1947 wurde, entsprechend den gewerkschaftlichen Wünschen, in den unter britischer Verwaltung stehenden Eisen- und Stahlwerken die paritätische Mitbestimmung eingeführt. Danach wurde festgelegt, dass in die Aufsichtsräte neben fünf Aktionärsvertretern auch fünf Arbeitnehmervertreter und ein Neutraler einziehen sollten. Die Vertretung der Arbeitnehmer in den Unternehmensvorständen erfolgte künftig durch einen Arbeitsdirektor. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurde die vorläufige Teilung Deutschlands vollzogen, wobei beide Staaten „Frontstaaten" des jeweiligen Systems waren. 1 Die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Politik der Gewerkschaften waren geprägt durch die West-Integration der Bundesrepublik, die Zuspitzung des „Kalten Krieges“ und vor allem das „Wirtschaftswunder“ der 50er Jahre. Die Gewerkschaften versuchten in dieser Phase, eine Demokratisierung der Wirtschaft zu erreichen. 2
Die Gewerkschaften forderten die gesetzliche Absicherung und Ausweitung dieses paritätischen Mitbestimmungsprinzips, wodurch es zu Auseinandersetzungen um die Montanmitbestimmung und das
Betriebsverfassungsgesetz kam. 3
Am 10. April 1951 wurde im Deutschen Bundestag das Gesetz zur Mitbestimmung in der Montanindustrie beschlossen. Es wurde als ein Erfolg für die Gewerkschaften angesehen, nach ihren zahlreichen Bemühungen um die Mitgestaltung der Neuordnung der deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und die Durchsetzung der wirtschaftlichen Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer.
In dieser Arbeit sollen vor allem einige Thesen diskutiert werden, darunter unter anderem, dass die Sicherung der Montanmitbestimmung das zentrale Ziel der deutschen Gewerkschaftsbewegung auf dem Weg zur angestrebten Demokratisierung der Wirtschaft war.
Inhaltsverzeichnis
Mitbestimmung im politischen System der Bundesrepublik Deutschland
Einführung ins Thema
1. Mitbestimmung vor 1949
2. Der Weg zur Montanmitbestimmung ab 1949
2.1 „Vorschläge zur Neuordnung der Wirtschaft“
2.2 Druck der Alliierten
3. Der Kampf um die Montanmitbestimmung
3.1 Gesetzesentwürfe
3.2 DGB und Schumanplan
4. Die Montanmitbestimmung wird gesetzlich geregelt
4.1 Montanmitbestimmungsgesetz
4.2 Ergänzungsgesetz
4.3 Sicherung der Mitbestimmung
5. Der Weg zum Betriebsverfassungsgesetz
5.1 Ziel der Gewerkschaften: Ausdehnung der Montanmitbestimmung auf die Gesamtwirtschaft
5.2 Betriebsverfassungsgesetz
Fazit
Literaturverzeichnis
Einführung ins Thema
1947 wurde, entsprechend den gewerkschaftlichen Wünschen, in den unter britischer Verwaltung stehenden Eisen- und Stahlwerken die paritätische Mitbestimmung eingeführt. Danach wurde festgelegt, dass in die Aufsichtsräte neben fünf Aktionärsvertretern auch fünf Arbeitnehmervertreter und ein Neutraler einziehen sollten. Die Vertretung der Arbeitnehmer in den Unternehmensvorständen erfolgte künftig durch einen Arbeitsdirektor.
Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurde die vorläufige Teilung Deutschlands vollzogen, wobei beide Staaten „Frontstaaten" des jeweiligen Systems waren.[1] Die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Politik der Gewerkschaften waren geprägt durch die West-Integration der Bundesrepublik, die Zuspitzung des „Kalten Krieges“ und vor allem das „Wirtschaftswunder“ der 50er Jahre. Die Gewerkschaften versuchten in dieser Phase, eine Demokratisierung der Wirtschaft zu erreichen.[2]
Die Gewerkschaften forderten die gesetzliche Absicherung und Ausweitung dieses paritätischen Mitbestimmungsprinzips, wodurch es zu Auseinandersetzungen um die Montanmitbestimmung und das Betriebsverfassungsgesetz kam.[3]
Am 10. April 1951 wurde im Deutschen Bundestag das Gesetz zur Mitbestimmung in der Montanindustrie beschlossen. Es wurde als ein Erfolg für die Gewerkschaften angesehen, nach ihren zahlreichen Bemühungen um die Mitgestaltung der Neuordnung der deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und die Durchsetzung der wirtschaftlichen Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer.
In dieser Arbeit sollen vor allem einige Thesen diskutiert werden, darunter unter anderem, dass die Sicherung der Montanmitbestimmung das zentrale Ziel der deutschen Gewerkschaftsbewegung auf dem Weg zur angestrebten Demokratisierung der Wirtschaft war.
Weiterhin soll die Tatsache, dass die paritätische Mitbestimmung zumindest in der Montanindustrie durchgesetzt werden konnte, auch ein Produkt der Entflechtungs- und Sozialisierungsbemühungen der Alliierten gewesen sein.
Die nächste These besagt, dass Konrad Adenauer die Rückendeckung der Gewerkschaften bei vielen innen-, außen- und wirtschaftspolitischen Projekten brauchte.
Wichtig ist auch die Frage, ob die Niederlage der Gewerkschaften bei der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetztes die Folge einer inkonsequenten und zu wenig kampfbereiten Politik der DGB-Führung war und ob sie auch durch die Sonderregelung der Montanmitbestimmung vorprogrammiert gewesen war.
Im ersten Teil dieser Arbeit soll die Regelung der Mitbestimmung vor 1949 erläutert werden, wobei besonders die Rolle der Alliierten zu beachten wäre.
Im zweiten Teil wird dann der Weg der Gewerkschaften zum Gesetz über die Montanmitbestimmung erläutert, dabei in einem ersten Punkt die „Vorschläge zur Neuordnung der Wirtschaft“ des DGB vom Januar 1950, die Grundlage für den Gesetzentwurf der SPD vom 25. Juli 1950 wurden. In einem zweiten Punkt wird die Rolle der Alliierten dargelegt, besonders die des amerikanischen Hohen Kommissars McCIoy bei der Regelung der Mitbestimmung.
Der Kampf um die Mitbestimmung ist Thema des dritten Teils dieser Arbeit. In zwei Quellen werden die Gesetzesentwürfe der Bundesregierung dargestellt, sowie die Änderungsvorschläge des DGB. Außerdem spielt der Schumanplan eine wichtige Rolle, da er mitverantwortlich dafür war, dass die Bundesregierung die Montanmitbestimmung gesetzlich regelte.
Das Montanmitbestimmungsgesetz ist dann auch Thema des nächsten Teils. Hier wird besonders der Inhalt dieses Gesetzes wichtig sein, sowie die Ergänzungsgesetze und die Gesetze zur Sicherung der Montanmitbestimmung.
Der letzte Teil zeigt den Weg der Gewerkschaften zum Betriebsverfassungsgesetz auf. Wichtig ist hier vor allem, welche Rolle Christian Fette, der Nachfolger Hans Böcklers, bei der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes spielt.
1. Mitbestimmung vor 1949
Im März 1947 war die paritätische Mitbestimmung der Gewerkschaften von der britischen Militärregierung für die Eisen- und Stahlindustrie ihrer Zone eingeführt worden.[4] Dabei ist sie eher als Nebenprodukt alliierter Industriepolitik im besetzten Deutschland als ein Ergebnis eines breiten gewerkschaftlichen Kampfes zu sehen, denn die Alliierten sahen in den Rüstungskonzernen der Kohle-, Stahl- und Chemiebranche die Mitverantwortlichen für Hitlers Krieg. Ihr Ziel war es, durch Entflechtung von Monopolen, Syndikaten und Kartellen und die Neuordnung der Konzerne eine Aufrüstungspolitik zu verhindern. Davon waren die IG Farben und die Ruhrkonzerne Vereinigte Stahlwerke, Krupp, Hoesch, Gutehoffnungshütte, Klöckner, Mannesmann und Otto Wolff betroffen.[5]
Die Gründe für diese Kontroll- und Entflechtungspolitik der Alliierten lagen im „Potsdamer Abkommen“ vom 2.August 1945, auf das sich die drei Siegermächte, also UdSSR, USA und Großbritannien geeinigt hatten. Dieses Abkommen hatte mehrere Grundsätze zur Folge, die die Ruhrkonzerne betreffen sollten. So zum Beispiel die Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der für die Kriegsproduktion benutzbaren Industrien. Ein weiterer Grundsatz lag darin, die Herstellung von Kriegsmaterialien zu verbieten, sowie die Produktion für die Kriegswirtschaft notwendiger Metalle und Chemikalien zu überwachen. Weiterhin betraf die Ruhrkonzerne die fon den Alliierten geforderte Dezentralisierung des deutschen Wirtschaftlebens und insbesondere die Auflösung von Syndikaten, Kartellen, Trusts und Monopolvereinigungen.[6]
In der britischen Zone gab es daher weitreichende Änderungen. William Harris Burland wurde der Leiter der North German Iron und Steel Control, unter deren Kontrolle die Eisen- und Stahlindustrie der britischen Zone stand, welche nämlich am 20. August 1946 von den britischen Besatzungsbehörden beschlagnahmt wurde. Zur Führung der Unternehmen auf deutscher Seite wurde eine Treuhandverwaltung gegründet, unter Leitung von Heinrich Dinkelbach, der zum linken Flügel der CDU zählte.
Man einigte sich auf ein Entflechtungs- und Neuordnungskonzept, dass vorsah, die Aufsichtsräte der neugegründeten Gesellschaften paritätisch mit Vertretern der Unternehmer und Arbeitnehmer zu besetzen. Weiterhin sollte nach Gesprächen mit Hans Böckler, dem DGB-Chef, feststehen, dass im dreiköpfigen Vorstand, bestehend aus einem Kaufmann, einem Techniker und einem Arbeitsdirektor, der Arbeitsdirektor von den Gewerkschaften entsandt werden sollte.
Gegen die Entflechtung in 25 neue Gesellschaften waren allerdings die Vertreter der Altkonzerne, die in die Gespräche nicht einbezogen wurden. Vertreter der Altkonzerne war Paul Reusch, der versuchen wollte, die Gewerkschaften für sich zu gewinnen., weshalb er ihnen auch in einem Brief vom 21. Januar 1947 anbot, sie bei Überführung dieser neuen Werke in gemischtwirtschaftlichen Besitz eventuell kapitalmäßig zu beteiligen. Außerdem sicherte er ihnen volle Mitwirkungsrechte zu und die Beteiligung der Arbeitnehmerschaft an der Planung und Lenkung sowie an den Aufsichtsorganen.
Dieser Brief sollte den Gewerkschaften bei der Diskussion um die Montanmitbestimmung noch hilfreich sein. Die Gewerkschaften strebten zu diesem Zeitpunkt eine umfassende Demokratisierung an. Sie wollten sich nach dem Münchner Kongress 1949 und nachdem sie ihre Vorstellungen von Sozialisierung und Planung zurückstellen mussten, auf die Ausweitung der Montanmitbestimmung auf die gesamte Industrie konzentrieren.[7]
2. Der Weg zur Montanmitbestimmung ab 1949
2.1 „Vorschläge zur Neuordnung der Wirtschaft“
Der eine Weg für die Gewerkschaften zur Montanmitbestimmung war die tarifvertragliche Absicherung. Ziel der Gewerkschaften war es, sich mit den Arbeitgebern über die Sicherung und Ausweitung der überbetrieblichen Mitbestimmung zu einigen.[8]
Der DGB legte am 14.April 1950 seine „ Vorschläge zur Neuordnung der Wirtschaft“ vor, die den bekannten Forderungen der Gewerkschaften entsprachen und Grundlage für den Gesetzentwurf der SPD vom 25. Juli 1950 wurden.[9]
Dieser Entwurf betraf die Regelungen des Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmer in den Betrieben. Gefordert wurde unter anderem die paritätische Beteiligung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsorganen. Weiterhin auch die Einrichtung von Wirtschaftsausschüssen in den Unternehmen. Unabhängig von ihrer Rechtsform sollte die Pflicht zur Berufung paritätisch besetzter Aufsichts- oder Beiräte in Großunternehmen sein. Für den DGB war allein die wirtschaftliche Bedeutung wichtig.
Betriebsvertretungen, die die Spitzen der Gewerkschaften oder von diesen beauftragte Gremien darstellen sollten, waren nach diesem Entwurf beauftragt, die Wahlvorschläge für die Arbeitnehmervertreter zu erstellen, wobei die Hälfte der Arbeitnehmervertreter im allgemeinen aus dem Betrieb selbst stammen sollte. Außerdem sollte es einen Arbeitsdirektor geben, wie man dies schon in der Eisen- und Stahlindustrie praktiziert hatte. Dieser durfte nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmerstimmen bestellt werden. In Groß- und Mittelbetrieben sah der Entwurf neben den Aufsichtsgremien die Einrichtung von ebenfalls paritätisch besetzten Wirtschaftsausschüssen mit beratender Kompetenz vor.
Wichtig in diesem Konzept waren natürlich vor allem die Institutionen überbetrieblicher Mitbestimmung. Dabei waren Wirtschaftskammern vorgesehen, die an die Stelle der bisherigen Industrie- und Handelskammern traten und deren Aufgaben übernehmen sollten.
Diese Wirtschaftskammern lagen auf unterer Ebene ebenso wie die Landwirtschaftskammern neben den Handwerkskammern. Alle Organe hatten paritätisch besetzt zu werden. Die Wirtschaftskammern waren auch für den Interessenausgleich zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern zuständig. Den Kammern wurden nicht nur staatliche Auftragsangelegenheiten übertragen werden, sondern sie waren auch für die Berufsausbildung zuständig. Die Funktion der Kammern wäre nach diesem Entwurf die eines Koordinations-, Informations- und Integrationsgremiums gewesen.
Weiterhin wurden für die Landes- und Bundesebene ebenfalls Wirtschaftsräte vorgeschlagen, welche fachbezogene Beratergremien für Parlamente und Regierungen sein sollten. Der Bundeswirtschaftsrat sollte 150 Mitglieder, die alle Bereiche der Wirtschaft repräsentierten, umfassen. Die Unternehmerverbände und die Gewerkschaften sollten je die Hälfte ernennen.
Der DGB setzte mit seinen Forderungen auf die Übertragung parlamentarischer Verfahrensweisen auf wirtschaftliche Entscheidungen.[10]
Auch die CDU/CSU-Fraktion legte einen Gesetzentwurf vor. Dieser Entwurf schrieb die Drittelparität nicht fest, sondern legte sie nur als Mindestmaß fest, wodurch er den Arbeitnehmern näher kam. Adenauer war mit diesem Entwurf nicht einverstanden, da er auf der einen Seite den Widerstand seiner Koalitionspartner FDP und DP fürchtete, andererseits eine Koalition des Arbeitnehmerflügels seiner Partei mit der SPD in der Mitbestimmungsfrage fürchtete.[11]
Ende Mai 1950 gelang es Adenauer, die Gewerkschaften zu neuen Verhandlungen mit den Arbeitnehmern zu bewegen, obwohl sie sich nach den Hattenheimer Gespräche Ende März von weiteren Gesprächen keinen Erfolg mehr erhofft hatten. Die Verhandlungen wurden am 7.Juli 1950 abgebrochen, nachdem wieder keine Einigung über ein betriebliches Mitbestimmungsrecht erzielt wurde.[12]
Die Arbeitgeber wiesen eine paritätische Besetzung der Industrie- und Handelskammern und der Aufsichtsräte sowie wirtschaftliche Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte entschieden zurück.
Der DGB drohte daraufhin im Juli 1950, die Mitbestimmung in der Wirtschaft notfalls auch mit Kampfmaßnahmen durchzusetzen.[13]
2.2 Druck der Alliierten
Die Bundesregierung stand allerdings außenpolitisch unter einem gewissen Druck, die Montanmitbestimmung gesetzlich zu regeln. Aufgefordert wurde Adenauer zu einem solchen Gesetz durch den amerikanischen Hohen Kommissars McCIoy. Adenauer verwies daraufhin in einem Brief an Mc Cloy auf die Verhandlungen der Sozialpartner und versprach, „dass die Bundesregierung bis zum I.April 1950 einen Gesetzentwurf über das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fragen einbringen werde".[14]
Folgende Quelle zeigt ein Schreiben Adenauers an Mc Cloy bezüglich der Montanmitbestimmung:
Adenauer an Mc CIoy 29.3.1950
29.3. 1950: Bundeskanzler Adenauer an den Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten von Amerika McCIoy (Königswinter)
BA, B 136/719. Abschrift.
Herr Hoher Kommissar!
Ich beehre mich, Ihnen folgendes zur Kenntnis zu bringen:
Im Januar 1950 hatte ich Ihnen in Aussicht gestellt, daß die Bundesregierung bis zum 1.April 1950 einen Gesetzentwurf über das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fragen einbringen werde. Ich hatte dabei angenommen, daß die Verhandlungen der Sozialpartner bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein würden. Inzwischen haben in dieser Angelegenheit unmittelbare Verhandlungen der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände stattgefunden, die jedoch bisher zu keinem Ergebnis geführt haben. (…) Die Verhandlungen über das Gesetz zur Neuordnung der Wirtschaft werden zwischen den Sozialpartnern am 30. und 31. März 1950 fortgesetzt werden.
Über das Ergebnis der Besprechungen werden Vertreter des Gewerkschaftsbundes und der Arbeitgeberverbände gemeinsam den Bundesminister für Arbeit unverzüglich unterrichten.
Die Bundesregierung wird dann beurteilen können, ob die unmittelbaren Verhandlungen in absehbarer Zeit zu einer Verständigung der Sozialpartner führen werden, oder ob die Bundesregierung sofort einen Gesetzesentwurf vorlegen wird.[15]
1948 hatte General Clay die Suspendierung der Artikel über das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht von Arbeitnehmern in verschiedenen Gesetzen der Länderbetriebsräte verfügt. Sein Argument war damals, dass diese Artikel wirtschaftspolitische Entscheidungen enthielten, die einer gesamtdeutschen Regierung vorbehalten sein müssten. Nach der Gründung der Bundesrepublik konnte diese Begründung natürlich nicht mehr gelten. Aus diesem Grund setzte sich McCIoy für das Zustandekommen eines Mitbestimmungsgesetzes ein und erteilte am 7. April 1950 die Genehmigung zur Inkraftsetzung der Betriebsrätegesetze von Hessen und Württemberg-Baden in der ursprünglichen Form. In diesen Bundesländern bedeutete das Inkrafttreten der wirtschaftlichen Mitbestimmung eine partielle Stärkung der Position der Gewerkschaften, wodurch Mc Cloy auch die Arbeitgeberverbände in Zugzwang brachte. Das war auch der Grund, warum die Arbeitgeberverbände Mc Cloys unbedingt umstimmen wollten und Mc Cloy unter anderem von Raymond, dem Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, bereits im Dezember 1949 „auf die Gefahren aufmerksam gemacht [wurde], die sowohl durch einen verfrühten Gesetzentwurf der Regierung als auch durch die Aufhebung der Suspendierung für die Durchführung der Verhandlungen zwischen beiden Parteien entstehen würden". Die meisten Unternehmer, unter ihnen eben auch Raymond, befürchteten bei einer frühzeitigen Verabschiedung eines Betriebsverfassungsgesetzes eine zu weitgehende Verankerung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften. Es wurde nämlich eine partielle Zusammenarbeit der christlichen Gewerkschaften in der CDU mit der SPD-Fraktion in Mitbestimmungsfragen für möglich gehalten, weil in der ersten Hälfte des Jahres 1950 die Regierungsparteien in gesellschaftspolitischen Fragen nicht durchwegs einen gefestigten, die Arbeitgeberinteressen einseitig begünstigenden Block bildeten.[16]
3. Der Kampf um die Montanmitbestimmung
3.1 Gesetzesentwürfe
Allerdings wurden nun Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt, die vorsahen, die in den entflochtenen Betrieben der Eisen- und Stahlindustrie bereits eingeführte paritätische Mitbestimmung wieder abzuschaffen. Die praktizierte Montanmitbestimmung sollte für unrechtens erklärt werden, indem die Montanbetriebe nach dem Aktienrecht behandelt wurden, das eine paritätische Mitbestimmung nicht vorsah. Für die Gewerkschaften war dies eine sehr ungünstige Lösung, da sie dadurch eine Unterwerfung der Montanindustrie unter ein noch zu schaffendes allgemeines Mitbestimmungsrecht fürchteten, das auf eine Drittelparität hinauslief.[17] Für die Gewerkschaften ging es also statt um die Ausdehnung der Mitbestimmung zuerst einmal um die Verteidigung der von der britischen Militärregierung 1947 verfügten Mitbestimmung.
[...]
[1] vgl. Uellenberg - van Dawen, Wolfgang: Gewerkschaften in Deutschland von 1848 bis heute. München 1997, S. 114
[2] vgl. Schneider, Michael: Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute. Bonn 2000, S. 270
[3] vgl. Uellenberg - van Dawen, S. 114
[4] vgl. Schneider, S. 270 f.
[5] vgl. Uellenberg - van Dawen, S. 114 f.
[6] vgl. Thum, Horst: Mitbestimmung in der Montanindustrie. Der Mythos vom Sieg der Gewerkschaften. Stuttgart 1982, S. 26 f.
[7] vgl. Uellenberg - van Dawen, S. 114 f.
[8] vgl. Uellenberg - van Dawen, S. 115
[9] vgl. Thum 1982, S. 43
[10] vgl.
[11] vgl. Thum, Horst: Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung. Von den Anfängen 1916 bis zum Mitbestimmungsgesetz 1976. Schriftenreihe des DGB-Bildungswerkes Gewerkschaften, Bd.12. Köln 1991, S. 74
[12] vgl. Thum 1982, S. 47 f.
[13] vgl. Schneider, S. 272
[14] vgl. Thum 1982, S. 38 f.
[15] siehe Müller-List, Gabriele: Montanmitbestimmung. Das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21.Mai 1951. Düsseldorf 1984, S. 31
[16] vgl. Thum 1982, S. 38 f.
[17] vgl. Peters, Jürgen (Hrsg.): Montanmitbestimmung. Dokumente ihrer Entstehung. Köln, 1979, S. 151 ff.
- Arbeit zitieren
- Christina Meiser (Autor:in), 2003, Mitbestimmung im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21742
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