Die Deutschen Christen Die nationalsozialistische Bewegung in der Evangelischen Kirche Deutschlands
Wie in so vielen Bereichen der deutschen Gesellschaft nahm auch der Nationalsozialismus in der Kirche Einzug. Mit der Bezeichnung „Deutsche Christen“ benennt man heute verschiedene evangelische Gruppen, welche die Vorstellung hatten, die Religion mit den nationalistischen und auch rassistischen Zielen, welche das Dritte Reich hervorriefen, zu vereinigen. Da die Deut- sche Evangelische Kirche (DEK) die Möglichkeit hatte, wesentlichen Einfluss auf die Bevölke- rung auszuüben, wurde diese auch für die Nationalsozialisten interessant, die sich hier durch Einsatz von Propaganda einen Zuwachs ihrer Wählerschaft erhofften. 1932 formierte sich mit Unterstützung der NSDAP eine kirchenpolitische Partei, die mit den Zielen der NSDAP harmo- nierte. So wurde die Gründung einer Einheitlichen Reichskirche und die Gleichschaltung der Kirche mit dem Staat zum Ziel dieser deutschchristlichen Vereinigung. Ob die „Glaubensbewe- gung Deutsche Christen“ demnach nur aufgrund einer politischen Intention ins Leben gerufen wurde, verdient eine genauere Betrachtung.
Die Organisation der DEK bis Juli 1933
Vorweg möchte ich die Struktur der Landeskirchen in der Zeit bis Juli 1933 erklären. Die Ein- flussbereiche der einzelnen Landeskirchen beruhten noch auf dem System der Staaten im Deut- schen Reich von vor dem 1. Weltkrieg. In dieser Zeit waren die Kirchen noch stärker mit der Politik des jeweiligen dt. Staates verbunden, diese Machtstellung wurde jedoch in der Weimarer Republik erfolgreich abgeschafft. Die Landeskirchen waren nun politisch vom Staat getrennt, die territoriale Verteilung war jedoch immer noch nach dem alten Prinzip aufgebaut. Demnach war der größte und wichtigste in einer Landeskirche organisierte Wirkungsbereich (vgl. Anhang
I) die Altpreußische Union (APU); Union deshalb, weil dort lutherische und reformierte evange- lische Christen in einer Union zusammen verwaltet wurden.
Die Deutsche Evangelische Kirche selbst war ein demokratisches System wie es auch heute in ähnlicher Weise besteht. Die Entscheidungen gingen alle von den Gemeinden aus, die ihren Kirchenvorstand wählten. Somit hatten diese auch Einfluss auf die Wahl der Synoden und des Reichskirchenrates sowie der Landesbischöfe und des Reichsbischofs (RB).
Jedoch ist anzumerken, dass in weiten Teilen der Kirche ein antidemokratisches Denken ver- breitet war, dass mitunter auf den Kirchenvertrag der Weimarer Republik zurückzuführen ist.
Während vor der Weimarer Republik die jeweiligen Kirchen eng mit der Macht des Staates verknüpft waren, wurde diese Stellung 1919 abgeschafft. Somit wurden die Kirchen von Staat und Politik getrennt und verloren an Einfluss. Einige Gruppierungen sehnten sich nach dieser Zeit zurück. Das Ziel einer einheitlichen Reichskirche wurde in Betracht gezogen, war jedoch nicht im Sinne der Regierung. Folge war eine Sympathie mit der angestrebten Diktatur der NSDAP.
Die Ursachen für die antiparlamentarische Haltung in der Kirche sind allerdings nicht nur im Kirchenvertrag zu suchen, sie waren auch Ergebnis der Weimarer Republik, die durch die Be- dingungen der Versailler Verträge hart belastet wurde. Ebenso führte die erhebliche Arbeitslo- sigkeit, welche die Weltwirtschaftskrise mit sich brachte, zu einer Radikalisierung der Flügel- parteien, deren Interessen immer mehr Menschen zustimmten.
Die Vorläufer der „Glaubensbewegung Deutschen Christen“
Die ersten Anfänge deutschchristlicher Strömungen und Vereinigungen sind schon in den 20er Jahren des 19.Jh. zu finden.
Als extremsten Vertreter deutschchristlicher Ideologien und zugleich älteste Gruppe mit dieser Auffassung ist der „Bund für Deutsche Kirche“ zu nennen, der wesentlich extremere Ziele ver- folgte als alle anderen DC. Der Bund, gegründet 1921 unter J.K. Niedlich, gilt als „unmittelba- rer Einbruch der völkischen Bewegung in die Kirche“. Mit den Zielen, ein „deutschheimatlich durchtränktes Christentum“ zu schaffen und „die Kirche aus der jüdischen Umklammerung zu befreien“ zeichnete diese als eine wesentlich radikalere Gruppierung aus. Ihre antisemitischen Ziele wurden sogar von anderen Christlich-Völkischen als zu extrem kritisiert.
Weiterhin ist noch die „Christlich-Deutsche Bewegung“ aufzuzählen, die sich 1930 unter W. Wilm und E. v. Kleist-Schmenzin in Verbindung zu Parteien wie der DNVP und dem Kampf- bund Stahlhelm bildete. Da eher konservative Ziele für diesen Vorläufer bezeichnend waren, hob er sich von den radikaleren DC ab, z.B. vom wichtigsten Wegbereiter der DC im Dritten Reich, der „Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen“ (KDC).
Die beiden befreundeten Pfarrer und Begründer Siegfried Leffler und Julius Leutheuser, die zusammen im 1.Weltkrieg und in zahlreichen Freikorps gekämpft haben, predigten mit missio- narischem Eifer und Sendungsbewusstsein nach nationalistischen Grundsätzen. Schon in den Anfängen des unter ihnen gebildeten „NS-Pfarrer und Lehrerkreises“ in kleinen Gemeinden in Thüringen begann die Zusammenarbeit mit den Ortsverbänden der NSDAP. So wurden nach dem Vorbild des Wandervogels Freizeitaktivitäten geschaffen, die als Kulisse für die christlich- nationalistischen Ideen dienten. Auf diese Weise entstanden aus, wie Kurt Meier es bezeichnet, „schwärmerisch-völkischen“2 Gedankengängen nicht nur Jugendorganisationen, sondern auch Erwachsene fanden so ihren Platz in der Kirchenbewegung.
Durch frühen Kontakt und Zusammenarbeit mit den NSDAP-Ortsverbänden war eine rasche Ausbreitung des Einflusses möglich. Mit dem Ziel einer überregionalen Nationalkirche und dem Glauben an Hitler als Führer arbeitete die se „Kirchengemeinschaft“ bis 1932, als sich die Gla u- bensbewegung Deutsche Christen formierte und die KDC sich eingliederte.
Die Gründung der Glaubensbewegung Deutsche Christen
Der eigentliche Grund für die Entstehung der GDC war kein wie bisher auf der Ideologie Kirche und Nationalismus zu vereinen basierender, sondern ist als reine Institutionierung eines Macht- instruments für die NSDAP zu betrachten. Der NS-Fraktionsführer Preußens, Wilhelm Kube, erkannte die DC-Bewegungen als Möglichkeit, die NSDAP außerparlamentarisch zu stärken, indem er so größeren Einfluss auf die christliche Gesellschaft in Hinblick auf die evangelischen Kirchenwahlen der APU 1932 nehmen konnte.
Mit dem Ziel, einige politische Mißerfolge auszubügeln, die er z.T. auch aufgrund anderer Mei- nungen der Kirchenregierung hatte hinnehmen müssen, plante er zunächst einen NS- Pfarrerbund, entwickelte die Idee aber dahingehend weiter, dass sich eine NS-Organisation bei den Kirchenwahlen als „Deutsche Christen“ zur Wahl stellen sollte. In der sogenannten Better- mann-Versammlung am 11.2.1932 schlossen sich „kirchlich interessierte Nationalisten“ unter Kube zur GDC zusammen, darunter Ludwig Müller, späterer Reichsbischof, Pfr. Joachim Hos- senfelder, späterer Reichsleiter der Gruppe und J. Leutheuser aus Thüringen. Die GDC verband also die oben genannten DC-Gruppierungen unter den Richtlinien, die Hossenfelder, der offi- ziell mit dem Wahlkampf betraut wurde, aufstellte.
Die konservative „Christlich-Deutsche Bewegung“ jedoch konnte nie wie andere DC in die Glaubensbewegung eingegliedert werden, obwohl auch diese das Ziel einer einheitlichen Reichskirche verfolgten.
Untersuchung der Grundsätze der GDC anhand der Hossenfelderschen Richt- linien vom 26.5.1932
In den Hossenfelderschen Richtlinien wurden zum ersten Mal die Ziele und die Einstellung der GDC gesammelt zu Papier gebracht. Die Auffassung des Christentums wird hier besonders an dem Begriff des „positiven Christentums“ deutlich, diese Grundeinstellung der DC wird auch im weiteren Verlauf der Geschichte eine wichtige Rolle spielen.
Punkt 1
Es wird von einer Neuordnung der Kirche gesprochen; wie gesagt war schon das Ziel der KDC eine einheitliche Nationalkirche/Reichskirche zu gründen, was im Gegensatz zur derzeitigen (und auch heutigen) Kirche steht (s.o.).
In dieser „Neuordnung“, der Zerstörung des parlamentarischen Systems mit dem Ziel einer na- tionalen Diktatur wie sie in fast allen deutschen Landeskirchen Juli 1933 durchgeführt wurde, stellt sich die völkische Bewegungsrichtung der DC klar heraus. Diese Neuordnung erfolgt wie angesprochen als eine Gegenmaßnahme zum ursprünglichen demokratischen System. Dr. Wer- ner erklärte in diesem Sinne: „erst die ‚Gleichschaltung von Kirche und Staat‘ könne die ‚uner- hörte Kraftsteigerung‘ hervorbringen, deren die Nation zur Erreichung ihrer Ziele bedarf.“ Hier wird also das Ziel formuliert, die Kirche innerlich umzugestalten, damit diese Macht dem Nati- onalsozialismus dienstbar gemacht werden konnte.
Weiterhin weist der erste Punkt des Programms darauf hin, dass die Hossenfelderschen Richtli- nien kein Ersatz für ein Glaubensbekenntnis sein sollen und somit nicht in die Grundstrukturen der christlichen Kirche eingreifen. Hier lässt sich eine Parallele zur KDC ziehen, die ähnliche Ansichten vertrat. So schrieb Leutheuser: „Unsere Parole lautet nicht: ,Adolf Hitler gleich Jesus Christus, sondern durch Adolf Hitler zu Jesus Christus‘.“3 Dies war in der Tat die Stoßrichtung der KDC: in der Kirche sollte „nur“ mit Hilfe der nationalistischen Parolen ein „kämpferischer Geist“ entfacht werden, eine „zeitgemäße Einstellung“, keine Veränderung der Kirche herbeige- führt werden. Eine derartige Einstellung hätte die GDC sicherlich auch zu der damaligen Zeit als Gruppierung mit extrem radikalen Gedankengut ausgezeichnet. Dieser Fehler tritt in der Sportpalastkrise Im November 1933 wieder auf, ich werde dann gezielter auf diesen Aspekt eingehen. Die GDC folgt in diesen Theorien weiter diesen Grundsätzen.
Die Person Hitlers rückte in Bezug auf das Zitat von Leutheuser damit in eine Position des von Gott Gesandten4, wie er auch häufig tituliert wurde, durch welchen das Christentum im „gesam- ten Aspekt“, nämlich unter Einbeziehung nationalistischen Gedankenguts und völkischen Ideen erst zu erkennen sei.
Weiterhin steht im ersten Absatz geschrieben, die Richtlinien seien ein Lebensbekenntnis. Ein Lebensbekenntnis geht über bloße Richtlinien einer Bewegung hinaus, es beansprucht ein Le- ben nach diesen Grundsätzen, eine Grund- und Lebenseinstellung nach diesem Schema. Es heißt, dass die aufgeführten Ideologien Teil der Lebensauffassung und –einstellung derjeniger sind, die sich der Glaubensbewegung Deutsche Christen angehören.
Punkt 2
Das Ziel einer Reichskirche wird formuliert, was zuvor schon in der „Neuordnung der Kirche“ angeschnitten wurde. Die 29 Landeskirchen sollen nach diesem Programm unter die Leitung einer zentralen Führung gestellt werden, ähnlich wie der Staat unter der NSDAP. Dieser Wunsch richtet sie wie gesagt gegen das demokratisch-parlamentarische System, in der die DEK bis dahin organisiert war.
Auffällig ist noch, dass die DC vorhatte, für ihre Ziele zu kämpfen und zu marschieren. Diese Einstellung werde ich später anhand Termini „positives Christentum“ und „Tat-Christentum“ erläutern (s. Punkt 4).
Die weiterhin aufgeführte Parole werde ich nicht weiter beachten, da sie in der GDC keinen nennenswerten Anklang fand.
Punkt 3
Den Parlamentarismus verurteilend, stellt die DC andere Kirchenparteien als unfähig dar, die Kirche zu vertreten. Ihrer Meinung nach kann nur eine Gruppe wie sie selbst, die grundsätzlich alle (deutschen) evangelischen Christen anspricht und sich zum Ziel setzt ähnlich der Volksge- meinschaft des Dritten Reiches ein „Kirchenvolk zu werden“, eine zusammengefasste nicht durch Parteien mit unterschiedlichen Grundsätzen geleitete sondern aus dem Grundsatz heraus geführte Einheit zu werden, in der sich jeder aus Überzeugung für die Ziele der neuen Kirchen- gemeinschaft einsetzt, seien diese nun religiös oder politisch. Folglich sieht sich die GDC nicht als eine Partei die zur Wahl steht, sondern als eine Gruppe, die das System der Volksgemein- schaft auf die Strukturen der Kirche übertragen möchte. In der Diktatur, welche die GDC mit der Abschaffung des parlamentarischen Systems anstrebt, wären ebenfalls keine Parteien mehr vorhanden. Die Rechte der Demokratie könnten somit nicht mehr beansprucht werden. Dieses Ziel wird sogar offen formuliert: „Die Zeit des Parlamentarismus hat sich überlebt, auch in der Kirche.“
Außerdem wird angesprochen, dass sich die DC an alle „evangelischen Christen deutscher Art“ wendet. Der Begriff „Art“ kann hier auch sinngemäß mit dem Begriff der „Rasse“ ersetzt wer- den, hier erhält ein Teil der nationalsozialistischen Ideologie, die Volksgemeinschaft, offiziell Einfluss auf die DEK. Dieses Gedankengut war es letztendlich, welcher zum Gesetz des „Arie r- paragraphen“ in der Kirche führte, welches ich später erläutern möchte.
Punkt 4
Hier taucht zum ersten Mal der Begriff „positives Christentum“ auf, in welchem sich das Selbstverständis der Deutschen Christen widerspiegelt.
Der Inhalt des „heldischen Jesugeist“ wird besonders in den Ansichten des Bundes für Deutsche Kirche deutlich. So schreibt K. Niedlich: „Ist dieser Jesus deutsch bis zur letzten Faser, ist hier
das Ideal gelebt, das die germanische Mythe gedichtet, ist hier deutscher Geist bis in den letzten Pulsschlag oder nicht? Das heißt: Jesusreligion und Germanentum verschmelzen in einem deut- schen Jesus!“5 Ein weiterer Punkt stört jedoch weiterhin bei der Vereinigung Jesu mit den be- tont kämpferischen Zielen der GDC: Jesus als Bote des Friedens, als Verteidiger der Gerechtig- keit. Doch dieses Bild wird einfach übergangen und neu formuliert. In einem Flugblatt heißt es:
„Jesus der Held soll uns Führer sein. Nicht wie der Süden den Heiland sah und schätzt, nicht Jesus als‚ das ‚Gotteslamm‘, das nur klaglos litt und ohne Widerstreben sein Blut vergoß, son- dern Jesus deutsch geschaut und deutsch aufgefaßt [...] Den Jesus wollen wir [...] unserem Vol- ke vor Augen malen.“6 Auf diese Weise wird Jesus zum, wobei die GDC mit dem Nationalsozi- alismus konform geht, kämpferischen Vorbild für das Volk, eine aggressive Führernatur.
Die Transferierung von Jesus Christus auf das Heldenbild des deutschen Mythos schlechthin benötigte selbstverständlich auch eine Legitimierung Jesus als Arier. Jegliche anderen Ansic h- ten wären in den Theorien der DC unhaltbar gewesen. Aus diesen Gedanken entstanden Thesen zur nordischen Abstammung Christi und die generelle Ablehnung, Jesus als die Prophezeiung des Alten Testaments zu sehen. Dieses entsprach in den Augen der DC einer Degradierung, deshalb wurde Jesus auch nicht wie in der Bibel als ‚Sohn Davids‘ gesehen, denn dieser Stammbaum sei „gewaltsam angehängt.“ Die Schuldzuweisung richtete sich wieder einmal auf die jüdische Religion.
Das positive Christentum stützt sich auf die kämpferische Initiative ihres geschaffenen Jesus und verlangt hierzu eine zustimmende Haltung. Es soll eine Begeisterung für den Glauben an den Helden Jesus Christus entfacht werden, dieser Aspekt ist gerade der Jugend besonders leicht zugänglich. Und da auch die HJ neben der SA marschierte, hätte es kein gutes Licht auf die Kirche geworfen, sich abzugrenzen. In der Tat sollte die DEK „an der Spitze“ kämpfen anstatt den Nationalsozialismus nicht zu beachten. Deshalb wird hier ein kämpferischer Aspekt einge- flochten.
Punkt 5
Die GDC ruft hier zum Kampf gegen den „gottfeindlichen Marxismus und das geistfremde Zentrum“ auf. Dieser richtet sich, übertragen auf Deutschland, gegen die Parteien der Weimarer Republik, da laut DC der Parlamentarismus nicht die geeignete Staatsform sei.
Punkt 6
Der Kirchenvertrag, der ebenfalls schon in Punkt 5 angesprochen wird, wurde zu Beginn der Weimarer Republik von Kirche und Staat unterzeichnet und regelt das Kräfteverhältnis dieser untereinander. Vor 1919 wurden solche Verträge nicht abgeschlossen. Die DC macht den Ver- trag zum Streitpunkt, indem sie die Parteien der Weimarer Republik, mit denen dieser unter- zeichnet wurde, als Feinde des Christentums darstellt. Dies gipfelt in einem offenen Kampfauf- ruf, indem der Kirchenvertrag als ungültig und unehrlich angesehen wird.
Punkt 7
In diesem Teil wird der Rassismus in der Kirche der GDC definiert. Es wird das Ziel dargestellt, dass sich die DEK den Prinzipien der „Rassenhygiene“ des Nationalsozialismus anschließt und diese in der Kirche verwirklicht und an die Gesellschaft weitergibt. Erschreckender ist, dass der Aspekt der „Rassenhygiene“ hier als legitim erscheint. Er ergibt sich aus der „Tatsache“, dass die Rassentheorie laut DC eine von Gott gegebene Lebensordnung, also ein unanfechtbares Naturgesetz ist. Da die Erhaltung dieser „Ordnung“ „Gottes Gesetz ist“, muss jeder Christ die Rassenhygiene praktizieren, um nach den Regeln Gottes ein guter Mensch zu sein.
In dieser Auslegung ist es offensichtlich, dass der „Christus-Glaube die Rasse nicht zerstört“, vielmehr schließt sich der Christus-Glaube der Rassenideologie an und beginnt diese zu predi- gen. Das Propagandamittel Evangelische Kirche war sicherlich in der Lage, die Rassentheorie zu vertiefen und großen Einfluss auf die Bevölkerung auszuüben.
Mit alledem wird die Rassenlehre Hitlers auch heilig gesprochen: die frei erfundene Idee des „von Gott gegebenen“ Rassendenkens wird in der Hand der GDC zum heiligen Gesetz.
Punkt 8
Das Christentum in dem Verständis der DC als „Tat-Christentum“ verlangt von seinen Mitglie- dern eine aktiv „mitstreitende“ Haltung um die Ziele zu verwirklichen, die sich die Reichsle i- tung gesetzt hat. Wie in Punkt 4 angesprochen, distanziert man sich hier von den christlichen Aspekten der Barmherzigkeit und des Jesus als friedliebenden Heiland. Zusätzlich wird sogar indirekt zum Kampf und zur aktiven Mitarbeit aufgerufen. So führt jede andere Einstellung, hier als „bloßes Mitleid“ erklärt, zu einem „verweichlichten Volk“. Gefordert wird, was unter dem Schlagwort „Gehorsam“ in Erscheinung tritt: dass die Ziele der DC, mit unter anderem Rassen- hygiene und Antisemitismus, von allen ihren Anhängern durchgeführt werden. Dies tritt in der Formulierung der Idee des „Schutzes des Volkes vor den Untüchtigen und Minderwertigen“ zutage.
Die oben angesprochene Rassenhygiene wird in der „Entartung unseres Volkes“ nur zu deutlich. Die GDC weist im weiteren Verlauf auch noch daraufhin, von der christlichen Botschaft der Barmherzigkeit, hier zwar bezogen auf nicht-arische Rassen zu wissen, sie stellt jedoch die Ak- tionen des Rassismus in der Form des „Tat-Christentums“ eindeutig in den Vordergrund.
Punkt 9
Mit den Parolen gegen die Mission jüdischer Bevölkerung wird hier die Haltung der GDC zum Antisemitismus sehr deutlich. Der Grund, weshalb Juden nicht missioniert werden sollen, ist laut DC die „Gefahr der Rassenverschleierung“, derer es zu verhindern gilt. Dies ist, wie in Punkt 7 erläutert, eine legitime und von Gott gewünschte Angelegenheit. Darüber hinaus richtet sich dieser Absatz der Hossenfelderschen Richtlinien gegen eine Ehe von Deutschen und Juden.
Punkt 10
Die GDC ruft hier dazu auf, zwar eine mit völkischen Gedanken geführte Kirche anzustreben und diese durch ein von Gott gewolltes Sendungsbewusstsein zu verbreiten. Hierbei sollen je- doch andere Einflüsse als christlich-völkische ausgeschlossen werden.
Die DC im Kampf um die Reichskirche
Die beginnenden Reformgedanken richteten sich also deutlich gegen die in der Weimarer Repu- blik erlangte kirchliche Autonomie. Diese Ideen harmonierten wie bereits angesprochen mit der Tatsache, dass die Frage nach einer einheitlichen Reichskirche schon lä nger aktuell war.
Als Folge dessen wurde D. Hermann Kapler, der zu dieser Zeit die Ämter des Präsidenten des ev. Kirchenbundes und des Präsidenten des ev. Oberkirchenrates bekleidete, zur strafferen Zu- sammenfassung der ev. Kirche aufgefordert und so „für die Gesamtheit des deutschen Protes- tantismus zu sprechen und zu handeln“7. Zusammen mit dem hannoverschen Landesbischof August Marahrens und Hermann Hesse ging Kapler dieses Ziel an.
Die DC in dieser Zeit forderten, wie in ihren „Zehn Kirchengrundsätzen“ zu erkennen, eine Reichskirche, die für alle Arier-Christen gedacht sei, ein Aspekt, der auch schon in den Hossen- felderschen Richtlinien (Punkt 3) auftauchte. Somit wird der Gedanke der Volksgemeinschaft, der immer wieder in der Ideologie der Nationalsozialisten auftaucht, am 5.5.33 in die Struktur der DEK integriert: nach dem Rassenprinzip der Nationalsozialisten vorgehend, schließt die GDC alle Menschen aus der Kirche aus, die nicht „arischen Ursprungs“ sind. So wird in den „Zehn Kirchengrundsätzen“ eine „Kirche der deutschen Christen, das heißt der Christen arischer Rasse“ angestrebt; die „Evangeliumsverkündung an den Fremdstämmigen“ wird nun zur Frage der Äußeren Mission.
Weiterhin ist eine Person für die Entwicklung der DC eminent wichtig, welche sich lange Zeit als Schirmherr über die GDC stellt: Ludwig Müller. Theologisch kaum gebildet, war seine wichtigste Eigenschaft jedoch das gute Verhältnis zu Hitler persönlich, mit dem er schon seit 1926 bekannt war, als dieser ihn im April 1933 zum Vertrauensmann und Bevollmächtigten für die Frage der ev. Kirche berief. Müller, den evtl. auch der erste Weltkrieg beeinflusste, war ein eher konservativer als radikaler Vertreter innerhalb der GDC. Er bildete so einen Gegenpart zum Reichsleiter der GDC, Joachim Hossenfelder, dessen Ziele und bereits behandelten Richt- linien eher radikal zu deuten sind. Es ließen sich also zwei Flügel erkennen, der radikale mit Reichsleiter Pfr. Hossenfelder, Reichspropagandaminister Pfr. Kessel und dem Gauobmann Berlins Dr. Krause, sowie die gemäßigt konservative Seite mit Schirmherr Müller und Prof. Karl Fezer. Letzterer stellte kurze Zeit nach Hossenfelder neue gemäßigtere Richtlinien auf, die dessen ablösten. Diese zurückhaltenderen Ansätze standen im direkten Kontrast zu Hossenfel- der, auch um die GDC bei der Kirchenreform als vertrauenerweckender erscheinen zu lassen.
Die Übernahme der Schirmherrschaft kann also als klarer Versuch von Müller gesehen werden, Hossenfelder in den Hintergrund zu drängen und einen gemäßigteren Kurs einzuschlagen.
Die Wahl des Reichsbischofs und die Infiltration der DEK
Am 26./27.5.33 wird in der DEK zur Wahl des Reichsbischofs aufgerufen und auf Mehrheitsbe- schluss Friedrich von Bodelschwingh gewählt, welcher alle anderen Ziele als die der DC vertrat. Die DC hatten zu dieser Wahl auf Ludwig Müller gesetzt, welcher aber die Mehrheit nicht er- reichen konnte. Dieses Ergebnis rief in den Kreisen der GDC heftigen Protest hervor, ein regel- rechter Propagandafeldzug für Müller wurde ins Leben gerufen. Rücktrittsersuche wurden ge- genüber dem neuen Reichskanzler laut. Als darüber hinaus auch noch ein Staatskommissar in der APU eingesetzt und somit die Macht des Reichsbischofs erheblich eingeschränkt wurde, sah von Bodelschwingh keine Möglichkeit mehr, die ihm vom DEK übertragene Aufgabe durchfüh- ren zu können. Der Rücktritt erfolgte am 24.6.33, also nicht einmal einen Monat nach Amtsan- tritt.
Mit dem Rücktritt des RB hatte der neue Staatskomissar der APU, August Jäger, alle Möglic h- keiten zu handeln: auf einen Schlag löste dieser nun alle wichtigen Instanzen der preußischen Landeskirchen auf und besetzte die freiwerdenden Posten mit Mitgliedern der Glaubensbewe- gung Deutsche Christen. Betroffene titulierten die Aktion zurecht als eine „Revolte gegen die Staatsgewalt“8, konnten aber nicht verhindern, dass die GDC maßgeblich an Einfluss gewann.
Die Kirchenwahlen am 23.7.1933
Das Erstaunlichste an dieser Wahl war die sehr hohe Wahlbeteiligung. Auslöser war zu großen Teilen die von der NSDAP geführte Propaganda-Aktion. Nicht nur die von Hitler persönlich gehaltene Rundfunkansprache am Wahlsonntag, in der er das Vertrauen der NSDAP in die GDC versicherte ist hier zu nennen, auch der „Völkische Beobachter“ sprach von einer Selbst- verständlichkeit, dass jeder „ev. Parteigenosse“ der GDC seine Stimme gebe. Das Ergebnis war eine durchschnittliche Stimmenanzahl von 70% nur für die Glaubensbewegung.
Nach diesen Wahlen kann man von „intakten“ und „zerstörten“ Landeskirchen sprechen, weil in den Landeskirchen mit hohem DC-Anteil die parlamentarische Struktur aufgelöst wurde. Als regelrechte Hochburgen der GDC sind Thüringen, Sachsen, Anhalt, Lübeck und Bremen zu nennen. Durch dieses Vorgehen sind nur 3 intakte Landeskirchen erhalten geblieben: die han- noversche unter Landesbischof August Marahrens, die bayerische unter Hans Meiser und die württembergische unter Teophil Wurm.
Auf der ersten deutschen Nationalsynode, bei der uniformierte Truppen der SA und des Stahl- helms sowie Mitglieder der HJ das Bild prägten, wurde als Nachfolger des Reichsbischofs von Bodelschwingh nun Ludwig Müller gewählt. Dieser konnte nach den vorausgegangenen Wah- len leicht eine Mehrheit erringen. Müllers Kirchenpolitik war darauf ausgelegt, GDC- Oppositionen im In- und Ausland Möglichkeiten zu Protesten zu nehmen. Sie ist eher kompro- missbereit als radikal zu sehen. Müller blieb aber trotzdem weiter im Amt des Landesbischofs der APU. Dieses hatte er am 5./6.9.33 angetreten, was später als „braune Synode“ bekannt wer- den sollte: in dieser war, neben Müller als Landesbischof, auch der Präsident der Generalsyno- de, Dr. F. Werner, samt den Stellvertretern Hossenfelder und Jäger, Mitglied der GDC. Weiter- hin wurde in dieser Landeskirche der Arierparagraph durchgesetzt.
Der Arierparagraph
Der Arierparagraph war das Gesetz, mit dem der Antisemitismus und die Rassenideologie Hit- lers rechtlich Einzug in die Kirche nahm. Nach diesem Paragraphen war es nicht möglich, die Stelle eines Pfarrers oder Kirchenbeamten zu bekleiden, insofern man kein Arier war. Weiterhin galt dieses Gesetz für alle, die in Ehe mit „Nicht-Ariern“ lebten. In diesem Sinne wurden alle Pfarrer und Kirchenbeamten, die nicht in die oben genannten Prinzipien passten, in den Ruhe- stand versetzt.
Der Arierparagraph trat am 5./6.9.33 in der APU in Kraft. Müller verzichtete jedoch diesen As- pekt für die gesamte Reichskirche vorzuschlagen, da die GDC zu dieser Zeit unter heftiger Kri- tik auch aus dem Ausland stand. Hier wird auch die beschwichtigende Politik Müllers deutlich.
Die Sportpalastkrise
Das Datum des 13.11.1933 gilt als Krisendatum in der Geschichte der Glaubensbewegung. Die Großkundgebung im Berliner Sportpalast vor 20.000 Menschen sollte bis dahin eine eindrucks- volle Demonstration werden, endete aber in einer Katastrophe.
Ausgehend davon, dass der radikale Flügel der GDC mit der Politik des Reichsbischofs nicht zufrieden war und der Beschwichtigungspolitik nicht zustimmte, sollte ein Zeichen gesetzt wer- den. Der „Entwicklungsgang“ der Bewegung sollte beschleunigt und eine Wiederaufnahme des kämpferischen Kurses angekündigt werden. Alles in allem also eine Aktion gegen den gemäßig- ten Flügel. Zu diesem Zweck hielten Hossenfelder und der Berliner Gauobmann Dr. Reinhold Krause ihre Reden, wobei vor allem die des Letzteren heftige Kritik und Überraschung auslösen sollten. Krause, der auch als Sprachrohr des Bundes für Deutsche Kirche galt, sprach unter an- derem folgende Punkte an:
- Befreiung vom AT, da dort seiner Meinung nach nur „jüdische Lohnmoral“ enthalten sei;
- Streichung des Apostels Paulus aus dem NT, da dieser seiner Meinung nach als Jude nicht gelehrt werden sollte;
- Beschränkung auf die Lehre eines „heldischen Jesugeist“, wobei die Ansichten des „positiven Christentums“ maßgebend sein sollten.
Diese Rede jedoch verfehlte ihre ursprünglich erhoffte Wirkung. Statt dessen wurde sie in wei- ten Kreisen als Enthüllung „des wahren Wesens“9 der GDC betrachtet, als sei die unverhüllte Einstellung und Zielsetzung zu Tage getreten. Die direkten Folgen waren
- eine Austrittsbewegung
von Gemeinden und Pfarrern;
- der Ausschluss von Dr. Krause aus der Gruppierung,
um eine Abgrenzung seitens der GDC deutlich zu machen. Diese Aktion erbrachte aber nicht die erhoffte Wirkung. Diese stand auch weiterhin nach der Entlassung un- ter heftigem Protest, gerade unter der Kritik des „Pfarrernotbundes“ unter Niemöl- ler: „Denn dieses Geschehen darf unter keinen Umständen als einmalige Entglei- sung einiger Stürmer und Dränger gewertet werden. Vielmehr ist hier schlagartig der Schade deutlich geworden, der das Leben unserer Kirche in der Wurzel zerstö- ren muss.“10
- ein erzwungener Rücktritt des Reichsleiters Hossenfelder,
dessen Nachfolger Dr. jur. Christian Kinder eine mit der von Müller vergleichbare Politik führte. Ihm lag es daran, jeglichen Gegnern Möglichkeiten zu Vorwürfen zu nehmen und Zweifel im Keim zu ersticken. Mitglieder der DC sprachen von einer Politik ohne Kampfgeist.
- die Niederlegung der Schirmherrschaft Müllers über die GDC,
was die einzige Möglichkeit des Reichsbischofs war, sein Amt weiterhin zu bekle i- den. Trotz dieser Abgrenzung wurde sich dennoch geweigert, mit ihm zusammen-
zuarbeiten, so dass es nur noch die Hilfe Hitlers war, mit der Müller letztendlich die Krise überstehen konnte.
- die Auflösung der GDC in Bayern
- sowie die Trennung der Thüringer KDC von der Glaubensbewegung.
Die wichtigste Folge war jedoch die Haltung der NSDAP. Hatte diese sich schon vor diesem Datum begonnen abzugrenzen, da der Druck aus dem Ausland zunahm und die Angriffe der innerkirchlichen Opposition ein schlechtes Licht auf die GDC warfen, sank die Unterstützung seitens der Partei nun um so rapider. Die jetzt auf der Sportpalastkundgebung formulierten Ziele lösten nicht nur Protest und Diskussionen aus, sie gingen auch deutlich über die Vorstellungen der NSDAP hinaus.
Versucht man ein Fazit aus dem Sportpalastskandal zu ziehen, ist wohl eindeutig geworden, dass alle bewusst Evangelischen in Deutschland nur so weit revolutionäre Ideen unterstützten, solange die Lehre die sie vertraten in ihren Grundzügen erhalten blieb. Ein Eingriff in die festen Glaubensgrundsätze und die Kritik an der Heiligen Schrift jedoch ließen den Bogen überspannt erscheinen. Der radikale Flügel, welcher sich hier nur zu deutlich von dem zu Beginn zitierten „nicht: ,Adolf Hitler gleich Jesus Christus, sondern durch Adolf Hitler zu Jesus Christus‘.“ ab- wendet, wirkte mit seinem Kurs eher abweisend.
An dieser Stelle lassen sich einige Parallelen zur 1921 entstandenen Gruppierung des „Bundes für deutsche Kirche“ ziehen, da sich auch Krause selbst zu dieser Interessengemeinschaft zählte. Wie bereits erwähnt, vertraten die Deutschkirchler extrem nationalistische und rassistische An- sichten. So erscheint es auch wenig verwunderlich, dass diese schon vor der Zeit der GDC ähn- liche Ansichten vertraten, wie letztgenannte sie am 13.11.1933 im Sportpalast vortrug. Als ei- nen Grundsatz der Deutschkirchler lässt sich folgender Satz bezeichnen: „Das Alte Testament ist ‚die religiöse Urkunde allein des jüdischen Volkes‘ und genießt zu Unrecht kanonisches Ansehen.“11 In diesem Zuge wird die Abschaffung des Alten Testaments zeitweilig sogar zum erklärten wichtigsten Ziel. Hierbei wurde auch nicht davon abgelassen, die Personen des Alten Testaments mit Schimpfwörtern zu belegen. Ebenso war eine „Germanenbibel“ vorgesehen.
Die DC nach der Krise – Versunken im Untergrund?
In der Zeit nach der Sportpalastkrise konnte die GDC nie wieder den Machtstatus erringen, den sie bis dahin innehatte. Die Politik des neuen Reichsführers führte die stagnierende Position des Reichsbischofs weiter, gegen die sich der radikale Flügel im Sportpalast gerichtet hatte. Da die
wichtigsten Widersacher der gemäßigteren Seite Hossenfelder und Krause aus der GDC ausge- schieden waren, wurde dieser Kurs nun maßgebend. Dr. Kinder benannte die Bewegung zum Zeichen der Abgrenzung von den skandalösen Reden zunächst in Reichsbewegung Deutsche Christen (RDC) um.
Diese bemühte sich nun in der folgenden Zeit, die bewegungseigenen emotionsgeladenen und umstrittenen Ziele der DC in den Hintergrund zu stellen und sich auf das Ziel der geeinten deut- schen Reichskirche zu konzentrieren. Dies geschah hauptsächlich aus dem Grund, die NSDAP nicht zu reizen und in derem Sinne zu agieren. Ebenso wurde darauf geachtet, der innerkirchli- chen Opposition keine neuen Ansatzpunkte zu Diskussionen und Anschuldigungen zu liefern. Radikale Tendenzen wurden also in dieser Beschwichtigungspolitik wenig berücksichtigt. Über diesen Aspekt hinaus unterstützte die RDC unter dem neuen Reichsleiter Rehm aktiv die Kir- chenausschusspolitik des Reichskirchenministers. Die Kirchenausschüsse, in welchen Mitglie- der der Bekennenden Kirche genauso wie der Reichsbewegung DC zusammentraten, sollten die Spannungen in der Kirche regeln, indem sie gemeinsam die Landeskirchen verwalteten. Diese brachten aber auch umfassende Änderungen mit sich, wobei diese meistens eine Entmachtung der DC bewirkten.
Diese 3 Ansatzpunkte, Hitler, innerkirchliche Opposition und Unterstützung der Kirchenaus- schüsse, sprachen eindeutig gegen den Macht- und Kampfwillen der Deutschen Christen. Ver- ständlich, da sie alle beruhigende Intentionen beinhalteten. Der radikale Teil der RDC brachte die Gedanken auf den Punkt, indem er die RDC-Leitung als Verräter an den ursprünglichen Zielen der DC darstellte und aufgrund dieser Veränderungen der Bewegung den Rücken kehrten und sich einer Organisation zuwandten, die in dieser Zeit permanent an Macht hinzugewann:
die Kirchenbewegung Deutsche Christen unter S. Leffler. Diese hatte sich wie gesagt nach der Sportpalastkundgebung im November 1933 von der GDC abgespalten, in die sie sich Februar 1932 eingegliedert hatte. Ab diesem Zeitpunkt fungierte sie als regelrechtes Sammelbecken der radikalen Kräfte der Deutschen Christen in Deutschland. Maßgebend dafür war die Konkurrenz der in ihren Grundsätzen schwach werdenden RDC, wobei die KDC immer als Vertreter der „unverfälschten Idee“ dastand. In ihr formierten sich alle die radikal Denkenden der ehemaligen GDC, die sich nach der Sportpalastkrise von ihr abspalteten, oder von dem neu eingeschlagenen Kurs enttäuscht wurden. So zählten auch die Splittergruppen zu ihrem Einflussgebiet, die als Abneigungshaltung gegenüber der Kirchenausschüsse eine extremere Orientierung angenom- men hatten. Für alle diese war die kompromisslose KDC, was hier durchaus als positive Eigen- schaft auftauchte, die letzte Möglichkeit den Zielen einer Bewegung der Deutschen Christen Hand und Fuß zu geben. Auf diese Weise entstand auch mit politischer Unterstützung, welche das Agieren eines Kirchenausschusses in Thüringen zu Gunsten der KDC unterdrückte, die Gruppierung mit dem größten Einfluss auf die DEK in Deutschland zu dieser Zeit.
So schloss sich, neben einigen DC-Landeskirchen, auch der ehemalige Reichsleiter der GDC, Joachim Hossenfelder an, der eine neue Möglichkeit für seine ursprünglichen Ziele sah. Unter Aufnahme von immer mehr Splittergruppen benannte sich der Führerkreis der KDC zunächst in Führerring und 1936 in den „Bund für Deutsches Christentum“ um, aus dem sich dann die „Na- tionalkirchliche Bewegung DC“ herauskristallisierte. Diese Organisation vereinte nun die größ- te Anhängerschaft innerhalb der DEK und ihre Stimme war in der Reic hskirchenführung von größter Bedeutung.
Das tatsächliche Ende der deutschchristlichen Bewegungen vollzog sich erst 1945 mit dem Kriegsende.
Fazit:
Die Deutschen Christen – Parteiaktion oder Glaubensrichtung?
Nachdem ich nun die geschichtliche Entwicklung der Strömung „Deutsche Christen“ in ihren Machtinstanzen und Kirchenparteien erläutert habe, möchte ich Antwort auf die Frage geben, die ich mir zu Beginn gestellt habe.
Die DEK konnte 1930 mit ihrem weiten Einflussgebiet in der Bevölkerung sicherlich als wic h- tige meinungsprägende Instanz im deutschen Staat gesehen werden. Dennoch ist sie eher mit anderen Interessengruppen gleichzusetzen, auf welche die NSDAP ihr Augenmerk richtete. Diese versuchte mit der Idee der Propagandaverbreitung nicht nur in der Kirche die Bevölke- rung anzusprechen, sondern in den verschiedensten Bereichen der deutschen Gesellschaft Ein- flussgebiete zu erschließen. Auf diese Weise entstanden nationalsozialistische Gruppen wie der „NS-Kampfbund für deutsche Kultur“, der „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“, der „NS-Schülerbund“, der „NS-Lehrerbund“ oder eben die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“.
Wilhelm Kube, der auf die kleinen DC-Bewegungsgruppen aufmerksam wurde, sah hier eine Möglichkeit, mit Unterstützung und Ausbreitung zwei Ziele zu erreichen: eine neue Wähle r- schaft für die NSDAP zu gewinnen und eine Gleichschaltung der Kirche mit dem Staat zu ver- wirklichen. Insofern liefen die Gedanken Kubes und denen der DC parallel, doch Probleme traten schon bei erstem Kontakt auf. Die „Christlich-Deutsche Bewegung“, die zuerst für eine Verwirklichung der Pläne am geeignetsten schien, stellte sich gegen die klare Kampfeinstellung der geplanten GDC und wollte von ihrem arbeitsgemeinschaftlichen Charakter nicht abweichen. Auch der „Bund für Deutsche Kirche“ war mit seinen gruppenspezifischen Zielsetzungen nicht für die Idee geeignet. Dies waren Ziele, die über die Formation einer Reichskirche, also über die Ziele der NSDAP hinaus gefordert wurden und für die Deutschkirchler den Grundsatz ihrer
Interessen widerspiegelten. Solche vom Staat nicht gewünschten Ziele machten kommende Differenzen zwischen Staat und Glaubensgemeinschaft absehbar. Diese waren sicherlich auch, wenn auch zu geringerem Maße, in der „Thüringer Kirchenbewegung DC“ vorhanden.
Die Politik des Reichsbischofs Ludwig Müller kam deshalb dem Staat zugute. Die Interessen der DC im Bereich der Kirchenreform wurden in den Hintergrund gerückt, die Aspekte, die Kontroversen aufdecken könnten und so Unruhe in die Kirchenfrage bringen könnten, unter- drückt. Die Person Müllers erscheint so als eine Marionette in den Händen des Staates.
An dieser Stelle der Geschichte tritt der radikale Flügel der GDC hervor. Entstanden aus der Enttäuschung vom Reichsbischof stellt sich hier eine Linie heraus, die sich auf die ursprüngli- chen gruppenspezifischen Ziele der Deutschen Christen beruft. Die ständigen Widersacher der gemäßigten Politik unter Reichsleiter Hossenfelder ziehen nicht mit der politischen Intention des Staates mit. Der Staat hatte also mit der GDC zwar ein Instrument geschaffen, was die von ihm gewünschten Ziele anstrebte, jedoch darüber hinaus mit ihren eigenen Ideen nicht vollstän- dig zum Machtinstrument der NSDAP werden konnte. Die zu dem Zeitpunkt noch nicht ver- wirklichten ideologischen Grundsätze waren auch die Ursache für den Skandal auf der Sportpa- lastkundgebung. Gauobmann Krause strebte als Deutschkirchler innerhalb der GDC eine andere Vorgehensweise an Stelle der Intentionen, die Kube vielleicht bei der Gründung hatte, an.
Weiterhin ist diese Einstellung nach 1933 zu sehen, wenn man die RDC unter Kinder oder Rehm und im Gegensatz zur KDC unter Leffler betrachtet. Mit der KDC, so meinten viele, sei- en die ursprünglichen Ziele der DC-Bewegungen noch zu erreichen. Die immer noch existie- renden ideologischen Grundsätze, hier klar als Zielsetzung formuliert, wirkten noch immer aus- drucksstärker und ansprechender als die der RDC. Auch die Kirchenausschusspolitik, mit der die Unruhe in der DEK beseitigt werden sollte, erbrachte aus dem Grund nicht das erwünschte Ziel, da sich, diesmal in der Instanz der KDC, die deutschchristlichen radikalen Glaubensgrund- sätze gegen diese Vorgehensweise sträubten.
Die Bewegung im Dritten Reich unter dem Schlagwort Deutsche Christen ist also eine ganz klar auf ideologischen Grundsätzen basierende, die sich nie zum Machtinstrument der Partei hat umfunktionieren lassen. Obwohl die Gründung der „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ als reine parteigebundene Aktion zu sehen ist und die Politik des Reichsbischofs auf der selben Schiene fuhr, sind die DC mit ihren perversen Vorstellungen ihres „Kirchenvolkes“ und damit der radikalen antisemitischen und rassistischen Linie gefolgt.
- Quote paper
- Luigi Andolini (Author), 2000, Die deutschen Christen - Die nationalsozialistische Bewegung in der Evangelischen Kirche Deutschlands, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100677
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