Erprobtes und bewährtes Material für Studienanfänger, ebenfalls geeignet für die gymnasiale Oberstufe und zur Vorbereitung auf das Abitur.
M e t a p h e r: gr. metaphora: Übertragung; eine Figur bildhaften Sprechens, die Verwendung eines Wortes nicht im eigentlichen (lexikalischen), sondern im (uneigentlichen) übertragenen Sinn; die Übertragung eines Wortes in eine kon-textuelle Bildvorstellung unter Beibehaltung eines Ähnlichkeitsbezuges.
Ein Einzelwort kann keine (echte) Metapher sein, sie braucht einen „Lendenschurz als Kontext“ (so Harald Weinrich) und bedarf eines „Reitersprungs der Phantasie“ (Federico Garcia Lorca). Die m. E. beste Definition hat Harald Weinrich in „Semantik der kühnen Metapher“[1] gegeben: „Eine Metapher ist ein Wort in einem Kontext, durch den es so determiniert wird, dass es etwas anderes meint, als es bedeutet.“ Demzufolge hat der Verfasser im schulischen Alltag der gymnasialen Oberstufe drei Arten von Metaphern unterschieden:
a) verblasste oder tote Metaphern, die in die Alltagssprache eingegangen sind, wie auch schon Jean Paul unseren täglichen Wortschatz „eine Sammlung erblasseter Metaphern“ genannt hat, und die nicht mehr als solche wahrgenommen werden, wie Flussarm, Stuhlbein, Flaschenhals oder Autoschlange.
b) konventionelle Metaphern:
* Wenn ein listiger Fuchs durch eine spitze Bemerkung trotz fauler Ausrede etwas auf dem Kerbholz hat, so bleibt das Auge des Gesetzes, mit trockenem Humor, aber vor Wut kochend und mit eisigem Blick, ob die Sonne scheint oder der Himmel weint, am Ball, wartend, dass ein Stein des Anstoßes ihm zum Quell der Freude werde - das sind 13 konventionelle Metaphern.
c) echte oder kreative oder kühne Metaphern:
In der so verstandenen Metapher wird das Gemeinte durch eine bildliche Vorstellung zum Ausdruck gebracht, die aus einem anderen Bereich als das Bild stammt und im Gegensatz dazu keine reale Beziehung zum Gemeinten hat, sie kombiniert also ohne Abbildungsfunktor (wie, als ob, gleichsam) etwas für unvereinbar Geltendes und signalisiert als suggestive Direktfügung ihre Intention nur innerhalb des Kontextes, ist somit „eine widersprüchliche Prädikation“ (Weinrich). „Wenn in der Metapher „Du bist die Rose vom Wörthersee“ das „Du“ keine wirkliche Rose ist, ist die damit verbundene Prädikation widersprüchlich.“[2] Eine ähnliche Meinung hat in der Bochumer Diskussion über die Metapher auch der angesehene Anglist der Ruhruniversität Bochum Ulrich Suerbaum vertreten: „Wie die Ironie dadurch etabliert wird, dass der Kontext die Diskrepanz zwischen Gesagtem und Gemeintem aufdeckt, so wird die Metapher dadurch determiniert, dass der Kontext die Nicht-Identität des semantisch Identifizierten deutlich macht . Der König war ein Löwe ist nur metaphorisch, wenn der König kein Löwe ist. Gesunkene Metaphern (Exmetaphern, Metaphernleichen), bei denen die Kontextsignale der Nicht-Identität fehlen, sind keine Metaphern.“[3]
Ich habe oben meine Begriffsbestimmung der Metapher in Anlehnung an Harald Weinrich vorgenommen. Wer seine Argumentation im Einzelnen nachlesen und nachvollziehen möchte, kann das in den Literaturangaben unter (1) und (2) tun. Ein wohl leichter zugänglicher, wenn auch kürzerer Text über die Semantik der kühnen Metapher findet sich in dem Cornelsen-Lesebuch „Texte, Themen und Strukturen“.[4]
Hier erklärt Weinrich den Metaphernbegriff an dem Verlaine-Gedicht „Clair de lune“, das mit einer Identifikationsmetapher so beginnt: „Eure Seele ist eine erwählte Landschaft.“
Davon ausgehend habe ich wiederholt, in Übereinstimmung mit meinem lang-jährigen Kollegen Bernhard G., meinen Schülern die Metapher durch dieses Tafelbild zu erklären vermocht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus diesen Einzelaspekten ergibt sich, dass „die tatsächliche Determination des Kontextes gegen die Determinationserwartung des (Einzel-) Wortes gerichtet ist.“ Mit diesen drei in einem Tafelbild festgehaltenen Merkmalen ist die Metapher „definierbar als ein“ in seiner Bedeutung reduziertes „Wort in einem konter-determinierenden Kontext.“[5]
Ich greife eine Stelle aus Umberto Ecos 2000 erschienenem Roman „Baudolino“ heraus, um die Praktikabilität des Weinrichschen Erklärungsschemas aufzuzeigen: Man schreibt das Jahr 1204. Konstantinopel brennt lichterloh. Inmitten des Untergangs erzählt uns ein gewisser Baudolino aus dem Piemont seine unglaubliche Lebensgeschichte. Er ist von Barbarossa adoptiert worden und befolgt am kaiser-lichen Hofe vor allem diesen Rat des Bischofs Otto von Freising: „Willst du ein Mann der Schrift werden, so musst du auch lügen und Geschichten erfinden können, sonst wird deine Historia langweilig.“ Was ist nun wahr, und was ist gelogen von dem, was Baudolino erzählt? Seinem Bericht zufolge studierte er zunächst in Paris Semiotik, den Rotwein und die Frauen. Im sechsten Kapitel hören wir von einer, „sie“, das ist Beatrix, die Gemahlin des Kaisers[6]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hugo Friedrich hat den Wandel über die Kontext- zur Konterdetermination eine „Abbreviatur des Bedeutungsumfanges“ genannt, doch abbreviieren will auch ich an dieser Stelle, denn sonst erzähle ich noch, wie Baudolino nach der Zerstörung Mailands mithilft, die Legende der Heiligen drei Könige zu erfinden, deren einer in Wirklichkeit eine Frau war …
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
So einfach erkennt man Metaphern …
Wer jetzt aufschreit, der lese John Hawkes’ 1964 erschienene Erzählung „Second Skin“: „Der Schrei … der zwischen meinen Zähnen eingeklemmt saß, war eine schwarze Fledermaus, die verzweifelt in meinem aufgeblähten Mund kämpfte und zappelte … mit zusammengepressten Augen und Lippen wusste ich, dass jeden Augenblick die schleimige schwarze Spitze des skelettartigen Flügels sichtbar werden musste.“ Oder er tröste sich mit der Tagebuchnotiz von Franz Kafka: „Ich wärme mich daran in diesem traurigen Winter. Die Metaphern sind eines in dem vielen, was mich am Schreiben verzweifeln lässt.“[7]
[...]
[1]) Harald Weinrich, Semantik der kühnen Metapher, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Heft 37 (Metzler: Stuttgart) 1963, S. 325 ff. oder kürzer in: Sprache in Texten, Klett: Stuttgart 1976, S. 317
[2]) Jürgen C. Thöming, Zur Bildlichkeit der fiktiven Ebene poetischer Texte, in: Grundzüge der Literatur- und Sprachwissenschaft, Band 1: Literaturwissenschaft, hg. v. Heinz Ludwig Arnold und Volker Sinemus, dtv: München 51978, S. 195
[3]) rezitiert nach: Ingeborg Meckling, Metapher. Einführung in bildhaftes Denken und Schreiben, Diesterweg: Frankfurt/ M. 1987, S. 45
[4]) Texte, Themen und Strukturen. Deutschbuch für die Oberstufe, hg. v. Biermann/ Schurf, Cornelsen: Berlin 1999, S. 371 f.
[5]) Cornelsen-Lesebuch, S. 372
[6]) Umberto Eco, Baudolino. Roman. Aus dem Italienischen von Burkhard Kroeber, dtv: München 2003, S. 87
[7]) Franz Kafka, Tagebücher, hg. v. Max Brod, New York 1954, S. 550 f.
- Arbeit zitieren
- M.A. Gerd Berner (Autor:in), 2012, Ausführliche Erläuterungen zur Metapher für Oberstufenschüler und Studienanfänger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189466
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