Inhaltsverzeichnis
1. Hintergrund
1.1. Biographie Epikurs
1.2. Werk
1.3. Der Garten
2. Das ultimative Ziel
2.1. Die Lust ({Úoä< )
2.2. Der Begriff der Lust
2.3. Verfügbarkeit und Kultivierung der Lust
2.3.1. Furcht
2.3.2. Begierde
2.3.3. Schmerz
3. Ethik
3.1. Tugend
3.2. Selbstgenügsamkeit (×ÓêÿèàÛß × )
3.3. Recht
3.4. Freundschaft
4. Naturlehre
4.1. grundsätzlicher Aufbau
4.2. Kanonik
4.2.1. Wahrnehmung
4.2.2. Prolepseis
4.2.3. “image making contact of the mind” (ì×äê×éêß à~ Ðçß áoâ~ ê~@ Úß ×äo¡ ×@ )
4.3. Gründe für die Modifikation der Systeme Leukipps und Demokrits
4.4. Die Parenklisis-Lehre
4.4.1. Die Fortbewegung der Lebewesen
4.5. Denkprozeß
4.6. willentliche Handlung (ê ùào£éß oä ) und Willensfreiheit
5. Götter
1. Hintergrund
In der Zeit des Hellenismus, in der feste Strukturen wie z.B. die polis zu schwinden scheinen, wurden zahlreiche philosophische Systeme entworfen, die das Individuum zum Ausgangs- und Endpunkt des Philosophierens erklärten, unter ihnen auch der Epikureismus. Seit Platon stand die Entwicklung auf politischem Sektor still. Die Polis war tot, die neuen philosophischen Schulen boten einen Ersatz für die fehlende Sicherheit.
1.1. Biographie Epikurs
Epikur wird 341 v. als Sohn eines Schulmeisters auf Samos geboren. In den Jahren 323-321 v. leistet er seinen Militärdienst in Athen. Dort bietet sich ihm die Gelegenheit, zahlreiche philosophische Lesungen der verschiedenen Schulen zu besuchen. 321 v. zieht Epikur zu seiner Familie nach Kolophon1. Er besucht Lesungen des Nausiphanes (den er später als Lungenfisch und als ÏÙèÿãã×êo@ bezeichnet), wird mit dem Atomismus konfrontiert, bevor er im Jahre 311 erstmals eine Lehrtätigkeit in Mytilene sowie in Lampsakos ausübt. Nach 5 Jahren harter Arbeit eröffnet Epikur seine erste eigene Schule in Athen, in deren Gebäude sich der berühmte Garten des Epikurs befindet. Epikur stirbt im Jahre 271 v.
1.2. Werk
Epikurs Hauptwerk stellt die leider verlorengegangene Arbeit “Über die Natur” dar, die sowohl naturphilosophische Probleme als auch erkenntnistheoretische und wahrscheinlich sogar ethische Themen behandelte. Epikur fertigte von diesem Werk einen großen wie auch einen kleinen Auszug an. Durch mittelalterliche Editionen sind uns drei Lehrbriefe Epikurs erhalten (Brief an Herodot, Menoikeus und (?)Pythokles). 40 sog. Hauptlehrsätze sind neben dem Gnomologicum Vaticanum Epicureum2 und einigen Fragmenten überliefert. Sowohl Cicero als auch Plutarch setzen sich mit dem Epikureismus auseinander, unsere Hauptquelle ist jedoch Lukrez, dessen Werk “de rerum natura” nach einer Vorlage Epikurs erstellt wurde.
1.3. Der Garten
Hier lehrte Epikur zu Lebzeiten, das Gebäude diente aber auch später noch als Schule der Epikureer. Die Schule Epikurs war streng hierarchisch aufgebaut, Epikur wurden nach seinem Tod fast göttliche Ehren zuteil. Sogar Frauen und Sklaven konnten in die Schule aufgenommen werden, die Schüler wurden aber nicht gezwungen, ihren Privatbesitz aufzugeben. Durch zahlreiche werbeträchtige Veranstaltungen im Garten selbst als auch zu anderen Gelegenheiten, gelang es Epikur, einen steten Zulauf zur Schule zu sichern. Dadurch, daß Epikur auch nach seinem Tod wie ein Gott veehrt wurde, blieb die Lehrmeinung weitestgehend konstant erhalten.
2. Das ultimative Ziel
Ein Aspekt vieler philosopischer Systeme ist die Frage, was das Wesen der ÛÓÚ×ßãoä¡× sei und welche Methoden man anwenden müsse, um sie zu erlangen. Für Epikur ist jegliches Philosophieren darauf ausgerichtet, diesen Weg aufzuzeigen3. Die ÛÓÚ×ßãoä¡× jedoch stellte nicht mehr, wie in vorhellenistischer Zeit einen “objektiven Tatbestand”4 dar, vielmehr bestand sie in der Verwirklichung aller vorgesetzten Zwecke. Daß jeder seinen eigenen êâo@ haben muß, ergibt sich aus der Überlegung, daß es sonst eine allumfassende Ordnung geben müsse, die dann selbst der Endzweck sei.
2.1. Die Lust ({Úoä< )
Im Epikureismus ist das lustvolle Leben der letzte Zweck. Die Begründung dafür liefert uns schon Eudoxos v. Knidos (398-345) bzw. Aristippos v. Kyrene (435-360). Eudoxos liefert uns folgende Argumente, die Lust als êâo@ anzunehmen: 1. Jeder Mensch strebt nach Lust; sie muß folglich gut sein
2. Unlust erscheint allen Menschen meidenswert
3. Lust wird zu keinem weiteren Zweck erstrebt
4. Fügt man Lust zu einem Gut hinzu, so steigert dies den Wert dieses Gutes.
5. Lust wird nicht weiter gelobt, sie ist also gewissermaßen erhaben.
Aristipp dagegen fragt nach dem, was dem Menschen ursprünglich gegeben sei. Er kommt zu dem Schluß, daß dies nur die persönlichen Erfahrungen seien. Diese Erfahrungen, nach denen man sein Handeln richte, seien Unlust und Lust.
2.2. Der Begriff der Lust
Grundlegend ist die Beobachtung, daß man durch ständige Introspektion feststellen kann, ob man gerade ein Bedürfnis oder ein Verlangen hat und ob dies momentan befriedigt ist. Ist ein Bedürfnis befriedigt (d.h. wir sind frei von Unruhe bzw. Unlust), so bezeichnet Epikur diesen Zustand als Lust ({Úoä<) .Die totale Unlustfreiheit wird von den Epikureern Ïê×è×å¡× genannt. Wichtig ist vor allem die Abhängigkeit der Lust von der Sinnlichkeit, in ihr erkennen wir die Theorie Aristipps wieder: Schmerz und Lust sind Kriterien, die dem Individuum helfen zu entscheiden, was für seine menschliche Natur schlecht bzw. gut ist. Ferner ist Epikur der Meinung, daß es keinerlei Skala gebe, an der man das gegenwärtige Lust”level” ablesen könne, es vielmehr nur zwei Zustände, Unlust und Lust, gebe. Diese Lust läßt sich weiter in katastematische (“zuständliche”) und kinetische (“bewegte”) Lust gliedern, wobei erstere die nicht vergrößerbare, göttliche Lust ist (z.B.: man ist satt), die kinetische Lust darin besteht, daß man gerade Unlust entfernt (man ißt). Diese beiden Formen der Lust lassen sich jedoch weiterhin durch die Definition (Unlustfreiheit) abdecken, auch sind sie nicht gleichbedeutend mit der Einteilung in geistige bzw. sinnliche Lust (Epikur selbst erwähnt als Beispiel für kinetische Lust Freude und Fröhlichkeit, zwei durchaus geistige Güter, die katastematische wird durch Seelenruhe (geistig) und Schmerzfreiheit (Ïçoä¡× , sinnlich) als Beispiele veranschaulicht).
2.3. Verfügbarkeit und Kultivierung der Lust
Nach Epikur ist es einem Menschen jederzeit möglich, lustvoll zu leben. Natürliche Bedürfnisse, wie etwa die Lebenserhaltung, lassen sich leicht befriedigen., die Bedürfnisse an sich müssen jedoch stets kontrolliert werden, zum einen, um sie befriedigen zu können, zum anderen, um selbstgenügsamer zu werden und das Vertrauen in die Immunität vor dem Zufall zu kräftigen. Bevor man Bedürfnisse kultiviert, muß man sich folgende Fragen stellen: “Werden mich die zu kultivierenden Begierden dem Zufall aussetzen ?”
“Werden sie meiner Selbstgenügsamkeit zu- oder abträglich sein ?” “Sind sie vollständig in Bezug auf ihre Zufriedenstellung ?”1
Auch kann man durch Kultivierung “teurerer” Bedürfnisse kein höheres Maß an Lust erreichen, da das Maximum an Lust dann erreicht ist, wenn keinerlei Unlust existiert. Diese Ausdehnung der Begierden könnte höchstens ein höheres Maß an kinetischer Lust zu Folge haben, das der Weise aber nicht benötigt. Man soll sich nicht auf die kinetische Lust konzentrieren, sondern sich bewußt machen, daß sie überflüssig ist und dadurch ein besseres Gefühl für Autonomie gewinnen. Dadurch, daß die Kultivierung der Begierden und damit auch die Lust vom Glauben abhängt, sieht sich Epikur veranlaßt, diesen Glauben zu beeinflussen, z.B. indem er den Atomismus lehrt. Der Mensch soll stets darauf bedacht sein, eine möglichst gute Lust-Unlust-Bilanz ziehen zu können. Epikur erwähnt in seinem Brief an Menoikeus: “Denn nicht eine endlose Reihe von Trinkgelagen [...] , sondern nüchternes Rechnen der Vernunft (ä<ìïä âoÙßéã¢@ ), das die Gründe allen Wählens und Meidens erforscht und das die Wahnvorstellungen vertreibt, derentwegen größte Aufregung die Seelen ergreift.”2 Nach Epikur gibt es drei Hauptquellen, die ein glückliches Leben gefährden können: Furcht, Begierde und Schmerz.
2.3.1. Furcht
In der Furcht erkennt Epikur die größte Gefahr für die Glückseligkeit. Die Hauptklassen der Furcht sind
a) die Furcht vor den Göttern und
b) die Furcht vor dem Tode, die sich wiederum in vier Kategorien aufteilen läßt: die Furcht vor den Schmerzen (Men.125), die Erwartung vom ewigen Schrecken nach dem Tod (Her.81), die Angst vor der Empfindungslosigkeit (Her.81) sowie die verkürzte Glücksmöglichkeit (HL 20). Doch gerade weil man im Tod jegliche Empfindung verliert, kann dieser (bzw. seine Folgen) durch keinerlei negative oder positive Auswirkungen begleitet sein (Men.124). Auch ist die Länge einer Lust von keinerlei Bedeutung: Die Glückschancen sind durch ein längeres Leben nicht zu vergrößern.1 Seinem Tod kann der Sterbliche folglich relativ gelassen entgegensehen.
2.3.2. Begierde
Lust ist nicht unbegrenzt steigerungsfähig, wichtig ist nur, daß die Unlust befriedigt ist (Der Magen z.B. ist nicht unersättlich, trotzdem meint man, ihm unermüdlich Nahrung liefern zu müssen). Epikur unterscheidet verschiedene Arten von Begierden: Demnach gibt es natürliche und leere Begierden. Natürliche Begierden können entweder nur natürlich sein (z.B. das Sexualverlangen) oder natürlich und notwendig a) für die Glückseligkeit, b) für die Störungsfreiheit des Körpers oder c) zum bloßen Überleben. Jegliche Begierde, die bei Nichterreichen nicht zu Schmerz führt ist nicht notwendig.
2.3.3. Schmerz
Schmerz wird von Epikur als ein Urübel angesehen. Im Unterschied zu Furcht und Begierde läßt sich Schmerz schlecht kontrollieren. Stellt man jedoch eine treffliche Lust-Unlust-Bilanz auf, so müßte man den Schmerz gut vorbereitet erfahren, außerdem kann man den Schmerz durch Empfindung von Lust kompensieren. Epikur beobachtet ein Verhältnis zwischen Intensität und Dauer des Schmerzes: “Entweder die Zeit oder das Leid ist klein.” (Men.133)2 Seneca, der offenbar unter Gicht litt, bemerkte, daß seine Nerven langsam abstumpften, der Schmerz also kleiner wurde. Auch der Weise empfindet bisweilen Unlust oder Schmerz, er jedoch vertraut darauf, daß dieser Mangel ohne größere Anstrengung wieder schwinden wird (schließlich hat er nach diesem Gesichtspunkt seine Bedürfnisse kultiviert) und infolgedessen seinen inneren Frieden nicht stören kann.
3. Ethik
Aus den gewonnenen Erkenntnissen über den Weg zur Glücklichkeit lassen sich nun praktische Grundsätze ableiten:
3.1. Tugend
Das höchste (abgeleitete) epikureische Gut ist die Einsicht (ìè¢äÝéß@ ), die sich sowohl auf das gute (à×â¢@ ), als auch auf das gerechte (Úßà×ߢ@ ) Leben auswirkt, sie ist gleichzusetzen mit ä<ìïä âoÙßéã¢@ . Im Gegensatz zur (theoretischen) éoì¡× ist der Begriff der Einsicht durchaus praktisch zu verstehen, da sie uns hilft, ein Gut von einem Übel zu unterscheiden, das fundamentalste Element aller Tugenden, also auch Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit. Tapferkeit ist in diesem Zusammenhang nur aus Kalkulationen des persönlichen Vorteils wählbar. Ungerechtigkeit ist nur deshalb zu meiden, weil die Angst vor Verfolgung Unlust darstellt.
3.2. Selbstgenügsamkeit (×ÓêÿèàÛß× )
Selbstgenügsamkeit entwickelt man aus der richtigen Einschätzung der Begierden. So würde Epikur zwar zu einem Festmahl gehen, er würde aber auch nicht trauern, wenn er nicht eingeladen würde, da er weiß, daß seine Glückseligkeit davon völlig unabhängig ist. Der Weise ist unabhängig von den (natürlichen) äußeren Gegebenheiten. Unnatürliche Faktoren könnten z.B. Menschen sein, die den Naturgesetzen nicht folgen und andere Menschen quälen. Der Spruch “Lebe im Verborgenen !” (Us.Fr.551) zieht die Konsequenz aus dieser Beobachtung. Man muß sich vor seinen Mitmenschen schützen, indem man ihnen so wenig Angriffsfläche wie möglich bietet (was keineswegs gleichbedeutend ist mit einem Eremitendasein). Epikur räumt jedoch ein, daß es einige Menschen gibt, denen Ehrgeiz angeboren ist, ein Verzicht auf Öffentlichkeit und politische Karriere also ein zu hohes Maß an Unlust verursachen würde, da diese Eigenschaft ein natürliches Bedürfnis darstellt (Us.Fr.555). Gehörte man jedoch nicht zu diesen zwanghaft ehrgeizigen Menschen, hatte man wohl ein recht unspektakuläres Leben vor sich (“die Verhaltensregeln könnte jeder Spießerverein rundweg als Satzung übernehmen.”1 ).
3.3. Recht
“Gerechtigkeit an sich hat es nie gegeben. Alles Recht beruhte vielmehr stets nur auf einer Übereinstimmung zwischen Menschen, die sich in jeweils verschieden großen Räumen zusammenschlossen und sich dahin einigten, daß keiner dem anderen Schaden zufügen oder von ihm erleiden soll.”2 Diese rechtspositivistische Einstellung steht im krassen Gegensatz zur Naturrechtstheorie (vgl. Platon). Recht bedarf eines historischen Aktes, eines Vertrages. Wo also keine Möglichkeit besteht, solch eine Vereinbarung zu schließen, existiert auch kein Recht. Epikur bezog dies sowohl auf die Tierwelt als auch auf barbarische Völker. Die Bewertung eines Gesetzes ist stets abhängig von dem Nutzen, den es allen beteiligten Parteien bietet.3 Der Weise ist sich immer bewußt, welchen Nutzen er aus dem jeweiligen Gesetz zieht.
3.4. Freundschaft
Epikureische Freundschaft ist kaum klar definiert, einerseits muß man Freundschaft des Profits wegen betreiben, andererseits fordert Epikur immer wieder altruistische Freundschaft und Freundschaft um der Freundschaft willen. Sind wir jedoch zu sehr auf die Freude unseres Freundes bedacht, berauben wir die Freundschaft ihres eigentlichen Zweckes: Nützlichkeit, obwohl Epikur auch sagt: “ Wir brauchen nicht so sehr die Hilfe der Freunde, vielmehr die Zuversicht, daß wir vom Freund Hilfe erwarten können, wenn wir sie brauchen”(GV 34). Nach Hobbes ist Altruismus entweder ein verkleideter Egoismus, hedonistische Mißkalkulation oder irrational. Denn, wenn das Gesamtziel Lust ist, dann müssen alle Handlungen entweder darauf ausgelegt sein, das eigene Wohl zu vergrößern oder irrational sein. Allerdings paßt die Hobbesche Vorstellung nicht zu dem Spruch “Ein Weiser hat zum Freund dieselbe Einstellung wie zu sich selbst” (de finibus) oder etwa zu Torquatus’ Äußerungen.4 Nach der epikureischen Lehre sind auch Götter befreundet, Rist meint sogar, daß sie Freundschaft der kinetischen Lust wegen hegen. Epikur rät von Heirat grundsätzlich ab, da Kinder viel Ärger verursachen.
4. Naturlehre
Grundsätzlich läßt sich sagen, daß Epikur den Atomismus Demokrits und Leukipps modifizierte, um auch der Kritik, die Aristoteles an diesem Modell übte, gerecht zu werden. Epikur sah die Physik eher als notwendiges Übel, um Menschen von ihren Ängsten zu befreien, die Natur weitestgehend zu entmythifizieren.
4.1. grundsätzlicher Aufbau
Das Universum ist unendlich, da, gesetzt den Fall es gäbe eine Grenze, außer dem All noch etwas anderes existieren müßte. Ferner hat sich das All nie verändert, da es nichts gibt in das es sich verändern könnte (nichts kommt aus nichts). In diesem Universum gibt es zahlreiche Welten, unter anderem auch unsere. Epikur schließt nicht aus, daß es Welten gibt, die mit unserer völlig übereinstimmen. Die einzigen Komponenten im Universum sind Atome und die Leere, durch die sich Atome bewegen können. Alles, was man fühlen kann ist ein Körper, der Rest ist Leere. Körper sind Verbindungen von Atomen, d.h. einige Atome sind benachbart und “verzahnen” sich (çÛèßçâoà< ). Nun bildet sich eine Hülle um diese Atome (ê éêÛÙÿÜoä ). Da sich die Atome innerhalb dieser Hülle bewegen, vibriert die Verbindung, wobei die Schwingungsweite die Festigkeit des Körpers bestimmt. Die Atome können in Gestalt, Gewicht, Größe und dem was notwendig mit der Gestalt zusammenhängt (Her.54) variieren.
Physisch sind diese Atome unteilbar, theoretisch jedoch kann man sie nochmals in kleinste Teilchen aufgliedern (dies hielt Epikur für notwendig, um die Mannigfaltigkeit auf der Erde, bzw. das Zustandekommen von Verbindungen zu erklären). Physikalische Objekte unterscheiden sich durch Gewicht, Form, Größe, Farbe, Geruch, Geschmack und Temperatur. Sekundäre Eigenschaften können z.B. Reichtum, Armut, Versklavung, Freiheit, Krieg oder Frieden1 sein. Lukrez beschreibt eingehender unsere Welt und die Natur. Dabei stellt die Welt eine Gesamtheit dar. Alles ist aus der Erde gekommen, erst Pflanzen, dann Tiere und schließlich die ersten Menschen, die aus “Bauchhöhlen” im Innern der Erde kamen. Die frühen Menschen konnten weder planen, noch Natureinflüsse berücksichtigen, sie waren nur in der Lage zu reagieren. Die Sprache entwickelte sich aus wahllosen Lauten, sie wurde später jedoch Konventionen unterworfen, um eine möglichst sinnvolle Namensvergabe zu gewährleisten.
4.2. Kanonik
Der Epikureismus erkennt Wahrnehmung als das höchste Kriterium, um die Existenz oder den Wahrheitsgehalt eines Dings bzw. einer Situation zu untersuchen. Von der Wahrnehmung abgeleitet sind die çèoâ<îÛß@ und die Gefühle, die helfen, die Effekte einer Wahrnehmung zu erfahren. Diogenes Laertius erwähnt jedoch, daß die Epikureer noch ein weiteres Kriterium erkennen: “the image-making contact of the mind”2.
4.2.1. Wahrnehmung
Die Wahrnehmung eines Bildes etwa stellt sich wie folgt dar: Das Objekt sendet ununterbrochen sein eigenes Bild aus. Der Kontakt von Bild und Sinnesorgan wird ì×äê×é¡× genannt. Diese Präsentation ist wahr, da das Objekt wahr ist und das Sinnesorgan nichts verändern kann, weil es irrational ist. Die Daten werden ausgewertet, indem man das empfangene Bild mit anderen Bildern bzw. mit Prolepseis und Gefühlen vergleicht. Bilder von Objekten, die weiter entfernt sind, sind unschärfer als die von nahen Objekten, da die Ecken des Bildes auf dem längeren Weg vom Objekt zum Auge abgeschliffen werden. Solche “Phantasie”figuren wie Kentauren entstehen dadurch, daß sich mehrere Atomfilme überlagern.
4.2.2. Prolepseis
Diogenes Laertius berichtet, daß Prolepseis eine Art Verständnis oder eine korrekte Meinung oder allgemeine Idee oder Gedanke sei, die im Gedächtnis gespeichert ist, also etwas das häufig von außen herangetragen wurde. Die epikureische Prolepseis von den Göttern ist z.B., daß sie glückselig und unsterblich sind, die stoische hingegen, daß sie sich der Menschheit gütig erweisen. Die Prolepseis dient vor allem philosophischen Untersuchungen oder anderen Anwendungen, die keinen direkten Kontakt zu einem Objekt benötigen.
4.2.3. “image making contact of the mind” (ì×äê×éêßà~ Ðçßáoâ~ ê~@ Úß×äo¡×@ )
Dieses Kriterium wurde von Epikureern “entdeckt”, Epikur selbst ist jedoch nicht dafür verantwortlich. Ein Beispiel für dieses Kriterium ist ein Bild von einem Gott, den man mit den Augen nicht sehen kann: Man sieht also mit dem Geist. Diese Bilder und alle Visionen von Geisteskranken oder unsere Träume sind dennoch “wahr”, weil sie uns bewegen können.
4.3. Gründe für die Modifikation der Systeme Leukipps und Demokrits
Epikurs Lehre vom Atomismus basiert auf den Systemen Demokrits und Leukipps. Diese Systeme kannten die Bewegungen, die von der Kollision herrührten. Zwar hatten Demokrits Atome ein bestimmtes Gewicht, sie bewegten sich dadurch aber nicht in eine festgelegte Richtung. Aristoteles bemerkt jedoch, daß diese Art von aufgezwungener Bewegung, die die aus der Kollision resultierende Bewegung darstellt, eine natürliche Bewegung voraussetzen müßte. Diese natürliche Bewegung müßte für alle Atome gleich sein (da Atome aus dem selben Stoff sind) und eine Richtung haben, ein Zentrum etwa oder eine endgültige Grenze; dies ist in der unbegrenzten Leere unmöglich. Ferner müßte ein Prinzip gefunden werden, daß erklärt, warum Bewegung unendlich sei. Epikur muß Aristoteles’ Kritikpunkte genau gekannt haben, denn er modifizierte die Modelle Leukipps und Demokrits in der Weise, daß sie den Ansprüchen Aristoteles’ genügen.
4.4. Die Parenklisis-Lehre
Epikur unterscheidet drei Arten von Bewegung:
1. die Bewegung, die durch das Gewicht der Atome verursacht wird (“abwärts” genannt),
2. die Bewegung, die durch die Kollision zweier Atome entsteht, wobei die Atome sich wieder voneinander entfernen und
3. eine Bewegung, die er als ç×èÙàâßéß@ (lat. clinamen) bezeichnet.
Was für eine Art von Bewegung ist diese Parenklisis ? Lukrez, unsere Hauptquelle zu diesem Thema, beschreibt sie als eine Abweichung während der (Abwärts-) Bewegung1 eines Atoms. Diese Bewegung ist sehr klein und ereignet sich zu keiner bestimmten Zeit und an keinem bestimmten Ort. Die Abweichung beträgt jeweils nur eine unteilbare Bewegungseinheit. Eine unteilbare Bewegungseinheit ist die Bewegung einer unteilbaren Distanzeinheit in einer unteilbaren Zeiteinheit.2 Aristoteles hatte behauptet, es gäbe erzwungene, aktive und passive natürliche Bewegung. Mithilfe der Parenklisis versuchte Epikur, das Problem der aktiven Bewegung zu lösen, schließlich verfügen Lebewesen über die Fähigkeit, aktiv eine Bewegung einzuleiten. Epikur hatte zwei Optionen: Er hätte versuchen können, dieses Problem durch Gewichts- und Kollisionsbewegung zu erklären, oder indem er eine neue Bewegung erfindet, die dieser Eigenschaft gerecht wird. Zwar begründet Epikur nicht, warum ein Atom abweicht, doch er führt diese neue Bewegung ein, aber er behauptete auch nicht, daß sie keinerlei Grund habe.3 Diese Bewegung auf eine kleinste Bewegungseinheit zu reduzieren erscheint sinnvoll, da die Stabilität des Alls sonst nicht gewährleistet wäre. Man konnte also dem Phänomen der Spontaneität Rechnung tragen, zugleich aber auch deren Macht einschränken.
4.4.1. Die Fortbewegung der Lebewesen
Lukrez konzentriert sich auf diese Anwendung der Abweichung. Gäbe es keine Abweichung, wären alle Bewegungen miteinander verbunden, im voraus festgelegt, sie stellt ein motus principium quoddam zur Verfügung. Alle Tiere habe voluntas, die Lukrez als libera...fatis avulsa beschreibt. Die Hauptfunktion dieser voluntas ist die Bewegung, wobei die Abweichung die Quelle der libera voluntas darstellt und damit die “ultimate source of their motions”4 ist.
4.5. Denkprozeß
Die Seele ist eine Zusammensetzung von drei verschiedenen Atom”sorten”: Atem (Luft), Hitze und ein ungenanntes drittes.5 Der irrationale Teil der Seele (anima) ist über den gesamten Körper verteilt, der rationale Teil (animus) befindet sich in der Brust. Der Geist ist im Epikureismus ein Sinn für besonders feine Atome, die von den anderen Sinnesorganen nicht wahrgenommen werden können, dafür aber im Geist Bilder erzeugen. Ferner urteilt der Geist über andere Sinneswahrnehmungen, erkennt z.B. ein Bild eines Objektes und vergleicht es mit einem bereits gespeicherten.
4.6. willentliche Handlung (ê ùào£éßoä ) und Willensfreiheit
“Alle Dinge entstehen entweder aus Notwendigkeit, durch Zufall oder durch unsere Kontrolle.” (Men.133) Lukrez führt für letzteres das Beispiel eines Pferderennens an: Ein Pferd steht am Startgatter, bereit loszurennen. Von den unendlich vielen Bildern, die es zur Auswahl hat, fokussiert das Pferd seinen Sinn auf das Bild des fallenden Startgatters. Das Bild wird dem Geist als Information geliefert. Das Pferd konzentriert sich sofort auf das nächste Bild: Rennen. Dieses Bild (simulacrum) kommt nicht von außen, sondern direkt in den Geist. Das Pferd ist jetzt bereit zu rennen. Der animus bringt seine leichten und glatten Atome in Bewegung, so daß er “wünscht” zu gehen: Sobald eine Abweichung stattfindet, vermittelt er diesen Wunsch an die anima und sendet den Befehl “gehen” durch den ganzen Körper. Die Zufälligkeit der Abweichung bedeutet keineswegs, daß die Bewegung zufällig ist.1 Ohne Parenklisis wären unsere Handlungen nicht mehr als Glieder in einer riesigen kausalen Kette, unsere Aktionen also kaum [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].
willentliche Handlung nach Lucretius:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5. Götter
Nach Epikurs Vorstellung leben die Götter in totaler Ruhe und Glückseligkeit zwischen den Welten. Grundsätzlich glauben Menschen an Götter, die sie im Schlaf oder im Wachen sehen können. Die epikureischen Götter haben Menschengestalt, da der Mensch das schönste Geschöpf ist. Die Aktivitäten der Götter beschränken sich auf Essen, Trinken und Unterhaltungen (in griechischer Sprache), aus denen sie unsägliche Lust erhalten. Sie beschäftigen sich also nicht mit den Geschicken der Menschen, da dies ihrem Wesen gänzlich widersprechen würde. Ständig erneuern die Götter zerfallene Atome (welche äußerst leicht und glatt sind). Obwohl die Götter nie müde sind, gibt es auch bei ihnen Perioden der Ruhe. Das Beten und die Opfer, um die Götter milde zu stimmen, entfällt für die Epikureer, dennoch sollen sie an derartigen Veranstaltungen teilnehmen, da man bei der Vorstellung von Göttern einen großen Lustgewinn erzielen kann. Konsequenz dieser Lehre ist, daß man vor Göttern keine Angst haben muß, da sie in das menschliche Leben nicht eingreifen.
6. Schlußbetrachtung
Der Epikureismus wurde lange in vielen Punkten mißverstanden. Epikur ist ein Ausdruck für “Genuß” und “uneingeschränkte Lust” geworden. Selbst Auguste Escoffier betitelte eines seiner Werke “Epikurs Taschenbüchlein”. Dabei ähneln die epikureischen Götter eher glückseligen Buddhas, der Weise einem Asketen. Oft wurde versucht, Epikur für das Christentum zu adaptieren, etwa in dem man Gott zur ersten Ursache der Materie machte und eine unkörperliche Seele annahm (Gassendi). Doch gerade die Eigenheit seines konsequenten Atomismus’ und die Unabhängigkeit von den grausamen homerischen Göttern oder von einem göttlichen Plan machen ihn für uns so interessant.
Literatur:
Gerhard Nebel, Griechischer Ursprung, Wuppertal 1948, 223-315 John Michael Rist, Epicurus. An introduction, Cambridge 1972
Walter George Englert, Epicurus on the swerve and voluntary action, Atlanta 1987, part. 13-74 Phillip Mitsis, Epicurus’ ethical theory. The pleasures of invulnerability, Ithaca/New York 1988 Malte Hossenfelder, Epikur, München 1991
Johannes Mewaldt, Epikur. Philosophie der Freude, Stuttgart 1973 Walter F. Otto, Epikur, Stuttgart 1975
Microsoft(R) Encarta(R) 1996 Encyclopedia
[...]
1 Nach der Niederlage der griechischen poleis bei Krannon mußten alle attischen Siedler die Insel Samos verlassen.
2 1888 in einem vatikanischen Manuskript des 14. JH entdeckt
3 Philosophie sei die “Tätigkeit, die durch Argumentation und Diskussion das glückselige Leben verschafft.” (H. Usener, Epicurea, Leipzig 1887)
4 Hossenfelder
1 nach Mitsis
2 Men. 132
1 “Die Unendlichkeit birgt die gleiche Freude wie die begrenzte Zeit, wenn man nur die Grenzen der Freude durch Nachdenken richtig ermittelt hat.” (HL 19)
2 Cicero faßte dies zu dem eingängigen Spruch “Si gravis, brevis; si longus, levis.” zusammen.(Fin II 22)
1 Hossenfelder
2 HL 33
3 “Wenn aber jemand ein Gesetz durchsetzt, das dem innerhalb der Gemeinschaft bestehenden wechselseitigen Nutzen nicht entspricht, so besitzt dieses Gesetz nicht mehr die Eigenschaft eines wirklichen Rechts.” (HL 37)
4 a) Ich behandle die Lust meines Freundes wie meine eigene Lust.
b) Ich behandle meinen Freund wie mich selbst.
1 nach Lukrez
2 Rist, in etwa “der visuelle Kontakt des Geistes” (im Gegensatz zur Wahrnehmung von Bildern mit den Augen)
1 “..it seems to be the general consensus of scholars working on the problem in this century that atoms can swerve when they are travelling in any direction, not just downwards. “( Englert)
2 Atome “bewegen” sich demnach nie, sie haben sich bewegt. Diese ruckartigen Bewegungn werden als àßä<ã×ê× bezeichnet.
3 Schon Aristoteles hatte ein “zufälliges” Moment entwickelt, den “éëãáÛáÝà¢@, das Epikur als Parenklisis aufnehmen konnte.
4 Englert
5 Bei Lukrez sind es vapor/calor, ventus/aura, aer und ein ungenanntes
1 Mitsis z.B. meint, daß, wenn menschliche Gedanken von zufälligen Atombewegungen abhängig seien, der Mensch kaum als verantwortliches Wesen zu betrachten sei.
- Arbeit zitieren
- Felix Müller (Autor:in), 2001, Die Philosophie der Epikureer unter besonderer Berücksichtigung der Ethik und der Parenklisis-Lehre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100576
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