Das Lesen und Schreiben lernt der Großteil der deutschen Kinder in den ersten Grundschuljahren. Diese Fähigkeit beeinflusst nicht nur den weiteren Verlauf der schulischen Karriere und des späteren Beruflebens, sondern ist auch Teil des alltäglichen Lebens. Egal ob beim Einkaufen, beim Straßenkarten oder Wegweiser lesen oder beim Durchblättern von Werbeanzeigen, immer wieder spielt Lesen und Schreiben eine Rolle in unserem Leben. Da seit geraumer Zeit Schulpflicht in Deutschland besteht, sollte man meinen, dass alle Menschen die Kulturtechniken Lesen und Schreiben beherrschen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass z.B. im Grundschulalter zehn bis fünfzehn Prozent der Schüler Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten haben und daher ein bis zwei Jahrgangsstufen rückständig sind. Bei Kindern und Jugendlichen wird davon ausgegangen, dass ca. 3 bis 5 Prozent einer Jahrgangsstufe von Legasthenie betroffen sind. Probleme beim Lesen und Rechtschreiben schlagen sich nicht nur im Fach Deutsch nieder. Auch in anderen Fächern, in denen schriftliche Arbeiten erbracht werden müssen, haben diese Kinder und Jugendlichen Schwierigkeiten. Die daraus resultierenden schulischen Misserfolge führen nicht selten zu Versagensängsten, Motivationsverlust, Minderwertigkeitsgefühlen und zerstören das Selbstvertauen der Kinder. In der vorliegenden Arbeit soll zunächst der regelhafte kindliche Schriftspracherwerb erläutert werden. Anschließend werde ich auf Legasthenie und therapeutische Ansätze eingehen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Kindlicher Spracherwerb
2. Kindliche Schriftsprachentwicklung
2.1. Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb
2.1.1. Vorläuferfertigkeiten
2.2. Lesen lernen
2.2.1. Phasenmodell (Modell von Frith)
2.2.2. Kompetenzentwicklungsmodell
2.3. Schreiben lernen
2.3.1. Modelle der Rechtschreibentwicklung
3. Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten
3.1. Definition und Häufigkeit
3.2. Ursache
3.3. Diagnostik
3.4. Therapie
Schlusswort
Einleitung
Das Lesen und Schreiben lernt der Großteil der deutschen Kinder in den ersten Grundschuljahren. Diese Fähigkeit beeinflusst nicht nur den weiteren Verlauf der schulischen Karriere und des späteren Beruflebens, sondern ist auch Teil des alltäglichen Lebens. Egal ob beim Einkaufen, beim Straßenkarten oder Wegweiser lesen oder beim Durchblättern von Werbeanzeigen, immer wieder spielt Lesen und Schreiben eine Rolle in unserem Leben.
Da seit geraumer Zeit Schulpflicht in Deutschland besteht, sollte man meinen, dass alle Menschen die Kulturtechniken Lesen und Schreiben beherrschen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass z.B. im Grundschulalter zehn bis fünfzehn Prozent der Schüler Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten haben und daher ein bis zwei Jahrgangsstufen rückständig sind.[1]
Bei Kindern und Jugendlichen wird davon ausgegangen, dass ca. 3 bis 5 Prozent einer Jahrgangsstufe von Legasthenie betroffen sind.[2] Probleme beim Lesen und Rechtschreiben schlagen sich nicht nur im Fach Deutsch nieder. Auch in anderen Fächern, in denen schriftliche Arbeiten erbracht werden müssen, haben diese Kinder und Jugendlichen Schwierigkeiten. Die daraus resultierenden schulischen Misserfolge führen nicht selten zu Versagensängsten, Motivationsverlust, Minderwertigkeitsgefühlen und zerstören das Selbstvertauen der Kinder.
In der vorliegenden Arbeit soll zunächst der regelhafte kindliche Schriftspracherwerb erläutert werden. Anschließend werde ich auf Legasthenie und therapeutische Ansätze eingehen.
1. Kindlicher Spracherwerb
Um mit Beginn der ersten Klasse das Lesen und Schreiben lernen zu können sollte ein Kind bei der Einschulung grammatikalisch und phonetisch richtig sprechen können. Nur wenn die grundlegenden Regeln der Sprache beherrscht und die Vielzahl der Laute voneinander unterschieden werden können, sind die Voraussetzungen des Lesens und Schreibens gegeben.[3]
Im folgenden soll nun ein kurzer Überblick über den kindlichen Spracherwerb gegeben werden.
Der kindliche Spracherwerb ist ein langer Prozess, bei dem das Kind über verschiedene Vorstufen und Unvollkommenheitsstufen das angemessene Verwenden der Sprache erlernt.[4]
Schon bevor Kinder das erste Wort sprechen, ist die Sprachentwicklung in vollem Gange. Beobachtet man kleine Menschen so kann man vorsprachliche Erscheinungen erkennen, wobei Kainz das Schreien, das Lallen und die Vorstufen des Sprachverstehens nennt.[5]
Das Schreien: Schon unmittelbar nach der Geburt „produziert“ ein Neugeborenes die ersten Laute: Als Folge der Umstellung der Atmung auf die Lungenatmung fängt es an zu schreien. Während in den ersten Wochen das Schreien ein rein physiologisches Phänomen ist und lediglich zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse (z.B. Hunger) instinktiv „eingesetzt“ wird, lernt das Kind später durch das Schreien bewusst bestimmte Verhaltensweisen in seiner Umwelt zu provozieren.[6]
Das Lallen: Die Lallphase beginnt etwa in der fünften bis siebten Woche und stellt eine wichtige Vorstufe der Sprachentwicklung dar. Das Lallen ist großenteils, anders als das Schreien, zweckfrei und drückt Wohlbefinden aus. Dieses „Üben“ Laute zu äußern wird zunächst hauptsächlich durch die Empfindungen an den Sprachorganen gesteuert, später dann aber durch Nachahmung der Umwelt (z.B. typischer Lautbestand der Muttersprache) beeinflusst.[7]
Die Vorstufen des Sprachverstehens: Schon bevor ein Kind selbst die ersten Worte spricht fängt es an einige Worte aus der Umwelt zu verstehen, wobei es zunächst nur Mimik, Stimmton, Redetonfall und Gebärden einordnen kann. Im Alter von etwa neun Monaten kann ein Baby erstmals ein an ihn gerichtetes Ansinnen als solches verstehen.[8]
In diesen Vorstufen des Sprachverstehens reagiert das Kind auf Wörter und Sätze aus der Umwelt, ohne „das eigentlich Sprachliche aufzufassen“[9]
Der Übergang von der vorsprachlichen Lallphase und den Anfängen des Sprechen verläuft fließend. Bei genauer Betrachtung lassen sich beim Kind folgende weitere Entwicklungsschritte beobachten: Zu Beginn bringt das Kind, wie in der Lallphase, Laute hervor, beginnt aber mit ihnen einen Sinn zu verbinden. Im weiteren Verlauf der Entwicklung beginnt das Kind die Sprache der Erwachsenen nachzuahmen. Es dauert dennoch eine Zeit, bis das Kind „daraufkommt, dass die Lautgebilde der Großen etwas bedeuten“[10].
Eine „autonome Kindersprache“ setzt ein sobald das Kind aus der Umgebung erlernte Worte eigenständig sinnvoll gebraucht. Kindersprache meint dabei die Zeit, „die vom ersten sinnvoll gesprochenen Wort bis zur Bewältigung der Hauptarten des Satzgefüges reicht“[11].
Der Wortschatz eines zweijährigen Kindes umfasst ca. 240-350 Wörter und wächst bis zum sechsten Lebensjahr bis auf ca. 3800 Wörter an. In dieser Zeit entwickelt es ein Symbolbewusstsein (Lautgebilde sind Symbole für Dinge) und lernt die grundlegenden Regeln der Sprache zu beachten.
[...]
[1] Vgl. :Behrndt, Selma-Maria/Steffen, Martina (Hrsg.) : Lese-Rechtschreibschwäche im Schulalltag, Frankfurt 1996, S. 25.
[2] Vgl. : http:// www.kjp.uni-marburg.de/kjp/legast/leg/ueberblick.htm
[3] Vgl.: Wendlandt, Wolfgang: Sprachstörungen im Kindesalter4, Stuttgart 2000, S. 81f.
[4] Vgl. : Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 85.
[5] Vgl. : Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 0.
[6] Vgl. : Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 1ff.
[7] Vgl. : Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 5ff.
[8] Vgl. : Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 20ff.
[9] Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 23.
[10] Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 30.
[11] Kainz, Friedrich: Die Sprachentwicklung im Kindes- und Jugendalter, München: 1964, S. 33.
- Arbeit zitieren
- Julia Köttler (Autor:in), 2003, Kindlicher Schriftspracherwerb und mögliche Störungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56432
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