Monitoring nicht alleine um Drogen, sondern um kulturelle und soziale Trends. Diese wiederum lassen sich aber aus der Nach- frage und Verbreitung bestimmter Drogen ableiten. So wird es möglich, frühzeitig und präventiv auf bestimmte Trends zu reagieren, wie auf den augenblicklichen Trend der Technokultur und dem hier verbreiteten Ecstasykonsum mit seinen Gefahren. Neben den vielen Pillentests sind es auch Gespräche mit Konsumenten, Herstellern und Dealern, die das nötige Datenmaterial ausmachen, um Trends festzustellen (vgl. ebd. 172 -184 und ALLENSPACH/ RATHS 1997, S. 83 f.).
5.3 Safer Use -Risikominderung beim Drogenkonsum
In Anlehnung an den Begriff „Safer Sex“ der Anti-AIDS-Kampagnien gibt es im Zusammenhang mit Drogenkonsum den Begriff Safer Use, der einen risikofreie- ren Umgang mit Drogen beschreibt63. Wenn - wie in 3.2.1 erwähnt- beim Party- drogenkonsum ca. 40 % der Konsumenten zu harten Gebrauchsmustern neigen (vgl. RAKETE/ FLÜSMEIER a.a.O., S.25) ist hier ein wichtiger Anknüpfungs- punkt zu sehen. Die Aufforderung zu Safer Use setzt auf das Prinzip der Eigen- verantwortung im Umgang mit legalen und illegalen Drogen, anstatt die Konsu- menten als defizitär und unmündig zu betrachten. Dabei werden Eigenschaften wie Genußfähigkeit und Erkennen der eigenen Grenzen gefördert und unmäßigem und unreflektiertem Konsumieren entgegengesetzt. Indem alle Informationen über die betreffenden Drogen tabulos und ohne dogmatisch „erhobenen Zeigefinger“ zu- gänglich gemacht werden, wird dem Konsumenten Vertrauen in die eigene ver- nunftgesteuerte Entscheidungsfähigkeit entgegengebracht. Es gibt auch in Deutschland einige Kampanien die akzeptanzorientiert vor unmäßigem und gefährlichem Ecstasykonsum warnen. Dies geschieht vorwiegend durch Broschüren und Beratungsgesprächen vor Ort in Clubs und bei anderen Technoveranstaltungen. Einen Text möchte ich an dieser Stelle dokumentieren, da er und mir gut gefallen hat, weil er allgemeingültige Grundregeln für den Safer Use beim Drogenkonsum aufstellt. Das Hannoversche Jugend und Drogenberatungs- zentrum DROBS (mehr im nächsten Kapitel) hat fünf Regeln für einen eigenverantwortlichen, risikoarmen und genußorientierten Umgang mit Rauschmitteln und Alltagsdrogen aufgestellt (zu finden bei P. Märtens in RABES/ HARMS a.a.O., S. 197 f.):
1. Es gibt keine Droge die Dich gut drauf bringt, wenn Du schlecht drauf bist.
Die meisten Drogen geben einem nichts Zusätzliches, sondern verstärken die persönliche Grundstimmung. Wer mit Rauschmitteln umgehen will, muß mit sich selber umgehen können, seine eigenen Gefühle und Stimmungen erkennen und ernst nehmen.
2. Weniger ist mehr.
Je weniger und seltener man Rauschmittel konsumiert, desto wahrscheinlicher ist eine positive Wirkung. Außerdem muß man seine eigenen Grenzen erkennen und akzeptieren, um Überdosierungen zu vermeiden. Wer eine gesunde Genußfähigkeit entwickelt, kann auch Angeboten widerstehen.
3. Mischkonsum ist Mist.
Meistens hebt sich die Wirkung verschiedener, gleichzeitig eingenommener Dro- gen gegenseitig auf oder verfälscht den Rausch, d.h. daß das Erlebte meist we- niger intensiv wahrgenommen wird. Zudem kann es gesundheitsgefährdend sein, Drogen zu mischen: z. B. Ecstasy und Alkohol oder LSD und Speed. Deshalb sollte man möglichst nicht mischen, die Selbstkontrolle wahren und den Über- blick behalten. Begrenzter Monokonsum ist risikoärmer und genußvoller.
4. Wenn Du keine Lust aufs runterkommen hast, push Dich nicht hoch.
Berauscht zu sein ist nicht besser als nüchtern zu sein - nur anders. In einer guten Grundstimmung kann man sich hochpushen, denn wenn es nach dem Rausch wieder auf Null geht, fühlt man sich ähnlich wie vorher - also gut. So vermeidet man den Drang zur Wiederholung, um vielleicht irgendwelchen Problemen auszuweichen. Also: Schlechte Stimmung akzeptieren und sich den Rausch für bessere Tage aufbewahren.
5. Nimm nichts wovon Du nichts weißt und wovor Du Angst hast.
Wenn man vor einer Droge Angst hat, kann der Rausch schnell sehr unange- nehm werden, besonders bei Halluzinogenen. Deshalb ist es wichtig sich vorher über die Wirkung genau zu informieren und bei Unsicherheiten und Angst besser nichts zu nehmen. Der Respekt vor Rauschmitteln setzt Respekt vor der eigenen Persönlichkeit voraus.
5.4 Safe House Campaign -Beeinflussung des Settings
Die Anzahl der Menschen, die bei Technoparties in Problemsituationen kommen, ist laut Hans COUSTO (1995 a.a.O., S. 187) mit 0,75 % sehr gering. Bei diesen Problemverläufen sind oft mehrere Gründe mit im Spiel. Diese reichen von schlechten Partydrogen über falsche Begleitpersonen bis hin zu schlechten „Loca- tions“64. In den Niederlanden versteht sich die Safe House Campaign als Dienst- leistungsbetrieb, die den Veranstaltern von Raves und Technoparties hilft, Sicher- heitsvorkehrungen zu treffen, damit die Besucher und Besucherinnen solcher Ver- anstaltungen sich wohl fühlen und einen angenehmen Abend genießen können. Die Beratung betrifft nicht nur Drogen, sondern alle Bereiche der Veranstaltung. Nur wenn alle Bereiche den Richtlinien der Safe House Campaign entsprechen, darf der Veranstalter mit dem Slogan Safe House Party werben. Dies sind die Richt- linien:
- Mindestens ¼ der Türsteher müssen Frauen sein.
- Türsteher und Türsteherinnen müssen über Drogen bescheid wissen.
- Die Garderobe muß leicht zugänglich sein, keine Extrakosten dürfen entstehen.
- Das Lokal, die Bar und Toiletten müssen stets sauber sein.
- Alkoholfreie Getränke müssen billiger sein als alkoholische.
- Mineralwasser muß gratis an der Bar abgegeben werden.
- Die Wartezeit für Wasser und Säfte an der Bar muß kurz sein.
- Die Belüftung muß Funktionieren, es darf nicht zu kalt oder zu heiß sein.
- In der Nähe des Dancefloor müssen Sitzgelegenheiten sein.
- Großer Chill-Out-Space und eine Ruhemöglichkeit muß vorhanden sein.
- Es müssen genügend ruhige Ecken zum miteinander Reden vorhanden sein.
- Personal muß auf Notfälle vorbereitet (geschult) sein.
Zudem bekommt die Safe House Campaign im Club oder auf dem Rave eine ruhige Ecke zur Verfügung gestellt, in der Mitarbeiter Informationen in Form von Drucksachen und persönlichen Gesprächen abgeben können. Es besteht die Möglichkeit die Ecstasypillen testen zu lassen. Außerdem sind die Mitarbeiter auch in Erste Hilfe-Maßnahmen geschult. Sind alle Richtlinien erfüllt, wird ein Vertrag abgeschlossen. Der Veranstalter zahlt 500 - 2000 Gulden an die Safe House Campaign und darf seine Veranstaltung als Safe House Party, einem Markenzeichen für eine Party von hoher Qualität, nennen. Die Einhaltung der Richtlinien wird überprüft, so daß sich der Besucher darauf verlassen kann, daß er hier eine gute und sichere Party feiern, seine Drogen testen lassen und sonstige Fachinformationen bekommen kann (vgl. ebd., S. 188 ff.).
6. Beispiele von Konzepten der Schadensminderung in der Praxis
Holland machte gute Erfahrungen mit ihren progressiven Konzepten. Aus diesem Grunde interessierten sich auch bald in Deutschland einige Drogenhilfeinstitutionen und Vereine für diese und nahmen sie zumindest ansatzweise in den Bereich ihrer Handlungsstrategien mit auf. Darüber hinaus haben sie eigene Projekte entwickelt, mit denen dem fortschreitenden und riskanten Partydrogenkonsum entgegenge- wirkt und ein gesundheitsfreundlicheres Partyfeiern gefördert werden soll. Im fol- genden werde ich die Maßnahmen einiger dieser Einrichtungen in Bezug auf Par- tydrogenkonsum -der Reihenfolge nach von stärker akzeptanz- bis abstinenzori- entiert- vorstellen. Beginnen werde ich mit dem Raverprojekt Eve & Rave.
6.1 Die Selbstorganisation Eve & Rave e. V.
Die Gründung des Vereins Eve & Rave 65 am 12. Oktober 1994 geht auf eine Initiative des Soziologen Helmut Ahrens und von Ravern aus der Berliner Tech- noszene zurück. Es gibt sie inzwischen außer in Berlin auch in Kassel, Köln, Münster und in der Schweiz. Die folgenden Beschreibungen betreffen vorwiegend Eve & Rave Berlin, in den anderen Orten können die Aktivitäten wegen weniger Personal reduzierter ausfallen.
6.1.1 Organisation und Selbstverständnis
Eve & Rave bezeichnen sich selbst als einen unabhängigenVerein von Partyleuten, Ravern und Raverinnen „zur Förderung der Technokultur und zur Minderung der Drogenproblematik“ und wird fast66 ausschließlich ehrenamtlich von Leuten aus der Technoszene für Leute der Technoszene nach dem Prinzip der Peer 67 - Education, der Erziehung der Mitglieder der Szene untereinander, gemacht. Sie sind völlig prozessorientiert, d.h. sie orientieren sich stets an neuen Gegebenheiten in der Szene und können den Wandel positiv beeinflussen. Sie haben sich die akzeptierende, tabufreie und an der Realität orientierte gesundheitliche Aufklärung und Information über Drogenprobleme in Freizeittreffpunkten Jugendlicher und junger Erwachsener zur Aufgabe gestellt. Dabei gehen sie von einem menschli- chen Urbedürfnis nach Wahrnehmungs- und Erlebnisveränderung wie Rausch und Ekstase durch Drogen aus. Nach eigenen Auskünften haben sie unter Ravern innerhalb aller Drogenhilfeeinrichtungen die höchste Akzeptanz. Jugendliche und junge Erwachsene finden zu ihnen über Aktionen in den Clubs und auf Raves, durch die Partydrogen-Broschüre und auch durch die Medien. Die Mitarbeiter durchlaufen einen Zyklus von weiterbildenden Kursen, das erarbeitete Wissen geben sie als Szenemultiplikatoren an ihre Bekannten und interessierte Raver im Schneeballsystem weiter. Das Ziel von Eve & Rave heißt, ein Bewußtsein für die Eigenverantwortung zu schaffen und in den Szenezusammenhängen Lebensräume zu gestalten, die ausreichend tragend sind, um einer Suchtentwicklung entgegen- zuwirken ohne Verzicht auf Lebens- und Erlebnisqualität (vgl. COUSTO 1995 a.a.O., S. 204 ff.). Eine wesentliche Präventionsstrategie des Vereins ist es, der Infantilisierung der Drogenkonsumenten ein Ende zu setzen und sie in die Lage zu bringen, daß sie selbstverantwortliche Entscheidungen treffen und somit risikobe- wußt und -vor allem auch- selbstbewußt konsumieren können (T. Harrach und J. Kunkel in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 294). Eve & Rave sehen in der Beteiligung an der drogenpolitischen Diskussion eine weitere wesent- liche Aufgabe ihres Vereins. Sie treten für eine Neuorientierung in der Drogenpolitik ein, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden und ihre Gesundheit zu fördern, wie z.B. durch Qualitätskontrollen auch von illegalisierten Drogen.
6.1.2 Eve & Rave -Arbeitsgruppen
Einmal im Monat veranstaltet Eve & Rave ein Informationstreffen für Interessier- te, bei dem auch neue Mitarbeiter geworben werden sollen. Die Mitarbeiter und Mitglieder treffen sich zweimal im Monat in einem Plenum, in welchem die ver- schiedenen Arbeitsgruppen von ihren Tätigkeiten berichten und Beschlüsse, die alle Arbeitsbereiche betreffen, gefaßt werden. Die Aufgaben werden von den verschiedenen Gruppen selbstverantwortlich getätigt. Folgende Arbeitsbereiche bzw. -gruppen gibt es:
- Bürogruppe: Aufarbeitung und Weiterleitung administrativer Aufgaben an die zuständigen Arbeitsgruppen.
- Telefongruppe: Beratungstelefon, die Rave Save Line. Hier werden neben Informationen bezüglich der Drogenproblematik auch solche zur Technokultur, Veranstaltungstermine etc. gegeben.
- Club-Teams (vgl. auch 6.1.4): Informationsstände, Erlebnis- und Erholungsbe- reiche in Veranstaltungsorten: Verteilen der Partydrogenbroschüren, Kondome und Safer-Sex-Infos; Gestalten von Chill-Out-Spaces, Drogenfachbücheraus- stellungen und „Neuro-Ekstase-Events“; Bereitstellen von „Mind-Machines und „Brain-Boxes“; Abgabe von Mineral-und Vitamindrinks sowie persönliche Beratungsgespräche.
- Drugchecking (siehe 6.1.5)
- Kontaktgruppe: Kontaktgespräche und Informationsaustausch mit Drogenbe- ratungsstellen, -notdiensten, Drogenmißbrauchs-Präventions-Einrichtungen, Therapieeinrichtungen, Krankenhäusern, AIDS-Hilfen, Gesundheitsministerien,-ämtern, Senats-, Regierungsstellen und der Welt-Gesundheits- Organisation der UNO (WHO).
- Informationsteam: Kontaktgespräche und Informationsaustausch mit: Akzept e.V.,TESTASY, Safe House Campaign Amsterdam, Lifeline Projekt Man- chester, Clubs, Locations, Veranstaltern von Raves und Events etc.
- Mediengruppe: Medieninformation, Pressekonferenzen, Kontakte zu Radio- und Fernsehsendern, Interviews etc.
- Schulungsgruppe: Organisation und Strukturierung von Schulungskursen für die Mitarbeiter von Eve & Rave, Gestaltung der Fortbildungskurse und Workshops.
- Archivgruppe: Sammeln, Katalogisieren und Archivieren von Presseartikeln, TV-Sendungen etc.
- EVE & RAVE Factory ist für gestalterische Aufgaben zuständig. Ihr sind fol- gende Teams untergeordnet:
- Redaktionsteam der Partydrogenbroschüre (siehe 6.1.3)
- Kreativteam zur Gestaltung und Herstellung von T-Shirts, Ständen, „Brain- Boxes“, Chill-Out-Spaces, Loveparade-Trucks, Infostände etc.
- Konzeptionsteam: Entwicklung neuer Konzepte wie „Safer House Projekt“ (siehe 6.1.4), Twin-Planet, einem Rekreationscenter für Raver auf dem Lande etc. (vgl. COUSTO 1995 a.a.O., S. 209 - 213).
6.1.3 Die Eve & Rave -Partydrogenbroschüre und Veröffentlichungen
Im Zentrum stand anfangs die Partydrogen-Broschüre safer use info zu: ecstasy, speed, lsd und kokain, ein differenzierter Drogenaufklärungsansatz mit Aktzep- tanzstandpunkt. Hier wurde und wird das aktuelle pharmakologische Wissen über die in der Technoszene verbreiteten Substanzen mit den Erfahrungen und Kon- sumgewohnheiten der Konsumenten in Verbindung gebracht und über Drogen- wirkungen, potentielle Risiken und risikoreiche Konsumpraktiken differenziert aufgeklärt68. Zunächst sollte die Broschüre wegen angeblicher „Verharmlosung und Verführung Jugendlicher zum Drogenkonsum durch Gebrauchsanweisung“ indiziert69 und aus dem Verkehr gezogen werden. Dies wurde zunächst durch Veröffentlichung einer teilzensierten Version verhindert. Im Dezember 1994 wur- de der Indizierungsantrag vom Ausschuß der Bundesprüfstelle für jugendgefähr- dende Schriften zurückgewiesen und ab der zweiten Auflage im September 1994 veröffentlichte Eve & Rave wieder die Originalbroschüre. Diese hatte inzwischen bundesweit in der Technoszene einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht, daß die dritte Auflage im März 1995 sehr schnell vergriffen war, und im Mai 1995 eine aktualisierte Auflage erscheinen mußte. Weiterhin veröffentlicht(e) Eve & Rave unter der Federführung von Hans COUSTO ständig neue Reader zu drogenrele- vanten und -politischen Themen70. Neben einer jährlich neu erscheinenden Litera- turliste von empfehlenswerten Drogenbüchern wird sich zu den Drogenstatistiken, den angeblichen Ecstasy-Toten, außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen, Reichtum und Rausch, Drogenpolitik und Rechtsbewußtsein etc. geäußert.
6.1.4 Das Safer-House-Project von Eve & Rave
In Anlehnung an die Safe-House-Campaign in den Niederlanden hat Eve & Rave Kassel das Safer-House-Projekt ins Leben gerufen. Es ist die Antwort bzw. Reaktion auf gesundheitliche und strukturell belastende Risikofaktoren in Tanzhallen und Diskotheken. Die Richtlinien sind vergleichbar mit denen des nie- derländischen Konzeptes:
1. nicht zu heiß und nicht zu kalt temperierte Räume sowie Luftaustausch,
2. die Einhaltung bestimmter Grenzwerte bezüglich der Lautstärke, der Anzahl der Beats pro Minute sowie der Schallmengen in den oberen Frequenzberei- chen,
3. die schnelle Erreichbarkeit der Theken,
4. Griffnähe von alkoholfreien Getränken an den Theken,
5. die Bereithaltung geschulten Personals für Erste Hilfe und Drogennotfälle,
6. einen bedürfnisnahen und funktionalen Chill-Out-Space (Ruheraum),
7. einen geschützten Standort für die Plazierung eines Eve & Rave-Infostandes,
8. die Erlaubnis zur Vergabe von Vitamin- und Calciumdrinks und frischem Obst,
9. das Fernhalten von Dealern und entsprechend unauffällig filternde Einlaß- kontrollen (Beate Marx und Andrea Taher in NEUMEYER/ SCHMIDT- SEMISCH a.a.O., S. 280).
Die Kriterien und Bedingungen sind ein Ideal, welches nicht durchgängig in die Praxis umgesetzt ist. Es gibt die drei verschiedene Arbeitsgruppen, die auf dieses Ideal zuarbeiten:
a) Die Kontaktgruppe nimmt Kontakt zu den Veranstaltern auf, gewinnt einen Eindruck der Location vor Ort und berät nach den genannten Richtlinien.
b) Die inhaltlich arbeitende Gruppen erstellt Informationsmaterial und organisiert Informationsveranstaltungen und Schulungen.
c) Das kreative Chill-Out-Team ist für die kreative und musikalische Gestaltung des Chill-Out verantwortlich.
Die Arbeit während der Party umfaßt im wesentlichen einen Infostand und den Chill-Out-Bereich. Beim Infostand soll den Partybesuchern in ruhiger Atmosphäre die Möglichkeit gegeben werden, sich Infos über Drogen zu besorgen und mit Mitgliedern von Eve & Rave zu reden. Daneben werden Tee, Obst und Minera- lien angeboten und in der gesamten „Location“ verteilt. Der Infostand befindet sich m von Eve & Rave mitgestalteten Chill-Out-Bereich. Einige Mitglieder von Eve & Rave halten sich während der Veranstaltung im gesamten Veranstaltungs- ort auf, um besonders auf Leute zu achten, denen es offensichtlich schlecht geht und die den Weg in den Chill-Out-Bereich nicht gefunden haben (vgl. EVE & RAVE-Info: Wie alles begann o.J., S. 11 ff. ). Am 30.3.1996 fand eine erste „Safer-House-Konferenz im Kasseler Club „Aufschwung Ost“ (inzwischen „Stammheim“71 ) statt, um einen Austausch zwischen Partybesuchern, Veranstal- tern und Eve & Rave herzustellen.
6.1.5 Das Drugchecking-Pilotprojekt von Eve & Rave Berlin
In Berlin gab es von Eve & Rave ab Februar 1995 ein Pilotforschungsprojekt, das nicht zu Ende geführt werden konnte, in dem die Qualität der Ecstasy- Zubereitungen untersucht und die Auswirkungen der Testergebnisse auf das Kon- sumverhalten evaluiert werden sollten. Die Analyseergebnisse sollten regelmäßig veröffentlicht werden, um eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für Aufklä- rungs-, Beratungs- und Drogenpräventionsprogramme zu schaffen. Es war beab- sichtigt, den Ecstasykonsumenten so auch zu verdeutlichen, welche Risiken sie für ihre Gesundheit eingingen. Es konnte aber vor allem vor den Pillen gewarnt wer- den, die andere Inhaltsstoffe als die klassischen Ecstasy-Stoffe (MDMA, MDEA und MBDB) enthielten. Die anonym eingegangenen Proben wurden bei einem von der Bundesopiumstelle zugelassenen Labor, in der medizinischen Fakultät (Chari- té) der Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Gerichtliche Chemie, Abteilung für Toxikologische Chemie) zur qualitativen und quantitativen Analyse abgegeben (vgl. COUSTO 1998 a.a.O., S. 119 f.). Das Ergebnis konnte nach Nennung eines Codewortes abgefragt werden. Die Ergebnisse wurden in Listen zusam- mengefaßt72. Zusätzlich warnte man vor besonders gefährlichen Tabletten mit Handzetteln, die in der Szene verteilt wurden. Die Listen (Ausschnitt einer solchen Liste in Anhang X) konnten auch über AIDS-Hilfe-Beratungsstellen bundesweit eingesehen werden (vgl. Harrach und Kunkel in NEUMEYER/ SCHMIDT- SEMISCH a.a.O., S. 297 f.). Inzwischen darf Drugchecking von Eve & Rave aber nicht mehr durchgeführt werden. Von den 500 vorgesehenen Proben wur- den nur 150 analysiert, da das Pilotprojekt nach einer Anzeige und den darauffol- genden Aktivitäten von Polizei und Justiz zur Einstellung gezwungen wurde73. Die in Deutschland veröffentlichen Listen stammen heute fast ausschließlich aus Hol- land.
6.2 Das Jugend- und Drogenberatungszentrum DROBS Hannover
Von einem ursachenorientierten und funktionsanalytischen Ansatz ausgehend, erweiterte das Jugend- und Drogenberatungszentrum DROBS Hannover ihre Prä- ventionsarbeit Anfang der 90er Jahre um den Begriff „Drogenerziehung“. Ziel war und ist es, dort, wo Konsum von Rauschmitteln als Form jugendtypischen Risiko- verhaltens74 auftritt, dazu beizutragen, daß das Risiko minimiert bzw. das Risiko- verhalten möglichst bald wieder aufgegeben wird. Jugendliche sollen befähigt werden, eigenverantwortlich, genußorientiert und vorsichtig mit Rauschmitteln umzugehen (vgl. L. Grube in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 288). Die Mitarbeiter von DROBS Hannover sind der Meinung, daß Drogenbe- ratungsstellen nicht prinzipiell zur Abstinenz aufrufen sollen. Hätten sie diese utopi- sche Auffassung, würden sie niemanden erreichen (vgl. P. Märtens in RABES/ HARMS a.a.O., S. 183). Vor diesem Hintergrund hat DROBS 1993 den zwei- einhalbseitigen Raver ’ s Guide im DIN A 5 Format, die erste Ecstasy- Broschüre ihrer Art in Deutschland, herausgebracht. Inhalt und Design waren genau auf die Raveszene abgestimmt, in der man diesen Flyer verteilte. Die Ratschläge zur Risi- ko- und Schadensminderung wurden interessiert aufgenommen und durch die schnell ansteigende Nachfrage bis ins benachbarte deutschsprachige Ausland transportiert. Außer dem Raver ’ s Guide gibt es inzwischen die Elternbroschüre zu Ecstasy, LSD und Speed (Jan. 1995) und eine „2 in 1“-Haschischbroschüre für Jugendliche und Erwachsene (Dez. 1995). (vgl. L. Grube in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 289 ff.).
6.2.1 Das DROBS -Info-Mobil und Drugchecking
Anfang 1994 verstärkte die DROBS ihre Szene-Präsenz, indem sie regelmäßig mit dem Drogen-Info-Mobil -einem ausgemusterten und umgebauten Berliner Dop- peldeckerbus- große Rave-Veranstaltungen aufsuchte und vor Ort Beratung er- möglichte75. Kernstück dieser Arbeit war und ist das Bereitstellen eines unbe- schallten, drogenfreien Chill-Out-Rooms, darüber hinaus werden -ähnlich wie schon bei Eve & Rave - Obst, Vitamin- und Mineraldragees und alkoholfreie Getränke angeboten. Es kann zwanglos Kontakt zu den Mitarbeitern aufgenom- men und sich beraten lassen werden. Für eine tiefergreifende Beratung steht ein kleiner, abgeschlossener Beratungsraum zur Verfügung76. Um fundiert beraten zu können, wurden einige Mitarbeiter beim NIAD (Nederlands Institut foor Alcohol en Drugs) in Holland geschult, von wo aus sie auch das Know-How für eine sub- stanzspezifische Beratung, die „Stoff-Identifizierung vor Ort“, mitbrachten. Nach Auskunft der Mitarbeiter von Eve & Rave Kassel ist DROBS Hannover derzeit die einzige Institution die diese „Stoff-Identifizierung“ bzw. das Druchecking durchführen darf. Über 95 % der auf dem illegalen Markt erhältlichen Pillen wer- den von einem großen ausländischen Institut wöchentlich mit einem aufwendigen Testverfahren untersucht, und von DROBS werden die Ergebnisse abgerufen. In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Hannover wurde ein Weg gefunden, wie auch das Verfahren des Säure-Schnelltests, unter Beachtung aller relevanten Ge- setze, durchgeführt werden kann: Der ratsuchende Konsument gibt den Stoff nicht aus der Hand, und das abgeschabte Bruchstück wird durch die chemische Be- handlung vernichtet.
6.2.2 DROBS -“Böse Pillen“-Info und Beratungskolumne
DROBS gibt auch keine Listen der guten Pillen heraus, sondern outet nur die schlechten, was vom präventiven Standpunkt aus den Sinn macht, daß kein fal- sches Sicherheitsgefühl bei den Konsumenten entsteht, und damit keine Fälschung vermeintlich guter Pillen Vorschub geleistet wird. Die schlechten Pillen werden auf monatlich neu erscheinenden „Böse Pillen“-Flugblättern (Beispiel in Anhang XI) in der Beratungsstelle sowie in den Locations verteilt und können auch abonniert werden. Die „Bösen Pillen“-Infos erscheinen außerdem seit Mai 1995 monatlich in dem Techno/Trance-Magazin MUSHROOM in der Rubrik „drogerie“. In die- ser Rubrik beantworten Mitarbeiter der DROBS unter „Dr.Obs“ auch Fragen zu gesundheitlichen und rechtlichen Zusammenhängen des Drogenkonsums.
6.2.3 DROBS -Szene -Aktivitäten
Um die Technogemeinde zu erreichen ,organisiert DROBS auch selbst Techno- Veranstaltungen wie „H2O-Liquid techno“ am 21.3.1997. Außerdem rief die DROBS gemeinsam mit der Landesjugendstelle Jugendschutz Niedersachsen, der Stadt Hannover Streetwork, dem Jugendschutz Landkreis Hannover und der Drogenberatung PRISMA das Techno-Art-Project ins Leben. Mit weiteren Technoveranstaltungen, wie das mit dem Veranstalter Stargate und Jugendlichen zum 20.12.97 gemeinsam organisierte „Watergate“, möchte das Techno-Art- Project dem sich ausbreitenden Kommerz der Technoparties -und dem mit die- sem ansteigenden problematischen Drogenkonsum- liebevoll arrangierte und kreative Events entgegensetzen. In Zusammenhang mit diesen wurden seit dem 13.10.1997 in Hannover und Langenhagen mit ausgewählten Profis auch Workshops als Vorbereitung für die „Watergate“-Party angeboten. Die Mitwir- kenden bereiteten die Party vor und führten sie gemeinsam durch. So wurden für die Partywerbung Flyer, Videoclips für den offenen Kanal Hannover und eine Internetseite erstellt. Musik konnte selbst produziert und Tätigkeiten des DJ er- lernt werden. Technomode und Partydekorationen wurden entworfen und selbst hergestellt. Neben weiteren Workshops gab es sogar einen für die Verpflegung (Catering) während der Party. Das Techno-Art-Projekt war eine einmalige ge- meinsame Aktion verschiedener Einrichtungen im Herbst/Winter 1997 und konnte bisher aus Kostengründen nicht wiederholt werden. Das DROBS Hannover führt jedoch nach Auskunft von P. Märtens weiterhin DJ- und Deko-Workshops durch.
6.3 Das ecstasy project der Hamburgischen Landesstelle für Suchtgefahren e.V. und des Büros für Suchtgefahren
Da sich der Ecstasyboom mit seinen neuen Drogen und Konsummustern, die sich von denen der Heroingebraucher vollständig unterscheiden, fortsetzt, sind neue Hilfekonzepte, die sich auf Kontakte zu den Konsumenten und ihrer Szene stüt- zen, nötig. Es müssen gesicherte Erkenntnisse gewonnen, neue Präventions- und Aufklärungskonzepte entwickelt sowie Beratung und Hilfe angeboten werden, die die Konsumenten annehmen. Aus diesen Gründen haben die Hamburgische Landesstelle für Suchtgefahren und das Büro für Suchtprävention das ecstasy project geschaffen. Dieses besteht/bestand aus folgenden Aktivitäten, die sich gegenseitig unterstützen und ergänzen:
- Empirisches Forschungsprojekt (Auszüge siehe in Abschnitt 3.2.1) zu den psychosozialen Folgen und Begleiterscheinungen des Konsums und von Ecsta- sy (gefördert von der BZgA).
- Europaprojekt network-prevention zur Ecstasyprävention in Manchester, Amsterdam und Hamburg (gefördert von der Europäischen Union).
- Die Ecstasy-Hotline ab Oktober 1996 zur Information und Beratung von Konsumenten und interessierter Öffentlichkeit (gefördert von der Techniker Krankenkasse Hamburg).
Das ecstasy project arbeitet auf Landes-, Bundes- und Europaebene mit ande- ren Institutionen im Bereich der Ecstasyprävention, -forschung und -hilfe zusam- men. Es ist Ausdruck der Bemühungen der Hamburgischen Landesstelle und des Büros für Suchtprävention, in einer Drogenmetropole wie Hamburg rasch und flexibel auf Veränderungen in der Konsumentenszene zu reagieren, um Impulse für die Drogenpolitik und für den professionellen Präventions- und Hilfebereich mög- lichst zeitnah zur Verfügung stellen zu können (vgl.: G. Rakete und M- Püschl in RABES/ HARMS a.a.O., S. 251 f.).
6.3.1 Das Europaprojekt network prevention
Bei der network prevention handelt es sich um ein gemeinsames Modellprojekt zum Aufbau eines Netzwerks zur Primär77 - und Sekundärprävention78 bei jugend- lichen Freizeitkonsumenten von Partydrogen in den drei europäischen Städten mit besonders gravierender Drogenproblematik, Amsterdam (Jellinek Preventie79 ), Manchester (Lifeline80 ) und Hamburg zur Einrichtung eines gemeinsamen Früh- warnsystems zum rechtzeitigen Erkennen neuer Konsumtrends unter Jugendlichen (Monitoring, siehe 5.2). Methodisch wird nach dem Konzept der „Peer- education“ gearbeitet und geschlechtsspezifisch vorgegangen. Als Ziele werden genannt:
- Hinausschieben des Erstkonsums (primärpräventiv),
- Reduzierung des Konsums (sekundärpräventiv),
- Verhinderung von Gesundheitsgefährdungen und -schäden (sekundärpräven- tiv),
- Entwicklung von Alternativen in Bezug auf den Probierkonsum (primärpräven- tiv) und regelmäßigeren Gebrauch (sekundärpräventiv).
Das Konzept ist, eine gemeinsame Maßnahme zu entwickeln, die in allen drei Städten durchgeführt werden kann. Die einzelnen, arbeitsteilig erstellten Elemente sind:
a) Geschlechtsspezifisches Informationsmaterial, welches gemeinschaftlich mit Betroffenen erarbeitet werden soll. Folgende Kriterien sollen dabei Berück- sichtigung finden: Glaubwürdigkeit, Attraktivität, Wissensvermittlung, Risiko- minderung und Verhaltensänderung.
b) Vermittlung und Verbreitung von zielgruppenspezifischen Informationen auf subkulturell und geschlechtsspezifisch glaubwürdige Art und Weise.
c) Bereitstellung eines Beratungsangebotes durch Gewährspersonen aus der Technoszene.
d) Förderung kommunikativer und kreativer Kompetenzen der Partybesucher zur Stärkung präventiver Ressourcen.
e) Verbesserung der strukturellen Bedingungen in Zusammenarbeit mit DJ’s, Par- tyveranstaltern und -besuchern (Einrichtung von drogenfreien Kommunikati- onsräumen, Einflußnahme auf den Musikstil zur Minderung des Drogenanrei- zes).
f) Evaluation der Maßnahme in Bezug auf die geschlechtsspezifische Wirkung, die Methode der „Peer-education“ und die vermittelten drogenspezifischen In- formationen (vgl. http://www.ecstasy.de/d01.html).
Die Gruppe network prevention versucht, Leute mit unterschiedlichen Erfahrun- gen bezüglich Partydrogen zusammenzubringen, um die gemeinsamen oder auch unterschiedlichen Erfahrungen in neue Informationsmaterialien einzubringen.
6.3.2 Die Info-Karten des ecstasy project
Das ecstasy project entschied sich aufgrund guter Erfahrungen aus Manchester mit Comics, Broschüren und Handzetteln für postkartengroße Karten oder Leaflets, die vorderseitig ein die Zielgruppe ansprechendes Motiv und rückseitig einen Informationsteil tragen. Die Karten sind in den Partnerstädten formal und inhaltlich vergleichbar(siehe Info-Karten in Anhang IV - IX). Folgende Karten wurden verteilt (genannt auf Internetseite: http://www.ecstasy.de/d03.html):
1. Ecstasy: was ist das, und welche sind die Hauptrisiken beim Konsum?
2. Halluzinogene: LSD und Zauberpilze: wie wirken sie, und welche Gefahren birgt der Konsum?81
3. Rave-Kunde: Gegenseitige Verantwortung in der Party-Peergruppe, Hilfever- halten und Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung von Überdosierungen.
4. Suchtgefahren: du mußt dringend Drogenpause machen, wenn...
5. Jungenspezifische Aspekte: Gruppendruck, Drogen sind für die Suche nach Extremen ungeeignet.
6. Mädchenspezifische Aspekte: Suche nach Geborgenheit, Techno-Parties als Raum erotischer Spannung und der Erfahrung von Körperlichkeit.
Gegenüber üblichen Partydrogenbroschüren ist hier die geschlechtsspezifische Auftrennung der Risiken bemerkenswert. Während die Mädchen/ Frauen-Karte vor allem über Risiken in Zusammenhang mit Menstruation, Verhütung, Eßstörun- gen sowie über die höhere Sensibilität gegenüber den Substanzwirkungen infor- miert, warnt die Jungen/ Männer-Karte vor allem vor Mischkonsum und zu hohen Dosierungen, zu denen vornehmlich männliche Konsumenten neigen. Neben den für die drei Projekte weitgehend identischen geschlechtsspezifischen Karten sind in jeder Stadt zusätzliche Materialien entstanden (in Hamburg weitere vier Motiv- karten). Damit kann den unterschiedlichen Szenen in den Städten Rechnung ge- tragen werden. Insgesamt 30000 Karten in Hamburg wurden bisher von Peers in der Szene verteilt und waren integrierter Anteil eines Informations- und Bera- tungsgesprächs, gegebenenfalls wurde an die Ecstasy-Hotline (siehe 6.3.3) oder andere Beratungseinrichtungen verwiesen. Zur Verteilung wurden verschieden Konzepte erprobt, die sich an den Möglichkeiten des Veranstaltungsortes orien- tierten (Chill-Out, Stand, Promotion-Tour). Die letzten Karten wurden auf dem G-Move, einer der Love-Parade ähnlichen Techno-Demonstration mit 150000 Teilnehmern in Hamburg, verteilt (vgl. Infoblatt des BÜROS FÜR SUCHTPRÄVENTION zum „ecstasy project“: Europäisches Modellprojekt erarbeitet Ecstasy-Materialien).
6.3.2 Zusammenarbeit mit Clubs und Veranstaltern
Mit Clubbetreibern und Partyveranstaltern sind unterschiedliche Erfahrungen ge- macht worden. Einige erwiesen sich als kooperativ und unterstützend, andere verweigerten eine Zusammenarbeit. Für die Verteilung der Info-Karten in der Technoszene konnten drei Clubs bzw. Veranstaltungsorte in Hamburg gewonnen werden: das Gaswerk, Unit und Front. Im Februar 1997 war im Unit, einem der ältesten Techno-Clubs in Hamburg, der europäische Gedanke in Form einer ge- meinsamen Party mit einem englischen und einem holländischen Club geplant. Via ISDN sollte das Unit mit je einem Club in Liverpool und in Amsterdam verbin- den, so daß die Hamburger Partygemeinde auf einem „dancefloor“ zur Musik des heimischen DJ und auf zwei weiteren jeweils zur Musik der anderen Clubs hätte tanzen können. Die Party fand nicht statt, es ist jedoch eine solche Veranstaltung ohne Hamburger Beteiligung Ende des Jahres 1998 zwischen England und Hol- land geplant.
6.3.3 Evaluation der network prevention
Es wurden insgesamt 291 Fragebögen bezüglich Akzeptanz, Relevanz, Effizienz, Geschlechtsspezifik und der Art der Verteilung bezüglich des Peer to Peer Ansatz in allen beteiligten Städten ausgewertet. Man erreichte überwiegend aktuelle Kon- sumenten, 71,6 % der Befragten hatten in den letzten sechs Monaten Ecstasy konsumiert. Die Girls-Karten waren in allen Städten beliebter, die Texte wurden als informativer empfunden. Das getrenntgeschlechtliche Ansprechen wurde deut- lich positiv bewertet. In Hamburg und Manchester waren die Informationen insge- samt häufiger neu als in Amsterdam. In allen Städten wurden die Info-Karten als geeigneter Weg angesehen, um mehr über einen risikoärmeren Umgang mit Dro- gen zu erfahren. Das ecstasy project genießt in der Hamburger Szene ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit (vgl. Infoblatt des BÜROS FÜR SUCHTPRÄVENTION zum ecstasy project: Europäisches Modellprojekt er- arbeitet Ecstasy-Materialien a.a.O.). Im Augenblick untersucht das „ecstasy pro- ject“ die veränderten Konsummuster durch das veränderte Angebot von Ecstasy- Pillen, welche vermehrt ecstasyfremde Stoffen wie Amphetamine enthalten. Eine Dokumentation erscheint jedoch erst Ende 1998.
6.3.4 Die Ecstasy-Hotline
Um auf die bestehenden hohen Beratungs- und Informationsbedürfnisse zu reagie- ren, wurde im Herbst 1996 für die Dauer eines halben Jahres eine Ecstasy- Hotline eingerichtet. Diese weitere Initiative des ecstasy projects sammelte das vorhandene Expertenwissen und stellte es der Öffentlichkeit und den Betroffenen unter der Rufnummer (040) 248000 anonym, unbürokratisch und leicht erreichbar zur Verfügung. Sie richtet sich an Menschen die:
- durch widersprüchliche Informationen verunsichert sind,
- Probleme mit Ecstasy haben,
- Leute kennen, die Probleme mit Ecstasy haben,
- mit den Betreibern der Hotline zum Thema Ecstasy zusammenarbeiten möch- ten.
Neben der Techniker Krankenkasse wendet die Landesversicherungsanstalt Hamburg Mittel für den Betrieb der Hotline auf. Die Ecstasy-Hotline war erster Ansprechpartner, wenn die Betroffenen Hilfe suchten. Bei Bedarf bestand die Möglichkeit der Vermittlung an andere Beratungs- und Behandlungseinrichtungen: Betroffene mit psychosozialen Problemen wurden an das Seehaus-Projekt vermittelt, mit medizinischen Problemen an die Drogensprechstunde des UKE (Dr.Thomasius), und jüngere Anrufer wurden an die Drogenberatungsstelle Kö 16a verwiesen. Inzwischen besteht die Hotline nach Telefonauskunft Manfred Rabes, mangels Gelder der Techniker Krankenkasse, nur in eingeschränkterer Form im Rahmen des allgemeinen Bürobetriebs weiter, ergänzt durch die Beant- wortung von e-mail-Anfragen.
6.4 Mind Zone des Landescaritas Verbandes Bayern
Entsprechend dem Nord-Süd-Gefälle82 von Akzeptanz- und Abstinenzvorgabe in der Drogenpolitik Deutschlands stelle ich mit der Mind Zone ( Bedeutung in etwa: Zone des klaren Bewußtseins) zum Schluß eine abstinenzorientierte Einrichtung aus Bayern vor83. Hier haben wir es mit einer Einrichtung zu tun, die entgegen neuer Erkenntnisse, am altgewohnten Stil festhält und Partydrogenkonsumenten grundsätzlich erst einmal als defizitär betrachtet.
6.4.1 Organisation und Selbstverständnis
Mind Zone ist ein Projekt in der Trägerschaft des Landescaritas-Verbandes Bayern e.V und hat seinen zentralen Standort in München. Es wird vom Bayri- schen Sozialministerium finanziert. Außer in der bayrischen Hauptstadt begleitet es in ganz Bayern und im Raum Salzburg/ Bad Reichenhall regionale Präventions- und Selbsthilfeinitiativen und bietet seine Erfahrung und praktische Empfehlungen an. Dieser Service richtet sich vor allem an Fachkräfte aus Suchtprävention und Jugendarbeit sowie an Sozialpädagogen, Erzieher und Lehrer, aber auch an Ver- anstalter der Szene. Nach dem Motto „Spaß, Ausgelassenheit und friedliches Zusammenfeiern stehen im Vordergrund - Drogen sind dafür überflüssig“ arbeitet das Projekt seit 1996 vor Ort in der Techno- und Housekultur mit ehrenamtlichen Helfern aus der Szene (peers). Diese werden in Workshops und Fortbildungen geschult. Mit ihrer Botschaft möchte Mind Zone ein Gegengewicht in der Szene integrieren und unterstützt in Clubs oder auf Veranstaltungen diejenigen die keine Partydrogen konsumieren. Außerdem will das Projekt diejenigen Partydrogen- konsumenten, die doch Drogen konsumieren zum nachdenken anregen und das „ohne erhobenen Zeigefinger“. Daher sehen sie ihre Aufgabe im „Werben für Ge- sundheit“ und in der Förderung von Standfestigkeit gegen sozialen Druck. Weite- re Botschaften sind:
1. „Wir nehmen keine Drogen, und wir finden das gut!“
2. „Es stimmt nicht, daß jeder Ecstasy nimmt, viele tanzen und feiern auch ohne Drogen.“
3. Wenn Du Ecstasy nimmst, dann kannst Du mit uns reden; wir vermitteln Dir professionelle Hilfe.“ (MIND ZONE o.J., S. 3)
6.4.2 Aktivitäten und Broschüre von Mind Zone
Mind Zone besteht aus einem Leitungsteam (Projektleitung & Projektpromotoren) und einem Planungsteam. Letzteres setzt sich aus dem Leitungsteam und ehrenamtlichen Mitarbeitern aus der Szene zusammen. In Clubs oder auf Technoveranstaltungen haben sie Info-Stände und führen Aktionen, Kontakte und Gesprächedurch, primär für diejenigen, die keine Partydrogen konsumieren. Dabei werden szenenahe Handzettel (Flyer) und Verschenk-Tüten (Giveaways) verteilt und gegen Partydrogen und über AIDS aufgeklärt.
Die an Techno-Design angelehnte Broschüre „Mind Zone-Ecstasy- was tun? was nun?“ ist ausdrücklich ein „Ecstasy-Ratgeber von Ex-Usern für Eltern“. Sie ist inhaltlich wie eine typische Drogenbroschüre aufgebaut, mit wenig und sehr dis- tanziert geäußerten Stellungnahmen zu möglichen positiven Auswirkungen, dafür aber sehr viel zu den Gefahren, und wie Eltern im Ernstfall reagieren sollen. Auf ihrer Internetseite (http://ixx.com/mindone/) richtet sich Mind Zone vorwie- gend an die Techno-Fans. Neben drogenspezifischen Themen (z.B. Abdruck der Broschüre) wird eine Geschichte des Techno und auch ein Gästebuch angeboten. Mind Zone selbst bescheinigen sich eine hohe Akzeptanz, während die Reaktio- nen im Gästebuch auch kritische Stimmen zu ihrem Konzept aufweisen.
7. Fazit
Die Technokultur ist inzwischen ca. 10 Jahre alt und etabliert. Technoklänge sind keine Undergroundmusik mehr, sondern überall zu hören, z.B. im Fernsehen als Untermalung für das Werbefernsehen, Sportsendungen etc. War Techno anfangs noch einer eingeschworenen Gemeinschaft vorbehalten, gibt es heutzutage mas- senhaft Technoveranstaltungen und auf Raves ist die breite Masse der Jugendli- chen anzutreffen. Ähnlich verhält es sich mit dem Drogenkonsum in der Techno- szene. Immer mehr Partybesucher sind neugierig auf die verschiedenen auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Rauschsubstanzen. Es gibt nicht mehr die einheitliche Zielgruppe des Ravers und den einseitig auf Ecstasy beschränkten Partydrogen- konsum, wenn es ihn überhaupt je gegeben hat. Vielmehr besteht eine starke Tendenz zum Mischkonsum verschiedenster Drogen, wodurch der Konsum im- mer gefährlicher wird. Daher ist es dringend notwendig sich mit der Drogenpolitik und der Drogenhilfe an diesen Realitäten zu orientieren und weiter schadensmin- dernden Konzepten auch mit Akzeptanzorientierung zu unterstützen und zu för- dern. Holland hat uns mit seiner pragmatischen Vorgehensweise in Deutschland ein gutes Beispiel gegeben, an dem sich vermehrt orientiert wird. Um die drogen- konsumierenden Jugendlichen zu erreichen und wirklich Hilfe zu leisten, können meiner Meinung nach nur akzeptanzorientierte Ansätze von Erfolg sein. Die an einem Abstinenz-Paradigma84 nur im Hinblick auf illegalisierte Drogen ausgerichtete Drogenhilfe und -politik hat ihr Ziel nicht erreichen können und wird es voraussichtlich auch nicht erreichen.
Die Realität ist, daß gerade die „legalen Suchtmittel“ wie Alkohol, Tabakwaren und Medikamente nachweislich den gößten Schaden anrichten85, obwohl dies häufig heruntergespielt wird. Im Vergleich zu den möglichen Schäden durch illega- lisierte Drogen besteht damit verglichen ein eindeutiger Bedeutungsüberhang und eine klare Doppelmoral bei der gesamten Drogenproblematik. Es wird von einer drogenfreien Gesellschaft geträumt, die es niemals geben wird. Immer wird es eine Nachfrage nach Drogen und somit auch ein Angebot von Rauschsubstanzen geben86. Daher finde ich es eine wesentliche Frage, inwieweit es den zumeist ju- gendlichen Drogenkonsumenten zugebilligt werden kann, selbstverantwortlich über seine Gesundheit auch mit illegalisierten Drogen zu verfügen, wie es ihm mit legalen Drogen aber auch sonstigen riskanten Verhaltensweisen wie bestimmten gefährlichen Sportarten (z.B. Abfahrtski oder Snowboarding) zugestanden wird. Dazu ist aber seitens der Gesetzeshüter erst einmal notwendig, die Realität anzu- erkennen, daß ein verhältnismäßig großer Teil der Bevölkerung sich durch das Betäubungsmittelgesetz nicht davon abschrecken läßt, Drogen zu konsumieren. Durch deren Kriminalisierung werden häufig größere Schäden verursacht -von Politikverdrossenheit bis zur Zerstörung von Existenzen der Betroffenen- als ver- hindert werden sollen. Unter Berücksichtigung der Eigenverantwortlichkeit der Drogenkonsumenten sollten Voraussetzungen geschaffen werden, wie der Dro- genkonsum am wenigsten Schaden verursachen kann. Dazu gehören als ersten Schritt die im Kapitel 5 meiner Arbeit benannten Konzepte hinsichtlich des Party- drogenkonsums. Weitere Schritte sind die Entkriminalisierung der Drogengebrau- cher und eine sorgfältige Erwägung einer differenzierten Drogenfreigabe. Genauso falsch wie das totale Drogenverbot wäre meiner Ansicht nach die totale Freigabe. Partydrogen gehören nicht in den Supermarkt. Eine kontrollierte Freigabe, wie in Holland angestrebt (siehe HNA vom 12.12.97 im Anhhang II), wird es jedoch voraussichtlich so schnell nicht geben.
Ein wesentlicher Richtungswechsel hat sich wenigstens nach der Bundestagswahl 1998 angekündigt: Die Drogenpolitik untersteht nicht mehr dem Innenministerium, die mit dem Drogenbeauftragten Eduard Lintner (CSU) stark repressiv ausgerich- tet war, sondern von nun ab dem Gesundheitsministerium, welches die Grünen unter sich haben. Vielleicht wird einer längst überfälligen Normalisierung und realitätsnäheren Beurteilung von Drogenkonsum demnächst auf volksverträgliche Weise sanft Vorschub geleistet und damit viel Schaden in erster Linie für die Gesundheit der Drogengebraucher gemindert.
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Tel.: 0177/274 79 84
Fax: 030/624 28 13
EVE & RAVE
c/o Taher
Kantstr.10
34121 Kassel
Tel.: 0561/9223499
„ecstasy project“:
Büro für Suchtprävention der
Hamburgischen Landesstelle
gegen die Suchtgefahren e.V.
Brennerstr. 90
20099 Hamburg
Tel.: 040/2803811 u.2803812
Jugend- und Drogenberatungs-
zentrum DROBS Hannover
-Psychosoziale Beratungsstelle
Odeonstr. 14
30159 Hannover
Tel.: 0511/70146-0
Fax: 0511/70146-39
Info-Bus:
Tel.: 0171/853 80 45
MIND ZONE
Lessingstr. 1
80336 München
Tel.: 089/5449710 u. 5449172
Erklärung:
Ich versichere, daß die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt wurde, und daß ich keine Literatur außer der von mir angegebenen benutzt habe. Die wörtlich übernommenen Stellen sind als solche gekennzeichnet.
Unterschrift:
[...]
1 Ich dachte dabei allerdings nur an die mir bekannten Drogen aus dem halluzinogenen Spektrum (Anm. d. Verfassers).
2 ANZ und WALDER (1995, S.10-20 ) nennen verschiedenste -nicht nur elektronische Musiker- der E(rnsten) und U(nterhaltungs)-Musik wie Karl Heinz Stockhausen, Walter Carlos, John Cage, Vangelis, Jean-Michel Jarre, Pink Floyd, George Kingsley („Popcorn“), DAF ,die Minimal-Musiker Steve Reich, Terry Riley und Philip Glass sowie viele andere, die Einfluß auf die Techno-Musik ausgeübt haben.
3 Der Begriff „House“ aus der amerikanischen Subkultur meint keine Wohnung oder besetz- tes Haus, sondern bezeichnet einen sozialen Ort, in dem sich die „Kids“ (hier: schwarze Schwule) als Schutz vor Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit im täglichen Überlebens- kampf in einer Ersatzfamilie zusammenfinden (vgl. BÖPPLE/ KNÜFER 1998, S. 56 f.).
4 Acid (engl. Säure) ist eine Slangbezeichnung für LSD (Lyserg s ä ure diäthylamid)(Anm. d. Verfassers).
5 Der Begriff „Summer of Love“ bezeichnete bereits schon einmal 1967 den offiziellen Beginn der Hippie-Ära in Haight-Ashbury, San Francisco (Anm. d. Verfassers).
6 Die Veranstaltungsorte wurden einzig über Mund zu Mund-Nachrichten, Telefonketten und Flugblätter (sogenannte Flyer), die in einschlägigen Szenetreffs auslagen, bekanntgemacht (vgl. P. Staines in SAUNDERS a.a.O. 1998, S. 149 f.).
7 1990 gilt laut ANZ und WALDER (1995, S. 21) als das Geburtsjahr von „Techno, wie man ihn heute kennt“. Aus Acid House wurde zunächst Techno House, wobei Techno sehr bald
8 Aus Belgien stammte Ende 1987/ Anfang 1988 eine Techno-Richtung mit der Bezeichnung „New Beat“(Anm. d. Verfassers).
9 Die Loveparade wurde 1989 erstmals von Matthias Roeingh alias Dr. Motte als politische Demonstration unter dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ angemeldet und hatte nur 150 um einen LKW mit Musikanlage tanzende Teilnehmer (vgl. SPIEGEL 27/ 1995). Seitdem fand diese Loveparade jedes Jahr am zweiten Juli-Wochenende in Berlin mit immens ansteigender Teilnehmerzahl statt und bestand im Jahre 1997 aus über einer Million Menschen (vgl. SPIEGEL 29/ 1996).
10 Näheres zu der verschiedenen Musik und ihren Eigenheiten bei SAUNDERS (1998, S.189- 204) und ANZ/ WALDERS (1995, S. 78-122).
11 Nach dem DUDEN-Fremdwörterlexikon wird Kultur definiert als „die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft.“
12 Die „Neue Deutsche Welle“ war Anfang der achtziger Jahre eine deutschsprachige ver- spielte Poprichtung, der deutsche Ableger des engl. „New Wave“, der aus den Wurzeln des Punk entstand. Unter diesem Oberbegriff waren unterschiedlichste Hits von Nenas „99 Luft- ballons“ über Trios „DaDaDa“ bis hin zu Fehlfarbens „Es geht voran“ zu finden. Kurioser- weise wurden Kraftwerk, „die Urväter des Techno“, auch schon damals als Pioniere der NDW bezeichnet (Anm. d. Verfassers).
13 Unter anderem deuten gerade die in diesem Satz beschriebenen Synästesien (...Farben riechen, Sound schmecken...) daraufhin, daß mit den hier genannten Technologien, die glücklich machen, sicher nicht nur „Hardware“, sondern auch bestimmte Drogen gemeint sind (Anm. d. Verfassers).
14 Die Technoszene zeichnet sich durch eine hohe Mobilität, einen Clubtourismus in unter- schiedlichste Städte aus. Schaut man z.B. auf den Parkplatz des Kasseler STAMMHEIM, wird man dort Wagen aus dem gesamten Bundesgebiet finden (Anm. d. Verfassers).
15 psychedelisch = (aus dem griechischen) die Seele offenbarend. Zu den psychedelischen Drogen zählen vor allen die Halluzinogene wie LSD (siehe Kapitel 3.1.2).
16 das „Mitgefühl steigernd“, hiermit sind vor allem die Entaktogene (Ecstasy) gemeint (siehe Kapitel 3.1.1).
17 Hedonismus = Streben nach Sinnenlust und Genuß (SAUNDERS 1998., S. 296)
18 Übersetzung in etwa: „fröhliche Spaßvögel“. Diese veranstalteten 1966 entlang der kalifornischen Küste große LSD-Parties, „Acid-Tests genannt“ (Anm. d. Verfassers).
19 In seiner „Trance-Theorie hält Dennis R. Wier vom Schweizer Trance-Institut Wiederholungen oder Loops für entscheidend um beim Menschen Zustände von Trance zu erzeugen (vgl. Interview in MUSHROOM 2/98).
20 Aus dem lateinischen „transire“=„hinübergehen in einen anderen Zustand“ bezeichnet der Trancezustand den Zustand eines veränderten Bewußtseins, in dem sich auch die Seele vom Körper lösen kann. Trance kann durch verschiedene Methoden wie Tanz, Gesang, Fasten etc. erreicht werden (vgl. CONNECTIONS 3-4-/98, S.25).
21 Schamane kommt von „saman“ der nordsibirischen Tungus und bedeutet soviel wie „je- mand der erregt, bewegt, erhoben ist“oder „wissen“. Einige typische Merkmale von Scha- manismus, der vermutlich ältesten religiösen Tradition, sind eine willentliche Veränderung des Bewußtseinszustandes, Seelenflug, Kontakt mit Geistwesen, religiöse Rituale und Heilri- tuale (vgl. CONNECTIONS 3-4-/98, S.25). Nana Nauwald stellt den Vergleich des DJ mit dem Schamanen in ihrem Artikel in Frage (vgl. ebd. S. 25).
22 In einem Artikel der HNA vom 25.8.98 (siehe Anhang) heißt es, daß immer häufiger breitere Bevölkerungsschichten, die sich von „herkömmlichen Drogenkonsumenten“ unterscheiden, weltweit Aufputschmittel konsumieren. Sie hätten nicht „den Wunsch auszusteigen“, sondern wollten „besser über die Runden kommen“.
23 Der Ethnobotaniker Bert Marco SCHULDES (o.J., S. 12) rät gar von dem Gebrauch von Halluzinogenen als Partydrogen ab.
24 Laut WALDER/ AMENDT (a.a.O., S. 115 f.) häufen sich jedoch die Berichte, daß Ecsta- sy/Speed-Konsumenten vermehrt Heroin nutzen (in Form von Folie-rauchen) um sanfter von ihrem Trip runterzukommen und die negativen Nachwirkungen zu betäuben. Auch Manfred Sautters (in PARTNER April/ Mai 98, S. VII) benennt den Heroingebrauch der Ecstasykon- sumenten als ein Problem, das in den letzten beiden Jahren besonders in Kassel zugenom- men hat.
25 Definition:1. Eine natürlich vorkommende Verbindung, die gleichermaßen im Pflanzen- und Tierreich vorkommt. Es ist ein innerer Bestandteil des menschlichen Gehirnes. 2. Jedes einer Reihe von Verbindungen mit Phenethylamin-Gerüst und durch chemische Bestandteile an passender Stelle veränderte Moleküle (vgl. SHULGIN 1992, S. v). Zu dieser Gruppe gehören Amphetaminderivate (MDMA, MDA, MDEA...), Amphetamine und Methamphetamine.
26 Zur Pharmakologie siehe Dr. Peter Hess in WEIGLE/ RIPPCHEN (1997, S. 46-54, E. From- berg in NEOMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 149-170 sowie SHULGIN 1992, S. 733- 739).
27 SAHIHI (1990) und SCHMIDTBAUER/ VOM SCHEIDT (1995) beschreiben die Substanz MMDA, ein weiteres von A. Shulgin entwickeltes Entaktogen, welches aber keine weitere Verbreitung fand, als Ecstasy. Es scheint sich dabei um eine Verwechslung des Stoffes zu handeln.
28 Es wird häufig berichtet, MDMA sollte zunächst wegen seiner einfühlungsverstärkenden Eigenschaften „Empathy“ heißen. Dieser Name wurde aber mangels Werbewirksamkeit ver- worfen und gegen den eigentlich unpassenderen Name „Ecstasy“ ersetzt (vgl. SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 21).
29 Eine ausführliche Erörterung des Begriffs „Designerdroge“ findet sich unter NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH S. 21-37.
30 MBDB, MDA, MDMA und MDEA sind Amphetamin derivate (Endung amphetamin), gehören aber nicht zu den Amphetaminen (Anm. d. Verfassers).
31 Verschiedene Autoren führen auch weitere Ecstasy-Stoffe (z.B. WALDER/ AMENDT: MDOH, WEIGLE/ RIPPCHEN: MDMD usw.) auf. Diese werden aber sonst nirgends erwähnt und scheinen daher in diesem Zusammenhang nicht von Belang zu sein.
32 In den mir vorliegenden Publikationen wird bei Beschreibungen der Ecstasywirkung hauptsächlich von der ursprünglich als Ecstasy bezeichneten Substanz MDMA ausgegan- gen, da diese selbst von Konsumenten und Dealern schlecht von den anderen Substanzen (MDEA,MDA..) unterschieden werden kann (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 31). Dieser Vorgehensweise schließe ich mich aus Gründen der Übersichtlichkeit an.
33 Der Neurotransmitter Dopamin wirkt auf Bewegungen, Gedächtnis und Gefühle ein und ist die Muttersubstanz von Adrenalin und Noradrenalin (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 294)
34 Der Neurotransmitter Serotonin steuert den Informationsfluß zwischen den Hirnzellen und wirkt damit auf Gefühlszustände, Stimmungen (z.B. Euphorie) und motorische Aktivitäten (Bewegungen) ein (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 300).
35 Zur therapeutischen Anwendung finden sich ausführliche Informationen bei WEIGLE/ RIPPCHEN a.a.O., S. 55-67, S. 75- 81; SAUNDERS 1994 a.a.O., S. 102- 121, S. 319- 322; NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S. 189- 210; zum spirituellen Gebrauch von MDMA/Ecstasy siehe WEIGLE/ RIPPCHEN 1997 a.a.O., S. 69-74; SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 238- 266.
36 Die ausführliche Geschichte von der Entdeckung des LSDs, seiner Wirkung, Anwendun- gen, und seines Verbotes findet sich sehr anschaulich in Albert HOFFMANN: LSD- mein Sorgenkind (1993).
37 Miterregung eines Sinnesorgans bei Reizung eines anderen (z.B. Farbwahrnehmung bei akkustischem Reiz) (DUDEN-Fremdwörterlexikon).
38 Kurioserweise ist der Fliegenpilz, welcher auch ein altbekannter Rauschpilz ist, dazu aber durch einige Giftstoffe viel gefährlicher sein kann als Psilocybinpilze, nicht dem Betäu- bungsmittelgesetz unterstellt (Anm. d. Verfassers).
39 Umfangreiche Informationen aller Aspekte von Cannabis finden sich bei HAI/ RIPPCHEN (1998), die kompetent, aber eher zugunsten des Genusses von Cannabisprodukten berichten und bei SCHMIDTBAUER/ VOM SCHEIDT (1994, S. 78-134), die eher defizitorientiert und streckenweise nicht mehr auf dem neuesten Stande das Thema Cannabis behandeln.
40 Unter diesen hervorzuheben wäre höchstens 2-CB (siehe mushroom magazin mai 98 unter der Rubrik „drogerie“, o. Seitenangabe), welches von Hans COUSTO (1995 a.a.O., S. 228) als ein geeignetes Mittel genannt wird, den Ecstasy-Rausch zu verlängern.
41 In letzter Zeit wurde in der Presse (DIE WELT 22.6. und 2.7.1998) von einer neuen Designerdroge namens „Liquid Ecstasy“ (Gamma-Hydroxy -Butyrat, Abk. GHB) berichtet, einer Stimulanzdroge die leicht herzustellen, billig aber auch sehr gefährlich sei. In wie weit sich diese Droge in der Technoszene verbreitet ist noch nicht abzusehen.
42 Guarana ist eine Lianenpflanze aus Südamerika, deren Samen einen dreimal so hohen Kof- feingehalt wie Kaffee enthält. Es soll aber im Vergleich zu Kaffee das Koffein langsamer und schonender an den Organismus abgeben werden (vgl. RABES/ HARM a.a.O., S. 16).
43 Die Werbung für ein neues Produkt der Firma Nestlè, Nescafè aus der Dose, richtet sich jedoch vor allem an Anhänger der Technoszene (siehe in GROOVE April/Mai 98, S. 12).
44 Taurin ist eine auch beim Menschen vorkommende Substanz, die im Kleinkindalter eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns spielt und bei der Übermittlung von Nervenreizen beteiligt ist (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 114).
45 Ebenso vermittelt die zielgruppenspezifische Werbung -nicht nur für Energy-Drinks son- dern generell bei Produkten, die für Jugendliche in Frage kommen- gerne eine psychedeli- sche bzw. an Drogenräusche erinnernde Ästhetik (vgl. SCHWENDTER 1992, S. 41).
46 Läden, deren Sortiment aus allem besteht, was das Herz von Drogenkonsumenten legal höher schlagen läßt: Rauchbedarf, Drogenbücher, Aufzuchtartikel, legale Drogen (KawaKawa, Salvia Divinorum...) und vieles mehr (Anm. d. Verfassers).
47 Ephedra (auch unter der Bezeichnung Mormonentee bekannt) enthält den amphetaminähnlichen Wirkstoff Ephedrin, der in Kreislauf, Grippe- und Asthmamitteln enthalten ist.. In den USA wurden ephedrinhaltige Substanzen aus dem freien Verkauf genommen, seit ein Zwanzigjähriger nach Gebrauch des Ephedrin-haltigen „Ultimate Xphoria“ gestorben ist (vgl. WALDER/ AMENDT a.a.O., S. 135, 138).
48 RAKETE und FLÜSMEIER von der Hamburgischen Landesstelle für Suchtgefahren e.V. haben im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und im Rahmen des in Abschnitt 6.3. beschriebenen „ecstasy projects“ im Jahre 1997 eine empirische Studie mit 527 Ecstasygebrauchern und 239 Personen ohne Ecstasykonsum durchgeführt und diese im selben Jahr veröffentlicht. Zuvor hatten sie schon 1995 in einer explorative Studie zu den psychosozialen Aspekten des Ecstasykonsums 12 Ecstasykonsumenten befragt (vgl. RABES/ HARMS a.a.O., S. 137-154).
49 Ein Expertengremium der WHO (Weltgesundheitsorganisation) definierte Sucht als „einen Zustand periodischer oder chronischer Intoxikation, der durch die wiederholte Einnahme einer (natürlichen oder synthetischen) Droge hervorgerufen wird. Ihre Charakteristika sind (1) ein überwältigendes Verlangen oder Bedürfnis (zwanghafter Art), die Drogeneinnahme fortzusetzen und sich diese mit allen Mitteln zu verschaffen; (2) eine Tendenz zur Dosissteigerung; (3) eine psychische (psychologische) und allgemein eine physische Abhängigkeit von den Drogenwirkungen; (4) zerstörerische Wirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft.“(WHO 1952 zit. nach SCHEERER/ VOGT 1989, S. 14).
50 W.Wilkens, G. Thiel und E.Friedrich von Hamburger Fortbildungs-Institut Drogen und AIDS (HIDA) befragten 1997 für die Fachzeitschrift SUCHT (Heft 6/97, S. 422-429) 669 Besucher von Technoclubs und -veranstaltungen zum Konsum von Ecstasy.
51 In einem Abschnitt meiner Studienarbeit zum Thema der Strafbarkeit des Cannabiskonsum beschreibe ich die Berichterstattung der Medien hinsichtlich des Cannabis (LÖTZERICH 1996, S. 26 ff.). Diese ähnelt sich vom Prinzip her grundsätzlich auch hinsichtlich des Party- drogenkonsums.
52 So bewirkte zum Beispiel das Bekanntwerden eines Haschischfundes bei Beatle Paul McCartnay in Japan einen anschließenden Anstieg des Haschischkonsums bei japanischen Jugendlichen (vgl. SCHMIDTBAUER/ VOM SCHEIDT a.a.O., S. 122)
53 Das Nachrichtenmagain „Spiegel“ z.B. greift in ihren Ausgaben (48/ 94, 6/ 97) gerne die Gerüchte über angebliche gefährliche Beimischungen im Ecstasy auf, die sich bisher in kei- ner Analyse bestätigt haben (vgl. COUSTO 1998 a.a.O., S. 9 f.), beschreibt aber in anderen Ausgaben sensationslüstern die unkonventionellen Vorstellungen von Hans Cousto oder Nicholas Saunders (39/ 93).
54 Das Technobuch Locolizer 1.0 des Gestalten Verlags Berlin 1995 von R. KLANTEN hat statt Seitenzahlen eine der Computersprache entlehnte Struktur.
55 Ein Beispiel: Dr. med. und Dr. phil. Peter G. Waser, Honorarprofessor für Pharmakologie und Pharmakotherapie, Forschungsabteilung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und Dr. rer. nat. h.c. der J.W.Goethe Universität Frankfurt/M. schreibt zu der „Gefährlichkeit des Ecstasy-Konsums“ in dem von H.BURKHARDT-KOLLER herausgegebenen Buch „Drogen, warum nicht? (1996, S. 9) zu Beginn: „Ecstasy ist eine unter vielen Drogen aus der Gruppe der Halluzinogene. Die chemische Substanz MDMA (..) ist ein Amphetamin-Derivat, das zur Gruppe der Weckamine gehört. (...)“oder später zu den akuten Effekten von MDMA, z.B.: „(...) Durch die Enthemmung kommt es auch zur Aufhebung von Tabus und im Verhal- ten zu erhöhter Agressivität. (...)“ (ebd. S. 11). Die Auszüge ließen sich beliebig fortsetzen.
56 Auch hierzu ein Beispiel: Der bereits oben häufig zitierte Mitbegründer von „EVE & RAVE“, Hans COUSTO, wirkt streckenweise wie ein heutiger Nachfolger des Drogengurus Timothy Leary, wenn es um den Partydrogenkonsum geht. So schreibt er im Kapitel zu „Tanz und Ecstase im heutigen Leben“ in seinem Buch „Vom Urkult zur Kultur:„ (...) Eine Hardtranceparty ohne Ecstasy ist für mich wie ein Chateaubriand ohne Burgunderwein, eine Goa-Party ohne LSD wie eine Weißwurst ohne Bier und ein Ambient-Chill-Out ohne Haschisch wie ein Frühstück ohne Kaffee. (...)“(COUSTO 1995 a.a.O., S. 36) und dann: „(...) Aber im Gegensatz zu Haschisch, Ecstasy und LSD machen Wein, Bier und Kaffee süchtig, d.h. sie führen zu körperlicher Abhängigkeit.“(ebd., S. 37).
57 Bei Monoamino-Oxidase handelt es sich um ein Enzym, das bestimmte Amine abbaut und so inaktiviert. MAO-Hemmer hemmen die Wirkung dieser Enzyme, so daß die Amine intakt bleiben. Handelt es sich nun um für den menschlichen Körper giftige Amine, so kann es zu schweren, auch tödlichen Nebenwirkungen kommen. Neben Medikamenten wie Antihistaminika und Antidepressiva, anderen Drogen wie Amphetaminen, Meskalin, Alkohol und Koffein enthalten auch bestimmte Nahrungsmittel wie gereifter Käse, Bananen, Ananas u.a. MAO-Hemmer. Natürliche, reversible MAO-Hemmer scheinen jedoch wesentlich gutartiger zu sein als synthetische irreversible.(vgl. Schuldes o.J., S. 82 f.).
58 Das Magazin HANF! (10/98, S. 6) berichtet in einem Artikel über einen erstmalig aufgetre- tenen Zwischenfall mit Todesfolge durch die Kombination von MDMA mit dem Anti-AIDS- Mittel „Ritonavir“ in Großbritannien: Dieses Mittel hat nach Auskunft des Artikels die Ei- genschaft, den MDMA-Anteil im Blutspiegel zu verdreifachen, was eine mögliche Überdo- sis um so gefährlicher macht.
59 Unter Depersonalisation versteht man einen Zustand, in dem man sich nicht real, sondern losgelöst von allem empfindet und zu keinerlei Emotionen fähig ist. Derealisation bezeichnet ein Fremdheitsgefühl, bei dem die Umgebung unwirklich erscheint und die sonst üblichen emotionalen Komponenten verloren scheinen. (vgl. SAUNDERS 1998 a.a.O., S. 84 f.).
60 Bei Ecstasy: Die Phase in der sich der Serotoninspiegel nach Ecstasykonsum wieder normalisiert und eine volle Ecstasywirkung wieder möglich ist (Anm. d. Verfassers, siehe auch SAUNDERS 1998 a.a.O. S. 44 f.).
61 RAKETE und FLÜSMEIER (a.a.O., S. 25) unterscheiden weiche (weniger als drei Ecstasy in sechs Wochen) und harte (mehr als sechs Ecstasy in sechs Wochen) Konsummuster. Nach ihrer Studie neigen mehr Ecstasykonsumenten zu harten (39,3 % Männer, 44,9 % Frau- en) als zu weichen (33.9 % Männer, 32.6 % Frauen) Konsummustern. Fast 50 % brauchen eine Dosissteigerung zur Aufrechterhaltung der Ecstasywirkung. 65 % der weiblichen und 56 % der männlichen Ecstasykonsumenten würde nach eigenen Angaben eine Konsumb e- endigung schwerfallen (ebd., S. 68).
62 Der „Nationale Rauschgiftbekämpfungsplan“ aus dem Jahre 1990 des Bundesministers für Jugend, Familie und Soziales sowie des Inneren bestimmt auf den Seiten 17 und 18, daß alle präventive Maßnahmen folgende Leitlinien der Drogenpolitik vermitteln sollen:
- Totale Abstinenz im Hinblick auf illegale Drogen
- Selbstkontrollierter Umgang mit „legalen Suchtmitteln“ (z.B. Alkohol, Tabakerzeugnisse) mit dem Ziel weitgehender Abstinenz
- Bestimmungsgemäßer Gebrauch von Medikamenten.
63 Wobei hier im Zusammenhang mit Partydrogenkonsum keine allzu scharfen Grenzen gezogen werden brauchen. Zu „Safer Use“ gehört auch Safer Sex“. RAKETE und FLÜSMEIER haben in ihrer Studie (a.a.O., S. 37) festgestellt, daß Partydrogen/Ecstasygebraucher zu weniger geschützten Sex neigen als Nichtuser.
64 Immer wieder wird gerne das Beispiel oder Gerücht genannt, daß in bestimmten Clubs auf den Toiletten die Wasserhähne abgeschraubt wurden, um den Getränkeumsatz anzuheben (Anm. d. Verfassers).
65 Der Name spielt auf die Verbindung von Partydroge (Eve = Bezeichnung des Ecstasy- Stoffes MDEA, im Gegensatz zu MDMA= Adam) und Tanzveranstaltung (Rave) an (Anm. d. Verfassers).
66 Nach Auskunft der Mitglieder Eve & Rave Kassel sind in Berin auch einige Eve & RaveMitglieder Honorarkräfte der AIDS-Hilfe.
67 engl.: Gleichaltriger, Ebenbürtiger
68 Partydrogen ‘97, beigelegt im Anhang von ALLENPACH/ RATH a.a.O. Der Inhalt der Broschüre ist außerdem abgedruckt als Safer-Use-Kapitel von H. Ahrens in HEUDTLASS/ STÖVER/ WINKLER 1995).
69 Indizierungsantrag durch das Jugendamt Offenbach 1994
70 Eine vollständige Auflistung siehe in meinem Literaturverzeichnis unter Broschüren und Materialien (Anm. d. Verfassers).
71 Das „Stammheim“ ist bemüht, einen besonderen und gesundheitsfreundlichen -ähnlich wie nach den Richtlinien des Safer House Konzeptes- Club anzubieten und führt regelmäßig die Umfrage „Make your Club a better place“ durch (zuletzt Juli 1998), dessen Ergebnisse, wenn machbar, bald umgesetzt werden (Anm.d. Verfassers).
72 Überraschenderweise enthielten über 90% der Proben tatsächlich Ecstasy, ein reales Prob- lem war allerdings die schwankende Dosierung zwischen 50 und 250 mg reinen Ecstasy- Wirkstoffes (vgl. Harrach und Kunkel in NEUMEYER/ SCHMIDT-SEMISCH a.a.O., S.298).
73 Eine Chronologie des Programms und der Repressionsmaßnahmen in Berlin findet sich bei COUSTO 1998 a.a.O., S. 119- 131 und Näheres zu den rechtlichen Zusammenhängen ebd., S. 132- 144.
74 Zu jugendlichem Risikoverhalten und Drogenkonsum als jugendliches Risikoverhalten siehe die Abschnitte 3.3. bis 4.1.3. der Diplomarbeit Partydrogen und Sekundärprävention von Monika ALLENSPACH und Andrea RATHS ( a.a.O., S. 22- 32).
75 Das Drogen-Info-Mobil war auch schon in Kassel bei einer Technoveranstaltung dabei. Es kann angefordert bzw. gemietet werden. Die Preise für den Einsatz schwanken je nach Dauer und Einsatzort: In Hannover beträgt der vierstündige Einsatz mit zwei Mitarbeitern ca. 200.-DM (vgl. DROBS-Infobroschüre: Drogen-Info-Mobil o.J.).
76 P. Märtens beschreibt in RABES/ HARMS a.a.O., S. 183-194 eine Nacht im Info-Bus sowie Erfahrungen mit den Besuchern.
77 Primäre Prävention ist ein Handeln, das noch vor dem Auftreten eines Problems bzw. einer Störung einsetzt und dazu beitragen will, eine erwartete Krisensituation erst gar nicht entstehen zu lassen oder aber die Personen so auf diese vorzubereiten, daß sie diese erfolgreich bewältigen können (BÖLLINGER/ STÖVER/ FIETZEK a.a.O., S.90 f.).
78 Sekundäre Prävention versucht, eine gerade in Entstehung begriffene Störung bzw. ein Problem zu erkennen und aufzufangen sowie zur Beseitigung der Störung bzw. des Problems beizutragen (BÖLLINGER/ STÖVER/ FIETZEK a.a.O., S.90).
79 Jellinek Preventie führt jährlich eine Konsumenten-Befragung in bestimmten Risikogruppen durch (Coffeeshop-, Partybesucher etc.) und bietet Drugchecking im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit. Das Peer-(engl.= Gleichgestellter, Angehöriger) Projekt „unity“ ist der Einrichtung angegliedert und gestaltet neben Materialien auch Chill-Out-Areas (vgl. Infoblatt: Europäisches Modellprojekt erarbeitet Ecstasy-Materialien aus Infomappe des BÜROS FÜR SUCHTPRÄVENTION zum „ecstasy projekt“ 1996).
80 Lifeline produziert seit Jahren außerordentlich erfolgreich risikominimierende Informati- onsmaterialien und begleitet diese Aktivitäten wissenschaftlich. Entwurf und Druck der Materialien können hier kostengünstig geleistet werden. Lifeline arbeitet eng mit einem der größten Clubs von England zusammen, in dem sowohl die Pre-Tests alsauch die Evaluation erfolgten (aus dem Infoblatt: Europäisches Modellprojekt erarbeitet Ecstasy-Materialien aus Infomappe des BÜROS FÜR SUCHTPRÄVENTION zum „ecstasy projekt“ a.a.O.).
81 In der mir zugeschickten Infomappe des ecstasy projects befand sich in der Kartenserie statt dieser Karte, die Karte: Speed, Pep (Amphetamine und Methamphetamine): Was sind die Hauptrisiken beim Konsum? Neben den sechs obengenannten Hochglanzkarten befan- den sich drei weitere im selben Stil bedruckte Edgar Gratis Postkarten des Büros für Sucht- prävention mit den Themen Ecstasy, LSD und Speed in der Mappe (Anm. d. Verfassers).
82 Bei Alkohol verhält sich das Nord-Süd-Gefälle genau umgekehrt. In dem WELT-Artikel „Ein Kulturgut ist auch die Droge Nummer eins“ vom 17.6.1998 heißt es: „(...) Das Nord-Süd- Gefälle zeigt sich auch beim flüssigen Rauschmittel: Je näher die Küste, desto stärker der Wunsch nach strengen Maßnahmen, je dichter bei den Alpen, desto spürbarer die Toleranz gegenüber dem fröhlichen Zecher.(...)“
83 Leider ist es mir im Gegensatz zu den drei zuvor besprochenen Einrichtungen nicht gelun- gen einen Kontakt -ich versuchte es mehrmals per Post und e-Mail- zu Mind Zone herzustel- len. Ich bin daher nur auf die Ausführungen der Broschüre „Ecstasy-was tun? was nun?“, die mir über die Kampagnie „Keine Macht den Drogen“ zugeschickt wurde, und der Inter- netseite (http://ixx.com/mindzone/) angewiesen (Anm. d. Verfassers).
84 Abstinenz-Paradigma bzw. -Muster wird in Deutschland gesetzlich durch das rigide Ordnungsdenken durchgesetzt. Man hofft das „ungesetzliche“ Drogen-Verhalten durch umfassende und konsequente Strafverfolgung und -vollstreckung zu unterbinden (vgl. BÖLLINGER/ STÖVER/ FIETZEK a.a.O., S. 88).
85 Tabak und Alkoholkonsum bescheren uns in Deutschland jährlich einen volkswirtschaft- lichen Schaden von rund 100 Milliarden Mark. Im Jahre 1993 gab es im Vergeich zur Zahl von 1738 sogenannter Drogentoten, insgesamt 40-50000 Tote im Zusammenhang mit Alko- hol und 90000 Tabakbedingte Todesfälle (vgl. BÖLLINGER/ STÖVER/ FIETZEK a.a.O., S. 29). Dazu kommt der Medikamentenmißbrauch. Es wurde z.B. fast zeitgleich in der Tages- schau und Plusminus im ersten Programm vom Starkbieranstich in Bayern mit Politikern, der passenderweise als „Rauschangriff“ bezeichnet wurde (12.3.98), und von den Schäden, die freiverkäufliche Kombinationsschmerzpräparate verursachen, berichtet (Plusminus 10.3.98). Kombinationsschmerzpräperate wie Spalt, Vivimed und Thomapyrin beinhalten Acetylsali- cylsäure, Koffein und Paracetamol, welche in dieser Kombination stark abhängig machen - der Schmerz ist nach Ende der Wirkung größer als zuvor- und die Nieren zerstören können. Ca. 9000 Dialysepatienten gibt es pro Jahr in Deutschland allein durch solche Mittel. Die Pharmaindustrie verdiene nicht am bestimmungsgemäßen Gebrauch, sondern am Mißbrauch, hieß es weiter. Am 13.4.98 berichtete die Tagesschau, daß Gesundheitsminister Seehofer die Kombinationsschmerzpräpararte nicht unter Rezeptpflicht stellen werde.
86 Die WELT berichtete am 8.6.1998, daß die UNO vorhat, bis zum Jahre 2008 sowohl die Nachfrage als auch das Angebot von Rauschmitteln substanziell einzuschränken.
- Quote paper
- Hans-Jürgen Lötzerich (Author), 1999, Präventive Konzepte der Schadensminderung bei Partydrogenkonsum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100797
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