Ein Reich in Aufruhr, ein Glaube auf dem Prüfstand: Tauchen Sie ein in die düstere Welt des Investiturstreits, einem der folgenreichsten Konflikte des Mittelalters. Als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im elften und zwölften Jahrhundert um seine Identität ringt, entbrennt ein erbitterter Machtkampf zwischen Kaiser und Papst. Es geht um weit mehr als nur die Besetzung von Bischofsstühlen; es geht um die fundamentale Frage, wer die Oberherrschaft über die Christenheit beanspruchen darf. Verfolgen Sie, wie sich die Wurzeln dieses Konflikts tief in die Vergangenheit graben, von den letzten Tagen des Römischen Reiches bis zur Krönung Karls des Großen, und wie die "Pippinische Schenkung" den Grundstein für eine explosive Konfrontation legt. Erleben Sie die dramatischen Zuspitzungen unter Heinrich IV. und Gregor VII., den Gang nach Canossa, der mehr Taktik als wahre Reue ist, und die Intrigen um Gegenpäpste und politische Allianzen. Entdecken Sie die treibenden Kräfte der Cluniazensischen Reformbewegung, die gegen Simonie und Laieninvestitur kämpft und eine "libertas ecclesiae" fordert. Werden Sie Zeuge, wie Heinrich V. und Papst Paschalis II. in Ponte Mammolo einen Ausgleich suchen, der letztlich scheitert, und wie erst das Wormser Konkordat 1122 einen Kompromiss zwischen weltlicher und geistlicher Macht schmiedet. Doch dieser Friede ist trügerisch, denn die Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Staat, von Glauben und Politik, bleibt bis heute eine Herausforderung. Eine fesselnde Reise in eine Epoche, in der Päpste Könige stürzten und Könige Päpste ernannten, in der die Grenzen zwischen geistlicher und weltlicher Macht verschwammen und Europa in seinen Grundfesten erschüttert wurde – ein Kampf um die Seele des Abendlandes, der bis heute nachwirkt und uns zwingt, über die Natur von Macht, Glauben und Autorität nachzudenken. Eine Geschichte von Intrigen, Machtspielen und dem unaufhaltsamen Streben nach Vorherrschaft, die das mittelalterliche Europa für immer veränderte und die bis heute unsere Welt prägt.
Investiturstreit
Um den historischen Kontext des Konflikts von imperium und sacerdocium im 11. und 12. Jahrhundert beschreiben zu können muss man bis zum Untergang des imperium romanum im Jahre 476 ausholen, als der letzte römische Kaiser Romulus Augustus von Odoaker abgesetzt wurde. Der Wunsch nach einem neuen, mächtigen weltlichen Herrscher wich der Anschauung, das christianisierte Abendland könnte vom römischen Bischof, der Nachfolger des Heiligen Petrus, zusammengehalten werden. Da sich der oströmische-byzantinische Kaiser aber als unfähig erwies, Rom gegen die Langobarden zu schützen, suchte sich der Papst im achten Jahrhundert eine neue Schutzmacht, die Franken.
Eine einfache Fälschung genügte Papst Stephan II im Jahre 754 dem ungebildeten Frankenkönig Pippin dazu zu bringen, für ihn gegen die Langobarden in den Krieg zu ziehen und große Teile Italiens für den Papst zu erobern, die angeblich Kaiser Konstantin im Jahre 317 Papst Silvester für die Heilung vom Aussatz überlassen hätte.
Diese „Pippinische Schenkung“ machte den Papst erstmals zu einem weltlichen Herrscher.
Als der Papst wiederum militärische Hilfe benötigte und sich von Byzanz lossagen wollte, krönte der Papst im Jahre 800 Karl den Großen zum frnänkischen Kaiser. Dieser war nicht besonders erpicht auf die römische Kaiserwürde, viel lieber stellte er sich in die Tradition der jüdischen Kaiser, er wollte auch als Beauftragter Gottes über die Gläubigen herrschen. Karls Ausrufung zum Kaiser, die von der Akklamation der Römer abhing war aus byzantinischer Sicht ein Staatsstreich, mit dem man sich aber abfinden musste. Zu diesem Zeitpunkt was das Verhältnis von Papst und Kaiser noch problemlos. Zusammen wollte man die civitas die errichten, das Reich Gottes auf Erden verwirklichen. Am Anfang des Aachener Kaisertums was der Einfluß des weltlichen Herrschers noch groß. Nur wer ein Treueversprechen auf den Kaiser ablegte, konnte Papst werden. Außerdem hatte der Pontifex Maximus nur einen geringe Möglichkeit der Mitbestimmung bei der Bischofsinvestitur im 9. Jahrhundert, aber um 900 wurden die Päpste mächtiger. In der letzten Zeit des Aacherer Kaisertum, das sich 924 in Luft auflöste, bildete sich die Vorstellung heraus, dass der Papst über den Kaiser, nun meist unbedeutende Potentaten, zu verfügen habe. Die Aufgabe des Kaisers liege vordergründig in der als Schutzherr der Kirche. Nach 38 kaiserlosen Jahren kam Otto I 962 auf ein Hilfegesuch vom Papst nach Rom. Dort wurde er zum Römischen Kaiser gekrönt und begründete das Römische Reich deutscher Nationen, das bis 1806 Bestand hatte. Außerdem erkannte Otto dem Papst noch weitere Gebiete zu, die scheinbar alle mal im Besitz der Kirche gewesen sein sollten. Nur mit diesem Hintergrund ist der Bruch der gottwelten Einheit in den nächsten zwei Jahrhunderten zu verstehen.
Die Einflussbereiche von sacerdocium und imperium hatten sich mehr und mehr überschnitten. Dem Kaiser wurden geistliche Aufgaben, wie die Investitur der Bischofe mit Ring und Stab, zugesprochen und der Papst leitete eine stark verweltlichte Kirche. Bischöfe waren wegen ihrer Kinderlosigkeit und ihrer Bildung als wichtige Reichsverwalter in die Pflicht genommen.
Aus diesem Grunde ging vom 910 gegründeten Kloster Cluny eine Reformbewegung aus, die als Vorbild für die verrohte Welt dienen sollte und eine Rückbesinnung auf christliche Tugenden erreichen. Vor allem kämpfte man gegen Simonie und Laieninvestitur und für eine „libertas ecclesiae“.
Kaiser Heinrich II, der bis 1039 regierte war sehr reformfreudig und wollte die civitas die errichten, gleichzeitig die Klöster für die Interessen des Reiches nutzen. Er stärkte die Stellung der Bischöfe, die seine Reformen auch unterstützten und mischte sich allgemein sehr in die Belange der Kirche ein.
Mit seinem Nachfolger Heinrich III, der 17 Jahre bis 1056 an der Macht war, wuchs die Macht des weltlichen Herrschers noch mehr. Er verzichtete auf Simonie und gab damit eine einträgliche Geldquelle auf. Seine Macht als Chef der Reformbewegung und Weltherrscher kam 1046 zum Ausdruck, als er auf der Synode von Sutri alle drei römische Papste, auch den Reformpapst wegen Simonie absetzte und Clemens IX ernannte.
Zwischen Papst und Kaiser waren die Spannungen noch klein, wuchsen aber, da der Papst den Einfluß des Kaisers aus der Kirche wegzudrängen versuchte. Die Bischöfe waren wegen der Beschneidung ihrer Machtbereiche unzufrieden.
Nach seinem Tod und der schwachen Vormundschaftregierung seiner Frau für seinen 6 Jahre alten Sohn wurde das Papsttum offensiv. Der gesalbte Kaiser wurde zum Laien herabgesetzt, er durfte nicht mehr investieren und solle mit dem Papstwahldekret von 1059 auch keinen Einfluß mehr auf die Papstwahl bekommen. Papst Nikolaus sprach ihm nur „honor et reverentis“ zu. Außerdem stieg die Macht des Papsttums mit der Unterstützung der Normannen.
Dieses stiess nicht auf Wohlgefallen bei dem nunmehr regierenden Heinrich IV. Nach dem Frieden von Gerstungen 1074 sah er sich so mächtig, dass er den Bischof von Mailand absetzte. Als Antwort auf die Schroffe Ermahnung des reformfreudigen Papstes Gregor VII forderte Heinrich IV ihn 1076auf, als Papst abzudanken.
Die Kirche fühlte sich aber so stark, dass Gregor Heinrich 1077 mit einem Gebet an den Apostel Petrus exkommunizierte und daraufhin die mit heinrich verbündeten Fürsten und Bischöfe auf die Seite Gregors rückten.
Nur durch den untergebenden Bußgang bei Canossa wurde Heinrich wieder in die Gemainschaft der Christenheit aufgenommen, aber trotzdem war Heinrichs Bußgang taktisch klug.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es im Investiturstreit?
Der Investiturstreit war ein Konflikt zwischen dem Kaiser (imperium) und dem Papst (sacerdocium) im 11. und 12. Jahrhundert. Er handelte hauptsächlich um die Frage, wer die Macht hatte, Bischöfe zu ernennen (Investitur).
Wie begann der Konflikt zwischen Kaiser und Papst?
Der Konflikt wurzelt im Untergang des Römischen Reiches und dem Aufstieg des Papstes als spirituelle und später auch weltliche Macht. Der Papst suchte Schutz bei den Franken, was zur "Pippinischen Schenkung" führte und den Papst zu einem weltlichen Herrscher machte. Karl der Große wurde vom Papst zum Kaiser gekrönt, was das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Macht weiter komplizierte.
Was ist die "Pippinische Schenkung"?
Eine Fälschung, die Papst Stephan II benutzte, um den Frankenkönig Pippin davon zu überzeugen, gegen die Langobarden zu kämpfen und dem Papst große Teile Italiens zu überlassen. Dies machte den Papst erstmals zu einem weltlichen Herrscher.
Welche Rolle spielte Karl der Große?
Karl der Große wurde im Jahr 800 vom Papst zum Kaiser gekrönt. Zunächst war das Verhältnis zwischen Papst und Kaiser unproblematisch, doch später entwickelte sich die Vorstellung, dass der Papst über dem Kaiser stehen sollte.
Was war die Cluniazensische Reformbewegung?
Eine Reformbewegung, die vom Kloster Cluny ausging und eine Rückbesinnung auf christliche Tugenden forderte. Sie kämpfte vor allem gegen Simonie (Ämterkauf) und Laieninvestitur und für eine "libertas ecclesiae" (Freiheit der Kirche).
Welche Rolle spielte Kaiser Heinrich III.?
Heinrich III. war ein mächtiger Kaiser, der Simonie ablehnte. Auf der Synode von Sutri setzte er sogar drei römische Päpste ab und ernannte Clemens IX.
Was war das Papstwahldekret von 1059?
Ein Dekret, das den Einfluss des Kaisers auf die Papstwahl einschränken sollte.
Was geschah bei Canossa?
Kaiser Heinrich IV. unterwarf sich 1077 Papst Gregor VII. in Canossa, um von der Exkommunikation befreit zu werden. Dies war ein wichtiger symbolischer Akt im Investiturstreit.
Wie endete der Investiturstreit?
Der Investiturstreit endete 1122 mit dem Wormser Konkordat. Der Kaiser verzichtete auf die Investitur mit geistlichen Symbolen, während er im Gegenzug die Papstwahl durch seine Anwesenheit beeinflussen konnte.
Was war das Wormser Konkordat?
Ein Vertrag zwischen Kaiser Heinrich V. und Papst Kalixt II., der die weltlichen und kirchlichen Einflussbereiche trennte. Der Kaiser verzichtete auf die Investitur mit geistlichen Symbolen, beeinflusste aber die Papstwahl durch seine Anwesenheit.
- Arbeit zitieren
- Frank Westermann (Autor:in), 2001, Der Investiturstreit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100290