Das Nibelungenlied - Höfischer vs. heroischer Code -
Der Sachsenkrieg (Str. 139-264)1
Beim Sachsenkrieg sehen wir eine rechtlich in sich geschlossene, in
gewissen Punkten typische, in gewissen Punkten atypische Fehde als
Rechtsform des Mittelalters vor uns.2 Es ergeht eine formelle Fehdeansage seitens der Sachsen und Dänen an Gunther, als Grund für die Fehde wird zwar nur angegeben, daß Gunther den Zorn der Könige erregt habe (vgl. 144,1), dieser fehlende Fehdegrund gibt aber noch keinen Anlaß von "unreglementierten Formen von Gewalt" zu sprechen, die nur Sîvrit als Vertreter solcher Gewalt antworten könne, wie CZERWINSKI meint.3 Das der Fehdegrund nicht genannt wird, heißt noch nicht, daß es keinen gibt. Jedenfalls schlägt Gunther die Möglichkeit des Verhandelns, die ihm geboten wird (146,1), aus und beruft den Kriegsrat ein, der aus seinen "friwenden" besteht, also seinen "Freunden", was hier meint, seinen Vasallen und Verwandten, den Angehörigen seines Hofes, die verpflichtet sind, ihm,
dem Befehdeten, beizustehen.
[...]
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1 Strophen des Nibelungenliedes werden zitiert nach: [Roswitha Wisniewski (Hrsg.)], Das
Nibelungenlied. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch herausgegeben von Helmut de Boor,
Mannheim: Brockhaus 22., rev. u. von Roswitha Wisniewski erg. Aufl. 1988. Die Zitate
erfolgen nach Strophe und Zeile im fortlaufenden Text in runden Klammern.
2 Zur Fehde und ihren rechtlichen und historischen Implikationen vgl. ADALBERT ERLER
(Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin: Schmidt 1971ff, Bd.1,
Sp.1083ff. Hierauf stütze ich mich im folgenden.
3 Vgl. PETER CZERWINSKI, Das Nibelungenlied. Widersprüche höfischer
Gewaltreglementierung, in: Winfried Frey u.a. (Hrsg.), Einführung in die deutsche Literatur
Inhaltsverzeichnis
- Der Sachsenkrieg (Str. 139-264)
- Fehdeansage und Kriegsrat
- Sivrits Treuegelöbnis
- Die Verabschiedung der Boten
- Heroische Taten im Krieg
- Der Zweikampf Sivrit - Liudegast
- Die Schlacht und der Sieg der Burgunden
- Die Ergebung der Feinde
- Der Sieg der Burgunden
- Die Friedensboten in Worms
- Kriemhilts Begeisterung für Sivrit
- Die Rückkehr der Burgunden
- Höfische Gastfreundschaft
- Sivrits Verbleib in Worms
- Vorbereitungen zum Fest
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert den Sachsenkrieg im Nibelungenlied (Str. 139-264) und beleuchtet die Interaktion von höfischem und heroischem Code im Kontext der Fehde. Es wird untersucht, wie die rechtlichen Aspekte der mittelalterlichen Fehde mit den heroischen Handlungen der Figuren zusammenspielen und welche Rolle Sivrit als herausragender Held in diesem Konflikt spielt.
- Die rechtliche Form der Fehde im Mittelalter
- Der Kontrast zwischen höfischem und heroischem Verhalten
- Die Rolle Sivrits als heroischer Krieger
- Die Darstellung des Kampfes und der Siegesfeier
- Die Verbindung zwischen Krieg und Minne
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beginnt mit der formalen Fehdeansage der Sachsen und Dänen an Gunther. Obwohl der Fehdegrund nicht genannt wird, lehnt Gunther Verhandlungen ab und beruft einen Kriegsrat ein. Sivrit, der sich noch nicht zum Hof zählt, schwört Gunther seine Treue und verspricht, ihm in der Fehde beizustehen. Die Boten werden höflich verabschiedet und erhalten Geschenke. Der eigentliche Krieg ist geprägt von heroischen Taten, "Raub" und "Brand" im Feindesland. Sivrit kämpft mit herausragender Tapferkeit und besiegt Liudegast im Zweikampf. Die Schlacht selbst ist von heroischer Gewalt geprägt, wobei Sivrit und seine Gesellen sich als Helden beweisen. Liudeger ergibt sich nach der Erkenntnis von Sivrits Identität. Die Burgunden feiern ihren Sieg und empfangen die gefangenen Feinde in höfischer Weise. Sivrit wird gebeten, in Worms zu bleiben, jedoch nicht aus "Minnecltchen" Gründen, sondern "Durch der scæne willen", was auf seine Liebe zu Kriemhilt schließen lässt. Der Text endet mit den Vorbereitungen zum großen Fest, auf dem Sivrit seinen Lohn erhalten wird, der jedoch nicht materieller Natur sein kann, sondern in Kriemhilt besteht.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Sachsenkrieg, den höfischen und heroischen Code, die Fehde, Sivrit als Held, die Minne, die rechtliche und historische Bedeutung der Fehde sowie die Darstellung von Krieg und Siegesfeier im Nibelungenlied.
- Arbeit zitieren
- Oliver Tekolf (Autor:in), 2002, Das Nibelungenlied - Höfischer vs. heroischer Code - Der Sachsenkrieg (Str. 139-264), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3969