1 Einleitung
Die Forschungen zu einer luxemburgischen Sprachgeschichte stecken noch in den Kinderschuhen. Als Vorlage für die sprachwissenschaftliche Literatur zu diesem Thema wird immer wieder Robert Bruchs Werk „Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen“ zitiert. Die aktuellen Zusammenfassungen scheinen mir zwar verständlicher, bieten jedoch nicht den Informationsgehalt des Basiswerkes. Trotz der Ausführlichkeit und der vielen Detailinformationen bleibt dieses Buch, wie der Titel schon sagt, eben nur eine Grundlegung für eine Sprachgeschichte. Wegen seines tödlichen U nfalls konnte Bruch sein Vorhaben, eine Fortsetzung mit be sonderem Schwerpunkt auf die Veränderungen durch den Einfall des Westgermanischen konnte herauszugeben, nicht mehr umsetzen. Im ersten Teil meiner Arbeit werde ich die Entwicklung des Lëtzebuergeschen von seinen Wurzeln, der Vorgeschichte, über die eigentliche Entstehung der Mundart zur Zeit der fränkischen Landnahme bis hin zur konfliktreichen Lage zwischen Romania und Germania nachzeichnen. Der zweite Teil soll Gründe für die besonderen Entwicklungen liefern, die das Lëtzebuergesche so geprägt haben, wie es heute von den Bewohnern Luxe mburgs gesprochen wird. Der Beschreibung der Sonderrolle der moselfränkischen Mundart Lëtzebuergesch im Gesamtgefüge der westmitteldeutschen Mundarten im Bezug auf lautgeschichtliche Veränderungen folgen sprachgeschichtliche Aspekte zur Begründung der Differe nziertheit interner Sprachverhältnisse. [...]
INHALT
1 Einleitung
2 Die sprachgeschichtliche Entwicklung des Lëtzebuergeschen
2.1 Die Vorgeschichtlichen Substrate als Basis der Triglossie
2.1.1 Die Hunsrück-Eiffel-Kultur
2.1.2 Die keltischen Treverer
2.1.3 Das Lateinische
2.2 Die entscheidende Prägung durch die Westfranken
2.3 Lëtzebuergesch zwischen Romania und Germania
3 Gründe für die Sonderentwicklung des Lëtzebuergeschen
3.1 Luxemburg im Gesamtgefüge der westmitteldeutschen Mundarten
3.1.1 Die Erste Lautverschiebung
3.1.2 Die Zweite Lautverschiebung
3.2 Sprachverhältnisse innerhalb der Luxemburger Sprachlandschaft
3.2.1 Die zwei Pole Ferschweiler-Trier und Arlon
3.2.2 Die Koinè – Hypothesen zur sprachgeschichtlichen Herleitung
4 Zusammenfassung
5 Literaturverzeichnis
6 Anhang
1 Einleitung
Die Forschungen zu einer luxemburgischen Sprachgeschichte stecken noch in den Kinderschuhen. Als Vorlage für die sprachwissenschaftliche Literatur zu diesem Thema wird immer wieder Robert Bruchs Werk „Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen“ zitiert.[1] Die aktuellen Zusammenfassungen scheinen mir zwar verständlicher, bieten jedoch nicht den Informationsgehalt des Basiswerkes. Trotz der Ausführlichkeit und der vielen Detailinformationen bleibt dieses Buch, wie der Titel schon sagt, eben nur eine Grundlegung für eine Sprachgeschichte. Wegen seines tödlichen Unfalls konnte Bruch sein Vorhaben, eine Fortsetzung mit besonderem Schwerpunkt auf die Veränderungen durch den Einfall des Westgermanischen konnte herauszugeben, nicht mehr umsetzen.
Im ersten Teil meiner Arbeit werde ich die Entwicklung des Lëtzebuergeschen von seinen Wurzeln, der Vorgeschichte, über die eigentliche Entstehung der Mundart zur Zeit der fränkischen Landnahme bis hin zur konfliktreichen Lage zwischen Romania und Germania nachzeichnen. Der zweite Teil soll Gründe für die besonderen Entwicklungen liefern, die das Lëtzebuergesche so geprägt haben, wie es heute von den Bewohnern Luxemburgs gesprochen wird. Der Beschreibung der Sonderrolle der moselfränkischen Mundart Lëtzebuergesch im Gesamtgefüge der westmitteldeutschen Mundarten im Bezug auf lautgeschichtliche Veränderungen folgen sprachgeschichtliche Aspekte zur Begründung der Differenziertheit interner Sprachverhältnisse.
2 Die sprachgeschichtliche Entwicklung des Lëtzebuergeschen
Kenntnisse über Völkerwanderungen, archäologische Funde früher Kulturen und nicht zuletzt Quellen antiker Historiker geben Aufschluss über die Vor- und Frühgeschichte des Luxemburgischen.
Material zur Erforschung des Luxemburgischen lagert größtenteils ungenutzt in der Luxemburger Nationalbibliothek und in den Regierungsarchiven. Der Nachlass des Forschers Professor van Werveke besteht aus einer umfangreichen Sammlung altluxemburgischer Ausdrücke aus Urkunden, Gerichtsakten und Weistümern.[2] Daneben zählen unter anderem die Echternacher Glossen und das Trierer Capitulare, der älteste zusammenhängende Text, aus dem 9. – 10. Jahrhundert zu den frühen Denkmälern des Lëtzebuergeschen.[3] „Die Reimlegende des Marienthaler Bruders Herman über das Leben der Gräfin Yolande von Vianden“[4] ist ein Werk lëtzebuergescher Literatur aus mittelhochdeutscher Zeit.
2.1 Die ersten Siedler
Über die Vorgeschichte des Luxemburger Raums gibt es noch keine systematischen prähistorischen Forschungen. Deshalb fehlt Linguisten die nötige Basis für genauere Angaben. Aus den geographischen Besonderheiten, die im Gebiet der heutigen politischen Einheit Luxemburg zusammenkommen, und archäologischen Funden in Form von Keramik oder Werkzeugen, lassen sich Rückschlüsse auf die frühe Besiedlung ziehen.
Drei verschiedene natürliche Landschaften treffen in der Region des heutigen Großherzogtums aufeinander. Der Norden und Nordwesten, das Ösling, sind Teil des rheinischen Schiefergebirges. Das Lothringer Stufenland schließt sich im Südwesten an, und der Westen mit dem Gutland ist landschaftlich geprägt durch einen letzten Ausläufer des Pariser Beckens. Aus der Champagne und moselabwärts wandern die älteren Steinzeitmenschen über zwei Siedlungs- und Kulturstraßen in den Westen und Süden des Landes ein. Die beiden Straßen treffen sich im mittleren Syrtal, wo der älteste geschlossene luxemburgische Siedlungsraum entsteht.[5]
Immer wieder betont Bruch auch den Einfluss südosteuropäischer Strömungen, die längs der Mosel und der Nahe eindringen.[6]
In der Einleitung zum Wörterbuch wird dagegen festgestellt, dass es unklar ist, ob die Siedler aus mittelmeerischen oder mitteleuropäischen Ursprungsgebieten stammen. Luxemburger Fluss- und Ortsnamen wie Alzette, Ernz oder Gander legen Zeugnis ab für Sprachelemente aus einer schon 2000-3000 v. Chr. in Teilen West- und Mitteleuropas verbreiteten Mittelmeerkultur. Zahlreiche Grabhügelfelder, ähnliche Bestattungssitten und typisches Siedlungsinventar der Bewohner Luxemburgs sind die Gründe dafür, ihre Kultur zur sogenannten Hunsrück-Eifel-Kultur zu rechnen.[7]
2.2 Die keltischen Treverer
Die erste Erwähnung der Einwohner Luxemburgs findet sich bei Herodot, der sie als „Keltoí“ bezeichnet. Während der späten Eisenzeit 450-200 vor Christus macht eine vermehrte Zuwanderung die Kelten zur neuen Herrenschicht in Westeuropa.[8] Eine bedeutende Rolle spielt dabei das keltisch-germanisch geprägte Volk der Treverer. Auf beiden Seiten der Mosel, jeweils bis Maas und Mittelrhein und zwischen den Ardennen im Norden und Hunsrück und Hochwald im Süden besiedeln sie „a natural area of defense“[9], um dort vermutlich mit germanischen Klienten von östlich des Rheins regen Handel zu treiben. In diese Zeit fällt auch der Beginn der Polarisierung Luxemburgs.
So errichten die Treverer bei Bitburg ein oppidum, von wo sie offenbar das Ösling erschließen. Dort siedeln Stämme mit einer stärkeren germanischen Komponente. Den anderen Pol des gutländischen Raums bildet das wirtschaftlich florierende und eventuell schon politisch organisierte Oppidum auf dem Titelberg-Arelaunum, dem heutigen Arlon.[10]
Bruch erklärt die Gegensätzlichkeit der Pole aus den unterschiedlichen Spracheinflüssen:
„einerseits der [...] nach Westen orientierte Reliktraum um Arlon und den Titelberg [...], andererseits der nordöstlichen Einflüssen und nach Verlagerung des Mittelpunktes nach Trier besonders südöstlichen Neuerungen geöffnete Raum am großen Sauerknie, der die erhaltenen Neuerungen durch den Ourgraben bis ins
Nordösling weitergibt.“[11]
Ob das neue Kulturleben, und damit das Keltische, die alten Siedlersprachen ersetzt oder sich die Sprachgewohnheiten vermischen, ist schwer nachzuvollziehen. „Die lebendige Volkssprache der Treverer“[12] schwindet im Laufe der Zeitgeschichte unter den Einflüssen romanischer und germanischer Herrenschichten. Dennoch bildet es gemeinsam mit den „urtümlichen Sprachanlagen der Träger der Hunsrück-Eifel-Kultur“[13] die älteste Sprachschicht im Luxemburger Raum.
Viele Ortsnamen sind Beweis für „das vom Volk zäh bewahrte Keltische“[14], so z.B. Widdenberg (Widdebiereg), Wawer, Biwer und Namen, die mit dem Suffix –acum gebildet werden, wie Billig, Itzig, Küntzig oder Mertzig.[15]
2.3 Das Lateinische
Im Laufe der gallischen Kriege Cäsars wird auch das Gebiet des heutigen Großherzogtums dem Imperium Romanum einverleibt. Die Römer bezeichnen die keltischen Einwohner als Gallier, ihr Land teilen sie in Verwaltungsprovinzen ein. So gehört Luxemburg nach 53 v. Chr. bis 476 n. Chr. zur Provinz Gallia Belgica.[16]
Die einheimische Kulur bleibt jedoch weitgehend erhalten, da die Römer keine Kolonialpolitik betreiben: „Die nunmehr einsetzende Romanisierung bedeutet keine Kulturzäsur.“[17] Von den Verwaltungszentren ausgehend kommt es jedoch zur Verschmelzung der beiden Kulturen. Das Gallo-Romanische ist schließlich auch die Basis für die Entstehung des Französischen.[18]
Immer wieder beschwört Bruch „die Kraft des Einheimischen“[19], und tatsächlich leisten die selbstbewussten Treverer dem Imperium in mehreren Aufständen Widerstand. Da der Erfolg ausbleibt, kommt es besonders in den Handelszentren und der Provinzhauptstadt Augusta Treverorum (Trier) zu einer raschen Assimilierung an die überlegene römische Kultur.[20] Romanisches Sprachgut sickert über Verwaltung und Handel ein.
Die „vulgärlateinische Volkssprache“ [wird] „das Umgangsidiom der römischen Verwaltungsbeamten und der latinisierten einheimischen Oberschicht“[21]. Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts wird sich Lateinisch als Urkunden- und Verwaltungssprache erhalten. Aus dem Lateinischen entlehnt das Germanische zahlreiche Orts- und Eigennamen. Eine Unmenge ursprünglich lateinischer Wörter findet sich im Hochdeutschen genauso wie im Lëtzebuergeschen: Beispiele dafür sind zum Teil laut-unverschobene Formen wie Pond (Pfund), Peffer (Pfeffer), Plenter (plantaria), afferen (opfern), Enn (Zwiebel) und Mesch (Sperling).[22]
[...]
[1] Robert Bruch: Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen. Luxembourg 1953. Im Folgenden zitiert als BRUCH: Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, mit Seitenangabe.
[2] Vgl. Luxemburger Wörterbuch. Bd. I - V. Luxembourg 1950-1977, S. 14 (Reprint in 2 Bden 1994/95). Im Folgenden zitiert als LUXEMBURGER WÖRTERBUCH, mit Seitenangabe.
[3] Vgl. Claus Jürgen Hutterer: Die Germanischen Sprachen. Ihre Geschichte in Grundzügen. Budapest 1975, S. 388. Im Folgenden zitiert als HUTTERER: Die Germanischen Sprachen, mit Seitenangabe.
[4] Ebd.
[5] Vgl. Fernand Hoffmann: Sprachen in Luxemburg. Sprachwissenschaftliche und literaturhistorische Beschreibung einer Triglossie-Situation. Wiesbaden 1979 (=Deutsche Sprache in Europa und Übersee. Berichte und Forschungen 6), S. 3. Im Folgenden zitiert als HOFFMANN: Sprachen in Luxemburg, mit Seitenangabe. Vgl. auch BRUCH: Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, S. 8-10. Siehe auch Karte 3 im Anhang.
[6] Vgl. BRUCH: Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, S. 12-16.
[7] Vgl. LUXEMBURGER WÖRTERBUCH, S.21.
[8] Vgl. Gerald Newton: Luxembourg and Lëtzebuergesch. Language and Communication at the Crossroads of Europe. Oxford 1996, S.43. Im Folgenden zitiert als NEWTON: Luxembourg and Lëtzebuergesch, mit Seitenangabe.
[9] NEWTON: Luxembourg and Lëtzebuergesch, S. 43.
[10] Vgl. BRUCH: Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, S. 19 f. und NEWTON: Luxembourg and Lëtzebuergesch, S. 43.
[11] BRUCH: Grundlegunge einer Geschichte des Luxemburgischen, S. 20.
[12] HOFFMANN: Sprachen in Luxemburg, S. 22.
[13] Ebd.
[14] Ebd., S. 23.
[15] Vgl. LUXEMBURGER WÖRTERBUCH, S. 21.
[16] Vgl. HOFFMANN: Sprachen in Luxemburg, S. 3, und NEWTON: Louxembourg and Lëtzebuergesch, S. 44 f.
[17] BRUCH: Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, S. 22.
[18] Vgl. NEWTON: Luxembourg and Lëtzebuergesch, S. 45.
[19] BRUCH: Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, S. 22.
[20] Vgl. ebd., S. 22 f.
[21] HOFFMANN: Sprachen in Luxemburg, S. 23.
[22] Vgl. LUXEMBURGER WÖRTERBUCH, S. 22.
- Arbeit zitieren
- Franziska Moschke (Autor:in), 2000, Aspekte der sprachgeschichtlichen Entwicklung des Letzebuergeschen (Luxemburgisch), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37784
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