Einführung
Die Bildung eines wesentlich orientierten, westdeutschen Teilstaates aus den drei Westzonen ging weit mehr auf die Initiative der Westmächte zurück als auf Wünsche und Vorstellungen westdeutscher Politiker. Amerikaner und Briten gaben auf der Londoner Sechsmächtekonferenz im Frühjahr 1948 den Anstoß dazu, dass aus dem Zusammenschluss der drei Westzonen ein westdeutscher Teilstaat mit ,,regierungsartiger Verantwortung" entstand. Diese Pläne lehnten die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder anfangs ebenso ab wie die Bemühungen der Sowjetunion und der SED- Führung, mit der Volkskongressbewegung die deutsche Einheit im kommunistischen Sinne als Volksbewegung voranzutreiben.
Schon im Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz ausarbeitet, spielte die Persönlichkeit eine wesentliche Rolle, die nach der Konstituierung des ersten Deutschen Bundestages die junge Bundesrepublik nachhaltig prägte: Konrad Adenauer. Er verstand es, den von ihm, geführten Regierungen, seiner Partei und ihrer Bundestagsfraktion seinen Stempel aufzudrücken und seinen Willen durchzusetzen. Keiner seiner Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers hat so nachdrücklich die im Grundgesetz verankerte Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers beansprucht wie er. Einer der vielen Adenauer- Karikaturen aus den 50er Jahren zeigte Adenauer mit seinem ,,Schattenkabinett": ihn jeweils als Minister, den eigentlichen Fachminister nur als Schlagschatten.
Adenauers großer Gegenspieler im zweiten deutschen Teilstaat, der Deutschen Demokratischen Republik, hielt sich dagegen mehr im Hintergrund und baute seine staatliche Position erst Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre aus. Walter Ulbricht hatte die Stalinschen Säuberungen der 30er Jahre in Moskau als opportunistischer Emigrant überlebt. An Zähigkeit und taktischem Gespür war er den meisten seiner Gegner weit überlegen. Als 1. Sekretär der SED war er der wichtigste Mann in der neuen DDR. Die starke Stellung der SED, die er mit sowjetischer Hilfe aufgebaut hatte, erlaubte ihm diese Form der Herrschaft. Außenpolitisch war die Epoche 1949- 1961 vor allem durch den kalten Krieg gekennzeichnet, der in die deutschlandpolitischen Entscheidungen der ehemaligen Anti- Hitler- Koalition hineinspielte. Deutlich wurde dies vor allem in der Frage der Wiederbewaffnung. Unter Führung der USA wurde- vor allem nach dem Ausbruch des Koreakrieges- der Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik erörtert und der Aufbau der Bundeswehr psychologisch vorbereitet, auch wenn dies die meisten Deutschen zu diese Zeit noch ablehnten. In der DDR wurden Teile der Deutschen Volkspolizei zunächst in paramilitärischen Verbänden zusammengezogen, aus denen 1952 die Kasernierte Volkspolizei und 1956 schließlich die Nationale Volksarmee entstand. Schwerpunkt der bundesdeutschen Außenpolitik war die Westintegration der Bundesrepublik. Ziel der Adenauerschen Politik war zwar die Wiedervereinigung Deutschlands, in erster Linie wollte Adenauer aber zunächst die volle Souveränität für die Bundesrepublik Deutschland erreichen. Dies schien ihm nur möglich durch die enge Anlehnung an die USA. Mit ihrer Hilfe gelang ein beispielloser wirtschaftlicher Aufschwung, der die Bundesrepublik zum geschätzten Verhandlungspartner vieler Staaten werden ließ. Mit der Anerkennung der deutschen Schuld an der Vernichtung der Juden in der Zeit des Dritten Reichs und der Bereitschaft, Wiedergutmachung zu leisten, gewann die Bundesrepublik auch wieder an moralischem Ansehen.
Heftige innenpolitische Kontroversen zwischen SPD- Opposition und Bundesregierung gab es um die Außenpolitik. Zwar war die SPD politisch antikommunistisch eingestellt, doch verfocht sie lebhaft und nachdrücklich die Wiedervereinigung Deutschlands. Sie war bereit dafür auch einen Status als neutrales Land in Kauf zu nehmen. Die in ihren Augen überstürzte Politik der Westintegration bedeute für die SPD die Zementierung der deutschen Spaltung. Erst als sie mit ihrem Deutschland- Plan (1959) auch bei der Sowjetunion auf Ablehnung stieß, begann die Umorientierung. Die Hinwendung zur Marktwirtschaft im Godesberger Programm und die große deutschlandpolitische Rede Herbert Wehners 1960 im Deutschen Bundestag markierten den Wendepunkt in der Politik der SPD.
Ein Problem von vorrangiger innenpolitischer Bedeutung war die Situation der Empfänger von Sozialleistungen, die auch durch den beginnenden Wirtschaftsaufschwung nicht gebessert wurde, sondern eine umfassende Reform des gesamten Sozialwesens erforderte. Kernstück dieser Reform wurde die Rentenreform 1957, an der zwar alle Partein gleichmäßig beteiligt waren, für die aber letztlich nur die Union unter Bundeskanzler Adenauer die Früchte einstreichen konnte, als die Bundestagswahl 1957 mit absoluter Mehrheit gewann. Daneben war einer Hauptschwierigkeiten der Bundesregierung vor allem die Eingliederung der Vertriebenen und der ehemaligen Kriegsgefangenen. Für diese Gruppen mussten nicht nur Arbeitsplätze bereitgestellt werden, sondern es galt auch dafür Sorge zu tragen, das erlittene Vermögensverluste ersetzt und Rentenansprüche geklärt wurden. Mit dem Heimkehrgesetz und dem Lastenausgleich wurden die entscheidenden Grundlagen zu einer erfolgreichen Einbindung in die Gesellschaft der neuen Bundesrepublik gelegt.
Eine entgegengesetzte Entwicklung zeichnete sich in der DDR ab. Nachdem die SED mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht ihre Vormachtstellung endgültig gesichert und jede politische Opposition ausgeschaltet hatte, vollzog sie den ,,Übergang von einer antifaschistisch- demokratischen Ordnung" zum ,,Aufbau des Sozialismus", der im Juli 1952 auch offiziell als Staatsziel verkündet wurde. Innenpolitische Gegner waren dem Terror und der Willkür staatlicher Organe und der Parteiinstanzen ausgesetzt, im Februar 1950 wurde ein Ministerium für Staatssicherheit eingerichtet.
1949 war die Planwirtschaft eingeführt worden, zwei Jahre später trat der erste Fünfjahresplan (1951-55) in Kraft. Umfangreiche Reparationsleistungen für die Sowjetunion belasten zusätzlich die schwierige wirtschaftliche Situation. Ziel der Ulbrichtschen Wirtschaftspolitik war zunächst einmal die Ankurbelung der Schwerindustrie als Grundlage des wirtschaftlichen Lebens in der DDR. Mit Hilfe der Planwirtschaft und rigoroser Festsetzung von Arbeitsnormen suchte man diesem Ziel näher zu kommen. Dabei scheute man auch nicht vor Täuschung zurück: Als der im Bergbau tätige Hauer Adolf Hennecke am 13. Oktober 1948 seine Arbeitsnorm mit 380% überfüllte und damit die ,,Aktivisten- Bewegung" begründete, war die Propagandaabsicht unverkennbar. Eine solche Übererfüllung der Arbeitsnorm war nur auf die gute Vorbereitung und eine gut organisierte Zuarbeit zurückzuführen; unter normalen Arbeitsbedingungen waren sie unmöglich. Der Protest gegen den wachsenden Arbeitsdruck und die Verweigerung politischer Mitspracherechte entlud sich schließlich im Aufstand vom 17. Juni 1953, der von sowjetischen Truppen niedergeschlagen wurde.
Danach versuchte die SED die ablehnende Haltung in weiten Teilen der Bevölkerung dadurch abzubauen, dass sie eine Verbesserung der Lebensbedingungen ankündigte und den politischen Druck zeitweilig lockerte. Die Entwicklung, die der sowjetische Parteichef Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 angekündigt hatte, zeigte in der DDR kaum Wirkung. Bereits Ende desselben Jahres wurden unter dem Eindruck des ungarischen Volksaufstandes Reformkommunisten wie Wolfgang Harich, die einen eigenen gesamtdeutschen Weg zum Sozialismus gefordert hatten, hart bestraft. Als Walter Ulbricht auf dem V. Parteitag der SED 1958 ankündigte, in kurzer Zeit solle Westdeutschland im Pro- Kopf- Verbrauch erreicht und überholt werden, wurde deutlich wie wichtig der Vergleich der wirtschaftlichen Lebensbedingungen in der Konkurrenz zwischen Ost und West geworden war. Spätestens am Ende des Jahrzehnts war unübersehbar, dass die SED damit eine illusionäre Zielsetzung verfolgt hatte. Die Kluft zischen Partei und Gesellschaft zeigte sich in einer anhaltenden Fluchtbewegung, die schließlich mit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 beendet wurde.
Außenpoltisch war die DDR isoliert, sie war allein von der sowjetischen Bestandsgarantie abhängig und erlangte erst 1955 nach dem Vertrag mit der Sowjetunion innerhalb des Ostblocks einen gleichrangigen Status im Rahmen des Warschauer Paktes. Die Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft blieb ihr außerhalb des kommunistischen Staatensystems versagt. Anders als die Bundesrepublik lehnte die DDR eine Wiedergutmachung an Israel ab. Ihr Standpunkt war, dass sie nicht der Rechtsnachfolger des untergegangenen Deutschen Reiches sei; mit der Gründung des ,,ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates" sei ein neuer Staat entstanden. Seit Mitte der 50er Jahre suchte Ulbricht seine Zweistaatentheorie durchzusetzen. Seine bedingungslose Anlehnung an die Sowjetunion sorgte für einen Abbau des sowjetischen Misstrauens und gab der DDR zu Beginn der 60er Jahre auch außenpolitischen Spielraum.
Auch im Innern entwickelten sich die beiden deutschen Teilstaaten auseinander. In der Bundesrepublik machte sich, nachdem die Gefahr eines Krieges 1950/51 gebannt war, Zufriedenheit breit. Man arbeitete hart und lange, zog sich in Familie oder Vereine zurück und suchte- wenn meist auch unbewusst- gleichsam den Anschluss an die Vorkriegszeit, die Jahre er nationalsozialistischen Herrschaft blendete man weitgehend aus. Im Arbeitsleben gelang die stufenweise Einführung der 40- Stunden- Woche, dies wiederum machte sich auf dem Arbeitsmarkt durch Arbeitskräftemangel bemerkbar und stellte die Weichen für die Anwerbung der ,,Gastarbeiter" genannten ausländischen Arbeitnehmer seit den 60er Jahre. Im großen und ganzen bot die Gesellschaft der Bundesrepublik ein Bild von Selbstzufriedenheit und Stabilität. Gleichzeitig waren die 50 er Jahre gerade in der Bundesrepublik das Jahrzehnt einer stürmischen Modernisierung. Seine Energien bezog dieser Modernisierungsschub aus der Währungsreform und dem Wiederaufbau. Die Währungsreform legte die Grundlage, sie war das äußere Zeichen, dass die wirtschaftliche Entwicklung vorwärtsging. Der Wiederaufbau war zwingende Notwenigkeit, denn die Kriegszerstörungen mussten beseitigt, den Menschen Wohnungen und Arbeitsstätten gebaut werden. Für den Städtebau war dies die einmalige Chance, alte Städte völlig neu zu planen. Der Wiederaufbau der zerstörten Frankfurter Altstadt z.B. wurde erst gar nicht mehr ernsthaft erwogen, sondern es wurden teilweise völlig neue Straßenzüge angelegt. Beim Wohnungsbau knüpfte mal zum Teil an die Wohnungsbauten zur Zeit der Weimarer Republik an. Im Industrie- und Verwaltungsbau ging man von dem pompösen Baustil des Dritten Reichs ab. Helle, lichtdurchflutete Gebäude entstanden, mit großen, weit geschwungenen Treppenhäusern. Auch nach außen wurde so demonstriert , dass hier eine neue, offene Gesellschaft entstand, die sich deutlich absetzen wollte gegen die nationalsozialistische Zeit. Die Bundesrepublik zeigte sich als moderner und wohlhabender Staat. Dieses Bild hatte seinen Reiz vor allem für die Bewohner der DDR. Sie waren von der wirtschaftlichen Entwicklung des Westens abgekoppelt, durften nicht am Marshallplan teilnehmen und litten unter der Parteidiktatur der SED. Dies alles führte dazu, dass viele in der DDR die Zustände doppelt unerträglich fanden und aus ihrem Machtbereich zu entkommen sichten. Die Flüchtlingszahlen ließen den wirtschaftlichen Kollaps der DDR befürchten, denn es flohen gerade diejenigen , die die Last des wirtschaftlichen Aufbaus hätten tragen sollen: die arbeitsfähige Bevölkerung. Nur durch den Bau der Berliner Mauer 1961, der eine politische Kapitulationserklärung darstellte, gelang es der SED- Führung, die Fluchtbewegung zu unterbinden. Damit begann für die DDR eine Phase der Konsolidierung. Bundesrepublik und DDR mussten sich nun mit dem ungeliebten andern Staat auseinandersetzen und sich miteinander arrangieren.
- Arbeit zitieren
- Katrin Kukuk (Autor:in), 2001, Politisches Wirken und Regierungszeit Konrad Adenauers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100193
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