Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine Einsendeaufgabe in der klinischen Psychologie. Besonders geht es dabei um den sokratischen Dialog, den kognitiv-behavioraler Ansatz versus klientenzentrierten Ansatz und Psychologische Beratung versus Psychotherapie.
Als sokratischer Dialog wird eine ursprünglich philosophische Unterrichtsmethode bezeichnet, die durch Reflexion und Selbstbesinnung eigenverantwortliches Denken initiiert. Im Athen des fünften vorchristlichen Jahrhunderts wurden philosophische Fragen nach individueller Lebensführung und die Legitimationsgrundlage normativer Regelungen des Zusammenlebens intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert. Sokrates zielte darauf ab, Vernunft, eigene Denkkraft und Bildungsfähigkeit zu stärken. Somit lehrte er nichts, sondern hinterfragte jede einmal gefasste Meinung auf ihren Wahrheitsgehalt hin. Da nur noch das Geltung haben sollte, was der Einzelne nach reiflicher Überlegung als wahr oder richtig erkennt, stellte der sokratische Dialog eine Anregung zur selbstständigen Prüfung und Produktion von Wissen dar.
In der Literatur werden nach Stavemann zwei Varianten vom Verständnis des Sokratischen Dialogs gezeichnet. Einerseits wird dieser als eine Art Disput Methode oder Fragetechnik im Prozess der Kognitiven Umstrukturierung definiert, andererseits wird damit ein speziell strukturierter Gesprächsstil beschrieben, der das eigenverantwortliche, individuelle Bestimmen von Zielen, Moral- und Wertvorstellungen beinhaltet.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Aufgabe 1
1.1 Der sokratische Dialog: Kennzeichen und Wirkung
1.2 Einfluss auf Resilienz und Stressoren
1.3 Beratungssituationen
Aufgabe 2
2.1 Der kognitiv-behaviorale Ansatz
2.2 Klientenzentrierter Ansatz
2.3 Konvergenzen und Divergenzen
Aufgabe 3
3.1 Psychotherapie
3.1.1 Fallbeispiel Psychotherapie
3.2 Beratung
3.2.1 Fallbeispiel Beratung
3.3 Psychotherapie versus Beratung
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Tabellenverzeichnis
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Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aufgabe 1
1.1 Der sokratische Dialog: Kennzeichen und Wirkung
Als Sokratischer Dialog wird eine ursprünglich philosophische Unterrichtsmethode bezeichnet, die durch Reflexion und Selbstbesinnung eigenverantwortliches Denken initiiert.1 Im Athen des 5. vorchristlichen Jahrhunderts wurden philosophische Fragen nach individueller Lebensführung und die Legitimationsgrundlage normativer Regelungen des Zusammenlebens intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert. Sokrates zielte darauf ab, Vernunft, eigene Denkkraft und Bildungsfähigkeit zu stärken. Somit lehrte er nichts, sondern hinterfragte jede einmal gefasste Meinung auf ihren Wahrheitsgehalt hin. Da nur noch das Geltung haben sollte, was der Einzelne nach reiflicher Überlegung als wahr oder richtig erkennt, stellte der sokratische Dialog eine Anregung zur selbstständigen Prüfung und Produktion von Wissen dar.2
In der Literatur werden nach Stavemann (2015) zwei Varianten vom Verständnis des Sokratischen Dialogs gezeichnet. Einerseits wird dieser als eine Art Disputmethode oder Fragetechnik im Prozess der Kognitiven Umstrukturierung definiert, andererseits wird damit ein speziell strukturierter Gesprächsstil beschrieben, der das eigenverantwortliche, individuelle Bestimmen von Zielen, Moral- und Wertvorstellungen beinhaltet.3
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Menschen durch die eigene Wahrnehmung über daraus abgeleitete Erkenntnisse zu Wahrheitsaussagen gelangen. Hierbei wird die Wahrnehmungsfähigkeit des Einzelnen durch biologische, physiologische, kulturelle, soziale, motivationale und lerngeschichtliche Vorgaben bestimmt und beinhaltet individuelle Verzerrungen bei der Speicherung und Verarbeitung der Erinnerung. Aus diesen gespeicherten subjektiven Wahrnehmungsinhalten werden Erkenntnisse abgespeichert, die folglich zu einer „ethnozentrischen" Wahrheitsauffassung führen und durch soziale Interaktionsprozesse gefestigt werden.4 In beratenden und therapeutischen Settings ist es also grundlegend ,diese Interaktionsprozesse zu nutzen, um bereits vorhandene Wahrheiten, unlogische Fehlattributationen bzw. dysfunktionale Kognitionen durch geleitetes Entdecken bzw. der Methode des sokratischen Dialoges zu ver- ändern und ein tiefergreifendes Verständnis für einen Sachverhalt zu erzielen.5 Generell werden hierbei je nach vorliegender philosophischer Frage drei Dialogformen unterschieden. Der explikative Sokratische Dialog bezieht sich auf die Frage „Was ist das?", dient der Begriffsklärung und möchte den Klienten durch gezielte Betrachtung und Reflexion der eigenen Annahmen zu neuen Erkenntnissen führen. Sind gewisse Einstellungen und Handlungen vor bestimmten Sozialisationshintergründen zu prüfen, dient die Beantwortung innerhalb des normativen Sokratischen Dialogs mit der Frage „Darf ich das?" dem Ziel der eigenen Beantwortung moralischer Konflikte. Der funktionale Sokratische Dialog zielt auf das Beantworten der Frage „Soll ich das?", um zielführendere alternative Einstellungen bzw. Handlungen zu prüfen und konkurrierende Alternativen vor dem persönlichen Lebensziel abzuwiegen.6
Da innerhalb des sokratischen Gesprächsstils jede Form der dogmatischen Wissensvermittlung bewusst vermieden wird, um dem Klienten die Möglichkeit zu geben, seine eigene individuelle Wahrheit zu finden, gilt als Grundlage dieses therapeutischen Vorgehens eine offene und verständnisvolle Haltung des Therapeuten, der die lebensphilosophischen Hintergründe des Klienten nachvollzieht und seine Normen und Sichtweisen versteht. Durch diese nicht-wissende, naiv fragende, um Verständnis bemühte, dem Klienten zugewandte und akzeptierende Gesprächshaltung, können dysfunktionale Behauptungen durch selbst gefundene, widerspruchsfreie, inhaltlich logisch abgeleitete und auf die persönlichen Ziele des Klienten ausgerichtete Normen ersetzt werden, die den Sozialisationshintergründen und ethisch-moralischen Vorstellungen des Klienten entsprechen.7 Das bedeutet, dass die Dialogstrategie in der Praxis sich speziell darauf fokussiert, wie das Wissen des Klienten hinterfragt wird, um den Klienten in einen wichtigen (Ausgangs-)Zustand „innerer Verwirrung" zu versetzen, welcher neue funktionale Erkenntnisse ermöglicht. Hierbei werden verschiedene effektive Frage- und Disputtechniken sowie die Methode der regressiven Abstraktion mithilfe von Alltagsbeispielen, Metaphern, Analogien, Reframing-Methoden, Humor, Ironie, Rollentausch, Überzeichnungen oder Verhaltensübungen eingesetzt, um Behauptungen des Klienten zu reflektieren bzw. zu prüfen und den strukturierten Prozess des sokratischen Dialogs grundlegend zu stützen.8
Um nun durch die Methode des sokratischen Dialoges dem Klienten ein tiefergreifendes Verständnis bezüglich eines Sachverhaltes zu ermöglichen, wird der Klient mithilfe von gezielten Fragen seitens des Therapeuten innerhalb einer Reihung von sieben Schritten in eine aktive Rolle versetzt. Zu Beginn steht die Auswahl des Themas bzw. des dysfunktionalen Gedankens.9 Dies kann beispielsweise der Satz „Ich bin ein wertloser Mensch" sein. Daraufhin folgend wird die „Was ist das?"-Frage definiert. Hierbei lässt der Therapeut den Klienten den Wert eines Menschen und speziell den eigenen Wert selbst beschreiben. Anschließend wird als dritter Punkt das Thema konkretisiert und der Alltagsbezug hergestellt. Hat der Klient in seiner Umschreibung der Definition vom Wert eines Menschen beispielsweise bestimmte Definitionswörter wie Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und Fleiß genutzt, kann dies nun vom Therapeuten hinterfragt werden: „Und wenn eine Person diese Eigenschaften erfüllt, halten Sie diese für einen wertvollen Menschen?" oder „Haben Sie ein konkretes Beispiel für so einen Menschen in ihrem Bekanntenkreis?". Im vierten Schritt wird die Konkretisierung des Klienten durch den Therapeuten vertieft oder auch umformuliert: „Menschen die ehrlich, vertrauenswürdig, zuverlässig oder fleißig sind, sind wertvolle Menschen?". Der fünfte Schritt strebt die Widerlegung durch funktionale inhaltlich logische Disputationen der aufgestellten Behauptung bzw. des dysfunktionalen Gedankenmusters an. Dies kann beispielsweise durch eine polarisierende Alles- oder-Nichts-Frage seitens des Therapeuten eingeleitet werden: „Und wenn eine dieser Eigenschaften fehlt, dann halten Sie ihn für ein wertloses Subjekt?". Der Klient wird hierdurch dazu angehalten, seine Definitionsaussage eigenständig zu überprüfen und gegebenenfalls neue Definitionen hinsichtlich des Wertes eines Menschen zu formulieren. Der sechste Schritt führt zu einer alternativen funktionalen Definition bzw. eines widerspruchsfreien Modells.10 Für die Benennung alternativer Attributationen wird der Klient vom Therapeuten verbal sowie nonverbal durch Lob, Nicken, Lächeln oder weiteren positiven Interaktionen bestätigt.11 Anschließend kann der Therapeut beispielsweise die bisherigen Ergebnisse des Dialoges und der Wertdefinition des Klienten zusammenfassen und anhand eines Analogiebeispiels zur Lösung führen: „Wenn wir beispielsweise die Leistung einer Sportmannschaft beurteilen sollten, wie würden wir da sinnvollerweise vorgehen: Einen Mittelwert bilden oder jeden Spieler einzeln beurteilen?" Dies kann dem Klienten dazu verhelfen, die Lösung auf das eigene Problem zu übertragen und die Komplexität der Definition des Wertes eines Menschen sowie des eigenen Wertes in ein widerspruchsfreies Modell zu verändern. Hat der Klient seine pauschale Bewertung und Definition hinsichtlich des Zusammenhangs verschiedener Attribute und dem Wert einer Person erkannt, ist der abschließende, siebte Schritt erreicht und die Ergebnisse können zusammengefasst und überprüft werden.12
Zusammengefasst kann das Ziel des sokratischen Dialogs als eine Art des geleiteten und strukturierten Reflektierens der eigenen Gedanken definiert werden, die einen Perspektivwechsel ermöglichen, der tiefere Einsichten und neue Erkenntnisse hervorbringt. Hierdurch entstehen eigenverantwortliche Lösungen, Mut zur Selbstbestimmung, autonome Definitionen eigener Lebensinhalte, -ziele und Normen für lebensphilosophische Fragestellungen oder Probleme, die zu einem selbstbestimmten Leben führen.13
1.2 Einfluss auf Resilienz und Stressoren
Resilienz beschreibt die menschliche Widerstandsfähigkeit gegenüber schwierigen Lebensumständen und steht für psychische Robustheit, Widerstandskraft oder Unverwundbarkeit.14 Der Mensch benötigt sie, um Risiken und Herausforderungen bewältigen zu können und zur Ausschöpfung von Potentialen, welche die persönliche Entwicklung fördern. Insbesondere in Phasen höchster Beanspruchung fungiert Resilienz als eine Reservefähigkeit, um das Risiko einer psychischen Beeinträchtigung zu reduzieren oder ihr entgegen zu wirken.15 Gesundheitserhaltende Schutzfaktoren wie Kohärenzsinn, Optimismus, Humor oder Flexibilität bei der Zielverfolgung und Zielerreichung konnten im Rahmen der Resili- enzforschung mit dem Grad der psychischen Anpassung an besondere Belastungen in Zusammenhang gebracht werden. Hierbei gehört die Selbstwirksamkeit als eine der wichtigsten Komponenten der Resilienz zu den besterforschten Eigenschaften der Psychologie16 und beschreibt die Überzeugung eines Menschen, Dinge aus eigener Kraft gestalten und zum Positiven verändern zu können. Zusammen mit der Komponente Selbstvertrauen ergeben sich daraus erfolgreiche Problemlösungsgrundlagen. Außerdem hängt die Resilienz eines Menschen von der sog. Copingstrategie ab, die den Umgang einer Person mit Stressoren (Alltagsereignisse, kritische Lebensereignisse oder Traumata) beschreibt. Stressoren können laut Myers auf verschiedene Arten ausgelöst werden.17 So löst beispielsweise ein Stressor, dessen Auswirkung nicht eingeschätzt werden kann, erheblich stärkeren Stress aus, im Vergleich zu Stressoren mit absehbaren Folgen.18 Der Einfluss des sokratischen Dialogs bezüglich Resilienz und Stressoren liegt somit auf der Transformation negativer Stressoren in die Widerstandsfähigkeit stärkende Schutzfaktoren. Durch das systematische Aufbrechen dysfunktionalen Denkens mithilfe des sokratischen Dialogs wird ein Perspektivwechsel ermöglicht, der nicht nur zu eigenverantwortlichen Lösungen führt, sondern vielmehr den Mut zu Selbstbestimmung fördert, woraus sich Selbstwirksamkeit entwickelt, die (wie oben aufgeführt) eine Grundlage resilienter Persönlichkeiten bildet. Gleichermaßen definiert, laut Boud et al. (1985), das Selbstbewusstsein einen zentralen Teil der Resilienz, der es ermöglicht, Gefühle zu analysieren und relevante Ereignisse zu erkennen.19 Die Bewertung des Selbst ist Grundlage dafür, wie wir uns im Umgang mit anderen orientieren und verhalten.20 Durch die sokratische Gesprächsführung und das damit verbundene Reflektieren wird Selbstbestimmung gefördert und folglich eine Stärkung des Selbstbewusstseins bewirkt. Weiterhin führt die Bildung autonomer Definitionen hinsichtlich lebensphilosophischer Fragen und Probleme zur Stärkung des Kohärenzsinns, der das überdauernde und dennoch dynamische Gefühl des Vertrauens in die Erklärbarkeit der Umwelt und die Bewältigung von Herausforderungen definiert.21 Stressoren, deren Folgen zuvor als unvorhersehbar definiert wurden, können durch die sokratischen Gesprächsführung sinnhaft, strukturiert und erklärbar eingeordnet werden. Bezüglich Resilienz fördernder Copingstrategien verhilft die sokratische Gesprächsführung durch die Verbalisierung der vorhandenen Problematik, der Re- flektion sowie des daraus resultierenden Perspektivwechsels dazu, adaptive Co- pingstile wie problemfokussiertes (Situation analysieren, systematisch vorgehen), bedeutungsfokussiertes (Sinn herstellen, positiv interpretieren), emotionsfokussiertes (sich selbst aufmuntern oder beruhigen) oder auch beziehungsfokussiertes (um Unterstützung bitten, sich austauschen) Coping zu entwicklen bzw. zu erweitern,22 um somit den Umgang mit Stressoren zu bewältigen.
1.3 Beratungssituationen
Grundsätzlich wird die Anwendung des Sokratischen Dialogs besonders für änderungsresistente kognitive Umstrukturierungen genutzt und ist sowohl in psychoanalytischen, tiefen- und individualpsychologischen Schulen, wie auch bei den Gesprächs- und Kognitiven Therapieschulen vertreten.23 Sie ist vor allem dann indiziert, wenn es um größere Themen wie ethische bzw. philosophische Fragen,24 Begriffsklärung, dysfunktionale Grundüberzeugungen oder eigenverantwortliche Entscheidungen geht25 und dient als eine elegante Lösung, um beim Klienten keine Reaktanz auszulösen, die dazu führen könnte, den Klienten zu verlieren.26
Explikative Sokratische Dialoge finden Einsatz im Bereich von Kommunikationsstörungen bei Paaren und Gruppen, bei Klienten mit negativen Begriffserklärungen oder um bei depressiven Klienten Sinnfragen und Lebensziele zu definieren. Normative Sokratische Dialoge sind indiziiert, wenn es um das Erstellen einer Wertehierarchie hinsichtlich ethisch-moralischer Fragen geht, während mithilfe des funktionalen Sokratischen Dialogs Verhaltensweisen hinterfragt und Zielhierarchien erarbeitet werden. Es lässt sich jedoch festhalten, dass ein sokratischer Dialog nur mit Personen begonnen werden sollte, die die Fähigkeit zur Reflexion, Problembewusstsein und Veränderungsmotivation und eine reflexive Persönlichkeit besitzen.27
Aufgabe 2
2.1 Der kognitiv-behaviorale Ansatz
Der kognitiv-behaviorale Ansatz entwickelte sich aus der behavioristischen Psychologie nach J. B. Watson, der 1919 mit seinen Veröffentlichungen den behavioristischen Standpunkt erläuterte, der schnell an Bedeutung gewann. Als charakteristisches Merkmal dieser sogenannten „1. Welle" gilt die Übertragung von Ergebnissen aus tierexperimenteller Forschung auf die Psychotherapie. Fast zeitgleich waren es in den 50er-Jahren in den USA Skinner und Solomon, in England Eysenck und Shapiro, in Südafrika Wolpe, Rachman und Lazarus, die daraufhin die Anfänge der Verhaltenstherapie begründeten. Durch den Fokus auf die aus dem klassischen Behaviorismus stammende Black-Box-Metapher wurde das Hauptaugenmerk nicht auf innere psychische Prozesse gelegt, sondern auf objektiv beobachtbare dysfunktionale Verhaltensweisen, die mithilfe der systematischen Anwendung der klassischen bzw. operanten Konditionierung das Verlernen dysfunktionaler Verhaltensweisen der Patienten zum Ziel hatte.28 Generell gilt der Behaviorismus als radikale Ansicht, die den Schwerpunkt nicht auf Persönlichkeitseigenschaften, Motive oder anderen Bewusstseinsinhalte legt, sondern ausschließlich auf das Verhalten von Menschen und Tieren reduziert.29 Die kognitiven Aspekte dieses Ansatzes wurden mit der 2. Welle aus zwei unterschiedlichen Feldern angestoßen. Zunächst waren es vor allem Beck und Ellis, die den Einfluss von Kognitionen auf das Verhalten beschrieben. In den 60er Jahren entstand in der akademischen Psychologie eine Verlagerung des Forschungsschwerpunkts auf kognitive Prozesse.30 Somit entwickelte sich die zuvor stark auf Lernprinzipien beruhende Theorie, die eine direkte Verbindung zwischen Stimulus und Verhalten sah, zu einer kognitiv geprägten Theorie, in der vor allem die Gedanken, die einen bestimmten Stimulus betreffen, das Verhalten beeinflussen.
Sämtliche Vertreter kognitiver Verfahren beziehen sich auf philosophische Ideale der Lebensführung, die bereits in der Antike von den Epikureern und Stoikern formuliert wurden. So teilen diese die Auffassung, dass Affekte, Gefühle und Leidenschaften in hohem Maße durch kognitive Prozesse bestimmt sind, und begründen hierdurch zentrale Elemente des kognitiven Vorgehens.31 Beck bezieht sich in seiner kognitiven Therapietheorie auf eben diese antiken Vordenker und der Annahme, dass Kognitionen (Gedanken, Vorstellungen, Erwartungen, Wahrnehmungsstile) das emotionale Befinden beeinflussen und Störungen der Affektivität aus der Aktivierung von Schemata resultieren, die eine idiosynkratische Sicht der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft aufwei- sen. Diese störungsspezifischen Schemata werden von Beck als Grundlagen der Reizwahrnehmung und Informationsverarbeitung beschrieben, die durch akute belastende Erfahrungen oder Erfahrungen während des Sozialisationsprozesses entstanden sind. Ähneln spezifische Erfahrungen den Erfahrungen während der Entstehung des Schemata, werden unfreiwillig und reflexhaft „automatische" Gedanken in Gang gesetzt, die die dysfunktionalen Grundüberzeugungen stützen.32 Ellis Annahme im Rahmen der von ihm begründeten Rational-Emotiven Therapie war, dass vor allem irrationale Überzeugungen und dysfunktionale Gedanken den Ursprung von psychischen Erkrankungen darstellen. In diesem Zusammenhang entwickelte er auch das triadische ABC-Modell, das postuliert, dass nicht konkrete Ereignisse (A=„activating events") selbst, sondern erst deren Bewertung (B=„believe system") der Person zu emotionalen und Verhaltenskonsequenzen (C=„consequences") führen. Es sind folglich nicht die Ereignisse in der Umwelt, die zur psychischen Belastung führen, sondern wie diese bewertet werden. Als Ziel der Rational-Emotiven Therapie gilt, dem Patienten durch die Maximierung rationalen und Minimierung irrationalen Denkens zu neuen Bewertungen zu verhelfen.33
[...]
1 Vgl. Stavemann (2015), S.11.
2 Vgl. Fenner (2015), S. 211f.
3 Vgl. Stavemann (2015), S. 89.
4 Vgl. Ebd., S. 69ff.
5 Vgl. Röhner/Schütz (2016), S.94.
6 Vgl. Stavemann (2015), S. 94.
7 Ebd., S. 97f.
8 ebd.
9 Vgl. Röhner/Schütz (2016), S. 94.
10 Vgl. Stavemann (2015), S. 150.
11 Vgl. Wittke (2014), S. 57.
12 Vgl. Stavemann (2015), S. 150ff.
13 Ebd., S. 93.
14 Vgl. Henninger (2016), S.158.
15 Vgl. Rolfe (2019), S. 105-107.
16 Vgl. Mourlane (2015)
17 Vgl. Myers (2014), S. 537f.
18 Vgl. Rolfe (2019), S.107.
19 Vgl. Ispaylar (2016), S. 179.
20 Vgl. Frey/Henninger/Lübke/Kluge (2016), S.5.
21 Vgl. Ehlert (2018), S. 727.
22 Vgl. Rolfe (2019), S. 108.
23 Vgl. Stavemann (2015), S.115.
24 Vgl. Hellwig (2020), S.111
25 Vgl. Stavemann (2015), S.118.
26 Vgl. Wittke (2016), S. 56.
27 Vgl. Stavemann (2015), S. 118ff.
28 Vgl. Helle (2019), S. 127.
29 Vgl. Heckhausen/Heckhausen (2018), S.84.
30 Vgl. Helle (2019), S. 140.
31 Vgl. Margraf/Schneider (2018), S. 500.
32 ebd.
33 Vgl. Helle (2019), S. 141.
- Quote paper
- Anna-Maria Burchard (Author), 2021, Problemfelder der klinischen Psychologie. Sokratischer Dialog, kognitiv-behavioraler und klientenzentrierter Ansatz sowie psychologische Beratung versus Psychotherapie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006278
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