In diesem Essay soll der Entstehungsprozess nachgezeichnet werden, den die Vorbereitungen der deutschsprachigen Neuinszenierung von Richard Wagners "Tristan und Isolde" am Kroatischen Nationaltheater Zagreb (HNK) eingenommen haben.
Der Bogen spannt sich von der Vertragsunterzeichnung am 5. November 2003 in Zagreb bis zur Premiere am 12. Februar 2005, nachdem die Premiere ursprünglich für den 6. November 2004 angesetzt worden war. Finanzielle Probleme innerhalb des Haushalts 2004, aber auch die fehlende Zusage des Kulturministeriums der Republik Kroatien, den von der Intendanz errechneten Fehlbetrag zu übernehmen, verhinderte den ursprünglichen Premierentermin.
Der Bogen spannt sich von der Vertragsunterzeichnung am 5. November 2003 in Zagreb bis zur Premiere am 12. Februar 2005, nachdem die Premiere ursprünglich für den 6. November 2004 angesetzt worden war.
Finanzielle Probleme innerhalb des Haushalts 2004, aber auch die fehlende Zusage des Kulturministeriums der Republik Kroatien, den von der Intendanz errechneten Fehlbetrag zu übernehmen, verhinderte den ursprünglichen Premierentermin (Brief des Intendanten Mladen Tarbuk an mich).
Es geht um Richard Wagner (1813-1883), dessen 185. Geburtstags in diesem Jahr gedacht wird oder auch seines 115. Todesjahres, wenn man von den Eckdaten seines Lebens ausgeht. „Tristan und Isolde“ wurde in Zagreb, dem damaligen Kronland des Königreichs Ungarn innerhalb der K.u.k.-Doppelmonarchie, erstmals im vorletzten Jahr des 1. Weltkrieges (1917) aufgeführt.
Das Theater selbst, ein prächtiges Architektur-Beispiel des bewährten Wiener Theater-Architektenbüros Hellmer & Fellner wurde nur 22 Jahre zuvor in Anwesenheit seiner Apostolischen Majestät Kaiser Franz Josefs I. am 14. Oktober 1895 feierlich eingeweiht. Nachdem 1919 aus den diversen Friedensverträgen das „Königreich Südslawien“(=Jugoslawien) entstanden war, dem auch Kroatien aufgrund der slawischen Sammlungsbewegung beigetreten war, die der damals bestimmenden Idee des Panslawismus entsprochen hatte. Es ging um die „Sammlung aller Südslawen“ in möglichst einem Staat oder Staatenverband – so, wie sich 1919 die Westslawen (Tschechen und Slowaken) in der Tschechoslowakei (CSR) staatlich formiert hatten. Auf diese Weise gehörte Kroatien bis 1991 der „Föderativen Sozialistischen Republik Jugoslawien“ an, die in der Folgezeit in einem Bürgerkrieg in kleine souveräne Nachfolgestaaten zerfiel.
Abgesehen von einer konzertanten Aufführung von „Tristan und Isolde“(oder Teilen daraus) 1935 wurde in Zagreb dieses Werk Richard Wagners nie wieder aufgeführt. So war es nicht nur ein (verständlicher) Wunsch des Dirigenten und Generalintendanten des Kroatischen Nationatheaters Zagreb, Mladen Tarbuk, den „Tristan“ nach 88 Jahren in seiner Heimatstadt und Hauptstadt der neu erstandenen „Republik Kroatien“ aufgeführt zu wissen. Mehr noch: es ist (s) ein deutlicher Appell nicht nur an die kroatische Staatsregierung, die kroatische Öffentlichkeit und an die Medien des Landes, sondern auch - und nicht zuletzt - an das musikinteressierte Publikum Zagrebs, mit dem „Tristan“ anzuknüpfen an die zu K.u.k.-Zeiten üblichen Spielplan-Gepflogenheiten, Opern des internationalen Repertoires aufzuführen, was heute - zumal im Annäherungsprozess Kroatiens an die Europäische Union (EU) - wieder zu einer (europäischen) Selbstverständlichkeit werden sollte, Opern auch in deren Originalsprache aufzuführen. So stand von vornherein fest, „Tristan und Isolde“ in deutscher Sprache einzustudieren und in der Originalsprache aufzuführen. Nach einem aufwändigen Übersetzungs- und Übertragungsverfahren wurde - parallel zur laufenden Vorstellung - der Text in kroatischer Sprache in einem laufenden Schriftband oberhalb des Bühnenportals projiziert, so dass auch das des Deutschen nicht mächtige Publikum den Gang der Handlung in seiner Sprache verfolgen konnte.
Zum 100. Jubiläum des Kroatischen Nationaltheaters erschien 1996 ein Buch über die Errichtung des (damaligen) Theaterneubaus in der Neustadt, die sich ab dem beginnenden 20. Jahrhundert südlich von der „Gorny Gorod“ - der Bergstadt (oder Oberstadt) – in die Niederung der Save ausdehnte – ein städtebaulicher Erweiterungsprozess, der bis heute andauert, so dass sich gegenwärtig drei deutliche Stadtteile herausgebildet haben: 1. die „Oberstadt“, 2. die (K.u.k.-) “Neustadt“ mit großzügigen Boulevards und Platzanlagen sowie stattlichen Gebäuden wie Banken und Museen oder Regierungsgebäuden, sodann 3. „Neu-Zagreb“, eine – wenn auch großzügig angelegte, aber – architektonisch wenig anspruchsvolle (eher gesichtslose Plattenbau-) Neustadt, wie sie typisch ist für die Allerwelts-Architektur in der Zeit ab den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts.
Die drei als Ansichtsmaterial ausgelegten Bücher in kroatischer Sprache (nur eine vom Städtischen Verkehrsamt herausgegebene Broschüre über das Kroatische Nationaltheater enthält auch eine englische Textfassung) mögen für sich sprechen, welcher Solitär - allein schon in städtebaulicher Hinsicht - der Theaterbau von Hellmer & Fellner ist. Glücklicherweise ist der Bau nicht zerstört worden, obwohl im kroatischen Sezessionskrieg zu Beginn der 90-er Jahre auch in Zagreb einige serbische Bomben gefallen waren oder Raketengeschosse eingeschlagen hatten. Im Gegenteil: Zum 100. Jubiläum - 1995 - nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Kroatiens – ist das Theater liebevoll renoviert worden, so dass es - in allen liebenswerten Architektur-Einzelheiten - jener Prachtbau aus der K.u.k.-Zeit geblieben ist.
Das traditionsreiche Dreisparten-Haus im Zentrum Zagrebs gibt zu Recht Anlass auf die Hoffnung, dass es im Wettstreit um die Qualität der Aufführungen und um die Akzeptanz seines Publikums seine Rolle als kroatischer Kulturstandort innerhalb der EU-Region Österreich (=Wien und Graz), Ungarn (=Budapest), Italien (=Mailand und Venedig), Slowenien (Ljubljana) wieder einnehmen wird.
Der Vertragsunterzeichnung am 5. November 2003 gingen natürlich weitreichende Überlegungen voraus, und - wie immer in solchen Situationen - geht es um bestehende Kontakte, die neu belebt werden. Generalmusikdirektor und Dirigent Mladen Tarbuk kannte den Regisseur des „Tristan“, Jochen Zoerner-Erb, aus früherer künstlerischer Zusammenarbeit noch im alten Jugoslawien: im slowenischen Maribor (=Marburg) und auch im kroatischen Zagreb arbeiteten die beiden Theaterleute erfolgreich zusammen – so u.a. bei Inszenierung und Aufführung der Oper „Die weiße Rose“ von Udo Zimmermann.
Der Regisseur wiederum kannte mich und machte mir das Angebot, mit ihm gemeinsam den „Tristan“ für Zagreb dramaturgisch vorzubereiten und die Oper dann schließlich während des gesamten Probenprozesses am Kroatischen Nationaltheater Zagreb (HNK) zu betreuen. Da „Tristan und Isolde“ für mich als Dramaturg nicht nur ein besonders herausforderndes Werk Richard Wagners, sondern auch ein ganz persönliches Desiderat ist, habe ich der Zusammenarbeit gern zugesagt. In Folge trat das Produktionsteam mit dem Regisseur Jochen Zoerner-Erb, dem Bühnen- und Kostümbildner Gerd Friedrich, Hella Seitz-Ritt als Sprechberaterin für das Solisten-Ensemble, zeitweilig auch Rotraud Kühn, die einen begleitenden Film zur Neuinszenierung des „Tristan“ machen sollte, bereits am 30. Januar 2004 zu einer ersten Teamsitzung in München zusammen. In diese Sitzung wurden auch die Überlegungen vom 4. November 2003, noch in Zagreb, und die Ergebnisse einer weiteren Besprechung vom 17./18. Januar 2004 mit eingebracht (Vorüberlegungen plus vorläufige Ideen für mehrere Beiprogramme, die während der Aufführungszeit des „Tristan“ in Zagreb stattfinden sollten).
Aufgrund einer weiteren Zusammenkunft des Produktionsteams am 4. März 2004 wurden die allseitig eingebrachten Ideen weiter entwickelt zu einer Regie-Konzeption. Hier kam erstmals die Idee auf, aus der (von Wagner nicht komponierten) „Vorgeschichte“ eine Talkshow zu machen, die - unabhängig von der Oper - eine halbe Stunde vorher von Mitgliedern des Schauspiel-Ensembles des Kroatischen Nationaltheaters Zagreb im Oberen Foyer gesprochen wurde. Befragt wurden die Akteure als dramatis personae von einem in Kroatien bekannten Fernsehmoderator. Dieser Text wurde von dem namhaften kroatischen Schriftsteller und (mehrfach mit Preisen ausgezeichneten) Übersetzer Nenad Popovic ins Kroatische übersetzt (dieser Text wird in dieser Veranstaltung entweder von 6 anwesenden Personen und mir als Moderator gesprochen oder von mir allein vorgetragen werden).
Bereits nach dem März 2004 begann der Ausstatter Gerd Friedrich – im ständigen telefonischen Kontakt mit dem Regisseur – mit der Anlage von Skizzen für Kostüme und Bühnenbildentwürfe des 1., 2. und 3. Aktes. Ich habe der besseren Anschaulichkeit wegen einige Szenenfotos beigefügt, damit man den Weg vom ersten Entwurf nachvollziehen kann bis hin zur späteren Umsetzung auf der Bühne.
Parallel hat der Technische Direktor des HNK, Duro Harvatzovic, dem deutschen Regieteam ein hausinternes Telefonverzeichnis zusammenstellen lassen, damit jeder von uns – auch im Falle des Abwesenheit von Zagreb - dort die gewünschten Kollegen und Kolleginnen telefonisch erreichen konnten. Lingua franca in diesen Fällen war Englisch; die deutsche Sprache war eher bei den rollen- und spielerfahrenen Sängern und Sängerinnen bekannt, aber es gab eigentlich überhaupt keine sprachlichen Verständigungsprobleme! Die technische Leitung hat uns als Mitgliedern des deutschen Regieteams vorsorglich eine Liste der wichtigsten Theaterbegriffe – Kroatisch und Deutsch – zusammengestellt, was ebenfalls die Kommunikation mit allen am Probenprozess Beteiligen erleichtern half. So habe ich mir z.B. den zentralen Begriff „Bühne“ gemerkt als das kroatische Wort „Pozornica“.
Des Weiteren wurde vom Künstlerischen Betriebsbüro eine Probendisposition für den gesamten Zeitraum bis zur Premiere erstellt, so dass die Probeneinteilung zwischen Regisseur und Regieassistentin problemlos möglich war, einschließlich - und fallweise - in Bezug auf terminliche Änderungen und/oder Umstellungen der jeweiligen Probenbesetzungen.
Unterdessen hatte die eigens engagierte PR-Mitarbeiterin Ute Armanski für den deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Schweiz, Südtirol, Ostbelgien) die Vorbereitungen aufgenommen, die Vertreter der Medien (Presse, Rundfunk und Fernsehen) mit den zweckdienlichen Informationen zu versorgen mit dem Ziel, möglichst viele Journalisten für einen Besuch der Premiere von „Tristan und Isolde“ nach Zagreb zu locken. Entsprechende Pressemeldungen spiegeln sich dann auch wider in Fachblättern (wie z.B. der „bühnengenossenschaft“, Nr. 3/2004).
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- Quote paper
- Kraft-Eike Wrede (Author), 2008, Die Vorgeschichte der Neuinszenierung von "Tristan und Isolde". Vom Buch zur Bühne am Kroatischen Nationaltheater Zagreb, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1001078
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