Lesen und Schreiben stellen auf den verschiedenen Ebenen, sowohl beim Umgang mit der Schrift – dem Worterkennen bzw. dem Rechtschreiben – wie auf der Textebene, unterschiedliche Zugangsweisen im Gebrauch und in der Auseinandersetzung mit schriftlicher Kommunikation dar. Diese unterschiedlichen Zugangsweisen können sich ergänzen und gegenseitig beeinflussen, wobei sich der jeweilige Beitrag des Lesens bzw. Schreibens mit dem Entwicklungsstand des Lernenden verändert.
Auf die außerordentliche Wichtigkeit der Lese- und Schreibfähigkeit wird unter anderem in den Richtlinien und Lehrplänen für die Grundschule zur Erprobung in Nordrhein-Westfalen hingewiesen:
„Die schriftsprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Lesens und Schreibens bilden die Grundlage für jedes weitere Lernen in der Grundschule und darüber hinaus.“ (Ministerium 2003, S. 29)
Dass die Leistungen der Mädchen in diesen Fähigkeiten und Fertigkeiten denen der Jungen überlegen sind, ist nicht erst seit PISA und IGLU bekannt. Seit den 1990er Jahren ist – besonders in der Leseforschung – auf diesen Befund hingewiesen worden.
In der vorliegenden Arbeit werde ich mich mit dem geschlechtsspezifisch differenziellen Lese- und Schreibverhalten von Mädchen und Jungen auseinandersetzen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die schulische Förderung herausarbeiten.
Um einen Überblick über die Unterschiede in den Lese- und Schreibfähigkeiten zwischen den Geschlechtern zu geben, werde ich zunächst kurz die Ergebnisse verschiedener empirischer Untersuchungen darstellen und der Frage nach dem Einfluss und der Interventionsnotwendigkeit der Schule nachgehen (vgl. 2).
Es muss bereits an dieser Stelle deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Zugehörigkeit zu einer Geschlechtergruppe keine Auskunft über das Niveau der Lese- oder Schreibkompetenz geben kann. Wenn im Folgenden von den Interessen und Leistungen „der Jungen“ und „der Mädchen“ die Rede ist, beziehe ich mich auf Ergebnisse von Untersuchungen, die statistisch und 4 tendenziell stimmen, die aber nicht bedeuten, dass die Daten auf jeden Jungen und jedes Mädchen automatisch zuträfen. Ebenso wie Jungen sehr kompetente Leser und Schreiber sein können, finden sich unter den Mädchen besonders leistungsschwache.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Problematisierung geschlechtsspezifischer Unterschiede im Schriftspracherwerb
- Entwicklung der Lese- und Schreibfähigkeiten
- Mündlichkeit und Schriftlichkeit
- Entwicklung von Literacy in der Familie
- Familiale Bedingungs- und Einflussfaktoren
- Geschlechtsspezifische Unterschiede
- Theoretische Erklärungsansätze der geschlechtsspezifischen Unterschiede
- Entwicklung der Lese- und Schreibfähigkeiten in der Schule
- Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs als Rahmenmodelle
- Entwicklung der basalen Lesefähigkeit
- Logographisches Lesen
- Alphabetisches Lesen
- Orthographisches Lesen
- Der Erwerb von „Sichtwörtern“ und Automatisierung beim Worterkennen
- Textlesen/Lesekompetenz
- Entwicklung der basalen Schreibfähigkeit
- Entwicklung von Rechtschreibstrategien
- Erwerb der Schreibkompetenz
- Lese- und Schreib-Schwierigkeiten
- Geschlechtsspezifische Unterschiede im schulischen Schriftspracherwerb
- Methoden des Lese- und Schreibunterrichts
- Basale Leselehrverfahren
- Basale Schreiblehrverfahren
- Methoden des Textleseunterrichts
- Methoden der Textproduktionsvermittlung
- Praktisch-didaktische Konsequenzen für die Lese- und Schreibförderung im Unterricht
- Motivation
- Förderung des fachspezifischen Lernstrategiewissens
- Umsetzungsmöglichkeiten eines geschlechterdifferenzierenden Förderunterrichts
- Leseförderung
- Schreibförderung
- Formen des Lesens
- Notwendigkeit der Förderung des identifikatorischen Lesens fiktionaler Texte von Jungen
- Zehn Rechte auf Lesen und Schreiben
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Lese- und Schreibverhalten von Mädchen und Jungen in der Grundschule. Das Hauptziel ist die Analyse der Ursachen dieser Unterschiede und die Ableitung praktischer Konsequenzen für die Förderung der schriftsprachlichen Fähigkeiten im Unterricht.
- Entwicklung von Literacy in der Familie
- Theorie und Praxis des schulischen Schriftspracherwerbs
- Geschlechtsspezifische Unterschiede in Lese- und Schreibfähigkeiten
- Methoden des Lese- und Schreibunterrichts
- Praktisch-didaktische Konsequenzen für die Förderung im Unterricht
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Schriftspracherwerb ein und stellt die Relevanz der Lese- und Schreibfähigkeit für das weitere Lernen heraus. Anschließend werden die Ergebnisse verschiedener empirischer Untersuchungen dargestellt, die auf die Überlegenheit von Mädchen in diesen Fähigkeiten hinweisen.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Entwicklung der Lese- und Schreibfähigkeiten im Kontext der Familie. Es werden familiäre Bedingungs- und Einflussfaktoren diskutiert, die zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden beitragen können. Weiterhin werden theoretische Erklärungsansätze vorgestellt, die die Ursachen dieser Differenzen aufzeigen.
Das dritte Kapitel behandelt den schulischen Schriftspracherwerb. Es werden Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs als Rahmenmodelle vorgestellt und die Entwicklung der basalen Lese- und Schreibfähigkeit sowie die Entwicklung von Rechtschreibstrategien beschrieben. Darüber hinaus werden geschlechtsspezifische Unterschiede im schulischen Schriftspracherwerb beleuchtet.
Das vierte Kapitel stellt verschiedene Unterrichtsmethoden zur Vermittlung der basalen und textbezogenen Fähigkeiten vor. Es werden die Methoden im Hinblick auf ihre geschlechterdifferenzierenden Möglichkeiten geprüft und die Zielsetzungen der Lehrpläne und Richtlinien des Faches Deutsch für die Grundschule einbezogen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themenschwerpunkten geschlechtsspezifische Unterschiede, Schriftspracherwerb, Lesekompetenz, Schreibkompetenz, Familie, Schule, Unterrichtsmethoden, Förderung, Lese- und Schreibförderung, Grundschule.
- Quote paper
- Anne Kathrin Göhmann (Author), 2004, Die Entwicklung von Lese- und Schreibfähigkeiten bei Grundschulkindern - geschlechtsspezifische Unterschiede, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34333