Diese Arbeit wird sich thematisch mit dem Beitrag des Konsultationsverfahrens (KV) zur Demokratisierung der Europäischen Union (EU) auseinandersetzen. Inwiefern trägt das Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission zur Demokratisierung der EU-Gesetzgebung bei? Diese Forschungsfrage entsteht vor dem Hintergrund, dass die Debatte um ein Demokratiedefizit in der EU nicht eindeutig zu beantworten ist und somit immer noch Aktualität aufweist. Es soll erörtert werden, in welchem Ausmaß die Demokratisierung der EU-Gesetzgebung durch das Instrument des KV erfolgen kann. Legitimiert wird diese Untersuchung zum einen mit der vergleichsmäßig raren Forschungsbeteiligung bezüglich des Konsultationsverfahrens und zum anderen durch die Aktualität und Bedeutung der Demokratisierung in der EU.
Zunächst werden im Theorieteil die Begriffe Demokratisierung und Partizipation definiert und die für diese Arbeit elementaren Partizipationsrechte herausgearbeitet. Daran angeschlossen wird das Instrument Konsultationsverfahren erläutert. Es folgt die Analyse der Qualität des KV als Partizipationsmöglichkeit der Bürger der Europäischen Union. Schließlich soll beantwortet werden, inwieweit die Teilnahme am KV repräsentativ ist und – unabhängig von dem Ergebnis - ob diese letztendlich ausreicht, um Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen zu können.
Inhalt
1. Einleitung
2. Literaturdiskussion
3. Theorieteil
4. Analyse
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese im Rahmen des Seminars «Europäische Integration: Prozesse, Proteste und Partizipation» zu verfassende Arbeit wird sich thematisch mit dem Beitrag des Konsultationsverfahrens1 (KV) zur Demokratisierung der Europäischen Union (EU) auseinandersetzen. Die Fragestellung lautet: Inwiefern trägt das Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission zur Demokratisierung der EU Gesetzgebung bei? Diese Forschungsfrage entsteht vor dem Hintergrund, dass die Debatte um ein Demokratiedefizit in der EU nicht eindeutig zu beantworten ist und somit immer noch aktuell ist. Viel mehr ist die Entscheidung von der subjektiven Gewichtung der Argumentationen abhängig, die innerhalb der Literatur zu finden sind. Dennoch-oder gerade deshalb- soll diese Arbeit erörtern in welchem Ausmaß die Demokratisierung der EU Gesetzgebung durch das Instrument des KV erfolgt. Legitimiert wird diese Untersuchung zum einen mit der vergleichsmäßig raren Forschungsbeteiligung bezüglich des Konsultationsverfahrens und zum anderen durch die Aktualität und Bedeutung der Demokratisierungs-Thematik.
Zunächst werden im Theorieteil die Begriffe Demokratisierung und Partizipation definiert und die für diese Arbeit elementaren Partizipationsrechte herausgearbeitet. Daran angeschlossen wird das Instrument Konsultationsverfahren erläutert. Es folgt die Analyse der Qualität des KV als Partizipationsmöglichkeit der Bürger2 der Union. Schließlich soll beantwortet werden inwieweit die Teilnahme am KV repräsentativ ist und, – unabhängig von dem Ergebnis, - ob diese letztendlich ausreicht um Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen.
2. Literaturdiskussion
Die Frage nach den Partizipationsmöglichkeiten der Bürger der Europäischen Union und der Effektivität findet in der Forschung zunehmend Beachtung. Die Entzauberung partizipativer Demokratie von Beate Kohler-Koch und Christine Quittkat erörtert die Übereinkunft von dem Instrument Konsultationsverfahren mit dem Anspruch auf partizipative Demokratie. Der empirische Fokus liegt dabei auf der repräsentativen Nutzung des Instruments durch die Gesellschaft. Was dieses Werk offen lässt, ist der effektive Einfluss der Konsultationsergebnisse auf die EU-Gesetzgebung. Es gibt zwar durchaus eine Vielzahl an Beiträgen zum Themenkomplex der Bürgerinitiative als Werkzeug der Teilhabe an den politischen Prozessen der EU, wie in Ingeborg Tömmels Werk Das politische System der EU (3.Aufl) erhält das KV kaum Aufmerksamkeit. Hierfür sind spezifischere Werke, die nicht so Allgemein erklärend sind, heranzuziehen. Diese Beschränken sich in der Anzahl sehr. Bei Jan Labitzkes Werk Mehr partizipative Demokratie wagen. Zum Umgang der Europäischen Kommission mit Online-Konsultationen besteht der Mehrwert darin, dass reale Fallbeispiele analysiert werden, die ausgewertet Aufschluss über die Arbeitsweise der Kommission und den einzelnen Generaldirektionen bietet. Nicht zuletzt die kritische Sicht auf die Legitimation der Gesetzesentwürfe durch die Konsultationen ist ein maßgeblicher Zugewinn.
3. Theorieteil
»Die Menschen wollen eine stärker partizipative Demokratie, Demokratie "zum Anfassen".«3, so treffend formulierte der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission Romano Prodi in seiner Amtsrede das Bedürfnis der Bürger und griff die stets aktuelle Thematik des Demokratiedefizits auf. Doch wie gut konnte die Kommission dieses, schon vor mehr als einer Dekade formulierte, Ziel umsetzen? Um beantworten zu können, inwiefern das KV zur Demokratisierung der EU Gesetzgebung beiträgt, muss zuerst der Begriff Demokratisierung definiert werden. Die »Demokratisierung« bezeichnet den »Prozeß der Bildung oder der Vertiefung der Demokratie«.4 Wenn in dieser Arbeit von Demokratisierung gesprochen wird, bezieht dies sich auf die Demokratisierung der Europäischen Union. Der Begriff der Demokratie ist so umfangreich, dass eine ausführliche Erläuterung den Rahmen und Nutzen für diese Arbeit überschreiten würde, weshalb nur auf den Aspekt der >Partizipationsrechte< als demokratische Grundlage eingegangen werden soll, welche für eine Demokratie essentiell sind.5 Damit der Unionsbürger partizipieren, also teilhaben kann, muss neben dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht gewährleistet sein, dass die aufgeklärte Öffentlichkeit die Chance hat die eigenen » Präferenzen zu formulieren und in den Entscheidungsprozeß einzubringen«.6 Zwar ist das folgende Partizipationsrecht nicht das letzte, jedoch für diese Analyse das zuletzt relevante und auch wichtige Recht, nämlich das der » Chancengleichheit bei der Interessendurchsetzung«7. Diese elementaren Grundlagen der Partizipation dienen im Schritt der Analyse u.a. als Maßstab der erfolgreichen Teilhabe an der EU Gesetzgebung. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob das Partizipieren allein ausreicht, um einem Defizit entgegenzuwirken oder man für ein repräsentatives Ergebnis eine bestimmte Anzahl von Konsultierenden benötigt. Im Anschluss soll herausgearbeitet werden, ob erstens das KV als Instrument der Mitentscheidung der Bürger ausreicht, um zweitens einen tatsächlichen Einfluss auf die EU Gesetzgebung zu nehmen. Bevor der analysierende Teil dieser Arbeit folgt soll das Konsultationsverfahren einmal in seinen Grundzügen erläutert werden.
Das Konsultationsverfahren ist ein von der Kommission gesteuerter Prozess, zwischen ihren jeweiligen Generaldirektionen und Akteuren, mit dem Ziel die Politikgestaltung durch die Anhörung von Betroffenen voranzubringen. Beate Kohler-Koch unterscheidet drei Generationen des Konsultationsregimes, die sich von einer beratenen Funktion (Generation 1) der Konsultierten über eine partnerschaftliche Beziehung (Generation 2) hin bis zu einer, seit der Jahrtausendwende bestehenden, partizipierenden europäischen Gesellschaft als >Dritte Generation< entwickelt hat. Die aktuelle Generation besteht auf transnationaler Ebene und erstreckt sich über alle Politikfelder hinweg. Hierbei ist die gesetzliche Verankerung des Konsultationsverfahrens nennenswert. Dies bedeutet die Europäische Kommission (EK) ist zur Konsultation verpflichtet, bei denen nicht nur sektorale und allgemeine Interessensgruppen angesprochen werden müssen, sondern auch die Zivilgesellschaft.8 Im Allgemeinen lassen sich drei unterschiedliche Instrumente der Konsultation unterscheiden, deren divergierendes Merkmal die Zielgruppe darstellt. Neben dem mit 86% am häufigsten genutzten Instrument, der »offenen Online-Konsultation«, die namensgebend für die interessierte Öffentlichkeit, aber auch alle anderen ausgerichtet ist, gibt es die an Stakeholder ausgerichtete »zielgerichtete« Konsultation und zuletzt die selten vorkommende »geschlossene« Konsultation mit ausgewählten Experten.9 Die Teilnahme an den öffentlichen Konsultationen erfolgt über eine Homepage der Europäischen Kommission10, auf der man derzeit zwischen 381 laufenden Konsultationsthemen aussuchen kann. Der letzte zu nennende Aspekt stützt sich auf das Konsultationsformat, welches entweder »standardisiert, halb-standardisiert« oder »nicht-standardisiert«11 ist, und daher den Grad der Meinungsäußerung durch etwaige Formulierungsvorschläge und Eigeninitiativen je nach >Format< beschränken kann. Im folgenden Abschnitt erfolgt eine Analyse, welche die Wirkung der unabhängigen Variable – nämlich Form, Ablauf und Ausgestaltung des KV- auf die abhängige Variable, dem damit einhergehenden Ausmaß der Demokratisierung der EU-Gesetzgebung.
4. Analyse
Nachdem im vorherigen Abschnitt die Definitionen und die theoretische Grundlage benannt wurden, erfolgt zuerst die qualitative Untersuchung der Partizipationsrechte. Bezüglich des vorangegangenen Rechtes der >aufgeklärten Öffentlichkeit< ist zu ergänzen, dass die Internetseite der Kommission12 eine übersichtliche und Bedienerfreundliche Oberfläche in jeder Amtssprache aufweist, welches es dem interessierten EU-Bürger relativ leicht macht sich grundsätzlich über laufende, kommende und vergangene Online-Konsultationen zu informieren. Eine aufgeklärte Öffentlichkeit stellt die Grundlage der politischen Teilhabe dar, jedoch benötigt das Konsultationsverfahren zunächst erstmal weniger als eine >aufgeklärte< Öffentlichkeit; nämlich ein Bürgertum der EU, das von der Möglichkeit der Mitbestimmung durch das KV weiß. In den 28 Staaten der EU13 leben ca. 510 Millionen Bürger; weshalb ist die Beteiligung an Konsultationsverfahren so gering? Beispielsweise erhielt Der Konflikt zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) von 2014 allein in Deutschland sogar mediale Aufmerksamkeit. Diese Online-Konsultation bezog sich nicht direkt auf das TTIP-Abkommen, sondern nur auf die Schiedsgerichte, dennoch antworteten lediglich 149.399 Bürger der EU auf diese Online-Konsultation.14 Selbst wenn Menschen ohne Internetzugang, zu junge und zu alte Personen heraus gerechnet werden, ist die Prozentzahl der Beteiligung zu dieser Konsultation mit 0,03% erschreckend gering. Der Fragebogen umfasste das halb-standardisierte Format, da vorformulierte Antworten möglich waren, jedoch der Raum für eigene Ideen gegeben wurde. Vor diesem Hintergrund ist das Partizipationsrecht >Präferenzen formulieren< zumindest zum Teil erfüllt, weil nach jeder Konsultation die Stellungsnahmen angenommen und ausgewertet werden.15 Dass man das Recht der Meinungsformulierung jedoch erheblich eingeschränkt sehen muss, beweist die bloße Anhörung zu Themen, die von der Kommission vorgegeben sind. Anders als bei der >Bürgerinitiative< können die EU-Bürger niemals eine Initiative starten. Ein anderer Analysepunk ist die transparente Handhabe der Kommission, die u.a. durch die Veröffentlichungen der Folgeabschätzungen16, Konsultationsergebnisse und der Weiß-und Grünbücher für eine aufgeklärte Unionsbürgerschaft argumentiert. Ein weiterer Grund für die schon genannte geringe Beteiligung sind die Sprachbarrieren. Zwar können die Beiträge in »allen Amtssprachen« eingereicht werden, allerdings erhält man die Fragebögen nur auf Englisch und selten in anderen »großen« Sprachen, was die Konsultation der Bürger, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, unmöglich macht.17 Es liegt auf der Hand, dass eine Übersetzung der Konsultationsdokumente in jede EU-Amtssprache bei mehr als 100 Online-Konsultationen im Jahr18 zeitliche und finanzielle Ressourcen beansprucht, die von Seiten der EU-Kommission wahrscheinlich nicht zu decken sind. Zudem steht die Frage offen, ob die Kommission sich für Meinungen interesseiert, die von entsprechenden Gesellschaftsschichten ohne profunde Englischkenntnisse stammen. Sobald das Partizipationsrecht der Chancengleichheit in den Raum der Betrachtung fällt, ergeben sich zuerst markante Unterschiede in der Teilnahme an KV bei unterschiedlichen Politikfeldern. Außerdem »zeigt sich, dass in der Praxis […] Online-Konsultationen der funktionalen Interessensvertretung dienen«19, was eine Bürgernähe von Grund auf relativiert. Es ist nicht von Bedeutung, ob die Generaldirektion (GD) Soziales oder GD Gesundheit zur Konsultation aufruft, die Beteiligung einzelner Bürger lag in den vergangenen Jahren immer extrem unter den Werten der Beteiligung von Organisationen.20 Die Schuld hierbei liegt vermutlich nicht ausschließlich bei den Bürgern, die diese Teilnahme am politischen Leben nicht nutzen, sondern auch bei der Präsenz (oder Nicht-Präsenz) der KV in beispielsweise den Medien. Ein Lösungsansatz beginnt womöglich bei der Information über das Vorhandensein dieses Instruments im Radio, dem Fernsehen oder der Tageszeitung, sogar in der Schule wäre eine Thematisierung der Partizipation durch das KV ab der 11.Klasse gewiss von Nutzen. Andernfalls bleiben die Informierten immer Insider und die anderen haben als Outsider betrachtet kaum eine Chance dieses Instrument zu nutzen.
[...]
1 Konsultationsverfahren meint in dieser Arbeit die Form der Online-Konsultation. Andere Formen werden im Theorieteil benannt.
2 Hier und fortlaufend schließt >Bürger< die Bürgerinnen stets mit ein.
3 Prodi, Romano (2000): 2000-2005: Umrisse des neuen Europas, Strassburg 2000, http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-00-41_de.htm, 10.09.2017.
4 Nohlen Dieter/Grotz Florian (Hrsg.): Demokratisierung, in: Kleines Lexikon der Politik, 4. Aufl., Bonn 2008. S.71.
5 Siehe zur Definition von Demokratie von Nohlen: Demokratie, in: Lexikon der Politik, S. 64ff.
6 Nohlen: Demokratie, in: Lexikon der Politik, S. 64-67, hier S. 64 (=Hervorhebung des Verfasser).
7 Ebd. (=Hervorhebung des Verfassers).
8 Vgl. Kohler-Koch, Beate/ Quittkat, Christine: Die Öffnung der europäischen Politik für die Zivilgesellschaft – das Konsultationsregime der Europäischen Kommission, in: Die Entzauberung partizipativer Demokratie. Zur Rolle der Zivilgesellschaft bei der Demokratisierung von EU-Governance, Frankfurt, New York 2011, S. 74-97, hier S. 82.
9 Vgl. Quittkat, Christine: Die Konsultationspolitik der Kommission in der Praxis: eine Tiefenanalyse, in: Entzauberung Demokratie (Anm. 8), S. 98-124, hier S. 99, S. 136.
10 Teilnahme an öffentlichen Konsultationen über folgende Homepage: https://ec.europa.eu/info/consultations_de, 13.09.2017.
11 Labitzke, Jan: Mehr partizipative Demokratie wagen. Zum Umgang der Europäischen Kommission mit Online-Konsultationen, Wiesbaden 2016, S. 26.
12 Vgl. https://ec.europa.eu/commission/index_de, 10.09.2017
13 Stand 2017
14 Vgl. Europäische Kommission – Factsheet, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-3202_de.htm, 10.09.2017.
15 Vgl. Europäische Kommission – Factsheet (Anm. 13).
16 Englisch: Impact Assessment( IA) evaluiert die Auswirkungen der Initiativen auf Bereiche wie Umwelt und Wirtschaft. Vgl. Labitzke: Demokratie wagen (Anm. 11), hier S. 23.
17 Vgl. ebd., S. 27.
18 »Seine Nutzung [die Online-Konsultation] […] wird mittlerweile etwa einhundertmal pro Jahr angewandt«, Labitzke: Demokratie wagen (Anm. 11), hier S. 28.
19 Vgl. Quittkat, Christine: Der Spagat der europäischen Zivilgesellschaft – zwischen Professionalität und Bürgernähe, in: Entzauberung Demokratie (Anm. 8), S. 125-166, hier S. 156.
20 Vgl. Quittkat, Christine: in Entzauberung Demokratie (Anm. 8), S. 287ff.
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- Bachelor of Arts Lana Henning (Author), 2017, Das Konsultationsverfahren. Eine erfolgreiche Methode der Partizipation am demokratischen Leben in der EU?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006465
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