Gliederung
I) Muskel
1) Muskelarten
A) Glattes Muskelgewebe
B) Quergestreifte Muskulatur
a) Skeletmuskelgewebe
b) Herzmuskelgewebe
2) Muskelkontraktionen
II) Motorische Muskelinnervation und motorische Endplatte
III) Acetylcholin
IV) Pathologische Erscheinungen an der motorischen Endplatte
1) Hemmstoffe des Acetylcholin
A) Rezeptorenblocker
B) Enzymblocker
2) Myasthenia gravis
1.Muskel und Acetylcholin
I) Muskel
Muskelgewebe macht beim Menschen etwa 50% des Körpergewichts aus.
- Hauptaufgabe: Kontraktion
- Bestandteile: 75% Wasser, 20% Proteine, die restlichen 5% teilen sich auf in Glykogen (Glykolyse · ATP Gewinn), sowie in anorganische und organische Substanzen
1) Muskelarten
A) Glattes Muskelgewebe:
- weist keine Querstreifung auf
- ,,Eingeweidemuskulatur" ( Wand von Eingeweideschläuchen, Hohlorganen, Haaren und Drüsen (myoepitheliale Zellen))
- steht unter Einfluß des vegetativen Nervensystems
- wird auch durch Dehnung erregt
- kontrahiert langsam und kann verharren Aufbau:
- 20-200 µm lang, 3-10 µm dick
- gravider Uterus ca. 500µm ( endokriner Einfluß)
- Spindelförmiger Zellkörper
- Länglicher Zellkern, liegt in der Zellmitte
Glatte Muskulatur hat eine sehr gute Anpassungsfähigkeit und kann (beispielsweise bei Passagehindernis im Darm) in wenigen Tagen erheblich hypertrophieren.
B) Quergestreifte Muskulatur:
a) Skelettmuskelgewebe
Eine Muskelzelle entsteht aus Fusion von hunderten Vorläuferzellen (Myoblasten). Bei Erwachsenen ist eine Skelettmuskelfaser eine vielkernige Riesenzelle mit hunderten von Kernen (Synzytium).
BG Strukturen des Skelettmuskels
Faszie umgibt gesamten Muskel
-dient als Ursprung
-Verschiebeschicht
Epimysium
- verankert an Faszie Perimysium
- gefäß- und nervenführendes BG
- umfaßt Gruppen von Muskelfasern
Endomysium
-trennt Primärbündel
-Verschieblichkeit/ Versorgung Aufbau einer Zelle:
- eine Muskelfaser kann bis zu 10 cm lang sein
- Durchmesser: 40-100 µm
- Skelettmuskelzellen postmitotisch
- Satellitenzellen: inaktive Stammzellen, die nach Schädigung des Muskels zur Teilung angeregt werden
- Sarkolemmschlauch umhüllt Cytoplasma
- Zellkerne exzentrisch ( 20-40 ZK/mm )
- Rote Farbe durch Myoglobin ( Bau und Aufgabe ähnlich Hämoglobin )
- Charakeristische Querstreifung
Besonderheit:
- roter Muskel: myoglobin- und cytochromreich, viele Mitochondrien, dichtes Kapillarnetz · für Ausdauerleistung und Haltefunktion
- weißer Muskel: myoglobin- und cytochromarm, wenig Mitochondrien, weniger Kapillaren · für kurze, schnelle Leistungen
Es liegen meist keine reine Formen der Muskeltypen vor, sondern häufig setzen sich die
Muskeln aus Mischformen zusammen.
Die Querstreifung
Unterteilung der Myofibrillen quer zur Längsaachse
Aktinfilamente · hell · isotrop · I- Streifen (einfach lichtbrechend)
- mediane Verdickung · M- Streifen
- helle Zone · H-Zone
Myosinflamente· dunkel· anisotrop · A-Streifen ( doppelt lichtbrechend)
Inmitten des I- Streifens liegt der Z-Streifen (Verankerung der Aktinfilamente).
Ein Sarkomer ist der Abschnitt von einem zum nächsten Z- Streifen ( wichtige Grundlage der Kontraktion).
Die Querstreifung des Muskels kommt durch die parallele Lage der einzelnen Myofibrillen zustande.
Aufbau Aktin/Myosin
Aktin : aus zwei ineinander gewundenen Alpha-Helices
Tropomyosinmoleküle liegen zwischen den gewundenen Aktinketten ·Tropomyosin T
Verbindung Komplex Tropomyosinmolekül ·Tropomyosin C
Bindungsstelle für Calcium ·Tropomyosin I
Inhibitiert Aktin Myosin Interaktion
Myosin: aus zwei stabförmigen Peptid Helices
-an beiden Enden beweglicher Hals mit Kopf
-Kopf: Bindungsstelle für ATP, Querbrücken zwischen Myosin und Aktinfilamenten
Myosin besteht aus leichtem Meromysin (vor allem Stab) und schwerem Meromysin ( vor allem Kopf )
b) Herzmuskel
-besondere Form der quergestreiften Muskulatur
-autonome Innervation
Unterscheidungsmerkmale zum Skelettmuskel
-Disci intercalares · besondere Zellhaften· Glanzstreifen ( liegen an der Stelle des Z-Streifens) Bedeutung: Zellkontakte durch Maculae adhaerentes, Gap junctions, Fasciae Adhaerentes
-dreidimensionales Herzmuskelnetz · Verzweigungen der Muskelzellen
-zentrale Lage des Zellkerns ( oval in Verlaufsrichtung der Myofibrillen )
-reicher an Sarkoplasma und Mitochondrien für Dauerbeanspruchung
Spezialisierte Herzmuskelzellen des Erregungsapparats
-Wasserreichtum, Fibrillenarmut ( sehr glykogenreich )
2) Muskelkontraktion
Prinzip der Muskelkontraktion
Kontraktion: Teleskopartiges Ineinanderschieben von Myosin und Aktinfilamenten · Z- Linien nähern sich einander, I-Zone verkleinert sich, A-Zone bleibt unverändert
- Aktin und Myosin überlappen
-Gesamtverkürzung der Muskelfasern entsteht aus Einzelverkürzungen der Sarkomere
-Länge der Fasern ändert sich nicht ·"Teleskopeffekt"· Gleitmechanismus
Energieversorgung und Signalgeber
Signalgeber: Calcium· besetzt Tropomyosin C, wodurch die inhibitorische Wirkung von Tropomyosin T aufgehoben wird
Energielieferant: ATP aus der Glykolyse des Glykogens des Muskel
Myosin wirkt als ATPase und spaltet ATP zu ADP und energiereichem Phosphat. Bei dieser
Reaktion werden Kopf und Hals des Myosin so verformt, daß Myosin an Aktin bindet und Aktin über das Myosin hinweggestoßen wird ( Aktin-Myosin-Brücke).
Die Kontraktion endet mit dem Verschwinden des Calcium im Sarkoplasmatischen Retikulum ( L-System), von wo auch das Calcium ausgeschüttet wird.
Totenstarre
Verbrauch der ATP-Vorräte nach dem Tod bedingt die Totenstarre. ATP wird auch als ,,Weichmacher" des Muskels bezeichnet.
II. Motorische Muskelinnervation und motorische Endplatte
Motorische Endplatte: besteht aus Axonende, synaptischem Spalt ( 30-50 nm ) und Skelettmuskelfaser
- Sarkolemn der postsynaptischen Membran ist stark aufgefaltet und enthält Acetylcholinrezeptoren
- Sarkoplasma enthält viele Mitochondrien
Motorische Muskelinnervation: Die großen Nerven treten durch das Epimysium in den
Muskel, spalten sich im Perimysium in kleinere Nerven und gelangen als Alpha- Efferenzen ( Motoneurone für die Skelettmuskulatur ) ins Endomysium
- Aufzweigung in motorische Endplatte ( Axon und innervierte Muskelgruppe bilden eine motorische Einheit).
Gamma- Motoneurone: Spezielle Motoneurone für Muskelfasern in Muskelspindeln (
Sinnesorgan mit Dehnungs- und Spannungsrezeptoren) zur Aufrechterhaltung des normalen Muskeltonus und der Muskelkoordination.
III. Acetylcholin
Allgemeines
- Acetylester des Cholin
- Enzym
- Produktionsort: in Nervenzellen durch Cholinacetylase
- Neurotransmitter ( Erregungsübermittler zwischen prä- und postsynaptischer Membran )
- Wirkungsorte:
a) postganglionäre Fasern des Parasympathikus
b) Schweißdrüsennerven des Sympathikus
c) Alle Synapsen des vegetativen Nervensystems
d) Motorische Endplatte der Skelettmuskulatur
Klassifizierung:
Es gibt verschiedene Rezeptorarten, die durch unterschiedliche Stoffe erregt/blockiert werden.
Pharmakologische Wirkung:
- Blutdrucksenkung durch Vasodilatation
- Bronchialkonstriktion
- Tonussteigerung ( Darm )
- Steigerung der Drüsensekretion
- Negativ chronotrope und inotope Wirkung
Acetylcholin als Neurotransmitter:
Vorkommen: Acetylcholinvesikel in präsynaptischer Membran mit ca. 10 hoch 4 Molekülen · durch Exozytose in Synaptischen Spalt
- Bindung des ACh an Acetylcholinrezeptoren der postsynaptischen Membran
- Kanal öffnet sich durch plötzlichen Konzentrationsanstieg für nur ca. 1ms
- Änderung der Ionenpermeabilität
- Starker Natrium Einstrom in Zelle, Kalium Ausstrom aus der Zelle
- Änderung des Membran-Potentials
- DEPOLARISATION und Freisetzung eines AKTIONSPOTENTIALS ( bei Überschreiten von ca. -50mV )
Erregungsweiterleitung nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip, bei dem der Schwellenreiz einen stärkeren Reiz auslöst.
Acetylcholin im synaptischen Spalt
- Abbau durch die Acetylcholinesterase ( sehr hohe Wechselzahl ) in Acetat und Cholin · Transport in präsynaptische Membran
Der rasche Abbau des Acetylcholins ist deshalb so wichtig, weil so schnelle
Bewegungsabläufe bzw. Stopps möglich sind! Es erklärt aber auch weshalb so eine ACh Konzentration notwendig ist!
Aufbau eines Acetylcholinrezeptors:
- aus fünf Acetylcholinuntereinheiten
- ragen aus Lipiddoppelmembran ( 6 nm im synaptischen Spalt, 2 nm im Zellinnern)
Schließung des Kanals ( Desensibilisierung)
- große Seitenketten der Untereinheiten blockieren Kanal durch hydrophoben Ring
- ACh verdreht wahrscheinlich die Helices allosterisch, so daß polare Reste die Pore umgeben · Öffnung
- ACh dockt nur an Rezeptor an, damit Kanal für kleine Ionen durchlässig wird· Permeabilitätsänderung
IV. Pathologische Erscheinungen an der motorischen Endplatte
1) Hemmstoffe des Acetylcholin
A) Rezeptorenblocker:
a) Curare ( Pfeilgift der Indianer): kompetetiver Hemmstoff, der stärker als ACh an die Rezeptoren bindet · Muskelkontraktion kann an entsprechenden Rezeptoren nicht ausgelöst werden Gegenmittel: Cholinesterasehemmer (Atropin und Neostigmin)
b) Bungaratoxin ( Schlangengift): Bindet irreversibel an die Rezeptoren Gegenmittel:
B) Enzymblocker:
a) E 605 ( Insektizid): bindet sich fest an Acetylcholinesterase und blockiert das Enzym · verstärkte Wirkung des ACh ( keine schnellen Bewegungsstopps möglich)
2. Myasthenia gravis
Autoimmunkrankheit bei der Antikörper irreversibel die Acetylcholinrezeptoren blockieren
Allgemeines.
-betrifft jedes Lebensalter
-doppelt so häufig bei Frauen wie bei Männern
-belastungsabhängige Schwäche und schnelle Ermüdbarkeit der Muskulatur
-Nachweis mit markiertem Bungarotoxin
Symptomatik:
Auslöser: spontan oder durch körperliche Belastungen, hormonelle Umstellungen, Operationen, Infektionskrankheiten
Beginn: häufig durch Doppelbilder, Ptose· später: Schwäche der Gesichtsmuskulatur, Armheber oder Schluckmuskulatur
Bei ca. 70% der Myastheniekranken Thymushyperplasie oder Thymuspersistenz ·Antikörperbildung im Thymus · Antigen Skelettmuskelzelle mit Acetylcholinrezeptor.
Diagnose:
- Testinjektion eines schnell wirkenden Cholinesterasehemmers, um die ACh Konzentration an den Rezeptoren zu erhöhen
- kurzzeitiges Verschwinden der Symptome schon nach kurzer Zeit
- Stimulation z. B. des N. axillaris oder N. accesorius · Ableitung des
dazugehörigen Muskels · Amplitudenabfall des Aktionspotentials
- Curare Test/ Provokationstest: Indikation: diffuse Muskelschwäche unter Belastung
- Nachweis eines Thymons im CT
Therapie:( Beispiele)
- Cholinesterasehemmer· Erhöhung der Acetylcholinkonzentration an den Rezeptoren
- Thymektomie ( je früher, desto günstiger)
Besondere Form: ( Beispiel)
Transitorische neonatale Myasthenie:
- Übertragung der spezifischen Antikörper über Plazenta
- bei 10-15% der Neugeborenen myasthenischer Mütter
- Trink- und Saugschwäche bis zur lebensbedrohlichen Ateminsuffizienz
- Störung verschwindet innerhalb weniger Wochen
Literaturverzeichnis
Gross/ Schölmerich/ Gerck (8. Aufl. 1993): Die Innere Medizin .Schattauer Verlag.
Jerusalem, Felix/ Zierz, Stephan (2. Aufl. 1991): Muskelerkrankungen. Georg Thieme Verlag Stuttgart.
Leonhardt, Helmut (8.Aufl.,1990): Histologie,Zytologie und Mikroanatomie des Menschen. Georg Thieme Verlag Stuttgart
Mörike/ Betz / Mergentaler (14. Aufl.,1997): Biologie des Menschen. Wiesbaden, Verlag Quelle und Meyer
Schwegler, Johann S. (2. Aufl.,1998): Der Mensch- Anatomie und Physiologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart
Häufig gestellte Fragen
Was ist Muskelgewebe?
Muskelgewebe macht beim Menschen etwa 50% des Körpergewichts aus und hat die Hauptaufgabe der Kontraktion.
Welche Arten von Muskelgewebe gibt es?
Es gibt drei Hauptarten von Muskelgewebe: glattes Muskelgewebe, Skelettmuskelgewebe (quergestreift) und Herzmuskelgewebe (quergestreift).
Was ist glattes Muskelgewebe?
Glattes Muskelgewebe weist keine Querstreifung auf und findet sich in den Wänden von Eingeweiden, Hohlorganen, Haaren und Drüsen. Es wird vom vegetativen Nervensystem beeinflusst und kontrahiert langsam.
Was ist Skelettmuskelgewebe?
Skelettmuskelgewebe ist quergestreift und besteht aus vielkernigen Riesenzellen (Synzytien). Es ist an Faszien und Bindegewebsstrukturen verankert und für willkürliche Bewegungen verantwortlich. Es enthält rote und weiße Muskelfasern, die sich in Myoglobin- und Cytochromgehalt unterscheiden.
Was ist Herzmuskelgewebe?
Herzmuskelgewebe ist eine spezielle Form der quergestreiften Muskulatur mit autonomer Innervation. Es unterscheidet sich vom Skelettmuskelgewebe durch Disci intercalares (Glanzstreifen), ein dreidimensionales Netz und eine zentrale Lage des Zellkerns.
Wie funktioniert die Muskelkontraktion?
Die Muskelkontraktion basiert auf dem teleskopartigen Ineinanderschieben von Aktin- und Myosinfilamenten. Calcium dient als Signalgeber, und ATP liefert die Energie. Myosin wirkt als ATPase und spaltet ATP, wodurch die Aktin-Myosin-Brücke entsteht.
Was ist die motorische Endplatte?
Die motorische Endplatte besteht aus dem Axonende, dem synaptischen Spalt und der Skelettmuskelfaser. Das Sarkolemm der postsynaptischen Membran ist stark aufgefaltet und enthält Acetylcholinrezeptoren.
Was ist Acetylcholin?
Acetylcholin ist ein Neurotransmitter, der in Nervenzellen durch Cholinacetylase produziert wird. Es wirkt an verschiedenen Orten, einschließlich der motorischen Endplatte der Skelettmuskulatur, und spielt eine Rolle bei der Erregungsübermittlung.
Wie wird Acetylcholin abgebaut?
Acetylcholin wird im synaptischen Spalt durch die Acetylcholinesterase in Acetat und Cholin abgebaut, welche anschliessend in die präsynaptische Membran transportiert wird.
Welche pathologischen Erscheinungen können an der motorischen Endplatte auftreten?
Pathologische Erscheinungen umfassen Hemmstoffe des Acetylcholin (Rezeptorenblocker wie Curare und Enzymblocker wie E 605) sowie die Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis, bei der Antikörper Acetylcholinrezeptoren blockieren.
Was ist Myasthenia gravis?
Myasthenia gravis ist eine Autoimmunkrankheit, die durch eine belastungsabhängige Schwäche und schnelle Ermüdbarkeit der Muskulatur gekennzeichnet ist. Sie wird durch Antikörper verursacht, die die Acetylcholinrezeptoren blockieren.
Wie wird Myasthenia gravis diagnostiziert?
Die Diagnose von Myasthenia gravis erfolgt durch Testinjektionen von Cholinesterasehemmern, Stimulationstests, Curare-Tests und den Nachweis eines Thymoms im CT.
Wie wird Myasthenia gravis behandelt?
Die Behandlung von Myasthenia gravis umfasst Cholinesterasehemmer, Thymektomie und andere immunsuppressive Therapien.
Was ist transitorische neonatale Myasthenie?
Transitorische neonatale Myasthenie ist eine Form der Myasthenie, die bei Neugeborenen myasthenischer Mütter auftritt, bei denen spezifische Antikörper über die Plazenta übertragen werden. Die Störung verschwindet innerhalb weniger Wochen.
- Quote paper
- Karin Maria Franke (Author), 1999, Muskel und Acetylcholin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100081