Da war doch endlich einmal einer aus jener Welt da draußen, einer, der in den großen, fernen Städten gelebt hatte, [...] wo der Rauch von den Lagerfeuern der Zigeuner sich lang über Baumkronen der Wälder hinzog, während rote Ruinen von den weinumkränzten Höhen in ein lachendes Tal hinabschauten...
In sowohl der skandinavischen als auch der unter skandinavischem Einfluß stehen-den Literatur um die Jahrhundertwende, welche die Beziehung zwischen dem nach Selbstverwirklichung strebenden Individuum und der in ihrer Determiniertheit gefangenen Gesellschaft beschreibt, tritt besonders häufig ein Motiv des "Dem-Ort-Entfliehens" auf. Dieser Ausbruch aus gesellschaftlichen Zwängen vollzieht sich in den Werken der Autoren in unterschiedlichster Weise. Häufig scheint eine wie oben zitierte Sehnsucht nach dem ganz Unbekannten (aber erwartet Sinngebenden) Ursprung dieses Ausbruchs zu sein.
Womöglich nicht immer ist dieses Motiv jedoch unter dem hier zu untersuchenden Aspekt ein bewußt gewähltes zu sein, vielmehr gewinnt man den Eindruck der aus anderen Intentionen heraus gewählten "Flucht", bzw. der Wahl dieser Lösung als bei-nahe unbewußte (und damit den zeitlichen Umständen um die Jahrhundertwende Rechnung tragende) Entscheidung der Autoren.
Gerade deshalb ist das Ziel der vorliegenden Arbeit eine etwaige Stringenz in der Beibehaltung dieses Motivs als Ultimativlösung festzustellen und zu untersuchen, wobei ausschließlich dieses auf gesellschaftlichen Zwängen basierende Fluchtmotiv analysiert wird, während andere Lösungen menschlicher Unzufriedenheit nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein sollen.
Die Texte der deutschen Autoren Gerhart Hauptmann und Thomas Mann, aber auch die ihrer skandinavischen Vorläufer August Strindberg, Henrik Ibsen, Jens Peter Ja-cobsen und Herman Bang dienen nicht nur wegen ihrer überragenden (und damit beispielhaften) Position in der Literatur des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, sondern insbesondere auch wegen der in ihnen auftretenden Vielfältigkeit des zu erwartenden Motivs, als textliche Grundlage dieser Analyse.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Flucht aus gesellschaftlicher Determiniertheit
- Zwei Fluchtmotive
- Beispiele aus der skandinavischen Literatur um die Jahrhundertwende
- August Strindberg
- Henrik Ibsen
- Jens Peter Jacobsen
- Herman Bang
- Beispiele aus der deutschen Literatur um die Jahrhundertwende
- Gerhart Hauptmann
- Thomas Mann
- Versteckte Kontinuität
- Schlussbetrachtung - Finden von Wahrheit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert das Motiv der Flucht aus gesellschaftlicher Determiniertheit in der deutschen und skandinavischen Literatur um die Jahrhundertwende. Sie untersucht, wie dieses Motiv in den Werken von August Strindberg, Henrik Ibsen, Jens Peter Jacobsen, Herman Bang, Gerhart Hauptmann und Thomas Mann dargestellt wird und welche Bedeutung es für die Selbstfindung der Protagonisten hat.
- Die unterschiedlichen Formen des Fluchtmotivs
- Die Auswirkungen der Flucht auf die Protagonisten
- Die Rolle der Gesellschaft in der Determiniertheit der Individuen
- Die Bedeutung des Ortswechsels für die Selbstfindung
- Die Suche nach Wahrheit und persönlichem Lebenssinn
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und beschreibt das Motiv der Flucht aus gesellschaftlicher Determiniertheit als zentrales Element der Literatur um die Jahrhundertwende.
Das zweite Kapitel analysiert die beiden Haupttypen des Fluchtmotivs: den von außen motivierten Ausbruch aus einem Ort und die Flucht aus einer inneren Motivation heraus.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Beispielen aus der skandinavischen Literatur. Es werden die Werke von August Strindberg, Henrik Ibsen, Jens Peter Jacobsen und Herman Bang analysiert, um die verschiedenen Formen und Motivationen des Fluchtmotivs zu verdeutlichen.
Das vierte Kapitel widmet sich den Beispielen aus der deutschen Literatur. Es werden die Werke von Gerhart Hauptmann und Thomas Mann untersucht, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Darstellung des Fluchtmotivs in der deutschen und skandinavischen Literatur aufzuzeigen.
Das fünfte Kapitel beleuchtet die Kontinuität des Fluchtmotivs in den Werken der verschiedenen Autoren. Es werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung des Motivs und der Rolle der Gesellschaft in der Determiniertheit der Individuen herausgearbeitet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Flucht aus gesellschaftlicher Determiniertheit, das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, die Selbstfindung, die Bedeutung des Ortswechsels, die skandinavische und deutsche Literatur um die Jahrhundertwende, August Strindberg, Henrik Ibsen, Jens Peter Jacobsen, Herman Bang, Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Fräulein Julie, Gespenster, Niels Lyhne, Irene Holm, Vor Sonnenaufgang, Tonio Kröger.
- Arbeit zitieren
- T. Niemsch (Autor:in), 2000, Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft - Ausbruchversuche in der Literatur um die Jahrhundertwende, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5667
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