Jeder Deutsche kennt verschiedene Dialekte bzw. Mundarten wie z.B. das Sächsische, das Berlinerische, das Bayrische oder auch das Kölsche Platt. Diese Dialekte hört man immer wieder, so z. B. im Fernsehen die „Erdinger- Weißbier“ - Werbung. Auch TV- Serien spielen mit diesen Mundarten. Die Sitcom „Alles Atze“ oder auch die „Familie Becker“ benutzen die Mundarten, um das „normale Leben“ witziger bzw. anders darzustellen.
Ich möchte mich mit einer Mundart beschäftigen, die erst in der letzten Zeit wieder Eingang in die Medienwelt gewinnen konnte, dem„norddeutschen“ Plattdeutschen.
Dazu werde ich versuchen, den Wandel dieser Sprache von einer angesehen gesprochenen und Schriftsprache im Mittelalter zu einer verschmähten Mundart, bis hin zu einer Kultursprache darzulegen.
Dabei werde ich mich allerdings auf das Plattdeutsche beschränken, welches man in Schleswig-Holstein spricht. Neben diesem gibt es eine Reihe von anderen plattdeutschen Sprachen, so z.B. das mecklenburgische Platt.
Der Wandel der plattdeutschen bzw. niederdeutschen Sprache hat sich in drei Stufen vollzogen:
Zum einen gibt es den radikalen Schreibsprachenwechsel im 16. bis 17. Jahrhundert, dem folgte ein weitgehender Wechsel der gesprochenen Sprache vor allem im 19. und 20. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert erfuhr das Plattdeutsche dann einen neuerlichen Aufstieg zur Kultursprache.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Schreibsprachenwechsel
3. Wandel von der Schreibsprache zur Mundart
3.1. Rückgang des Plattdeutschen
3.2. Plattdeutsch eine Pöbelsprache?
3.3. Wiederbelebung des Niederdeutschen
3.4 Streit zwischen K. Groth und F. Reuter
4. Niederdeutsche Bühnenbewegung
5. Nationalsozialismus
5.1. Plattdeutsch als Propagandamittel
5.2. Literatur
6. Plattdeutsch heute: Kultursprache oder Mundart?
6.1 Plattdeutsch eine tote Sprache?
6.2 Meine Umfrage
6.3. Theater
6.4. Plattdeutsche Medien
6.4.1 Bücher, Zeitschriften und Kalender
6.4.2 Funk
6.4.3 Musik
6.4.4 Fernsehen
6.4.4.1 Neues aus Büttenwarder
6.4.4.2 Die Welt op Platt
6.5 Internet
7. Abschluss
Anhang
Min Modersprak
Eigene Umfrage
1. Einleitung
Jeder Deutsche kennt verschiedene Dialekte bzw. Mundarten wie z.B. das Sächsische, das Berlinerische, das Bayrische oder auch das Kölsche Platt. Diese Dialekte hört man immer wieder, so z. B. im Fernsehen die „Erdinger- Weißbier“ - Werbung. Auch TV- Serien spielen mit diesen Mundarten. Die Sitcom „Alles Atze“ oder auch die „Familie Becker“ benutzen die Mundarten, um das „normale Leben“ witziger bzw. anders darzustellen.
Ich möchte mich mit einer Mundart beschäftigen, die erst in der letzten Zeit wieder Eingang in die Medienwelt gewinnen konnte, dem„norddeutschen“ Plattdeutschen.
Dazu werde ich versuchen, den Wandel dieser Sprache von einer angesehen gesprochenen und Schriftsprache im Mittelalter zu einer verschmähten Mundart, bis hin zu einer Kultursprache darzulegen.
Dabei werde ich mich allerdings auf das Plattdeutsche beschränken, welches man in Schleswig-Holstein spricht. Neben diesem gibt es eine Reihe von anderen plattdeutschen Sprachen, so z.B. das mecklenburgische Platt.
Der Wandel der plattdeutschen bzw. niederdeutschen Sprache hat sich in drei Stufen vollzogen:
Zum einen gibt es den radikalen Schreibsprachenwechsel im 16. bis 17. Jahrhundert, dem folgte ein weitgehender Wechsel der gesprochenen Sprache vor allem im 19. und 20. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert erfuhr das Plattdeutsche dann einen neuerlichen Aufstieg zur Kultursprache.
2. Schreibsprachenwechsel
Im Mittelalter hatte sich das Plattdeutsche als die „Weltsprache“ des hanseatischen Wirtschaftsraumes entwickelt. Dies bedeutete gleichzeitig auch, dass sich eine bürgerliche Schriftlichkeit in Platt durchsetzte; Recht und Gesetz wurden auf Platt festgehalten und gesprochen. Mit der Entwicklung der Buchdruckerei wurden sogar vereinzelt Bestseller in plattdeutscher Sprache gedruckt.
Mit dem Untergang der Hanse ging auch das Plattdeutsche unter. Man brauchte sich nicht mehr mit einer Sprache abgrenzen.
Neben dem politischen Umschwung kam auch ein Wandel im religiösen Leben. Durch die Reformation bedingt gewann die hochdeutsche „Luthersprache“ im Norden an Einfluss.[1]
Aber nicht nur durch die Reformation ist das Niederdeutsche in den Hintergrund geraten, auch der Buchdruck, der vornehmlich hochdeutsche Werke hervorbrachte, trug zum Rückgang der niederdeutschen Sprache bei.
Die Werke wurden vor allem in hochdeutscher Sprache gedruckt, um eine große Menge an Lesern zu erreichen.
Trotzdem wollte man die plattdeutsche Sprache erhalten, indem man versuchte, die hochdeutschen Werke zu übersetzen. Dies gelang allerdings nur unzureichend. So wurden hochdeutsche Fügungen einfach übernommen und die Übersetzungen waren schlecht, da es an entsprechenden Meistern fehlte.[2]
Schon relativ früh wurde das Hochdeutsche in Schleswig- Holstein übernommen; so wurde die Landesbestätigung von 1533 in Hochdeutsch gegeben.
Daneben hielt sich das Niederdeutsche allerdings noch lange.
1542 erschien die Schleswig- Holsteinische Kirchenordnung in gutem Niederdeutsch; plattdeutsche Bibeln wurden noch 1615 in Lübeck, 1620 in Hamburg gedruckt. Ein niederdeutsches Gesangbuch kam noch 1635 raus, und bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde teilweise noch plattdeutsch gepredigt.[3]
Ein weiterer Grund für die schnelle Übernahme des Hochdeutschen kann die Annahme durch die evangelische Kirche sein, die ihren Verkehr mit ihren Predigern in hochdeutscher Sprache hielt. Die Predigten und die Kirchengesänge wurden dann immer mehr in hochdeutscher Sprache gehalten bzw. gesungen.
Die katholische Kirche stand dem Plattdeutschen schon immer eher ablehnend gegenüber und behielt auch während der Hochzeit des Plattdeutschen weiterhin Latein als die vorrangig benutzte Sprache bei.[4]
Nach und nach wurde das Hochdeutsche dann auch die Sprache des Hofes; dieser Gepflogenheit konnten sich die Adeligen des Landes nicht entziehen und man nahm die hochdeutsche Sprache immer mehr an und sie wurde immer mehr zur Selbstverständlichkeit.[5]
3. Wandel von der Schreibsprache zur Mundart
3.1. Rückgang des Plattdeutschen
Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde noch ganz vereinzelt das Niederdeutsche im schriftlichen Verkehr gebraucht.
Aus den höheren Gesellschaftskreisen war es seit 1600 als Schriftsprache fast gänzlich verschwunden. Lediglich als Umgangssprache wurde es beim Adel noch gebraucht.[6]
Nach den Kanzleien der Fürsten und Städte ging dann auch das gebildete Bürgertum im schriftlichen Sprachgebrauch zum Hochdeutschen über.
Zwar bediente sich der größte Teil der norddeutschen Bevölkerung im mündlichen Umgang weiterhin des Niederdeutschen, doch sein Funktions- und Prestigeverlust wirkte sich so nachhaltig aus, dass im Laufe der Zeit eine gesellschaftliche Schicht nach der anderen das Hochdeutsche annahm.[7]
Die Bauern und Arbeiter hielten an der Sprache ihrer Väter fest. Bei den Städtern, die in allem Bäuerlichen etwas Plattes und Gewöhnliches fanden, entstand die Meinung, dass auch die Sprache des Landvolkes platt und gewöhnlich - ein schlechtes Deutsch – sei.[8]
Schließlich war die alte Sprache der Region im Wesentlichen nur mehr in der Form der Alltagsmundart „kleiner Leute“, und hier insbesondere der Landbevölkerung, lebendig.
Zwar versuchten Einzelne auf die Fatalität der fremdländischen Modesucht hinzuweisen. So auch der Rostocker Gelehrte Johann Lauremberg, der in seinen „Niederdeutschen Scherzgedichten“ von 1652 in derber, satirischer Form für seine Muttersprache eintrat.
Allerdings waren seine Versuche nicht erfolgreich, da man nach dem Ende des 30-jährigen Krieges andere Probleme zu lösen hatte.
Noch weniger konnte sich der aus Tondern stammende Bernhard Raupach mit seiner Doktor- Dissertation „Von der unbilligen Verachtung der Plat- Teutschen Sprache“ (Rostock 1704) durchsetzen.
3.2. Plattdeutsch eine Pöbelsprache?
Die Benennung „Plattdeutsch“ hatte sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts immer mehr eingebürgert.
Das Wort „Platt“ stammt ursprünglich von dem französischen Wort „plat“, was so viel wie platt, niedrig, gemein heißt. Eine andere Möglichkeit der Herkunft kann das aus dem niederländischen stammenden „plat, alledaagsch“ sein, was alltäglich, niedrig bedeutet.[9]
Der früheste Beleg für die Benutzung dieses Wortes findet sich 1524, als in Delft ein Neues Testament "in goede platten duytsche" erscheint. Es wurde die Mundart, die tägliche Umgangssprache, die im Gegensatz zu der höheren schriftsprachlichen Form stand. Plattdeutsch war also nicht die Sprache der „platten“ norddeutschen Ebene, die der oberdeutschen „hügeligen“ Ebene gegenübersteht.[10]
Während es ursprünglich nur die Sprache des täglichen Lebens bezeichnete, blieb nun der Ausdruck „Plattdeutsch“ in der Bedeutung „Pöbelsprache“ am Niederdeutschen haften.
Klaus Groth urteilt über diese Zeit voll Bitterkeit:
„Sie lag im stärksten Bann, in dem des Vorurteils. Der unfehlbarste aller Päpste hatte ihr Urteil gesprochen: die Unwissenheit; sie galt für gemein. Ihr fehlte die rechte Reinigkeit und Dignität der Buchsprache. Die Eitelkeit der Halbgebildeten, d.h. der Mehrzahl, betet nur zu gerne nach: ich danke dir, Herr, dass ich nicht spreche wie dieser Bauern einer oder dieser Schuhflicker.“[11]
Die Sprache und Denkweise des Volkes fand im Stilverständnis des 18. Jahrhunderts, der Aufklärungszeit, keinerlei Beachtung.
Dann verschwindet das Niederdeutsche für mehrere Jahrzehnte völlig aus der eigentlichen Literatur.
Die niederdeutsche Dichtung erreicht ihren Tiefstand, sie scheint tot zu sein, die Dichter scheuen sich, eine Sprache zu verwenden, die das öffentliche Leben verschmäht.
Es hat zwar noch vereinzelt Bemühungen gegeben, das Niederdeutsche zu erhalten und zu pflegen. Doch dadurch, dass das Hochdeutsche zur Alleinherrschaft als Sprache der Literatur und der höheren Bildung gekommen war, wurde nur sie als pflegenswert empfunden.[12]
3.3. Wiederbelebung des Niederdeutschen
Zu nennen sind hier vor allem die Bemühungen von Klaus Groth, der die niederdeutsche Sprache als Literatursprache ausbauen wollte.
Dies bedeutete für ihn insbesondere die Abhandlung ernster Themen in plattdeutscher Sprache auf literarisch hohem Niveau.
Groth versuchte zu verdeutlichen, dass die plattdeutsche Sprache zu allen Zwecken fähig ist.
Groth versuchte mit dem Lyrikband Quickborn dieser Entwicklung entgegen zu wirken, denn alle Gedichte und Texte in seinem Werk sind im sog. „Dithmarscher Platt“ geschrieben.
Auf diesem Wege beabsichtigte Groth mit „Quickborn“ „Dichtung fürs Volk, und um der Nähe zum Leben willen Dichtung in Mundart zu schaffen“[13].
Groth wollte nur Themen beschreiben, die das Volk nicht der Lächerlichkeit preisgeben, sondern das Volk und das Volkstümliche „zum höchsten Wert“[14] werden lassen.
„Das sei eben die Aufgabe unserer mundartliche Dichtung, dass sie dem Volk zeige, auch der edlere Ton der Sehnsucht, der Liebe des treuen Gemüts liege in ihm, es solle sie nur aussprechen.“[15]
Groth sieht dies in seinem „Quickborn“ erfüllt.
Obwohl er die plattdeutsche Sprache in seinen Texten der hochdeutsche Sprache vorzog, wollte er nie eine „plattdeutsche Revolution“[16], sondern eine Gleichsetzung der beiden Sprachen. Für ihn war aber die plattdeutsche immer die vollkommenere Sprache.
Mit seinen Werken traf Groth genau den Zeitgeist und das Bedürfnis des „Retour á la nature“[17], welches im Groß- und Kleinbürgertum herrschte.
Obwohl keiner wirklich zurück ins ländliche Leben wollte, befriedigte man die Sehnsucht nach der von ihnen stilisierten ländlichen Idylle mit dem Genuss künstlicher Poeten- Genremalerei.
[...]
[1] Meyer „Unsere plattdeutsche Muttersprache“ 1983; S. 39.
[2] Ebd.
[3] Sanders „Sachsensprache, Hansesprache, Plattdeutsch“; S 26.
[4] Ebd.; S: 209.
[5] Meyer „Unsere plattdeutsche Muttersprache“; S. 40.
[6] Ebd.; S. 41.
[7] Sanders „Sachsensprache, Hansesprache, Plattdeutsch“; S. 34.
[8] Ebd.; S. 26/ 27.
[9] Meyer „Unsere plattdeutsche Muttersprache“ 1983; S. 41..
[10] Ebd.; S. 42.
[11] Ebd.; S. 42.
[12] Ebd.; S: 43.
[13] Jaeger „Theorien der Mundartdichtung“; S. 38.
[14] Ebd.
[15] Ebd.
[16] Ebd.; S. 40.
[17] Ebd.; S. 43.
- Arbeit zitieren
- Tatjana Cornehl (Autor:in), 2007, Plattdeutsch - Wandel einer Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83069
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