Die Hausarbeit diskutiert die Konfliktposition der Lehrkraft zwischen freiheitlich demokratischer Grundordnung und Beutelsbacher Konsens.
Dazu wird zunächst auf die Entstehung und das Ziel der freiheitlich demokratischen Grundordnung eingegangen. Hierzu wird ihre Definition, ihr Inhalt und ihr Zweck näher erläutert. Zudem wird die Rolle des Bundesverfassungsgerichtes vertieft und es wird hervorgehoben, wie die freiheitlich demokratische Grundordnung den LehrplänenPlus Gymnasium und Realschule zu Geltung kommt. Schließlich wird ebenfalls die Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz definiert. Dann werden das Ziel und die Entstehungsgeschichte des Beutelsbacher Konsenses thematisiert. Außerdem wird das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsgebot näher beleuchtet und definiert.
Im anschließenden Unterkapitel über die Korrekturfunktion wird der Schnitt- und Konfliktpunkt schon deutlich. Darauffolgend werden alle Schnittstellungen und Spannungsfelder, in denen sich eine Lehrkraft befinden kann und die in dieser Hausarbeit aufgedeckt wurden, dargestellt und analysiert. Abschließend wird sich die Hausarbeit zu dem Thema positionieren und in einem Ausblick die Ergebnisse reflektieren.
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung
2 Hauptteil
2.1 Entstehung und Ziel der freiheitlich demokratischen Grundordnung
2.1.1 Definition freiheitlich demokratischen Grundordnung
2.1.1.1 Inhalt und Zweck
2.1.1.2 Das Verständnis des Bundesverfassungsgerichts
2.1.1.3 FdGo im Lehrplan Plus Gymnasium Bayern
2.1.1.4 FdGo im Lehrplan Plus Realschule Bayern
2.1.1.5 Zweite Definition der freiheitlich demokratischen Grundordnung
2.1.2 Definition Meinungsfreiheit
2.2 Entstehung und Ziel des Beutelsbacher Konsenses
2.2.1 Definition Überwältigungsverbot
2.2.2 Definition Kontroversitätsgebot
2.2.3 Korrekturfunktion
2.3 Konflikt- und Spannungsfeld
3 Ausblick, Positionierung, Reflexion
4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In einer Veröffentlichung der der Bundeszentrale für Politische Bildung stellt Kerstin Pohl provokant fest:
Politische Bildnerinnen und Bildner sind - hoffentlich - keine unpolitischen Menschen. Sie haben eine politische Position und im Idealfall engagieren sie sich auch in Politik oder Gesellschaft. Müssen sie ihre politische Position in ihren Veranstaltungen verheimlichen? (Pohl 2015)
Seitdem die politischen Ränder im Bundestag und in den Landtagen an Zuwachs gewinnen, gestaltet sich die politische Landschaft in Deutschland, aber auch weltweit diverser. Auch innerhalb der Gesellschaft zeigen sich ähnliche Tendenzen. Das betrifft ebenfalls den Lehrberuf, insbesondere jene, die als ,politische Bilderinnen und Bildner4 arbeiten. Die Lehrkräfte werden nicht selten vor einen ,alten4 Konflikt gestellt: Wie kann ein Meinungsbildungsprozess objektiv angeregt werden, ohne dass die subjektive Meinung des Prozesses zu stark prägt. Die Lehrkraft steht hier in einem Spannungsfeld zwischen der freiheitlich demokratischen Grundordnung, der Meinungs- und Lehrfreiheit und dem Minimalkonsens des Beutelsbacher Kongresses. Die Forschungsfrage lautet daher:
Wie steht die politikdidaktische Lehre / die Lehrkraft im Spannungsfeld zwischen Grundgesetz, bzw. freiheitlich Demokratischer Grundordnung und Beutelsbacher Konsens am Beispiel der Korrekturfunktion in schulischen Meinungsbildungsprozessen?
Die Hausarbeit diskutiert die Konfliktposition der Lehrkraft. Dazu wird zunächst auf die Entstehung und das Ziel der freiheitlich demokratischen Grundordnung eingegangen. Dazu wird ihre Definition, ihr Inhalt und ihr Zweck näher erläutert. Zudem wird die Rolle des Bundesverfassungsgerichtes vertieft und es wird hervorgehoben, wie die freiheitlich demokratische Grundordnung den LehrplänenPlus Gymnasium und Realschule zu Geltung kommt. Schließlich wird ebenfalls die Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz definiert. Dann werden das Ziel und die Entstehungsgeschichte des Beutelsbacher Konsenses thematisiert. Dazu wird das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsgebot näher beleuchtet und definiert. Im anschließenden Unterkapitel über die Korrekturfunktion wird der Schnitt- und Konfliktpunkt schon deutlich. Darauffolgend werden alle Schnittstellungen und Spannungsfelder, in denen sich eine Lehrkraft befinden kann und die in dieser Hausarbeit aufgedeckt wurden, dargestellt und analysiert. Abschließend wird sich die Hausarbeit zu dem Thema positionieren und in einem Ausblick die Ergebnisse reflektieren.
2 Hauptteil
2.1 Entstehung und Ziel der freiheitlich demokratischen Grundordnung
2.1.1 Definition freiheitlich demokratischen Grundordnung
Für die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine konkrete Definition. Viel mehr leitet das Bundesverfassungsgericht eine Definition aus dem Grundgesetz ab. Des Weiteren soll in diesem Kapitel thematisiert werden, wie die Lehrpläne Plus vom Gymnasium und der Realschule das Konzept der freiheitlich demokratischen Grundordnung (fdGo) integrieren.
2.1.1.1 Inhalt und Zweck
Das Bundesverfassungsgericht definiert in ständiger Rechtsprechung die freiheitliche demokratische Grundordnung wie folgt:
„Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Artikel 21 Absatz 2 GG [Grundgesetz] ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor dem Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht aufverfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. “ (BVerfGE 2, 1 (Ls. 2, 12 f.); zuletzt bestätigt mit Urteil vom 17. Januar 2017 - Az.: 2 BvB 1/13, Rn. 529ff.)
Die freiheitlich demokratische Grundordnung (fdGo) schneidet sieben Bereiche im Grundgesetz. Die fdGo soll geschützt werden und kann daher das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis sowie die Freizügigkeit einschränken. Des Weiteren darf die fdGo nicht missbraucht werden, d.h. dass Meinungs- und Pressefreiheit verwirkt werden können, wenn die fdGo dadurch gefährdet würde. Darüber hinaus sind Parteien verfassungswidrig, wenn sie die fdGo beseitigen o.ä. wollen. Zu guter Letzt kann die Bundesregierung zum Schutz der fdGo die Bundeswehr für die Bekämpfung organisierter und militärischer Aufstände einsetzen. (vgl. Ipsen 2015)
Die fdGo wird im Grundgesetz nicht genau definiert, jedoch lassen sich Wortlaut und Gebrauch erschließen. Die Grundordnung könne nur ein „[grundlegender] Ausschnitt aus der staatlichen Gesamtordnung sein, die durch das [Grundgesetz] festgelegt wird“ (Ipsen 2015). Das Menschenbild, welches die fdGo beinhaltet, sei ein „individuell-freiheitliches und zugleich gemeinschaftsbezogenes Menschenbild“ und sie bedürfe als „Hauptwertentscheidung des staatlichen Schutzes“ (ebd.)
„ Mithin ist die freiheitliche Grundordnung der sowohl individual- wie gemeinschaftsbezogene Freiraum, der durch die Würde des Menschen und Menschenrechte gewährleistet ist.
, Demokratische ‘ Grundordnung bedeutet, dass die Beteiligung des Menschen an der Gestaltung der verschiedenen Ebenen des Gemeinwesens ebenfalls gewährleistet sein muss. “ (Ipsen 2015)
In der Ausübung und der Rechtsprechung kann es zu Schnittstellen und Konfliktpunkten kommen zwischen geschriebenem Gesetz und der fdGo. So ist die fdGo ein Prozess und vom Wandel der gesellschaftlichen Gegebenheiten abhängig.
2.1.1.2 Das Verständnis des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht leitet die fdGo von denjenigen Grundwerten ab, die fundamental für die „verfassungsmäßige Ordnung“ seien, da diesen die Vorstellung zugrunde liege, dass der Mensch einen selbstständigen Wert besitze. Zudem seien Freiheit und Gleichheit andauernde Grundwerte des Staates (vgl. Ipsen 2015). Dem zufolge wäre die fdGo als eine wertegebundene Ordnung festgelegt, die jegliche Gewalt- und Willkürherrschaft ausschließen soll. Des Weiteren sei sie Grundlage für die Selbstbestimmung des Volkes.
„ Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung seien , mindestens‘ zu rechnen: Die Achtung vor den im GG konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. “ (Ipsen 2015)
Die freiheitlich demokratische Ordnung beinhaltet Prinzipien, wie bspw. das Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung. Sie ist demnach nicht nur schutzbedürftig, sondern bietet auch eine Grundlage für den Meinungs- und Willensbildungsprozess von Bürgern und Bürgerinnen sowie von Schülern und Schülerinnen. Im Grunde ist es somit unter anderem die Aufgabe der Lehrperson den Meinungsbildungsprozess anzustoßen. Das Bundesverfassungsgericht schreibt, dass „[...] für ein demokratisches System [...] die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk [unverzichtbar sind] (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG). “ (BVerfG 2017: 2)
Hier wird deutlich, dass Gleichberechtigung im Prozess der politischen Willensbildung essenziell für ein demokratisches System ist. Darüber hinaus betont das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 (BVerfG 2017) besonders diejenigen Umstände, die die freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen oder beeinträchtigen wollen. In dem Urteil ging es um die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, welche die fdGo bedrohte und beseitigen wollte. Die fdGo wurde „als Maßstab für ein verfassungsfeindliches Parteiprogramm [verfasst.] und [hat] zur Grenzziehung gegenüber vergleichbaren Aktivitäten (KPD-Verbot, Extremisten-Entscheidung) gedient“ (Ipsen 2015). Die fdGo als Neutralitätsgebot umzudefinieren wäre in diesem Kontext also nicht stimmig.
2.1.1.3 FdGo im Lehrplan Plus Gymnasium Bayern
Eine weitere Frage, die in diesem Kontext geklärt werden müsste, wäre wie die fdGo im Lehrplan Plus wahrgenommen wird. Die Kompetenzerwartungen in Lernbereich 1 verlangen von den Schülern und Schülerinnen, dass sie „aus den Grundrechten die Menschenwürde als die durchgängige Zielsetzung [ermitteln können] und [...] die Achtung der Würde des Menschen mithilfe aktueller Beispiele (z. B. Umgang mit konträren Meinungen in sozialen Netzwerken) als Grundlage der freiheitlichen Demokratie [begreifen können]“ (ISB Bayern 2020a). Es geht hier um die Vermittlung der Anerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung als „Wertebasis des Zusammenlebens“ (ebd.). Zunächst wird nicht erwähnt, welche andere Rolle der Lehrkraft zuteil kommen würde als die der vermittelnden Rolle. Es soll der Wert einer aktiven Teilnahme und des Engagements gezeigt werden. Dazu gehört auch die Interessenvielfalt in einer pluralistischen Demokratie und die Bedeutung der Teilnahme an den Wahlen. Der Lehrplan Plus Gymnasium orientiert sich somit am Bundesverfassungsgericht und betrachtet die fdGo als eine ordnende Grundstruktur in der Bundesrepublik.
2.1.1.4 FdGo im Lehrplan Plus Realschule Bayern
Im Lehrplan Plus der Realschule in Bayern wird weniger ausführlich auf das Thema freiheitliche Grundordnung eingegangen, wobei dennoch betont wird, dass ,Konflikt4 ein Merkmal von Demokratie ist. Zudem sollen die Schülerinnen und Schüler lernen ihre eigenen Meinungen artikulieren zu können und mit den Meinungen anderer umzugehen. Es soll ihnen die Rolle der Medien als auch der Wahlen deutlich werden. Bezüglich Lernbereich 3 Politische Strukturen soll näher darauf eingegangen werden, dass die Bundesrepublik Deutschland ein „freiheitlicher demokratischer und sozialer Rechtsstaat“ ist (vgl. ISB Bayern 2020b). Hier wird der Bereich der fdGo angeschnitten, d.h. auch in der Realschule soll darauf wertgelegt werden, dass die fdGo eine ordnende Grundstruktur in Deutschland darstellt.
2.1.1.5 Zweite Definition der freiheitlich demokratischen Grundordnung
Ipsen (2015) kritisiert die Definition des Bundesverfassungsgerichts, da sie nicht hinreichend erkennen ließe, wie die Erkenntnis einzufügen sei und, dass die Aufzählungen der ,grundlegenden Prinzipien4 nicht vollständig seien. Zudem spiegele sich in der Definition wider, „dass sie als Maßstab für ein verfassungsfeindliches Parteiprogramm entworfen worden“ war (Ipsen 2015). Auf der anderen Seite sei die Offenheit der Definition auch von Vorteil in kommenden Urteilen zum Schutz der fdGo. (ebd.)
Da die fdGo auch in der Politikwissenschaft als der Gegenpol zu Extremismus verstanden wird, ist eine Positionierung der Lehrkraft auf der ,Seite‘ der fdGo nicht verwunderlich. Ein anderer Ansatz als der des Bundesverfassungsgerichtes jedoch wäre die Definition der fdGo als eine Art Grundprinzip der Zusammenarbeit. Die fdGo wäre damit, wie jede andere menschliche Form des Zusammenlebens, wandelbar. Für die Politikdidaktik würde dies bedeuten, dass die fdGo nicht als ,starre‘ Ordnung unterrichtet werden würde, sondern als ein vom Menschen beeinflussbarer Prozess, der im Spannungsfeld einer pluralistischen Gesellschaft steht.
Die fdGO-Definition sei nicht beliebig, sondern stelle bei genauerem Hinsehen jene Prinzipien zusammen, die »die bürgerliche Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit dem feudalen und absolutistischen Staat im liberalen Rechtsstaat durchgesetzt hat«“ (Schulz 2019: 27). Damit ist die fdGo im traditionell geschichtlichen Sinne das Ergebnis der Entstehung der Bundesrepublik.
Sahra Schulz (2019) stellt in ihrem Buch ,Die freiheitlich demokratische Grundordnung - Ergebnis und Folgen eines historisch-politischen Prozesses ‘ eine alternative Definition dar. Sie geht dazu auf die politikwissenschaftliche Analyse der Entstehung und Anwendung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung‘ ein.
„Die freiheitliche demokratische Grundordnung< ist ein verallgemeinerter Rechtsbegriff. Diese Verallgemeinerung ist Ursache für die mangelnde Auseinandersetzung mit ihm. Gerade die scheinbare Selbstverständlichkeit der Existenz einer Grundordnung, die freiheitlich und demokratisch ist, verunmöglicht nahezu die Fragestellung nach ihrer Setzung und Ausformulierung. Dazu müsste sie als relativer Begriff erkannt sein, der von Kräfteverhältnissen abhängig ist, sowie bestimmte Funktionen erfüllt, und nicht als universelles Prinzip schlicht gelten.“ (Schulz 2019) S. 14
Schon hier wird deutlich, dass Schulz die fdGo als etwas definiert, das von .Kräfteverhältnissen abhängig‘ ist und nicht schlicht als ,universelles Prinzip‘ gelten kann. Die fdGo wäre demnach keine starre Grundordnung, nach der sich alles ausrichtet, sondern vielmehr ein auf gesellschaftliche Veränderungen reagierender Kern des derzeitigen Zusammenlebens.
Für den weiteren Definitionsversuch (der ,Wehrhaften Demokratie4) wird Schulz auf die politische Ideengeschichte zurückgreifen aus der man verallgemeinerte Werte und Prinzipien, wie bspw. die ,liberale Grundidee4 ableiten kann. Das Resultat Analyse aus der politischen Ideengeschichte prägte Begriffe wie die freiheitliche demokratische Grundordnung, den demokratischen Minimalkonsens, den demokratischen Verfassungsstaat, die freiheitliche Demokratie und die demokratischen Spielregeln. Demnach schütze die ,Wehrhafte Demokratie4 den ,Kern‘ demokratischer Staatlichkeit. (Schulz 2019: 16)
Da die fdGo ein Rechtsbegriff sei und somit die aktuellen Verhältnisse als ,Rechtswerte‘ verstanden werden, würden Alternativen zur fdGo, die „durch demokratisches Veränderungspotential“ entstehen könnten, „abgewertet und ebenso abgewehrt“ (Schulz 2019: 25). Grundsätzlich sei die freiheitliche demokratische Grundordnung »grenzenlos unbestimmter Substanzbegriff« (Maus 1986: 49; Preuß 1973: 17). Nach der Definition des Bundesverfassungsgerichtes der fdGo ist also keine Veränderung erwünscht, vielmehr soll der Status Quo beibehalten werden.
Im schulischen Kontext kommt bei der Diskussion um die fdGo häufig der Begriff Neutralitätsgebot. Dieses scheint in erster Linie eine logische Konsequenz der fdGo, wird aber de facto nirgends niedergeschrieben. Das nachfolgende Zitat unterstreicht, dass aus der Definition des Bundesverfassungsgerichtes der fdGo jedoch gut auf ein ,Neutralitätsgebot‘ geschlossen werden kann.
„Mit der aus der Argumentationsweise des Gerichts folgenden Identifikation von ,freiheitlicher demokratischer Grundordnung ‘ und Staatsordnung der Bundesrepublik sei eine zunehmende Verpflichtung der Bürger und Bürgerinnen und ihres Handelns auf den Staat zu beobachten; Neutralität oder Distanz reichen nicht mehr aus. Vielmehr sei politisches Handeln auf die Verwirklichung der fdGO auszurichten “. (Schulz 2019: 26)
Die Definition des Bundesverfassungsgerichtes kann somit wie eine Art Verpflichtung der Bürger und Bürgerinnen gegen über dem Staat verstanden werden, da politisches Handeln zur Unterstützung der fdGo ausgerichtet sein soll. Des Weiteren unterstreicht Schulz, dass die ... „Besonderheit der /wehrhaften Demokratie ‘ die Behauptung des Schutzes legitimer, d. h. hier bürgerlich-demokratischer Staatlichkeit vor Umsturzversuchen [sei], die noch nicht stattgefunden [haben]. [...] Legitimität bedeutet hierbei [...] die Behauptung der Existenz universeller demokratischer Werte “ (Schulz 2019: 29).
Somit Schulz stellt sich zunächst in die Definition des Bundesverfassungsgerichtes. Sie betont jedoch auch, dass ...
„ innerhalb der Idee eines Schutzes universeller Werte [...] a) inhaltliche Verschiebungen dieser Werte passieren [können] und b) [dass es] um die freiwillige Zustimmung zu diesen Werten [ginge]. Ein rein auf Repression fokussiertes Denkmodell greift zu kurz.“ (Schulz 2019: 30)
So macht Schulz deutlich, dass die fdGo im Sinne der ,wehrhaften Demokratie4 die bürgerlichdemokratische Staatlichkeit zu schützen versucht, indem sie universelle Werte postuliert. Gerade diese universellen Werte können unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen verschoben werden und zudem sei die Durchsetzungskraft der fdGo stärker, wenn es eine freiwillige, nicht erzwungene Zustimmung gäbe.
In einem alternativen Ansatz kann die fdGo somit als im Kontext der Gesellschaft eingebettet verstanden werden und, dass sie damit im Spannungsfeld des gesellschaftlichen Pluralismus steht. Für die politikdidaktische Unterrichtskonzeption bedeutet dies, dass die fdGo nicht unbedingt als normativer Handlungsrahmen zum Schutz der Republik verstanden werden muss, sondern dass es sich vielmehr um einen aus der Geschichte Deutschlands entstandenen Prozess handelt, dessen Grundwerte sich gesellschaftsabhängig wandeln können. In dieser Schlussfolgerung geht es nicht darum Beliebigkeit oder gar Willkür der Lehrkraft im Politikunterricht zu fördern. Vielmehr soll unterstrichen werden, dass es für die Lernenden von Vorteil ist, wenn sie sich die Sinnhaftigkeit der fdGo erschließen und sich ein eigenes Urteil bilden können. Es geht nicht darum, Urteile vorzugeben, sondern diese „finden zu lassen“. Diese Gratwanderung macht die Komplexität des Themas aus.
Hier soll der ,erste Spagat‘ klar verdeutlicht werden: Auf der einen Seite muss sich die Lehrkraft im Rahmen der fdGo verhalten und auf der anderen Seite muss sie die Konfliktpunkte darstellen: Wo hat die fdGo ihre Grenzen? Welche Konfliktpunkte gibt es mit dem Grundgesetz?
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- Quote paper
- Laura Marie Bücker (Author), 2020, Schulische Meinungsbildungsprozesse. Im Spannungsfeld zwischen freiheitlich demokratischer Grundordnung und Korrekturfunktion des Beutelsbacher Konsens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006873
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