Jurij Striedter sieht in Čechovs dramatischem Werk einen „Wendepunkt in der Geschichte des Dramas“ . Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Umbruch „vom realistischen zum modernen Drama und Theater“ trage Čechovs Abkehr vom aristotelischen Postulat des Dramas als Nachahmung menschlichen Handelns bei. Während Striedter von Handlungsarmut in Čechovs Dramen spricht, geht Peter Szondi noch einen Schritt weiter und beschreibt jene als eine „Absage an die Handlung und den Dialog – die zwei wichtigsten Formkategorien des Dramas“ .
Gerade den traditionellen dramatischen Dialog entkräftigt Čechov in seinem Werk radikal. Die äußere Kommunikation seiner Charaktere beruht häufig weniger auf miteinander reden als vielmehr aneinander vorbeireden und monologisieren. „Entscheidend ist hier das Zurückgehen auf eine ‚unterhalb’ der Charaktere und der Dramenhandlung anzusetzende Ebene der sprachlichen und szenischen Zeichen“ .
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Čechovs nonverbale Gestaltungsmittel dazu beitragen, Menschenbilder, Zwischenmenschliches und bestimmte Phänomene wie gesellschaftliche Kommunikationsschwierigkeiten darzustellen.
Zunächst scheint es interessant, zu untersuchen, in welcher Weise Anton Čechov Nonverbales in seinem Bühnenwerk verankert und einsetzt. Zum Verstehen ist es notwendig, die verschiedenen nonverbalen Gestaltungsmittel im Drama erst einmal zu kategorisieren und zu katalogisieren. In diesem Punkt gründet sich die Arbeit auf dementsprechende Ergebnisse der Theatersemiotikerin Erika Fischer-Lichte. Im Anschluss an eine allgemeine Beschäftigung mit dem szenischen Repertoire des Theaters folgt eine Beschreibung der nonverbalen Verfahren im ersten Akt von Čechovs „Drei Schwestern“ und der Versuch einer Deutung. Es ist anzumerken, dass die einzelnen Zeichen, die ein Schauspieler in seiner Rolle als Bühnenfigur aussendet, in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Wenn es einen klaren Bezug zwischen den verschiedenen Zeichen gibt, bestärken und unterstützen sie sich entweder gegenseitig oder sie widersprechen sich. Letzteres ergibt das sogenannte „double bind“, das ein Ansatzpunkt für Ironie auf der Bühne sein kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Nonverbales
- Die Kennzeichen des Raumes
- Raumkonzeption des Theaterbaus
- Bühnenraum
- Dekoration
- Requisiten
- Licht
- Die Erscheinung des Schauspielers
- Die Maske
- Die Frisur
- Das Kostüm
- Paralinguistische Zeichen
- Sprachbegleitende paralinguistische Mittel
- Sprachersetzende paralinguistische Mittel
- Stimmliche Qualitäten
- Kinesik
- Mimik
- Gestik
- Proxemik
- Nonverbale akustische Zeichen
- Geräusche
- Musik
- Schlussbemerkung
- Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Analyse nonverbaler Gestaltungsmittel in Anton Cechovs Dramen und untersucht, wie diese dazu beitragen, Menschenbilder, zwischenmenschliche Beziehungen und gesellschaftliche Kommunikationsschwierigkeiten darzustellen. Dabei wird insbesondere das Werk „Drei Schwestern" als Beispiel herangezogen. Die Arbeit stützt sich auf die Ergebnisse der Theatersemiotik, insbesondere die Erkenntnisse von Erika Fischer-Lichte.
- Die Bedeutung nonverbaler Verfahren in Cechovs Dramen
- Kategorisierung und Katalogisierung nonverbaler Gestaltungsmittel
- Analyse der nonverbalen Verfahren im ersten Akt von „Drei Schwestern"
- Deutung der nonverbalen Zeichen in Bezug auf die Figurencharakterisierung und die Darstellung von Kommunikationsschwierigkeiten
- Die Rolle der nonverbalen Verfahren im Kontext der gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Cechovs Dramen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der nonverbalen Verfahren in Anton Cechovs Dramen ein. Es wird erläutert, dass Cechovs Werk einen „Wendepunkt in der Geschichte des Dramas" darstellt und seine Abkehr vom aristotelischen Postulat des Dramas als Nachahmung menschlichen Handelns einen wesentlichen Beitrag zu diesem Umbruch „vom realistischen zum modernen Drama und Theater" leistet.
Das Kapitel „Nonverbales" bietet eine allgemeine Einführung in das Thema und stellt die verschiedenen Kategorien nonverbaler Gestaltungsmittel vor, die im weiteren Verlauf der Arbeit analysiert werden. Hierbei wird auf die Erkenntnisse von Erika Fischer-Lichte zurückgegriffen.
Im Kapitel „Die Kennzeichen des Raumes" werden die verschiedenen Elemente des Bühnenraums und ihre Bedeutung für die Interpretation des Dramas beleuchtet. Dazu gehören die Raumkonzeption des Theaterbaus, der Bühnenraum selbst, die Dekoration, Requisiten und das Licht.
Das Kapitel „Die Erscheinung des Schauspielers" widmet sich der Bedeutung der äußeren Erscheinung des Schauspielers für die Charakterisierung der Figuren. Hierbei werden die Maske, die Frisur und das Kostüm als wichtige Elemente des Erscheinungsbildes analysiert.
Im Kapitel „Paralinguistische Zeichen" werden die verschiedenen paralinguistischen Mittel, wie sprachbegleitende und sprachersetzende Laute, sowie die stimmlichen Qualitäten, untersucht. Es wird gezeigt, wie diese Mittel zur Charakterisierung der Figuren und zur Vermittlung von Emotionen und Beziehungen beitragen.
Das Kapitel „Kinesik" befasst sich mit den kinesischen Zeichen auf der Bühne, also den Gesichts- und Körperbewegungen des Schauspielers. Die Mimik, die Gestik und die Proxemik werden als wichtige Elemente der Bewegungssprache analysiert.
Im Kapitel „Nonverbale akustische Mittel" werden die nonverbalen akustischen Mittel, Geräusche und Musik, untersucht. Es wird gezeigt, wie diese Mittel zur Charakterisierung der Figuren und zur Gestaltung der Atmosphäre beitragen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Nonverbale Verfahren, Anton Cechov, Dramen, Drei Schwestern, Theatersemiotik, Raumkonzeption, Dekoration, Requisiten, Kostüm, paralinguistische Zeichen, Kinesik, Mimik, Gestik, Proxemik, Geräusche, Musik, Figurencharakterisierung, Kommunikationsschwierigkeiten, gesellschaftliche Verhältnisse.
- Arbeit zitieren
- Uta Künkler (Autor:in), 2001, Nonverbale Verfahren in Anton Cechovs Dramen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5374
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