FRAGESTELLUNG UND ZIELSETZUNG
Die Auseinandersetzung mit dem Traum als literarische Form nimmt im OEuvre des 1984 verstorbenen DDR-Schriftstellers Franz Fühmann eine herausgehobene Stellung ein. In ihr findet sein lebenslanger Wandlungsprozeß - von der Selbst-Kritik an seiner nationalsozialistischen Jugend ausgehend - charakteristischen Ausdruck. Fühmanns Beschäftigung mit dem Traum trägt einerseits die Kennzeichen einer psychoanalytisch unterstützten Selbsttherapie, die ihm Lebenskrisen zu meistern half, verweist andererseits aber auch auf den Traum als einer Quelle poetischer Inspiration, von der sich Fühmann, besonders in seiner letzten Schaffenszeit Möglichkeiten
neuen Erzählens erhoffte. Vor dem Hintergrund dieser Dialektik von Zeitgeschehen, Autobiographie und künstlerischem Werk haben sich die Träume Fühmanns zu einem wichtigen Beitrage zur deutschen Gegenwartsliteratur entwickelt. Diese Untersuchung widmet sich ihnen.
Die Stationen von Fühmanns Traumbeschäftigung sollen als Ausdruck seines Wandlungsprozeßes insgesamt nachgezeichnet werden. Damit ist dieser Aufsatz auch ein Beitrag zu der von Uwe Wittstock bei Franz Fühmann (und Christa Wolf) nachgewiesenen „Fähigkeit zu trauern“(1), die Margarete und Alexander Mitscherlich 1967 in ihrem „bis heute viel zitierten, aber offenbar wenig gelesenen Buch über ‘Die
Unfähigkeit zu trauern’ als die wesentliche Forderung einer wirkungsvollen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit beschrieben haben.“(2)
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1 Alexander und Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. Mit einem Nachwort der Autoren zur unveränderten Neuausgabe. München; Zürich: Pieper, 1986 (18. Aufl.; Erstausgabe: 1967).
2 Uwe Wittstock: Franz Fühmann. München: Beck, 1988. 53-54.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- Fragestellung und Zielsetzung
- Zur Literaturlage
- Aufbau der Untersuchung
- HAUPTTEIL
- Didaktisches Schreiben: „Traum 1958" (1959)
- Eintritt in die Literatur: „22 Tage oder Die Hälfte des Lebens" (1973)
- Vorspiel: „Böhmen am Meer" und „Das Judenauto" (beide 1962)
- „22 Tage oder Die Hälfte des Lebens" (1973)
- Auf der Suche nach einer Möglichkeit „reinen Erzählens": „Dreizehn Träume" (1983) und die Traumbuchfragmente
- Abschied vom „operativen Schreiben"
- Die Traumbuch-Fragmente (Chronologie)
- „Dreizehn Träume"
- EXKURS: HEINAR KIPPHARDTS „TRAUMPROTOKOLLE" (1981)
- Träume in der Literaturgeschichte
- Heinar Kipphardts „Traumprotokolle"
- ZUSAMMENFASSUNG
- BIBLIOGRAPHIE
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der Traumliteratur von Franz Fühmann, einem DDR-Schriftsteller, der 1984 verstarb. Sie verfolgt das Ziel, die verschiedenen Phasen von Fühmanns Auseinandersetzung mit dem Traum als literarische Form nachzuzeichnen und zu analysieren. Dabei wird Fühmanns Wandlungsprozess als Mensch und Künstler beleuchtet, der sich von der Selbstkritik an seiner nationalsozialistischen Jugend bis hin zur Suche nach neuen künstlerischen Möglichkeiten erstreckt.
- Die Entwicklung von Fühmanns Traumauffassung
- Die Rolle des Traumes als Quelle poetischer Inspiration und als Mittel der Selbsttherapie
- Der Einfluss psychoanalytischer Theorien auf Fühmanns Werk
- Die Verbindung von autobiographischen und zeitgeschichtlichen Elementen in Fühmanns Traumliteratur
- Der Vergleich von Fühmanns Traumliteratur mit anderen zeitgenössischen Traumbearbeitungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Analyse von Fühmanns „Traum 1958" (1959), die als ein Beispiel für sein frühes „didaktisches Schreiben" gilt. In dieser Phase nutzt Fühmann den Traum vor allem als literarischen Verfremdungseffekt und als Reservoir poetischer Inspiration. Die natürliche Logik des Traumes spielt dabei eine untergeordnete Rolle.
Im zweiten Kapitel wird Fühmanns „22 Tage oder Die Hälfte des Lebens" (1973) untersucht, ein fingiertes Tagebuch, das aus einer Reise nach Ungarn hervorgegangen ist. In diesem Werk zeichnet sich ein Wandel in Fühmanns Traumauffassung ab, der durch den Einfluss psychoanalytischer Theorien geprägt ist. Er beginnt, seine eigene Vergangenheit und seine Persönlichkeit kritisch zu hinterfragen und setzt sich mit dem Thema Erinnerung und Gedächtnis auseinander. Die Träume in diesem Buch haben einen eigenständigen, schwer entschlüsselbaren Sinn und werden als eine Art „Nachtstücke" zu den bewußtseinsorientierten Aufzeichnungen und Reflexionen betrachtet.
Das dritte Kapitel befasst sich mit Fühmanns „Dreizehn Träumen" (1983) und seinen Traumbuchprojekten. In dieser Phase hat Fühmann sein „didaktisches Schreiben" hinter sich gelassen und strebt nach einer „Möglichkeit reinen Erzählens". Er setzt sich intensiv mit der Traumtheorie C.G. Jungs auseinander und versucht, den Traum als eine eigenständige literarische Form zu etablieren. Seine „Dreizehn Träume" zeichnen sich durch eine hohe Verdichtung und eine Verschränkung von persönlichen und allgemeinmenschlichen Aspekten aus.
In einem Exkurs wird Heinar Kipphardts „Traumprotokolle" (1981) betrachtet, die einen anderen Ansatz in der Traumliteratur darstellen. Kipphardt verzichtet auf eine Analyse seiner Träume und präsentiert sie in ihrer Rohform, wobei er den Gehalt der Träume als eine Art „subversiven Spiegel des Unbewußten" versteht.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Traum als literarische Form, Franz Fühmann, DDR-Literatur, psychoanalytische Theorien, Selbsttherapie, Wandlungsprozess, Erinnerung, Gedächtnis, autobiographische Elemente, zeitgeschichtliche Elemente, C.G. Jung, Heinar Kipphardt, Traumprotokolle. Die Arbeit analysiert die Entwicklung von Fühmanns Traumauffassung und die Rolle des Traumes in seinem Werk, sowie die Verbindung von autobiographischen und zeitgeschichtlichen Elementen in seiner Traumliteratur. Des Weiteren wird Fühmanns Werk mit anderen zeitgenössischen Traumbearbeitungen verglichen, insbesondere mit den „Traumprotokollen" von Heinar Kipphardt.
- Arbeit zitieren
- M.A. Oliver Wieters (Autor:in), 1990, Der Traum als literarische Form: Franz Fühmanns Traum-Erzählungen und -Notate, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1977
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